Arno Bunzel

Nicht um jeden Preis

In Ballungszentren ist es fast unmöglich, eine bezahlbare Wohnung zu finden. Wie lässt sich das ändern?





1. Baulandmodelle

Viele Kommunen besitzen selbst nur noch wenige Flächen, die bebaut werden können. Deshalb wollen sie, dass private Bauherren bezahlbaren Wohnraum schaffen. Dabei sollen städtische Baulandmodelle helfen: Die Verwaltung knüpft Bebauungspläne für neue Wohngebiete an die Bedingung, dass der Bauherr einen bestimmten Anteil öffentlich geförderter Wohnungen vorsieht – wer dort einzieht, entscheidet die Stadt mit.

München machte 1994 den Anfang. In der bayerischen Landeshauptstadt war bezahlbarer Wohnraum schon damals knapp. Also beschloss die Stadt, Bauherren in die Pflicht zu nehmen, und entwickelte das Programm „Sozialgerechte Bodennutzung“. München hat dieses erste Baulandmodell im Laufe der Jahre immer weiter verschärft, es gilt als Vorbild für andere Städte, die in den vergangenen zehn Jahren ähnliche Regelwerke eingeführt haben, Berlin zum Beispiel, Hamburg und Düsseldorf.

München hat immer noch einen besonders angespannten Wohnungsmarkt. Arno Bunzel, Leiter des Bereichs Stadtentwicklung, Recht und Soziales beim Deutschen Institut für Urbanistik (Difu) in Berlin, sieht trotzdem einen Erfolg. Man müsse schließlich fragen: „Wie wäre die Lage, wenn die Münchner kein Baulandmodell gehabt hätten?“ Eine Studie des Immobilienanalysten Bulwiengesa hat ergeben, dass in der Landeshauptstadt zwischen 2019 und 2021 fast 20 Prozent der neu gebauten Wohnungen gefördert waren.

Es dauerte allerdings lange, bis sich die Wirkung zeigte. Baulandmodelle funktionieren generell nur dort, wo für die Zulassung eines Bauvorhabens ein Bebauungsplan aufgestellt werden muss. „Wenn bereits ein Baurecht besteht, darf die Zulassung nicht von weiteren Bindungen abhängig gemacht werden“, sagt Bunzel. „Alles andere wäre ein Eingriff ins Eigentumsrecht.“

Schon die große Koalition hatte eine Baulandkommission eingesetzt, die Vorschläge machen sollte, um dieses Problem zu lösen. Sie empfahl einen sogenannten sektoralen Bebauungsplan, der 2021 Gesetz wurde. Kommunen haben seitdem mehr Gestaltungsspielraum und können auch dort, wo es schon Baurecht gibt, leichter öffentlich geförderten Wohnungsbau in bestimmtem Umfang verlangen. Das Gesetz ist bis Ende 2024 befristet. Danach soll geprüft werden, ob sich das Gesetz eignet, um bezahlbaren Wohnraum zu schaffen.

„Baulandmodelle sind wichtig, damit Polizistinnen, Pflegekräfte und Verkäufer auch in 20 oder 30 Jahren noch in Städten wohnen können und nicht irgendwo 50 Kilometer draußen, wo die Preise wieder nachlassen“, sagt Arno Bunzel.

2. Erbbaurecht

Selbst wenn eine Kommune noch eigene Grundstücke besitzt, die sie Investoren für Wohngebäude überlassen kann: Sie darf Käuferinnen und Käufer nur für eine gewisse Zeit nach dem Verkauf zwingen, bezahlbare Wohnungen anzubieten. Derartige Auflagen müssen immer an die Dauer einer Förderung gekoppelt sein. Wenn diese endet, gibt es noch eine Nachwirkfrist von fünf bis zehn Jahren – danach steht es Investoren frei, nur noch teure Wohnungen anzubieten. Alles andere wäre ein Verstoß gegen das Angemessenheitsgebot. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs dazu ist laut Bunzel eindeutig.

Anders sieht es beim Erbbaurecht aus. Grundlage ist das mehr als hundert Jahre alte deutsche Erbbaurechtsgesetz, das schon zur Zeit seiner Entstehung bezahlbares Wohnen für breite Bevölkerungsschichten ermöglichen sollte. Die Idee: Die Kommune verkauft ihre Grundstücke nicht, sondern verpachtet sie mit sogenannten Erbbaurechten. Dafür zahlt der Pächter Zinsen, in einem Vertrag legen die Parteien die Bedingungen fest. Kommunen dürfen dabei für die Dauer der Erbbaurechte verlangen, dass der Pächter günstige Wohnungen anbietet – und das können bis zu 99 Jahre sein.

Dieses Prinzip erlebt eine Renaissance. Hamburg etwa will in Zukunft mehr Liegenschaften verpachten, statt sie zu verkaufen. Freiburg vergibt mittlerweile alle kommunalen Grundstücke nur noch im Erbbaurecht. Eine Untersuchung des Gewos-Instituts für Stadt-, Regional- und Wohnraumforschung von 2019 hat ergeben, dass bereits 17 von 49 Städten das Erbbaurecht im Bereich des Mietwohnungsbaus verstärkt anwenden.

Eine Variante: Städte verkaufen Grundstücke zwar, machen dafür aber eine Ausschreibung. Investoren können Gebote abgeben, und den Zuschlag bekommt das Angebot, das die niedrigsten Einstiegsmieten vorsieht. So macht das zum Beispiel die Stadt Münster.

3. Vorkaufsrecht

Bis November 2021 konnten Städte und Gemeinden in sogenannten sozialen Erhaltungsgebieten Investoren Häuser abkaufen, wenn diese Luxussanierungen mit hohen Mietsteigerungen planten. Sie verfügten über ein Vorkaufsrecht bei jedem Immobilien-Deal in dem betreffenden Viertel. Sobald der Notar den Kaufvertrag zwischen dem privaten Verkäufer und dem privaten Käufer beglaubigt hatte, konnte die Stadt das Objekt in der Regel innerhalb einer Frist zum verhandelten Preis übernehmen.

Doch dann kippte das Bundesverwaltungsgericht die Regelung weitgehend, weil es der Ansicht war, dass sie nur gelten kann, wenn eine Immobilie leer steht oder verfällt. Damit war das Instrument aus der Sicht von Kommunalverwaltungen praktisch nutzlos. Inzwischen hat die Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) zwar einen neuen Gesetzesentwurf erarbeitet. Doch der liegt seit mehr als einem Jahr zur Prüfung im FDP-geführten Justizministerium. Dort sperre man sich gegen das Vorhaben, vermuten Kritiker.

Dabei hatte sogar Bayerns Bauministerin Kerstin Schreyer (CSU) eine neue Regel gefordert, damit Städten das Vorkaufsrecht wieder zur Verfügung steht. Die Stadt München hält es für „das wirkungsvollste Instrument“ überhaupt, damit Spekulanten Mieter nicht aus der Innenstadt verdrängen.

Arno Bunzel sieht das ähnlich. Städte und Gemeinden müssten das Vorkaufsrecht nicht einmal ausüben. Oft genüge es, Druck auf Käufer auszuüben, nach dem Motto: Pass auf, wenn du dich nicht auf gewisse Bedingungen einlässt, dann könnte ich dir die Immobilie wegnehmen!

4. Innerstädtische Satzungen

Die Idee: Die Kommunen legen für bestimmte Viertel fest, dass Bauherren dort einen Anteil der Wohnbaufläche für öffentlich geförderten Wohnungsbau bereitstellen müssen. Städte mit angespannten Wohnungsmärkten könnten so leichter als per sektoralem Bebauungsplan Bindungen für Belegung und Miethöhe einführen. „Diese Idee ist bundespolitisch aber potenziell sehr umstritten“, sagt Bunzel. „Sie könnte das gleiche Schicksal erleiden wie das Vorkaufsrecht.“

Bei einem anderen Problem nutzen Kommunen schon länger Satzungen: Sie richten sich gegen Plattformen wie AirBnB, die das Vermarkten von Ferienwohnungen enorm vereinfacht haben. Vor allem in für Touristen attraktiven Orten bieten Immobilienbesitzer Wohnungen in der City als reine Feriendomizile an, weil das lukrativ ist. Da solche Wohnungen für Mieter vor Ort verloren gehen, erlassen immer mehr Städte kommunale Satzungen, die diese Entwicklung zumindest eindämmen sollen.

Die Stadt Köln etwa hat im Jahr 2014 eine Wohnraumschutzsatzung erlassen, mit Novellen in den Jahren 2019 und 2021. Sie verbietet zum Beispiel, mehr als die Hälfte der Fläche einer Wohnung für gewerbliche oder berufliche Zwecke zu verwenden, die Zimmer also als Ferienzimmer oder Büro zu vermieten zu Quadratmeterpreisen, die meist deutlich über dem Mietspiegel liegen. Ebenfalls untersagt ist es – bis auf wenige Ausnahmen –, Wohnungen und Einfamilienhäuser im Stadtgebiet länger als drei Monate leer stehen zu lassen.

Wer gegen die Satzung verstößt, dem drohen Bußgelder bis zu 50.000 Euro je Wohneinheit. Nach eigenen Angaben hat die Stadt Köln zwischen 2014 und 2019 mehr als 1500 Wohnungen untersucht und Strafen von insgesamt 510.000 Euro verhängt.


„Nun könnte man sagen: Sollen die Leute doch umziehen! Aber die wollen natürlich da wohnen, wo sie arbeiten und wo sie es attraktiv finden.“

5. Mietpreisbremsen und -deckel

In der Theorie ist die Sache klar: Wenn die Mieten stark steigen, lohnt es sich, neue Wohnungen zu bauen. Irgendwann übersteigt das Angebot die Nachfrage, Mietshäuser stehen leer, die Mieten sinken wieder. Doch in der Praxis funktioniert das nicht.

„Wohnungsmärkte sind keine normalen Märkte“, sagt Bunzel. Die verfügbare Fläche ist begrenzt, und man kann Wohnraum nicht von einer Stadt in die andere verlegen. „Nun könnte man sagen: Sollen die Leute doch umziehen! Aber die wollen natürlich da wohnen, wo sie arbeiten und wo sie es attraktiv finden.“

Unter anderem deshalb schränkt das Mietrecht die freie Vereinbarung von Mieten ein – zum Schutz der Mieterinnen und Mieter. Noch weiter geht die Idee, Mieten in ganzen Regionen zu bremsen oder zu deckeln.

Seit dem Jahr 2015 gilt bundesweit die sogenannte Mietpreisbremse. Demnach darf die Miete bei neuen Verträgen höchstens zehn Prozent über der ortsüblichen Vergleichsmiete liegen. In der Regel steht die im Mietspiegel der jeweiligen Stadt.

Die Mietpreisbremse gilt nicht überall in Deutschland, sondern nur in Städten mit angespannten Wohnungsmärkten. Wo die liegen, legt die Landesregierung per Rechtsverordnung fest. De facto haben vor allem Städte in Westdeutschland eine Mietpreisbremse, und zwar nicht nur München, Stuttgart, Köln und Frankfurt am Main, sondern zum Beispiel auch Lörrach, Bad Tölz, Dreieich und die Insel Wangerooge. Im Februar 2020 hat der Bundestag beschlossen, die Mietpreisbremse bis Ende 2025 zu verlängern.

Noch weiter ging der Mietendeckel, den das Bundesland Berlin im Februar 2020 einführte. Er sah eine Mieten-Obergrenze per Gesetz vor, die Vermieter bei neuen Verträgen nicht überschreiten durften. Alle bestehenden Mieten sollten für fünf Jahre auf dem Stand von Juni 2019 eingefroren werden. Man legte außerdem eine eigene Mietentabelle fest, in der je nach Alter und Ausstattung Kaltmieten für Wohnungen festgelegt waren. Lag der Mietzins 20 Prozent über der Tabellenmiete, dann sollte die Verwaltung sogar nachträglich eine Senkung durchsetzen.

Im März 2021 kippte das Bundesverfassungsgericht das Gesetz. Aus Bunzels Sicht keine gute Entscheidung: „Wenn ein Markt zusammengebrochen ist, dann muss ich diejenigen schützen, die auf ihn angewiesen sind. Ich fände es vernünftig, das im Mietrecht weiter zu forcieren – zumindest dort, wo wir massive Probleme haben, weil die Mieten sehr viel deutlicher steigen als die Löhne.“

6. Enteignung

Im Jahr 2017 initiierten Berliner Aktivisten den Volksentscheid „Deutsche Wohnen & Co. enteignen“. Ihre Forderung: Private, profitorientierte Immobiliengesellschaften, die mehr als 3000 Wohnungen in Berlin besitzen, sollten enteignet und unter öffentliche Verwaltung gestellt werden. Ihre Argumente: Konzerne wollen stets Mieten erhöhen, das liegt in ihrer Natur.

Tatsächlich hatte die Initiative Erfolg. Der Bürgerentscheid fand im September 2021 statt, die Mehrheit der Berlinerinnen und Berliner stimmten dafür. Der Senat ist nun verpflichtet, über ein Gesetz zur Enteignung privater Immobilienkonzerne zu beraten – und arbeitet an einem Vergesellschaftungsrahmengesetz.

Stadtentwickler Bunzel hält von Enteignungen wenig. „Das würde zu einer enormen Verunsicherung am Markt führen“, sagt er. „Und es würde wahnsinnig viel Geld kosten.“ Denn Enteignung heißt, dass der Staat die Eigentümer zum Marktpreis entschädigen muss. Was die Vergesellschaftung großer Wohnungsbestände in Berlin gekostet hätte, lässt sich nur schätzen. Fachleute gehen von zweistelligen Milliardenbeträgen aus.

„Ich glaube, dass man mit dem gleichen Geld auf andere Weise deutlich mehr erreichen könnte“, sagt Bunzel. Er empfiehlt Städten unter anderem, gezielt Belegungsrechte zu kaufen. Dabei zahlen sie nur einen kleineren Teil des Kaufpreises privater Wohnungen, können dafür dann aber verlangen, dass die Wohnung nur an Menschen mit Wohnberechtigungsschein vermietet werden darf.

7. Kommunale Wohnungen

Wenn es so schwer ist, private Investoren auf bezahlbare Wohnungen zu verpflichten, warum bauen Städte dann nicht gleich selbst? Für Arno Bunzel ist das eine Überlegung wert. „Die kommunalen Wohnungsbaugesellschaften hätten dauerhaft Wohnungen im eigenen Bestand“, sagt er. „Und Städte könnten sicherstellen, dass auch in 30 oder 50 Jahren noch faire und bezahlbare Wohnungen zur Verfügung stehen.“

Vorbild könnte der sogenannte Kommunalbau in der österreichischen Hauptstadt Wien sein. Etwa ein Viertel des Wohnungsbestandes befinden sich dort im Eigentum der Gemeinde, die damit die größte Immobilienbesitzerin Europas ist. Seit den Zwanzigerjahren des vergangenen Jahrhunderts bauen die sozialdemokratischen Stadtregierungen im „roten Wien“ schon eigene Wohnhäuser. Fast die Hälfte aller Mietwohnungen in Wien sind außerdem gefördert – die Mieten werden niedrig gehalten.

Das Problem: In Wien leben Mieter so in einer Zweiklassengesellschaft. Familien geben die kostbaren geförderten Wohnungen untereinander weiter. Wer neu nach Wien kommt, trifft auf einen zweiten, freien Markt, der auch angespannt ist.

Dennoch plädiert Bunzel für eine „neue Gemeinnützigkeit“, also einen zumindest staatlich geförderten, kommunalen Wohnungsbau. Dabei dürften aber keine Gettos entstehen wie in den Siebziger- und Achtzigerjahren – etwa in Köln-Chorweiler, München-Hasenbergl oder im Märkischen Viertel in Berlin: Hochhaussiedlungen, in denen heute überproportional viele arme Menschen leben.

„Das steht auch in jedem Konzept für Bauvorhaben, die öffentlich gefördert sind“, sagt Arno Bunzel. Die Planer müssten sicherstellen, dass später nicht nur Sozialhilfe-Empfänger einziehen, sondern auch Menschen, die Geld verdienen. ---