Künstliche Diamanten

Viele Jüngere wollen Luxus – aber bitte nachhaltig produziert. Deshalb kaufen sie lieber Diamanten, die synthetisch erzeugt statt unter fragwürdigen Bedingungen in Minen abgebaut werden. Über einen Markt im Umbruch.



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• Protzen gehört zum Rappen, auch der Superstar Drake tut es – selbst wenn er nur ein Basketball-Match schaut. In Toronto spielten 2022 die dort ansässigen Raptors gegen die Los Angeles Lakers. Der Rapper saß im unauffälligen T-Shirt im Publikum, doch an seinem Hals funkelte es: Er trug eine enorme Kette, ein Diamant reihte sich an den nächsten.

Sie war nicht von irgendeinem Anbieter, sondern von der Marke Homer, die durch den Musiker viel Aufmerksamkeit bekommt: In Drakes Song „Sticky“ heißt es: „Homer hangin’ on my neck / The bracelet matches the set“. Das Besondere: Die Firma verwendet keine Diamanten, die in den Tiefen der Erde entstehen, sondern setzt auf synthetische. Was an Drakes Hals glitzerte, kommt aus dem Labor.

Viele Jüngere lieben Luxus, denn das tun auch ihre Vorbilder aus dem Hip-Hop, der beliebtesten Musikrichtung der Millennials. Bis 2030 sollen 20- bis 30-Jährige für etwa ein Drittel des Umsatzes der Luxusbranche sorgen, prognostiziert die Unternehmensberatung Bain & Company.

Doch die Haltung vieler aus dieser Generation ist widersprüchlich: Sie haben nicht nur Spaß an Bling-Bling, sondern auch ein Bewusstsein dafür, dass Konsum schaden kann. Diamanten, die aus dem Boden geholt werden, sind in Verruf geraten, weil dabei oft Menschen ausgebeutet und Umweltschäden verursacht werden. Sich mit solchem Schmuck zu zeigen wäre für viele etwa so, wie Pelz zu tragen. Die Jüngeren wollten zwar Luxus, hätten aber ein anderes Verständnis davon, sagt Petra-Anna Herhoffer, Gründerin und Geschäftsführerin der Strategieberatung Inlux für Premium- und Luxusmarken. „Sie erwarten, dass Marken sich auch für Nachhaltigkeit oder soziale Gerechtigkeit einsetzen.“

Labordiamanten versprechen beides: Glitzer und gutes Gewissen.

Die synthetischen Edelsteine gelten als menschen- und umweltfreundlichere Alternative zu denen aus Minen. Und als solche werden sie vermarktet, sowohl von Anbietern als auch von Stars. Für Minenkonzerne wie De Beers, Alrosa und Rio-Tinto ist die Konkurrenz gefährlich. 2021 hatte der Markt für Labordiamanten ein Volumen von gut 20 Milliarden US-Dollar, bis 2030 erwartet das Marktforschungsunternehmen Markwide Research einen Anstieg auf knapp 52 Milliarden. Der Verkauf von klassischen Diamanten hingegen geht jährlich um mehr als zehn Prozent zurück.

Mit Diamantschmuck wurden 2021 fast 90 Milliarden US-Dollar umgesetzt. Führende Schmuck-Hersteller verwenden zunehmend Labordiamanten: Seit 2022 bietet die dänische Firma Pandora Kollektionen mit Labordiamanten an, Breitling hat im selben Jahr die erste Uhr mit solchen Steinen auf den Markt gebracht und will bis 2024 ganz auf natürliche Diamanten verzichten. Selbst De Beers, einer der größten Diamanthändler weltweit, stellt sich nun um und investiert in Labordiamanten. Währenddessen fallen die Preise für Diamanten aus Minen weiter.

Wie der Markt sich weiterentwickelt, ist noch nicht entschieden. Labordiamanten könnten künftig als grüne Luxus-Alternative wahrgenommen werden – oder zum billigen Massenprodukt werden, das den Wert des Originals eher noch steigert.

Es ist nicht lange her, da konnten Minenkonzerne ganz unbesorgt sein. Zwar versuchte sich immer wieder jemand an Imitaten, diese kamen aber nie auch nur annähernd ans Original heran. „Die synthetischen Diamanten, die seit den Fünfzigerjahren produziert wurden, sahen gelblich und trüb aus“, sagt Guido Grohmann, Hauptgeschäftsführer des Bundesverbands für Schmuck, Uhren, Silberwaren und verwandte Industrien. „Sie waren schlicht nicht schmucktauglich.“


Leonardo DiCaprio wurde durch die Arbeit am Film „Blood Diamond“ sensibilisiert und investiert heute in Diamanten aus dem Labor.

Kein Unterschied mehr zu erkennen

Das habe sich nun geändert, sagt Grohmann. „Mittlerweile imitieren Labore die Natur so gut, dass die Diamanten chemisch, physikalisch und damit auch optisch identisch mit denen aus der Erde sind.“ Fachleute erkennen heute nur noch mit speziellen Analysegeräten einen Unterschied. Für die Herstellung gibt es zwei Methoden: Das High Pressure High Temperature-Verfahren (HPHT) ahmt den enormen Druck nach, unter dem Diamanten entstehen. Bei der Chemical Vapor Deposition (CVD) wachsen kleinste Diamantsplitter unter Vakuum und Gasen heran. Die Herstellung dauert wenige Wochen.

Schmuck-Unternehmen werben damit, die Labordiamanten seien umwelt- und menschenfreundlicher als die klassischen. Stimmt das? Sicher ist: Die Schufterei in Minen lässt sich so umgehen.

Etwa 40 Millionen Menschen arbeiten nach einer Schätzung von Human Rights Watch weltweit in Kleinminen, in denen Gold oder Diamanten abgebaut werden, darunter viele Kinder. Heute kommen die meisten Diamanten aus Russland, Südafrika, Botswana und dem Kongo. Die International Labour Organization (ILO) kritisiert etwa die Diamant-Minen im Kongo scharf: Dorfbewohner würden oft von bewaffneten Gruppen zu der Arbeit gezwungen. Dabei seien sie gesundheitsschädigenden Stoffen ausgesetzt und bekämen nur minimale Löhne, wenn überhaupt. Bereits 2003 verständigte sich eine Staatengemeinschaft auf den sogenannten Kimberley-Prozess. Herkunftszertifikate sollen sicherstellen, dass nicht mit solchen Diamanten gehandelt wird, doch Kritiker bemängeln Schlupflöcher.

Einer breiten Öffentlichkeit wurde das Problem durch den Spielfilm „Blood Diamond“ aus dem Jahr 2006 bekannt, in dem Leonardo DiCaprio eine Hauptrolle spielt. Der Film thematisiert einen realen Hintergrund – den Handel mit sogenannten Blutdiamanten, die etwa in Sierra Leone Bürgerkriege finanziert haben.

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