brand eins-Container: Landwirtschaft # 03

Politisches Umtopfen

Bürgerinnen und Bürger sollten mitbestimmen, wie unser Essen erzeugt wird, findet Gundula Oertel. Wie das gehen soll, sagt sie hier.





brand eins: Frau Oertel, welche Probleme wollen Sie lösen?

Gundula Oertel: Die Produktion von Nahrungsmitteln muss so gestaltet werden, dass sie weder dem Klima, den Böden noch der Biodiversität schadet. Und wir brauchen wieder eine Vielfalt an regionalen Sorten auf dem Acker.

Sie haben das Netzwerk der Ernährungsräte mitgegründet. Wer macht da mit?

In Deutschland sind mehr als 60 lokale Bündnisse aktiv. Hier in Berlin waren Wissenschaftlerinnen von der Humboldt-Universität, ein Landwirt, einer der Betreiber der Markthalle Neun und andere an der Gründung beteiligt.

Sie wollen die Bevölkerung mehr in die Agrarpolitik einbinden. Wie genau?

Wir wollen einen Rat der Bürgerinnen und Bürger. Der Bundestag müsste diesen einladen. Die Teilnehmer würden dann per Los ermittelt, sodass ein möglichst repräsentativer Querschnitt der Bevölkerung entsteht. Diese Gruppe muss keinerlei Voraussetzungen erfüllen und soll sich frei von Parteizwängen mit der entscheidenden Frage beschäftigen: Was ist unser Essen wert?

Wäre dazu nicht Vorwissen hilfreich?

Nicht unbedingt. Aber zu Beginn braucht es fachlichen Input, gerade bei komplexen Themen. Die Zukunft unseres Ernährungssystems darf kein Nischenthema für Expertenkommissionen bleiben. Auch sollte es nicht wie bisher vor allem zwischen Politik, Wirtschaft und Lobbyverbänden verhandelt werden. Die Bevölkerung braucht demokratische Kontrolle darüber, was auf den Teller kommt.

Was haben Sie schon erreicht?

Im Koalitionsvertrag steht, dass die Bundesregierung Bürgerräte einsetzen und sich mit deren Empfehlungen befassen will. Erste Erfahrungen mit dem Instrument gibt es in Deutschland auch schon. In einer Machbarkeitsstudie, die vom Umweltbundesamt gefördert wurde, haben wir ausgearbeitet, wie das genau aussehen kann. Gerade fordern wir den Bundestag auf, einen Bürgerrat zu der von uns formulierten Frage einzusetzen.

Würden Sie den Rat zusammenstellen?

Nein, wir stehen nur hinter dem Vorschlag. Es gibt Institute, die sich auf solche Prozesse spezialisiert haben. Im Auftrag des Bundestags stellen diese die Teilnehmer möglichst vielfältig zusammen. Sie suchen dann geeignete Experten und Expertinnen, die ihr Fachwissen gut vermitteln können, und Moderatoren, die die Diskussionen begleiten.

Was tun Sie, wenn der Bürgerrat zu einer anderen Haltung kommt als Sie?

Diese Sorge ist nicht ganz unbegründet. Hoffnung gibt mir das Beispiel Irland. Nachdem Bürgerräte sich für eine Liberalisierung des Abtreibungsrechts und für die gleichgeschlechtliche Ehe positioniert hatten, fielen Referenden in der Bevölkerung dort ebenfalls positiv aus. ---

Gundula Oertel ist Biologin, beschäftigt sich als Journalistin mit Agrarpolitik und setzt sich für Bürgerräte ein. Das Interview entstand aus ihrer Rückmeldung auf den brandeins-Container zu Landwirtschaft.


Viele Landwirtinnen und Landwirte sind von den Zwängen des Marktes getrieben – darunter leiden oft sie selbst, die Umwelt oder die Tiere. Jeder Einzelne kann dazu beitragen, das zu ändern. Das Prinzip heißt: solidarische Landwirtschaft.

Text: Ulrich J. C. Harz und Sylvia Kolbe


Die Agrarökonomin Insa Theesfeld erforscht, wie sich Ressourcen in der Landwirtschaft am klügsten nutzen lassen. Sie ist überzeugt: Solidarische Landwirtschaft ist mehr als ein Nischen-Phänomen.

Interview: Sarah Sommer