Selbstständige ziehen Resümee – Teil II

Die Freiheit und ihr Preis

Sie haben sich entschieden, auf eigene Rechnung zu arbeiten. In der Hoffnung auf mehr Selbstbestimmung – und vielleicht auch mehr Geld. Geht diese Rechnung auf? Vier persönliche Bilanzen.





„Vollzeit in die Selbstständigkeit will ich nie wieder zurück.“

Selbstständig: 2016 bis 2020
Wöchentliche Arbeitszeit: Mal so, mal so
Bruttoeinkommen vor Corona: 35.000 bis 40.000 Euro jährlich als Freie
Bruttoeinkommen seit Corona: ein paar Hundert Euro als Freie, seit Beginn der Pandemie Wechsel in Festanstellung
Einbußen durch die Corona-Krise: fast 100 Prozent

Warum haben Sie auf eigene Rechnung gearbeitet?

Frei zu arbeiten kann toll sein. Ich konnte mir meine Zeit selbst einteilen und entscheiden, wann ich aufstehe und wie viel ich arbeite. Ich schreibe Bücher und Beiträge als freie Journalistin, zum Beispiel für »Zeit Online« oder den »Spiegel». Als Autorin kann ich tagelang herumstreifen und Inspiration sammeln, um meinen 10 000-Zeichen-Text dann in zwei Stunden am Rechner runterzuschreiben. So hatte ich viele Einnahmequellen – und viel Freiheit.

Konnten Sie dabei etwas zurücklegen?

Nicht wirklich. Mit einer psychischen Vorerkrankung, die einer medikamentösen Betreuung bedarf, bekam ich als Freie keine Arbeitsunfähigkeitsversicherung. Jedenfalls nicht, solange ich noch Medikamente nahm. Man muss viele Jahre gesund sein, um wieder eine bezahlbare Versicherung zu finden. Menschen wie ich rutschen so sofort in die Arbeitslosigkeit, wenn sie krank werden, egal wie viel sie vorher verdient haben. Da sind auch Rücklagen schnell aufgebraucht. Das finde ich skandalös, und die Erfahrung, ohne finanzielle Absicherung dazustehen, brauche ich nicht noch mal.

Die Corona-Krise hat mich mit voller Wucht getroffen. Ende Januar 2020 kam mein viertes Buch „Nix Passiert“ raus. Ich hatte gerade meine Lesereise begonnen, als der erste Lockdown kam. Einen Großteil des Absatzes machen meine Bücher über den stationären Buchhandel – der fiel erst mal weg. Die Lesereise musste ich abbrechen, da konnte ich also auch keine Bücher verkaufen. Auch die Berichterstattung ging zurück: In den Medien ging es vorrangig um die Pandemie, über Literatur wurde nicht mehr viel berichtet.

Mir brachen also von heute auf morgen so gut wie alle Einnahmen weg. Auch die Medienhäuser gerieten in Schieflage: Aus zwei bis drei Anfragen für Magazintexte pro Monat wurden zwei bis drei Anfragen im ganzen Jahr. Da habe ich mich schnell entschieden, mich wieder anstellen zu lassen. Jetzt arbeite ich in Vollzeit als Social-Media-Leiterin beim öffentlich-rechtlichen Online-Politik-Format „Die da oben!“ von Funk, dem Content-Netzwerk von ARD und ZDF. Ich schreibe erst einmal nur noch selten frei nebenher.

Wollen Sie zurück in die Selbstständigkeit, wenn die Pandemie vorbei ist?

Nein. Vollzeit arbeiten als Selbstständige will ich nie wieder. Dazu hat das Arbeiten als Freie zu viele Nachteile in Deutschland. Es war auch schön, selbstständig zu arbeiten. Aber ganz ehrlich: Flexible Arbeitszeiten habe ich in meiner jetzigen Festanstellung auch. Dafür weniger Ängste. Ich schlafe jetzt wesentlich besser, denn ich weiß, dass mein Gehalt mir sicher ist.

Dieser Artikel ist aus der neuen brand eins:

Unter den Sammelbegriff Selbstständige fallen Schauspieler genauso wie IT-Spezialisten und Gastronomen – eine bunte Welt. Sie fühlen sich von der Politik ignoriert, sind aber glücklicher als Angestellte. Was wir von ihnen lernen können und wie wichtig sie für unsere Wirtschaft sind.

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