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Updates aus dem Ministerium, Teil III

Claus Ruhe Madsen ist der erste ausländische Minister einer deutschen Landesregierung. Seit Ende Juni 2022 ist der parteilose Däne in Schleswig-Holstein verantwortlich für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus. Zuvor war er bereits der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt, der Hansestadt Rostock.

Im dritten Teil der Serie „Updates aus dem Ministerium“ spricht Claus Ruhe Madsen über stockende Großprojekte, Kritik von der Opposition, Unterschiede zu seiner früheren Rolle als Oberbürgermeister – und die Angsthasenleiste.



Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

— Kiel, Dezember 2022

brand eins: Herr Madsen, vor etwa zwei Monaten sprachen wir über Ihre anstehende Einbürgerung. Haben Sie mittlerweile den deutschen Pass?

Claus Ruhe Madsen: Die Mühlen der Verwaltung mahlen langsam. Ich sage es mal so: Nächstes Jahr soll es in Kiel nach zweijähriger Corona-Pause wieder einen festlichen Empfang mit allen eingebürgerten Personen geben. Und der Kieler Oberbürgermeister hat mir gesagt, dass er sich sehr freuen würde, wenn ich dabei wäre. Das deute ich mal als: Es läuft.

Weniger nach Plan scheint die Ansiedlung des schwedischen Unternehmens Northvolt zu laufen. Die Schweden planen den Bau eines Autobatteriewerks mit bis zu 4000 Beschäftigten in Heide im Kreis Dithmarschen. Nach Meinung der Opposition ist das Projekt wegen Ihrer passiven Haltung in Gefahr.

Das sehe ich anders, wir sprechen nahezu täglich mit dem Unternehmen. Man darf nicht vergessen, dass sich die Rahmenbedingungen seit den ersten Gesprächen mit Northvolt vor etwa einem Jahr völlig verändert haben. Die Bauzinsen sind seitdem von 0,5 auf fast 4 Prozent gestiegen, die Baukosten für die Fabrik liegen nicht mehr bei vier, sondern bei sechs bis acht Milliarden Euro. Im Gegensatz zu uns locken die USA mit bis zu 800 Millionen an Fördermitteln. Wenn mir dann aus Reihen der Opposition gesagt wird: Claus, wir kennen die Lage, aber wir werden dir im Landtag trotzdem Dampf machen, wundert mich das.

Sie sind die Opposition im Parlament sogar direkt angegangen: „Warum streiten wir uns so viel darüber?“ Das hat mancher als übergriffig empfunden.

Die Opposition hat die Aufgabe, die Regierung zu kontrollieren und auch zu kritisieren – das ist auch gut so. Über den Gegenwind war ich aber dennoch überrascht. Alle Kolleginnen und Kollegen im Landtag wussten, dass ich intensive Gespräche mit dem Vorstand des Unternehmens führe. Außerdem hätte ich gedacht – aber da bin ich wohl ein bisschen zu naiv –, dass allen die Bedeutung dieser Ansiedlung für Schleswig-Holstein klar ist und es für einen parlamentarischen Schlagabtausch eher ungeeignet ist.

Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages
Plenarsaal des Schleswig-Holsteinischen Landtages

Es wirkte eher so, als hätten Sie der Opposition erklären wollen, wie sie sich zu verhalten habe.

Ich wollte niemandem sagen, was er zu denken hat. Mich ärgert nur, dass mir der Schwarze Peter für eine mögliche Investitionsentscheidung Northvolts zugunsten der USA bereits jetzt zugeschoben wird – obwohl ich mit aller Kraft für die Ansiedlung in Heide kämpfe. Und das ist nicht trivial: Wir verhandeln unter anderem über ein geeignetes Bauland, neue Gleise und Straßen sowie ein Restaurant in der Nähe der Fabrik.

Bis wann rechnen Sie mit einer Entscheidung der Schweden?

Ich hoffe auf das kommende Frühjahr, aber die Northvolt-Geschäftsleitung hat sich bisher nicht konkret festgelegt. Vorher sollten wir aber über ein anderes Thema sprechen.

Welches?

Über die Absenkung der Netzentgelte. Es kann nicht sein, dass wir in Schleswig-Holstein den meisten erneuerbaren Strom in Deutschland produzieren – aber den höchsten Strompreis zahlen. Ich würde Northvolt den hier erzeugten Windstrom gern zu einem geringeren Preis zur Verfügung stellen.

Ist das denn realistisch?

Dafür bräuchten wir ein Pilotprojekt, weil wir nicht nur ein Unternehmen fördern dürfen, sondern, wenn überhaupt, eine ganze Branche. Daran arbeite ich gerade. Wenn wir das schaffen, wird Schleswig-Holstein auch für andere Unternehmen attraktiver. Damit könnte ein kleines norddeutsches Wirtschaftswunder gelingen.

Sie denken gern groß. Zu den ambitionierten Projekten in Ihrem Verantwortungsbereich zählt die Fehmarnbelt-Querung, ein rund 18 Kilometer langer Straßen- und Eisenbahntunnel zwischen Dänemark und Deutschland. Wie ist da der Stand?

Für die geplanten Arbeiten haben wir einen zentralen Ansprechpartner gefunden, der dafür sorgen soll, dass die großen Akteure, die an dem Projekt beteiligt sind, miteinander reden – und nicht aneinander vorbei. Das Bundesverwaltungsgericht hat kürzlich zwei Klagen von Umweltverbänden abgewiesen, die fürchten, dass die beim Bau des Tunnels zerstörten Riffe nicht hinreichend ausgeglichen werden. Alle verfahrensrechtlichen Hindernisse sind nun beseitigt. Ich hoffe, dass wir jetzt durchstarten und die Chancen, die der Tunnel bietet, endlich nutzen können.

Claus Ruhe Madsen in seinem Kieler Büro
Claus Ruhe Madsen in seinem Kieler Büro

Als Rostocker Oberbürgermeister und Präsident der dortigen Industrie- und Handelskammer waren Sie noch gegen das Projekt. Nun sind Sie dafür. Wie kam es zu diesem Sinneswandel?

Kein Sinneswandel. Damals war es meine Aufgabe, den Standpunkt der Industrie- und Handelskammer und der Stadt Rostock zu vertreten. Es ging nicht um meine persönliche Meinung. In Rostock sah man die Gefahr, dass der Tunnel der Stadt wirtschaftlich schaden könnte. Es war meine Aufgabe, diesen Standpunkt zu vertreten. Jetzt darf ich auch offiziell für das Projekt sein.

Mir fällt auf, dass Sie bei unseren Treffen vorsichtiger formulieren als zu Ihrer Zeit als Rostocker Oberbürgermeister. Warum?

Für Ihre Serie „Updates aus dem Rathaus“ habe ich viel Prügel eingesteckt. Ich habe gemerkt, dass Geschriebenes härter rüberkommt als Gesprochenes und ein Satz wie „Ich bin sehr zufrieden mit meinen Leuten, aber ich habe auch ein paar Pappenheimer dabei“ dazu führt, dass jeder denkt, er sei einer dieser Pappenheimer. Deshalb bin ich vorsichtiger geworden – und möchte auch nicht mehr mit so vielen Ideen um die Ecke kommen, die noch nicht ganz zu Ende gedacht sind.

Welches Thema wollen Sie als nächstes angehen?

Bürokratieabbau. Auch wenn mir oft gesagt wird, dass das ein Loser-Thema sei, mit dem man nichts gewinnen könne. Das finde ich nicht. Ich spreche mit vielen Unternehmerinnen und Unternehmern, und fast alle sagen mir, dass die beste Unterstützung für sie der Abbau von Bürokratie wäre. Mir ist aber klar, dass das ein dickes Brett wird.

Was wollen Sie tun?

Ich erwäge eine Bundesrat-Initiative, wie wir Bürokratie in Deutschland abbauen können. Ich habe bereits alle Industrie- und Handelskammern in Schleswig-Holstein gebeten, Firmen aufzufordern, konkrete Vorschläge zu machen. Diese Vorarbeit ist wichtig, denn ich als Minister brauche auch Unterstützung. Ohne die hätte ich keine Chance und alle würden nur sagen: ja, ja – nächster Tagesordnungspunkt.

Auf dem Flur des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein: Claus Ruhe Madsen
Auf dem Flur des Ministeriums für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus des Landes Schleswig-Holstein: Claus Ruhe Madsen

Haben Sie den Eindruck, in Ihrem derzeitigen Amt mehr entscheiden zu können als im vorigen?

Als Bürgermeister beschlich mich manchmal das Gefühl, ein König ohne Königreich zu sein. Jetzt habe ich einen größeren Spielraum und kann mehr Einfluss ausüben – auch intern. Im Rathaus wurde mir häufig nur oberflächlich Respekt gezollt. Da hieß es: Oha – der Oberbürgermeister möchte Folgendes! Aber das hatte keine Konsequenzen. Ich musste jede Kleinigkeit offiziell verfügen, weil es nicht reichte, darüber gesprochen zu haben. Das funktioniert hier im Ministerium besser.

Stellen Sie weitere Unterschiede fest?

Im Ministerium herrscht eine strengere Hierarchie als im Rathaus. Ich werde oft mit „Herr Minister“ angesprochen – für mich als Dänen, der keinen Wert auf Titel legt, klingt das merkwürdig. Aber mir ist klar, dass es wertschätzend gemeint ist.

Wie hoch ist Ihre Arbeitsbelastung?

Offiziell habe ich eine 41-Stunden-Woche, arbeite aber viel mehr. Mein Kalender ist schon jetzt bis März komplett durchgetaktet. Besprechungen, Veranstaltungen, Auswärtstermine – manchmal habe ich das Gefühl, ich lebe in meinem Dienstwagen. Aber ich will nicht jammern, ich bin zufrieden. Ich mache diese Arbeit, weil ich sie machen will, und nicht, weil ich sie machen muss. Für manche Entscheidungen hätte ich aber manchmal gern etwas mehr Zeit.

Unterschreiben Sie Akten und Beschlüsse immer noch mit einem roten Stift?

Nein, inzwischen unterschreibe ich als Minister in Grün. Staatssekretäre in Rot, Abteilungsleiter in Braun, Referenten in Schwarz und Sachbearbeiter in Blau. Hier im Ministerium nennt man das die Angsthasenleiste, weil man sofort erkennen kann, wer noch nicht unterschrieben hat (lacht).

Der nächste Teil der Serie „Updates aus dem Ministerium“ erscheint im April 2023.
Alle bisherigen Teile der Serie finden Sie hier.