Pendleton

Die Wolldecken und Hemden der Firma Pendleton sind seit Jahrzehnten tief in der amerikanischen Kultur verwurzelt. Doch wem gehören die indigenen Muster, die viele der Produkte ausmachen? Ein verzwickter Fall.





• Die Decken herzustellen, die Amerika seit mehr als hundert Jahren warm halten, ist ein aufwendiger Prozess: Rohwolle wird gereinigt, gefärbt und zu Fäden gesponnen. Diese Fäden laufen dann kilometerweit über Maschinen, bevor sie von einem maschinellen Webstuhl zu einem mehrfarbigen Muster gewebt werden. Die so entstandenen Stoffbahnen werden mehrfach kontrolliert, gebürstet und gekürzt. Zuletzt wird von Hand das Pendleton-Logo aufgestickt, der Rand eingesäumt und das Produkt ein letztes Mal inspiziert. Am Ende liegen die Decken auf hohen Stapeln in der Pendleton-Wollspinnerei in Washougal am Ufer des Columbia River in Washington, eine halbe Stunde entfernt von Portland.

Manche der Decken sind einfarbig, manche gestreift. Viele zeigen jedoch Büffel, Wildpferde, Vogelfedern oder verschachtelte Rauten- und Zickzackmuster. „Indianermuster“, hätte man früher gesagt. „Inspiriert von der Kunst der amerikanischen Ureinwohner“, heißt es heute auf der Website des Unternehmens. Es sind diese Muster und Abbildungen, für die Pendleton Wollen Mills, so der offizielle Firmenname, zunehmend in der Kritik steht. Eine Firma von Weißen, die Geld mit indigener Kunst verdient – das sei ein klarer Fall von kultureller Aneignung.


Die Firma Pendleton stellt ihre bunt gemusterten Wolldecken auf Webstühlen in Oregon und Washington her. Sie sind Teil der Firmenkultur, trotz der Kritik von Indigenen

Kulturelle Aneignung, so definiert es zum Beispiel die US-Juristin Susan Scafidi in ihrem Buch „Who Owns Culture?“, liege vor, „wenn man sich bei dem intellektuellen Eigentum, dem traditionellen Wissen, den kulturellen Ausdrücken oder Artefakten“ anderer Kulturen bediene, „um damit den eigenen Geschmack zu bedienen, die eigene Individualität auszudrücken oder schlichtweg: um daraus Profit zu schlagen“.

Der auf die amerikanischen Ureinwohner spezialisierte Historiker Michael Leroy Oberg sagt: „Kulturelle Aneignung kann sich auf viele Arten äußern. Manche davon sind vergleichsweise harmlos. Zum Beispiel wenn Kinder sich für ein klischeehaftes und überholtes Bild von Indigenen begeistern.“ Andere Fälle seien schlimmer, etwa Sportteams mit rassistischen Namen wie „Redskins“ oder „Savages“ oder Logos mit Karikaturen von knollennasigen oder Tomahawk-schwingenden Indigenen. „Lange Zeit verstanden auch da viele Menschen nicht, was daran schlimm sein soll. Inzwischen ist es zum Glück Konsens, dass sich solche Mannschaften umbenennen und andere Bilder verwenden.“

Recherche im Reservat

Doch wo auf dieser Skala von ungeschickt bis ausbeuterisch befindet sich Pendleton mit seinen Mustern? Um das zu verstehen, lohnt ein Blick in die Geschichte des Unternehmens. 1909 übernehmen die drei Brüder Clarence, Roy und Chauncey Bishop eine stillgelegte Wollspinnerei und Weberei in Pendleton, Oregon, ungefähr 300 Kilometer östlich von Portland, dem heutigen Firmensitz. Ihr Großvater Thomas Kay, ein britischer Weber, war 1863 in die USA eingewandert. Unter dem Namen Pendleton Woolen Mills beginnen die Brüder Wollstoffe zu produzieren. 1912 kommt eine weitere Fabrik in Washougal vor den Toren Portlands hinzu. Rund um die Produktionsstätten befinden sich Reservate der Yakama, Nez Perce, Umatilla, Cayuse und zahlreicher anderer Stämme. Die Wolldecken werden schnell zum mit Abstand erfolgreichsten Produkt der jungen Firma. „Damals gab es überall noch Handelsposten, wo Siedler und Ureinwohner Waren tauschten“, sagt Susanna Scott, die Designchefin der Einrichtungssparte von Pendleton bei einem Gespräch im Hauptquartier des Unternehmens. „Die Ureinwohner schätzten Pendleton-Decken sehr und tauschten sie gegen Felle, Leder oder andere Waren ein.“


Denn die Webstühle der Firma können nicht jedes Muster erzeugen. 


„Unsere technischen Möglichkeiten definieren die Muster.“

Die Decken waren anfangs noch einfarbig oder gestreift, doch die Firma wollte die Verbindung zu ihrer indigenen Kundschaft stärken. In den Zwanzigerjahren sandte es daher Joseph Rawnsley, einen Experten für Webmuster, aus. Er lebte monatelang in verschiedenen Reservaten und befragte die Stämme nach ihren Vorlieben. Das sei eine Art Marktforschung gewesen, sagt Scott. „Welche Muster sind beliebt? Welche Farben kommen gut an?“ Mithilfe dieser Anregungen fertigte Rawnsley Dessins, die auf den Webstühlen von Pendleton realisiert werden konnten. Pro Reihe waren zum Beispiel nur zwei unterschiedliche Farben möglich – und Vorder- und Rückseite bildeten farbliche Negative. Nicht jedes Bild und Muster ließ sich also exakt nachweben. „Die Stämme mochten unsere Decken und wollten etwas, das sich nach ihren Dessins anfühlt“, sagt Scott. „Aber das musste und muss immer übersetzt werden. Unsere technischen Möglichkeiten definieren die Muster.“

Seinen größten Hit landete Rawnsley um 1923 mit einem Muster, das er „Chief Joseph“ nannte – und das Pendleton bis heute in Dutzenden Farbvarianten fertigt. Es ist das wohl bekannteste und meistverkaufte Dessin der Firma oder wie es eine Kollegin von Susanne Scott formuliert: „Unser Nike Swoosh.“

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An der Wand hinter Geschäftsführer John Bishop ist eines der vielen von indigener Kunst inspirierten Muster des Unternehmens zu sehen

Das prägnante Muster ist nach dem heroischen Häuptling des Stammes der Nez Perce benannt, die sich der US-Regierung lange widersetzten und die Rawnsley bei seiner Recherche besuchte. Es ist eine farbenfrohe Kombination indigener Dessins mit geometrischen Formen orientalischer und europäischer Muster. Man kann also die kreative Leistung Rawnsleys hervorheben und argumentieren, dass sich Kultur immer aus verschiedenen Einflüssen speise, aus Fusion, Pastiche und Zitaten. Das ist auch – verständlicherweise und erwartbar – Pendletons Position. Jahrzehntelang stellte diese auch niemand infrage. Dank Qualität und enger Verbindung zur Kundschaft gelang es dem Unternehmen vielmehr, zu einem Teil der indigenen Kultur zu werden.

Das ist es bis heute. Die Decken sind begehrte Geschenke zu Geburten, runden Geburtstagen oder Schulabschlüssen. Sie werden auf Pow Wows (Feiern) getauscht, und manche amerikanischen Ureinwohner lassen sich in einer ihrer Pendleton-Decken bestatten.

Zu den Umsätzen gibt das Familienunternehmen keine Auskunft. Geschätzt werden diese auf etwa 190 bis 267 Millionen Dollar im Jahr. Neben den beiden Produktionsstätten betreibt Pendleton derzeit 37 Läden und zwei Logistikzentren für den Versandhandel in den USA.

Harry Potter und die Hipster

Das Phänomen kulturelle Aneignung ist nicht neu, so ließ sich der französische Adel schon im 17. Jahrhundert modisch von orientalischen und persischen Trachten inspirieren. Kritik daran kam erst viel später auf, erreichte in den USA Anfang der Nullerjahre einen ersten Höhepunkt und breitete sich von dort in andere Länder aus. Wann die Vorwürfe, Pendleton mache sich kultureller Aneignung schuldig, Fahrt aufnahmen, lässt sich nicht mehr exakt datieren. Für die einen begann es 2017. Damals brachte Pendleton eine Kollektion von Decken und Schals auf den Markt, die indigene Symbolik mit der Harry-Potter-Brille und den Wappen der verschiedenen Hogwarts-Häuser kombinierte. Das sei eindeutig eine indigene Bildsprache gewesen, um die ein paar Harry-Potter-Insignien angeordnet wurden, sagt der Historiker Michael Leroy Oberg. „Abgesehen davon waren die Decken sehr hässlich.“

Für andere begannen die Probleme schon zuvor: 2009 kooperierte die Firma mit der New Yorker Modemarke Opening Ceremony für mehrere gemeinsame Kollektionen, und etwa gleichzeitig wurden Pendleton-Produkte auch in Läden der Lifestyle-Kette Urban Outfitters verkauft. „Wir müssen uns als Traditionsmarke treu, aber gleichzeitig zeitgemäß und relevant bleiben“, so die Begründung von Susanna Scott. „Und jede neue Generation muss Pendleton neu kennenlernen.“

Die Absicht der Firma, nun auch die jüngere und kaufkräftige Zielgruppe urbaner Hipster anzusprechen, kam bei den amerikanischen Ureinwohnern nicht gut an. Diese sahen ihre Muster plötzlich auf Kaffeetassen, T-Shirts, Laptophüllen und teuren Mänteln. Adrienne Keene, Kulturwissenschaftlerin an der Brown University und Mitglied der Cherokee Nation, brachte deren Unbehagen in einem Blogbeitrag von 2011 auf den Punkt: „Ich weiß die Verbindung von Pendleton zu den indigenen Gemeinschaften sehr zu schätzen. Ich liebe meine Pendleton-Decken, und noch mehr liebe ich, wofür sie stehen“, schrieb sie. „Wenn ich jedoch sehe, wie Hipster in Pendleton-Kleidung die Straße entlangmarschieren (…), dann macht mich das wütend. Es ist ein kompliziertes Gefühl, denn als Ureinwohnerin fühle ich mich als Eigentümerin dieser Muster, aber auf einer rationalen Ebene ist mir klar, dass sie nicht unbedingt unser Eigentum sind. Für mich fühlt es sich an, als könnten uns Nichtindigene noch etwas wegnehmen – als ob unser Land, unsere Mokassins, unsere Kopfbedeckungen, unsere Perlen, unsere Religionen, unsere Namen und unsere Kulturen nicht schon genug wären.“


Susanna Scott, Designchefin der Einrichtungssparte bei Pendleton, will mit der Marke einerseits fest in der Kultur der Ureinwohner verankert bleiben – und andererseits eine neue Kundschaft ansprechen

Die Firma reagiert auf die Kritik

John Bishop ist seit 2015 Geschäftsführer von Pendleton Woolen Mills. Er ist der Ur-Ur-Urenkel von Thomas Kay – dem Großvater der drei Gründer – und ein ruhiger Mann mit Kinnbart. Hinter seinem Schreibtisch hängt eine breitwandige Schwarz-Weiß-Fotografie eines Ureinwohners, der über einen Canyon blickt. „Es gab zum Glück nicht den einen großen Moment, an dem Kritik über uns hereinbrach“, sagt Bishop. „Aber kulturelle Aneignung hat sich im Laufe der Zeit zu einem Thema für uns entwickelt, und wir haben verstanden, dass wir dafür sensibel sein müssen.“

Es habe nie einen radikalen Kurswechsel gegeben. Aber das Unternehmen habe dazugelernt. „Wir haben unsere Konkurrenz auch deshalb überlebt, weil wir unserer indigenen Kundschaft nicht wie andere Hersteller schlechtere Ware untergejubelt haben“, sagt Bishop. „Wir versuchen seit 1909 alle unsere Kundinnen und Kunden mit Respekt zu behandelt. Und solange man das tut, kann einem nicht allzu viel passieren.“

Auch wenn es nicht die eine große Kurskorrektur gab, hat sich bei Pendleton in den vergangenen Jahrzehnten doch einiges verändert: Seit 1995 hat die Firma unter anderem 1,7 Millionen Dollar an den American Indian College Fund gespendet. Die Wohltätigkeitsorganisation ermöglicht Ureinwohnern einen besseren Zugang zu Bildung. Seit 2016 fördert Pendleton die Native American Rehabilitation Association, einen Verband, der sich um die körperliche und psychische Gesundheit von Indigenen im Nordwesten der USA kümmert. Und seit 2019 unterstützt die Firma über das Fort Lewis College die Erhaltung indigener Kunst und aktive Künstlerinnen und Künstler.

Dass unter den vier fest angestellten Designerinnen und Designern bei Pendleton keine Ureinwohner sind, hält das Unternehmen für unproblematisch, weil sich nicht alle Entwürfe an der indigenen Kultur orientierten, sondern es auch karierte Hemden und gestreifte Handtücher zu entwerfen gelte. Für neue Muster beauftragt das Unternehmen seit einigen Jahren aber oft indigene Künstlerinnen und Künstler. Eine davon ist Emma Robbins vom Stamm der Diné, wie sich die Navajo selbst nennen. Emma Robbins ist auch geschäftsführende Direktorin des Navajo Water Projects der Nichtregierungsorganisation Digdeep. Diese setzt sich für den Zugang zu fließendem Trinkwasser ein, in den Reservaten oft keine Selbstverständlichkeit. „Auch wenn Pendleton ursprünglich nichts mit unserer Kultur zu tun hatte, sind die Decken im Laufe der Zeit zu einem wichtigen Teil davon geworden“, sagt Robbins, die inzwischen in Los Angeles lebt. „Wir lassen unsere Decken bei Zeremonien segnen, und eine Pendleton-Decke geschenkt zu bekommen ist eine große Ehre und zeigt, dass jemand dich sehr liebt.“

Elvis Presley
Presleys erste Single „That’s All Right“ stammt im Original vom schwarzen Blues-Gitarristen Arthur Crudup. Überhaupt ist Rock’n’Roll im schwarzen Musikgenre des Rhythm and Blues verwurzelt. Doch erst der weiße „King of Rock ‘n‘ Roll“ Elvis Presley konnte – wie vor ihm der weiße Benny Goodman als „King of Swing“ – die kommerziellen Früchte ernten.

Reclaim the Bindi
Ein Bindi ist ein aufgemalter Punkt oder ein aufgeklebtes Schmuckstück zwischen den Augenbrauen. Im Hinduismus ist er ein religiöses Symbol und soll Frauen und ihre Ehepartner schützen. Als er zunehmend von nichthinduistischen Menschen als Mode-Accessoire verwendet wurde, entstand die Bewegung „Reclaim the Bindi“. Ihr Anliegen: Der Punkt sei Teil einer religiösen Identität und sollte nur von Menschen mit „südasiatischem Erbe“ getragen werden.

Twilight
Stephenie Meyer, die Autorin der Vampir-Saga „Twilight“, bediente sich in den später verfilmten Büchern sehr ausgiebig bei den Sagen des Quileute-Stammes, der mit heute rund 2000 Mitgliedern im Nordwesten der USA lebt. Die Quileutes, die im Buch so genannt und als Werwölfe dargestellt werden, erhielten keine finanzielle Beteiligung an der erfolgreichen Verwertung ihrer Mythologie. Kritisiert wird zudem, dass sie in der Twilight-Saga übermäßig sexualisiert und als männlich-aggressive Muskelprotze dargestellt werden.

Gucci
Die italienische Modemarke brachte 2018 eine Kopfbedeckung auf den Markt, die stark an den Turban der indischen Sikh-Religion erinnerte und von weißen Models präsentiert wurde. Als das kritisiert wurde, benannte Gucci das Kleidungsstück erst von „Indy Full Turban“ in „Full Head Wrap“ um und entfernte es wenig später ganz aus dem Sortiment.

„Wir sind nicht ausgestorben! Wir sind immer noch hier!“

Für ihr Dessin „Gather“ habe Robbins ein festes Honorar bekommen, sagt sie. Wenn die Decke weiter aufgelegt wird, erhält sie erneut Geld. Dazu wird von einem Teil der Verkaufserlöse das Digdeep-Wasserprojekt unterstützt. Etwas für Pendleton zu entwerfen habe ihr unglaublichen „Rez Cred“ gebracht, Street Credibility der Reservate. „Als ich das meiner Familie und im Freundeskreis erzählte, flippten alle aus vor Begeisterung.“

Pendleton und andere Firmen bemühten sich, das Richtige zu tun, nach Robbins Ansicht könnte aber noch mehr passieren. „Firmen können Geld spenden und enteignetes Land zurückgeben. Als Konsumentin oder Konsument sollte man sich über die Herkunft der Muster informieren, statt einfach nur zu shoppen.“ Statt die Vergangenheit der Ureinwohner zu glorifizieren, solle man sich lieber für die oft schlechten Lebensbedingungen in den Reservaten interessieren und diese verbessern, sagt sie. „Wir sind nicht ausgestorben! Wir sind immer noch hier!“

Pendleton engagiert sich, allerdings nicht immer freiwillig: Im Jahr 2014 – zuvor war dies offenbar niemandem aufgefallen – wurde es dem Unternehmen untersagt, seine Produkte als „Native American“ zu bewerben oder dies als Kategorie im Webshop zu verwenden. Der Indian Arts and Crafts Act verbietet es schon seit 1990, Waren in einer Weise „anzubieten oder auszustellen oder zu verkaufen, die fälschlicherweise den Eindruck erweckt, sie seien von Indigenen hergestellt“. Als Teil der Einigung spendete Pendleton 41 250 Dollar und benannte die Rubrik auf der Website zunächst in „Native American Inspired“ und dann in „Iconic Pendleton“ um. Inzwischen bewirbt es nur noch die von indigenen Künstlerinnen und Künstlern gestalteten Motiven mit „Native American Artists“.

Eine der härtesten Kritikerinnen der Firma ist Colleen Echohawk, Mitglied der Athabasken und der Pawnee Nation. Sie leitet das in Seattle ansässige Unternehmen Eighth Generation, das ähnliche Produkte verkauft wie Pendleton – etwa Wolldecken, Schals und Tassen. Der Unterschied? „Bei uns werden alle Produkte von Indigenen gestaltet und gefertigt“, sagt sie. „Firmen wie Pendleton werben damit, sie seien ‚von Ureinwohner inspiriert‘ – wir sagen, wir sind inspirierte Ureinwohner.“ Das Unternehmen gehört seit 2015 dem Stamm der Snoqualmie und beschäftigt 22 Menschen. Pendleton kommt auf rund 800.

Eighth Generation hat vor allem mit Tiktok-Videos und Instagram-Reels ein Vehikel gefunden, um kulturelle Aneignung spöttisch-spielerisch zu kritisieren. „Auf Videos zu diesem Thema bekommen wir die meisten Reaktionen“, sagt Echohawk. „Die Leute interessieren sich dafür, und uns ist es ein Herzensanliegen. Kulturelle Aneignung hat indigenen Künstlern und Communitys großen Schaden zugefügt und tut das immer noch. Zum einen finanziell, aber auch dadurch, dass ein paar Firmen bestimmen, welche Ausschnitte indigener Kultur sichtbar sind.“

Sie gesteht Pendleton zwar zu, Schritte in die richtige Richtung zu unternehmen, ihrer Meinung nach reiche das aber nicht. „Es ist ein wohlhabendes Familienunternehmen und könnte mehr Geld an die Ureinwohner zurückgegeben. Außerdem sollte es die Designerinnen und Designer ihrer Entwürfe deutlicher nennen und würdigen.“ Echohawk ist 46 Jahre alt, sie habe mindestens schon 15 Pendleton-Decken auf Zeremonien und Events geschenkt bekommen, sagt sie. „Die Firma ist definitiv Teil unserer Kultur, aber trotzdem kann es nicht sein, dass eine nichtindigene Person einfach Teile von indigener Kunst neu zusammensetzt und ohne Erlaubnis und ohne Beteiligung der eigentlichen Schöpfer verkauft.“

Auch für den Historiker Michael Leroy Oberg hat Pendleton den richtigen Weg eingeschlagen. Er glaube allerdings nicht, dass kulturelle Aneignung das größte Problem der amerikanischen Ureinwohner sei. „Ich will das nicht gegeneinander aufrechnen“, sagt er, „aber es gibt keine Bevölkerungsgruppe, die so oft Opfer von Polizeigewalt wird wie diese. Ihre Lebenserwartung liegt deutlich unter dem US-Durchschnitt. Es gibt große Alkoholismus- und Drogenprobleme und eine extrem hohe Kindersterblichkeit.“ Ein Tag habe nur 24 Stunden – man sollte sich überlegen, wofür man seine Zeit aufwende, sagt er. Gegen Pendleton kämpfen, die ein paar Hemden herstellen? Oder gegen Firmen, die Tagebau auf indigenem Land betreiben, Müll dort abladen oder Pipelines so verlegen wollen, dass ein Reservat kein sauberes Trinkwasser mehr hat?

Außerdem ist Gewalt gegen indigene Frauen ein großes Problem. Untersuchungen zeigen, dass diese sowohl in den USA als auch in Kanada deutlich häufiger Opfer von Mord oder Gewalttaten werden als andere Frauen – die Täter sind meist Nichtindigene. Aufgeklärt werden die Fälle fast nie. Oft werden sie von der Polizei nicht einmal ordnungsgemäß erfasst. Das Problem ist so groß, dass es eine eigene Abkürzung bekommen hat: MMIW – Missing and Murdered Indigenous Women.

Pendleton greift dieses Thema in der für die Firma typische Weise auf: Die Verkaufserlöse einer von der Diné-Künstlerin Leandra Yazzie gestaltete Decke gehen vollständig an Organisationen, die sich dem Thema Gewalt gegen indigene Frauen annehmen. ---

Ford Model T
Da die ersten Automobile ohne Verdeck fuhren und es den Insassen schnell kalt wurde, bewährten sich Decken – auch um Abgase und Straßenstaub von der Kleidung fernzuhalten. Henry Ford löste das Problem, indem er jedes Model T mit einer Pendleton-Decke ausstatten ließ, der sogenannten Motor Robe, die sich mit einem Gurt verstauen ließ und bis heute gefertigt wird.

Disneyland
Als Walt Disney am 17. Juli 1955 seinen Vergnügungspark Disneyland im kalifornischen Anaheim eröffnete, gab es darin auch verschiedene Ladengeschäfte. Das größte: der Pendleton Woolen Mills Dry Goods Store in der Wildwest-Ecke des Parks. Dort wurden Lederwaren und Wolldecken verkauft. 1990 endete die Kooperation, als Disneyland die Partnerläden durch eigene Merchandising-Geschäfte ersetzte.

The Beach Boys
Anfang der Sechzigerjahre gründeten die Brüder Brian, Dennis and Carl Wilson eine Band, die sich nach dem damaligen Lieblingshemd der Surf-Community benannte: The Pendletones. Nach kurzer Zeit benannte sich die Gruppe um und wurde als The Beach Boys weltweit erfolgreich. Auf den Covern ihrer Alben „Surfer Girl“ und „Surfin‘ Safari“ tragen die Musiker die blau-schwarz karierten Board-Shirts der Firma.

The Big Lebowski
In „The Big Lebowski“ ließen die Regie führenden Coen-Brüder Jeff Bridges 1998 in seiner eigenen Kleidung drehen. Neben dem berühmten Bademantel trägt der „Dude“ vor allem den Westerley Cardigan, eine Wolljacke, die Pendleton 1972 auf den Markt brachte – und wegen des anhaltenden Erfolgs des Filmes seit 2011 wieder verkauft.

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