DorFuchs

Der Student Johann Beurich aus Radebeul bringt Schülern auf Youtube Mathe bei, indem er Formeln in Ohrwürmer verwandelt. Das gefällt auch vielen Lehrern.





Für einen Youtube-Star ist Johann Beu­rich Coolness erstaunlich egal: kurze Hose, graues T-Shirt, pragmatischer Kurzhaarschnitt. Beurich ist 22 Jahre alt, wohnt noch bei seinen Eltern, geht gern in die Kirche und besitzt einen IQ von 137 – den hat er beim Hochbegabtenclub Mensa messen lassen. Schon in der Pubertät trank er keinen Alkohol, heute bleibt es meistens bei einem Radler. Discos mag er nicht besonders, dafür aber Mathe. Sehr sogar. Und dann ist Johann Beurich, Mathematikstudent aus Radebeul bei Dresden, eben auch noch Rapper – und so etwas wie ein kleiner Internet-Star.

Bekannt geworden ist er unter seinem Pseudonym DorFuchs (Der Fuchs, gesächselt) als Deutschlands größter (und mutmaßlich einziger) Mathe-Rapper. Er rappt über die pq-Formel, binomische Formeln, die Eulersche Zahl – alles große Hits, die meisten Hunderttausende Male angeklickt, alles mathematisch sauber, mit Herleitung der Regeln und der Formel als Refrain.

Millionen haben seine Videos auf Youtube inzwischen gesehen. Mädchen fragen ihn in der Kommentarspalte, ob sie nicht mal etwas mit ihm trinken gehen können, weil sie ihn „so süß“ finden. Er saß bei Stefan Raab auf der „TV total-“Couch und wurde an seinem ersten Tag als Student an der TU Dresden von einem Kamerateam des ZDF begleitet. Das alles scheint ihn selbst immer noch zu überraschen – all diese Aufmerksamkeit wegen ein paar Mathe-Songs. „Wieso die Leute sich meine Videos angucken, kann ich eigentlich gar nicht so richtig beantworten“, sagt er. „Die meisten wollen wohl tatsächlich etwas lernen. Und einige finden es natürlich auch witzig.“

In der sechsten Klasse, erzählt Beurich, sollte er in der Schule ein Selbstporträt malen – mit Dingen im Hintergrund, die er mochte. Er malte sich vor einem Hintergrund voller Zahlen. „Die Erfolgserlebnisse in Mathematik waren für mich fast wie eine Droge.“ Ihm fällt die Mathematik leicht, er hat einen einfachen, intuitiven Zugang zu ihr. In seinen Videos fällt sofort auf, dass da jemand eine unglaubliche Freude hat – am Lösen von Formeln, an der Eleganz der Herleitungen und an der Klarheit der Ergebnisse. Und weil er außerdem gern Musik macht (Beurich spielt Klavier, Gitarre, Schlagzeug, Bass und Akkordeon), verwandelte er als 16-Jähriger die pq-Formel zum Lösen quadratischer Gleichungen in einen Song. Als er fertig war, nahm er das Ganze mit der Kamera seiner Schwester auf, spielte Klavier dazu und stellte es bei Youtube ein – für seine kleine Gruppe von Abonnenten. „Das waren so wenige, viel passieren konnte da nicht.“

Dsc5324

In den folgenden Wochen stellte er verwundert fest, dass sein Video innerhalb eines Monats fast 2000-mal angeschaut worden war. Also machte er schnell noch eines. Diesmal über die binomischen Formeln – noch so eine Sache, an der kein deutscher Schüler im Mathe-Unterricht vorbeikommt. Und wieder waren da deutlich mehr Leute als sonst auf seinem Kanal. Das ist jetzt fünf Jahre her, und seitdem hat er nicht mehr aufgehört, Videos zu produzieren.

Beurich hat zwischendurch das Abitur gemacht, sein Studium begonnen, seinen Bachelor absolviert, einen Master angefangen. Er hat sich eine teurere Kamera gekauft, professionelles Licht und einen Greenscreen. Aber seine Songs haben sich im Prinzip kaum verändert. Es geht um Formeln und ihre Herleitung, immer in Reimform, immer tadellos vorgerechnet.

Zwar gab es bislang nie den großen Durchbruch, seine Videos sind nicht „viral gegangen“, sie haben sich also nicht explosionsartig verbreitet. Die Klickzahlen verliefen stattdessen wie eine klassische lineare Funktion mit positiver Steigung: kontinuierlich nach oben.

Tatsächlich ist der Grund für Beurichs Erfolg so einfach wie offensichtlich: Seine Videos und Songs eignen sich einfach gut zum Lernen – gerade für Teenager mit kurzer Aufmerksamkeitsspanne und geringer Frustrationstoleranz. Diverse Untersuchungen zeigen, dass es Menschen sehr viel leichter fällt, Dinge zu behalten, wenn sie mit einer Melodie verbunden werden. Auch deshalb können wir die Texte unserer Lieblingslieder nach vielen Jahren noch auswendig. „Eine Lehrerin hat mal gesagt: Deine Clips sind wie ein Ohrwurmspickzettel“, erzählt Beurich.

Er selbst schätzt, dass seine Songs bereits mehrere Tausend Mal von Pädagogen in deutschen Klassenzimmern vorgespielt wurden. Ab und zu schreiben ihm Lehrer, die kein Internet in der Schule haben oder bei denen Youtube auf dem Schulrechner gesperrt ist, ob sie sich das Video runterladen können. „Das erlaube ich dann natürlich.“ Hinzu kommen all die positiven Kommentare auf seiner Youtube-Seite. Da steht dann zum Beispiel: „Du hast mir heute echt den Hintern gerettet“, „Da versteht man ja endlich, warum diese Regeln gelten“, oder auch einfach: „Alter, wie gut bist du eigentlich?!?!“

Spott für seine Videos gibt es allerdings auch. Dann wird Johann Beurich in Kommentaren beispielsweise als „Opfer“ tituliert, man zieht über seinen Glauben her, oder irgendwer nennt die Videos einfach nur „Schrott“. Der Comedian Oliver Kalkofe hat sich mal in Kalkofes Mattscheibe über ihn lustig gemacht, ihn als „kleinen Streber“ bezeichnet und gemeint: „Das gibt Prügel auf dem Schulhof bis zum Abitur.“

Beurich fand das nicht witzig, aber seine Freunde haben sich schlappgelacht über die Vorstellung, dass er auf dem Schulhof verprügelt würde. Wurde er natürlich nicht. Coolness ist eben auch auf dem Schulhof nicht alles.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.

Mehr zum Thema:

Und darum geht es: Das Gehirn denkt nicht. Bildung hat nichts mit Wohlstand zu tun. Schlaue denken weniger nach. Formeln behält man leichter, wenn man sie singt. Unterricht braucht keine Klassen. Wir können mit verbundenen Augen Auto fahren. Bildung braucht Bindung.