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Updates aus dem Rathaus, Teil VII

Claus Ruhe Madsen ist der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt: der Hansestadt Rostock. Seit September 2019 ist der parteilose Däne offiziell im Amt. Zuvor hat er eine Möbelkette und eine Wohnmobilvermietung gegründet und war von 2013 bis 2019 Präsident der Industrie- und Handelskammer zu Rostock.

Im siebten Teil von „Updates aus dem Rathaus“ berichtet Claus Ruhe Madsen über seine Idee eines kostenlosen öffentlichen Personennahverkehrs, einen Digitalisierungsschub infolge der Corona-Krise und über persönliche Anfeindungen.



Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

— Rostock, Mai 2020

brand eins: Herr Madsen, woran arbeiten Sie gerade?

Claus Ruhe Madsen: Am Projekt „Hochwasser“. Meine Senatoren und Amtsleiter bekommen von mir die Aufgabe, sich vorzustellen, dass am 1. Oktober das Wasser so stark ansteigt, sodass wir erneut alle Mitarbeiter der Stadt ins Home Office schicken müssen. Alle Abteilungen sollten bis dahin entweder ein Schiff gebaut oder sich Gummistiefel besorgt haben.

 

Sie scherzen.

Im Ernst möchte ich so schnell wie möglich unsere Verwaltung digitalisieren und für jede Abteilung ein Konzept zur mobilen Arbeit erstellen. Während der Pandemie habe ich 2.000 meiner 2.400 Mitarbeiter von heute auf morgen ins Home Office geschickt. Das hat mehr oder weniger gut funktioniert, war aber improvisiert – wir mussten uns sogar die Laptops aus unseren Schulen borgen.

Was erwarten Sie sich davon?

Ich erwarte keine perfekten Lösungen, aber gute Ansätze, die wir dann schrittweise verbessern können. Ich möchte zum Beispiel wissen: Welche IT brauchen wir für diesen Zweck? Und wie können wir Abläufe automatisieren, für die es klare Regeln gibt und für die es kein Fingerspitzengefühl braucht? Unter meinen Mitarbeitern spüre ich jetzt eine Bereitschaft zu Veränderungen. Die sollten wir nutzen.

Wird es am Ende auch eine Kostenfrage?

Der entscheidende Kostenfaktor ist Ineffizienz als Folge überholter Arbeitsweisen. Wir schicken zum Beispiel immer noch Papierakten durch die Stadt, die wochenlang unterwegs sind. Das ist nicht mehr zeitgemäß. 

In unserem vorherigen Gespräch hatten Sie die kühne Idee, aus der Rostocker Stadtautobahn einen Radschnellweg zu machen. Sie mussten von nahezu allen Parteien dafür Spott einstecken. Haben Sie mit diesen Reaktionen gerechnet?

Nein, nicht in dieser Form. Der Umbau der Stadtautobahn ist noch nicht vom Tisch. Wir prüfen sogar noch zusätzlich, ob wir eine Autospur des Warnowtunnels zu einer Fahrradspur machen können. Der Tunnel verbindet die beiden Flussufer im Rostocker Norden miteinander. Man muss die Kritik allerdings ins Verhältnis setzen. Ich habe auch viele positive Rückmeldungen auf diesen Vorschlag erhalten. Die Art und Weise der Kritik hat mir aber auch gezeigt, wie man hier mit Ideen umgeht. 

Wie meinen Sie das?

Manchmal habe ich den Eindruck, dass manche Kritiker lieber gegen etwas sind als für etwas. Als Unternehmer habe ich ein anderes Verständnis von Politik. Ich war zum Beispiel vor wenigen Tagen bei der Rostocker Straßenbahn AG und habe gefragt, ob es möglich wäre, dass alle Rostocker immer samstags kostenlos unsere Straßenbahnen nutzen können. Das wird gerade geprüft. Die Kritiker werden wahrscheinlich sagen: Das ist ja schon wieder so eine irre Idee! Doch für mich ist das ein Weg zur Belebung der Innenstadt und der öffentlichen Verkehrsmittel. Ich möchte an alle Parteien und Bürger appellieren: Lasst uns bitte über neue Ideen nachdenken.

Vielleicht bekämen Sie mehr Unterstützung, wenn Sie sich mehr mit den Parteien abstimmen würden?

Ich höre oft: „Claus, das hättest du vorher mit uns abstimmen müssen.“ Nein, das muss ich nicht. Ich weiß, dass es besser ist, sich vorher abzusprechen, statt sich öffentlich zu kritisieren. Allerdings kann ich im Vorfeld nicht immer alles mit jedem abstimmen. Auch Fraktionen stellen Anträge, ohne sie vorher mit mir durchzusprechen.

Haben Sie sich schon daran gewöhnt, dass viele Konflikte öffentlich ausgetragen werden?

Mir wurde einmal gesagt: Als Oberbürgermeister bin ich der größte Baum im Park. Und an diesem Baum reibt sich jeder gern. Inzwischen habe ich verstanden, warum irgendwelche Dinge über mich erzählt werden – weil es Aufmerksamkeit bringt. Ich kann jetzt besser damit umgehen. 

Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

Viele Bürgermeister sind öffentlichen Anfeindungen ausgesetzt.

Im Wahlkampf wurde mir gesagt: Das gehört zum Geschäft, daran musst du dich gewöhnen. Muss ich das wirklich? Mit sachlicher Kritik kann ich umgehen, aber was ich nicht verstehe, ist, wenn es persönlich wird.

Denken Sie da an etwas Besonderes?

Ja, vor der Stichwahl zum Amt des Oberbürgermeisters. Damals haben politische Gegner hauptsächlich kritisiert, dass ich Ausländer bin. Das hat mich menschlich sehr getroffen – und hat mir gezeigt, welche Einstellungen manche Menschen haben.

Haben Sie daran gedacht, auszusteigen?

Ja, denn ab einem gewissen Zeitpunkt ging es nur noch darum, gegen mich und mein Umfeld zu hetzen. Da habe ich mir gedacht: Das ist es nicht wert.

Claus Ruhe Madsen, 47,
gewann im Juni 2019 die Wahl zum Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock. Seit September ist der parteilose Däne, der während des Wahlkampfes von CDU und FDP unterstützt wurde, offiziell im Amt. Seit November begleitet ihn brand eins für die Online-Rubrik „Updates aus dem Rathaus“.

— Hier lesen Sie alle Teile der Serie „Updates aus dem Rathaus“