Ein Viertel für alle

Hinter dem Bahnhof King’s Cross ist auf einer Industriefläche mitten in London ein neuer Stadtteil entstanden: lebendig, grün – und bezahlbar.





Dieser Artikel erschien in der Ausgabe 07/2023.

• Robert Evans ist bester Dinge. „Vergangene Woche haben wir den letzten Bauantrag für das letzte Gebäude eingereicht“, sagt er. Der Abschluss des über zwei Jahrzehnte andauernden Immobilienprojekts ist nun in Sicht. Evans, 52, ist einer der geschäftsführenden Gesellschafter bei Argent LLP. Der Londoner Immobilienentwickler ergatterte 2001 den Auftrag der Grundeigentümer, die Industriebrache im Stadtteil King’s Cross in ein lebendiges Viertel zu verwandeln. 24,5 Hektar, darauf 730.000 Quadratmeter Gebäudefläche, zehn neue öffentliche Plätze, Gesamtkosten von rund drei Milliarden Euro.

Es ist eines der größten Projekte dieser Art in Europa. Und sehr ambitioniert: klimaneutral, bezahlbar, für die Menschen gemacht. Ein Gegenentwurf zu sterilen Business-Vierteln wie der neuen Londoner Bankenmeile Canary Wharf. Dort befand sich früher eine ähnliche Industriebrache wie in King’s Cross.

Evans – akkurater Anzug, fester Händedruck, schneller Schritt – hat die Entwicklung von Anfang an begleitet. Sein Plan scheint aufgegangen zu sein: An diesem sonnigen Nachmittag im Mai spielen Kinder in einer großflächigen Brunnenanlage. Skateboarder rollen über Sandsteinplatten. Auf mit Kunstrasen bezogenen Stufen am Regent’s Canal, der das Areal durchkreuzt, sitzen Menschen verschiedenen Alters und picknicken, lesen, albern herum. Im Foyer des ehemaligen Kornspeichers, der heute das Central Saint Martins, eine Kunst-Universität, beherbergt, spielen eine Mutter mit ihrer Tochter Federball und zwei ältere Herren Tischtennis. In einem überdachten Freiluftareal stehen schwarzgekleidete Kunststudentinnen und rauchen. Am anderen Ende macht eine Fitness-Gruppe Burpees.

Gerade als ich Evans fragen will, ob er all das für Journalisten inszenieren lässt, sagt er: „Hier stehen am Wochenende Food-Trucks. Manchmal finden Flohmärkte statt. Und vorn am Kanal veranstalten wir im Sommer abends Open-Air-Kino. Morgens gibt es oft kostenlose Yogaklassen.“ Das klingt fast zu schön, um wahr zu sein. Aber wann immer ich in den nächsten drei Tagen über das Areal schlendere: Es ist stets etwas los. Je nach Uhrzeit, Wetter und Tag passiert etwas anderes. Und ich bekomme den Eindruck, dass die Menschen sich hier wohlfühlen. Woran liegt das? Was braucht ein Viertel, um lebenswert zu sein? Und: Wie hat man es in King’s Cross geschafft, diese Ideen umzusetzen?

Eine Antwort in 12 Thesen, entstanden auf Spaziergängen mit Verantwortlichen, Anwohnerinnen und einer Stadtplanerin.

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