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Updates aus dem Rathaus, Teil IX

Claus Ruhe Madsen ist der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt: der Hansestadt Rostock. Seit September 2019 ist der parteilose Däne offiziell im Amt. Zuvor war er Unternehmer, hat eine Möbelkette und eine Wohnmobilvermietung gegründet. Als Neuling im Politikbetrieb möchte er Rostock innovativer und lebenswerter machen.

Im neunten Teil von „Updates aus dem Rathaus“ spricht Claus Ruhe Madsen über einen kostenlosen öffentlichen Personennahverkehr, eigene Fehler und die wahre Bedeutung von Behördendeutsch.



Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

— Rostock, August 2020

brand eins: Herr Madsen, im September ist der öffentliche Nahverkehr in Rostock sonnabends kostenlos. Was bezwecken Sie mit dieser Idee?

Claus Ruhe Madsen: Ich möchte unsere Innenstadt beleben und unsere lokalen Händler unterstützen. Viele Filialen großer Ketten könnten schließen ebenso wie viele kleinere Läden. Deshalb müssen wir unser Stadtzentrum neu erfinden.

Im Stadtparlament kam der Vorschlag anfangs nicht bei allen gut an. Manche Politiker warnten vor überfüllten Bussen und Straßenbahnen oder hätten gern einen anderen Zeitpunkt gewählt.

Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie lange wir darüber diskutieren können, ob eine Sofortmaßnahme im September oder Februar sinnvoller wäre. Der September ist der optimale Monat – weil er der nächste ist.

Wie muss sich Rostocks Innenstadt verändern?

Wir müssen Angebote schaffen, die es nur dort gibt. Wegen 20 Prozent Rabatt auf Schuhe fährt niemand mehr in die Stadt. Wir brauchen öffentliche Kunst, Musik, Unterhaltung, vielleicht einen Clown, der durch die Straßen läuft und die Kinder unterhält, mehr Grünflächen und Sitzgelegenheiten, an denen wir uns gern aufhalten. Wir müssen lebenswerte Orte schaffen.

Das heißt, den Autoverkehr zu reduzieren.

Ja, wir wollen zum Beispiel das Ostseebad Warnemünde weitgehend autofrei machen. Der Plan ist, dass Besucher ihre Pkw zukünftig in Parkhäusern am Ortsrand abstellen und mit E-Bussen in die Stadtmitte oder an den Strand gefahren werden. Nächsten Sommer soll es losgehen – dann ist nur noch Anwohner- und Lieferverkehr erlaubt. Wir müssen eine menschenfreundlichere Stadt schaffen.

Woran denken Sie noch?

Ich würde gern schon jetzt darüber diskutieren, ob wir dieses Jahr an Silvester auf privates Böllern in Warnemünde verzichten können. Das ist ein emotionales Thema, aber es muss angepackt werden. Wir fanden dieses Jahr noch Monate später Raketen und anderen Müll in den Dünen. Ich könnte mir stattdessen ein Fest mit Buden und ein von der Stadt durchgeführtes Feuerwerk vorstellen.

Das ist nur ein Plan. Wann können die Bürgerinnen und Bürger mit den ersten wirklichen Verbesserungen rechnen? Zum Beispiel mit neuen Radwegen?

Ich verstehe, wenn die ersten langsam ungeduldig werden. Mir geht es nicht anders. Ich wünsche mir auch ein höheres Tempo.

Woran scheitert es denn?

Eventuell habe ich zu lange an meinem Grundsatz aus meinen Firmen festgehalten: arbeiten auf Augenhöhe. Ich musste erst lernen, dass ich verfügen muss, was wie bis wann zu tun ist. Außerdem habe ich einigen Mitarbeitern zu lange den Satz abgenommen: „Dafür müssen wir erst ein Konzept entwickeln.“ Inzwischen weiß ich, was das heißt: „Das ist jetzt nicht wichtig.“

Wollen Ihre Leute nicht arbeiten?

Wir haben viele motivierte Menschen in der Verwaltung, aber auch ein paar Flaschenhälse, durch die die Projekte nur schwer durchkommen. Einige haben eine andere Auffassung als ich, obwohl es ihre Aufgabe wäre, meine Vorhaben zu unterstützen. Ich wurde schließlich gewählt, um frischen Wind in die Verwaltung zu bringen.

Und jetzt?

Ich muss ein bisschen mehr König werden – was mir nicht liegt, wenn ich ehrlich bin. Und ich würde gerne nicht immer nur darüber sprechen, was alles nicht geht. Es wird zum Beispiel immer behauptet, es gäbe kein Budget für neue Geh- und Radwege – dabei wird seit Jahren nur die Hälfte des zur Verfügung stehenden Geldes verbaut.

Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

Wie wollen Sie das ändern?

Dänische Verwaltungen kaufen Dienstleistungen ein – wie zum Beispiel die Planung und den Bau von neuen Radwegen. In den Niederlanden bekommen die beauftragten Unternehmen mehr Geld, wenn sie das Projekt früher fertigstellen. Diesen Geist will ich in die Stadtverwaltung bekommen – ich denke an ein Belohnungssystem, damit Projekte schneller fertiggestellt werden. Die Zeit des „Das geht nicht“ und „Das haben wir immer so gemacht“ ist vorbei, jetzt geht es darum: „Wie machen wir es möglich?“

Wie lautet Ihr Zwischenfazit nach einem Jahr im Amt?

Wenn mir jemand vor einem Jahr gesagt hätte, dass ich Schulen schließe, Konzerte verbiete, die Hanse Sail absage und die Hälfte der Verwaltung ins Home Office schicke, hätte ich nicht geglaubt, dass ich danach noch als Oberbürgermeister im Rathaus sitze.

Und außerhalb des Rathauses?

Ich bin für alle der Oberbürgermeister – auf der Straße, im Schwimmbad, beim Bäcker. Daran muss ich mich noch gewöhnen.

Claus Ruhe Madsen (gesprochen: Mäsn), 48,
gewann im Juni 2019 die Wahl zum Oberbürgermeister der Hansestadt Rostock. Seit September ist der parteilose Däne, der während des Wahlkampfes von CDU und FDP unterstützt wurde, offiziell im Amt. Seit November 2019 begleitet ihn brand eins für die Online-Rubrik „Updates aus dem Rathaus“.

— Hier lesen Sie alle Teile der Serie „Updates aus dem Rathaus“