Lars Meier

Mancher engagiert sich neben dem Job für gute Zwecke. Lars Meier aber hat sein Unternehmen ganz in den Dienst von Benefiz-Projekten gestellt. In die investiert er enorm viel Zeit und Energie. Sein Antrieb: Furchtlosigkeit und eine robuste Geht-nicht-gibt’s-nicht-Mentalität.





• 600.000 Euro mit Tickets einnehmen für ein Konzert, von dem klar ist, dass es nie stattfinden wird? Eine Metropole mit 1,9 Millionen Menschen zum Stillstand bringen? Das schaffen eigentlich nur Kriminelle – oder ein Überzeugungstäter wie Lars Meier.

Wo immer in seiner Wahlheimatstadt Hamburg in jüngerer Zeit überraschende Das-packen-wir-mal-an-auch-wenn-keiner-daran-glaubt-Projekte aufpoppten, war der Kommunikationsberater selten weit. So geht die lukrative Idee, der Brunnenbau-Initiative Viva con Agua eine stetig sprudelnde Erlösquelle in Form einer eigenen Mineralwassermarke zu verschaffen, auf Meiers Überlegungen zurück (siehe auch brand eins 06/2023 „Null Rendite …“). Die blauweißroten Moin-Moin-Refugees-Buttons, mit der im Jahr 2015 Zehntausende Bürger Geflüchtete in der Stadt begrüßten: ebenfalls eine seiner Ideen. 2022 dann, nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, organisierte er mit seinem Verein MenschHamburg quasi über Nacht Wohnungen für ukrainische Familien, die bis heute betreut werden.

Zum Jahrestag des russischen Überfalls wiederum nutzte Meier seine guten Kontakte, um halb Hamburg lahmzulegen. Am 24. Februar dieses Jahres stoppten um 12 Uhr mittags alle Busse und Bahnen, am Flughafen stand der Betrieb still, in den Schulen wurde der Unterricht und beim Basketballverein Hamburg Towers das Training unter- brochen – eine Gedenkminute lang hielt die geschäftige 1,9-Millionen-Einwohner-Stadt einmal inne.

Spaßiger sind Meiersche Benefizveranstaltungen wie die Mau-Mau-Masters im Casino Esplanade der Spielbank Hamburg oder das alljährliche Kamelrennderby, bei denen Bürger zum Zocken verführt werden, damit möglichst viele Spenden zusammenkommen. Gemein ist diesen Aktionen, dass sie Menschen zusammenbringen, die sonst kaum zusammenfänden. Eine weitere Gemeinsamkeit: Mit all dem verdient Meier keinen Euro, sondern investiert im Gegenteil Geld, Zeit und Energie.

Nebenbei führt der 53-Jährige unter anderem noch einen lokalen Radiosender, veranstaltet den nachhaltigkeitsorientierten N-Klub und das Hanse Rendezvous, eine Art Kontakthof für Kulturschaffende – alles neben seinem eigentlichen Job als Kopf der Künstler- und Kommunikationsagentur Gute Leude Fabrik.
Warum macht Meier das? Und wie?

Wer auf der Suche nach Antworten die Agentur im Hamburger Schanzenviertel besucht, hat zunächst den Eindruck, versehentlich in eine Studenten-WG gestolpert zu sein. Abgewetzte Auslegeware, Ikea-Möbel, Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die auf dem Sofa im Flur ihre Lunchboxen leer futtern. Im Büro des Bosses befindet sich eine hochprozentig bestückte Bar, darüber hängt ein gerahmtes, verknittertes T-Shirt, auf das jemand mit Filzstift „Harald“ und „Juhnke“ gekritzelt hat. Während man die Devotionalie betrachtet, faltet Meier seine 1,93 Meter in einen knarzenden Bürostuhl. Mit seiner Leuchtturmlänge, buschigen Brauen und dem rotblondem Haarschopf ist er eine Erscheinung – keine schlechte Voraussetzung für jemanden, der beruflich von vielen wiedererkannt werden möchte.

Im Gespräch mit ihm wird schnell klar: Meier nach seinem Antrieb zu fragen ist etwa so sinnvoll, wie von einem Fisch wissen zu wollen, warum er schwimmt. Die Antworten des begnadeten Kommunikators erreichen nur Allgemeinplatz-Niveau: „Kultur macht das Leben bunt“ und „Mir reicht es einfach nicht, den örtlichen Sportverein zu promoten“. Rund 40 Prozent seiner Arbeitszeit investiere er in Pro-bono-Aktivitäten, den Rest in seine Agentur. Mit der wiederum wolle er immer nur so viel Geld verdienen, dass es für seine Herzensprojekte reicht.

Für seine Leute ist Meiers Aktivismus mitunter anstrengend. „Lars hebt mit seinen Aktionen regelmäßig die Agentur aus den Angeln – im positiven Sinne“, sagt Oliver Schütte, der Digitales und Podcasts bei der Agentur verantwortet. „Andererseits: Wer zu uns kommt, weiß vermutlich, dass wir Hamburg etwas zurückgeben wollen – und auf was er oder sie sich einlässt. Manche kommen gerade deswegen zu uns.“

Der Moderator und Autor Tobias Schlegl, ein Klient und langjähriger Freund Meiers, sagt: „Kultur ist Lars’ Lebenselixier. Insofern ist es nur logisch, dass er sich mit Haut und Haaren für sie einsetzt.“ Dieses Lebenselixierhafte wiederum hängt mit Meiers Vorgeschichte und drei Eigenschaften zusammen, die den Kulturmanager nicht nur in der Hansestadt zu einer Ausnahmeerscheinung machen.

Offenheit

Lars Meier war erst elf Jahre alt, als sein Vater nach langem Hautkrebsleiden starb. Dieser frühe Verlust habe ihn demütig gemacht, sagt er heute. „Ohne ihn wäre ich möglicherweise ein richtiges wohlbehütetes Arschloch geworden.“ Daheim im niedersächsischen Stadthagen rettete sich der junge Meier damals in die Musik, saugte alles auf, was ihm Halt versprach. Clubs und Bands wurden für ihn zum Vaterersatz.

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