Selbstständige ziehen Resümee – Teil III

Die Freiheit und ihr Preis

Sie haben sich entschieden, auf eigene Rechnung zu arbeiten. In der Hoffnung auf mehr Selbstbestimmung – und vielleicht auch mehr Geld. Geht diese Rechnung auf? Vier persönliche Bilanzen.





„Seit ich alles selbst mache, rechnet es sich gerade so.“

Selbstständig seit: 2004, eigene Musikschule in Königsbrunn seit 2016
Wöchentliche Arbeitszeit: 50 Stunden
Bruttoeinkommen im Monat: 2980 Euro
Einbußen durch die Corona-Krise: 30 Prozent

Warum arbeiten Sie auf eigene Rechnung?

Ich bin seit 15 Jahren selbstständiger Schlagzeuglehrer. Bis vor fünf Jahren habe ich auf Honorarbasis an privaten Musikschulen unterrichtet, inzwischen habe ich meine eigene Schlagzeugschule. Solange ich für andere gearbeitet habe, bekam ich nur die Hälfte von dem, was die Schülerinnen und Schüler für den Unterricht bezahlten.

In meine Arbeitszeit fällt nicht nur das Unterrichten selbst. Ich schreibe auch Noten für meine 31 Schüler, publiziere Lehrbücher über das Schlagzeugspielen und pflege meine Social-Media-Profile. Außerdem bilde ich mich weiter, dafür habe ich schon um die 25 000 Euro ausgegeben. Vor der Corona-Zeit habe ich nebenher auch Gigs gespielt, diese Einnahmequelle fällt zurzeit weg. Außerdem habe ich sieben Schüler verloren. Durch die Krise verdiene ich also weniger, obwohl ich mehr arbeite: Ich unterrichte nicht einfach über Zoom, sondern nehme für meine Schüler Lehrvideos auf und gebe ihnen Aufgaben. In Videocalls besprechen wir dann, wie das Üben lief und klären offene Fragen.

Können Sie etwas zurücklegen?

Seit ich alles selbst mache, rechnet es sich gerade so. In der Regel habe ich am Monatsende aber schon in normalen Zeiten nichts übrig. Falls doch, investiere ich es in die nächste Weiterbildung oder in Equipment, das meinen Unterricht verbessert. Zuletzt habe ich 3000 Euro in Technik investiert: Ich möchte meinen Schülern Aufnahmen von einem mikrofonierten Schlagzeug mit verschiedenen Kamera-Perspektiven bieten. So kann ich meinen Online-Unterricht weiter verbessern.

Würden Sie es wieder so machen?

Auf jeden Fall. Als Schlagzeuger habe ich kaum eine Chance auf eine Festanstellung. Wenn ich in meinem Beruf arbeiten will, muss ich das als Selbstständiger machen. Fürs Angestelltendasein wäre ich wohl auch nicht der Typ.

Was man in meinem Beruf in keiner Ausbildung lernt, sind wirtschaftliche Aspekte. Wie viel Honorar ich verlangen kann oder wie ich meine Steuern mache – das musste ich erst lernen. Vieles hätte ich gerne früher gewusst, das hätte mir die eine oder andere negative Erfahrung mit dem Finanzamt erspart. Was mich ärgert: Von den Coronahilfen ist bei mir nichts angekommen. Weil ich weitergearbeitet habe, war ich nicht antragsberechtigt. Es war kein gutes Gefühl, zu sehen, wie sich der Staat um die großen Konzerne kümmert. Wir Musiker stehen in der Nahrungskette ganz unten – uns hat man allein gelassen.

Dieser Artikel ist aus der neuen brand eins:

Unter den Sammelbegriff Selbstständige fallen Schauspieler genauso wie IT-Spezialisten und Gastronomen – eine bunte Welt. Sie fühlen sich von der Politik ignoriert, sind aber glücklicher als Angestellte. Was wir von ihnen lernen können und wie wichtig sie für unsere Wirtschaft sind.

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