Der Kampf um die Norm

Im ökonomischen Wettstreit geht es nicht nur um die beste Idee, sondern auch darum, internationale Standards zu setzen. Wer das schafft, sichert sich die Poleposition. Ein Lehrstück über synthetischen Honig, Stecker für E-Autos und Finanz-Checks.




• Normen bestimmen das Leben des modernen Menschen. Die wohl bekannteste ist das Papierformat DIN A4, welches seit hundert Jahren unter anderem dafür sorgt, dass jeder Brief in das entsprechende Kuvert passt. Normen bestimmen auch, wie lang der Bremsweg eines Fahrrads sein darf oder wie hoch ein Tisch sein soll. Sie sorgen dafür, dass der Stecker in die Dose passt und kein Kraftstoff aus der Zapfsäule kommt, der Motoren zerstören könnte. Mehr als 34 000 Standards für Produkte, Dienstleistungen oder Verfahren gibt es in Deutschland. Meist sind sie europäischen oder internationalen Ursprungs.

Im besten Fall erleichtern Normen den Alltag und schaffen neue Märkte. Einer Studie des Jahres 2010 zufolge tragen sie zu 0,9 Prozent des Wirtschaftswachstums hierzulande bei, ihr volks- wirtschaftlicher Nutzen wird damit auf rund 17 Milliarden Euro jährlich geschätzt.

Deshalb sind Normen hart umkämpft: Sie entscheiden, welche Produkte sich durchsetzen. Jeder Standard schafft Wettbewerbsvorteile und -nachteile – besonders jetzt, in Zeiten des Umbruchs.

Denn sowohl bei der Digitalisierung als auch bei der Verkehrswende werden neue Claims abgesteckt. Wer sich mit einer Norm behaupten kann, sichert sich ein lukratives Geschäft. Zudem spiegeln sich im Streit um Standards Handelskriege wider, die an Intensität zunehmen. Auch bei Produkten, die nicht im Fokus des öffentlichen Interesses stehen.

Auch beim Brotaufstrich agiert China strategisch

Honig gilt als Naturprodukt und ist eine Lieblingszutat der Deutschen beim Frühstück. Was kaum einer weiß: Der größte Hersteller ist China, rund 26 Prozent der globalen Produktion stammen von dort, und besonders viel exportiert die Volksrepublik in die Europäische Union. Noch weniger bekannt dürften die Herstellungsmethoden sein. „Der Honig reift in ganz Asien nicht in Waben, sondern industriell in Stahltanks“, sagt Walter Haefeker, Ehrenpräsident des Deutschen Berufs- und Erwerbsimkerbundes, der verschiedene asiatische Fabriken besucht hat. Die Bienenvölker werden mit Zuckersirup gefüttert und per Lkw von Feld zu Feld gefahren, damit die Waben sich schnell füllen. Sobald dies der Fall ist, entleeren sie die Arbeiter auch schon.

Hierzulande bleibt der Honig länger in den Waben, damit die Bienen ihn dort weiterverarbeiten: Sie verdauen das Gesammelte und reichern es mit Enzymen an. Dabei fächeln die Insekten ständig Luft über die Waben, wodurch der Wassergehalt von mehr als 30 auf unter 20 Prozent sinkt. In China aber passiert all das in Fabriken, die an moderne Brauereien erinnern. Große Anlagen trocknen den gesammelten Nektar, berichtet Haefeker. Dann setzt man künstliche Enzyme zu und streckt das Ganze mit Sirup, um Menge und Marge zu erhöhen. Schließlich werde „diese Soße mit hochwertigem ausländischem Honig und Pollen so geschickt verschnitten, dass sie bei der Einfuhr in die EU nicht als Fälschung erkannt wird“, sagt Haefeker.

Legal ist das nicht. Nach EU-Recht muss Honig in der Wabe reifen. Daher hat China viel Mühe damit, seine Herstellungsmethoden zu verschleiern und dennoch der wichtigste Honigimporteur der EU mit rund 80 000 Tonnen pro Jahr zu bleiben. „China hat den schlechtesten Ruf bezüglich der Honigqualität“, sagt Birgit Lichtenberg-Kraag, Leiterin des Honiglabors am Länderinstitut für Bienenkunde in Hohen Neuendorf bei Berlin. Dieses Image gefällt den Verantwortlichen in China nicht. Deshalb möchten sie das Blatt für sich wenden – indem sie ihre Produktionsmethoden zum Weltstandard machen.

Bereits 2014 trat die chinesische Normungsbehörde an ihr französisches Pendant heran, um bilateral neue Standards für Honig zu erarbeiten. 2017 mündete dieser Austausch in den Vorstoß, in der Internationalen Organisation für Normung (ISO) weltweit neue Honignormen zu entwickeln. Die EU reagiert uneinheitlich: Einige der entsandten Expertinnen und Experten lehnen neue Standards ab, weil es bereits mit dem sogenannten Codex Alimentarius aus den Sechzigerjahren eine internationale Sammlung von Normen für die Lebensmittelsicherheit und -produktqualität gibt. Andere finden eine Weltnorm erstrebenswert.

Gudrun Beckh vom kommerziellen Prüflabor QSI in Bremen, die sich seit 30 Jahren mit der Qualität und der Analyse von Honig und anderen Bienenprodukten befasst und sich für Deutschland im Normungsprozess engagiert, spricht sich für einen einheitlichen Standard aus, da etwa die USA gar keinen für Honig hätten. QSI untersucht seit knapp 70 Jahren Honigsorten aus aller Welt auf Authentizität und Rückstände von Pestiziden, Antibiotika und Bienenarzneimittel.

Mit den Verhandlungen steht die europäische Art der Honigproduktion auf dem Spiel. Wie es laufen kann, zeigt ein Coup auf einem Nischenmarkt, der China 2016 glückte, beim Gelée Royal. Das ist der kostbare Futtersaft der Bienenkönigin und ein teures Nahrungsergänzungsmittel. Die chinesischen Verhandler nutzten die Uneinigkeit der im ISO- Normungsgremium vertretenen Staaten, um ihre Vorstellungen durchzusetzen. Gemäß Norm ISO 12824 darf Gelée Royal nun verschiedene zugesetzte Zucker enthalten, wie sie in China sowohl bei der Fütterung der Bienen als auch in der Produktion verwendet werden. Diese Norm kann der Türöffner für eine viel bedeutendere Regelung werden. „Wir müssen unbedingt vermeiden, dass es beim Honig wie beim Gelée Royal kommt“, sagt Klaus Beckmann, Qualitätsmanager bei Intertek, einem international tätigen Inspektions-, Prüfungs- und Zertifizierungsunternehmen. „Die Chinesen wollen die Qualität durchsetzen, die sie praktizieren.“ Intertek führt jedes Jahr 200 000 Honiganalysen durch, überwiegend im Auftrag der Einzelhändler.

Die bisherigen Verhandlungen beschreiben Insider als „chaotisch“. Die französische Delegation soll einmal aus Protest die Runde verlassen haben. Die chinesischen Vertreter wechseln demnach immer wieder auch ihre Standpunkte. Für Haefeker steckt dahinter eine Strategie: „Seit 2018 hat China eine Reihe von afrikanischen Vasallenstaaten, die gar keinen Honig exportieren, in dem Normungsgremium auf seine Seite gezogen und versucht, seine Bestrebungen mit deren Zustimmung durchzusetzen.“ Er geht davon aus, dass sich die Volksrepublik durchsetzen wird: „Dass die Normungsverhandlungen noch einmal gestoppt werden können, halte ich für ausgeschlossen. Viele Honigproduzenten etwa aus Südamerika sind im Gremium gar nicht vertreten, und die wenigen anwesenden EU-Länder agieren viel zu unkoordiniert.“

Wenn die synthetische Honigerzeugung zum Standard wird, bleibt für traditionell erzeugte Ware nur noch die Nische als Luxusprodukt. Bis heute gibt es lediglich halbherzige Versuche, gegenzusteuern: So fordert das Deutsche Institut für Normung (DIN) mehr Engagement der Imker, da im Prinzip jeder Experte in den Normausschüssen mitarbeiten kann.

Nur sind Imker meist in Kleinstbetrieben und oft im Nebenerwerb tätig. Tagelange ehrenamtliche Normungsarbeit können sie sich schlicht nicht leisten. Gudrun Beckh, die für einen hohen weltweiten Qualitätsstandard kämpft, ist mittlerweile im Ruhestand. Und auch Walter Haefeker hat sich aus der Verbandsarbeit zurückgezogen: „Ich bin es leid, den Hund zum Jagen zu tragen.“ Er verbringt seine Zeit lieber mit der Erzeugung von Bio-Honig, den er in der Region verkauft.

Nicht nur die Größen können Standards setzen

Die Würfel sind gefallen: Verbrenner-Motoren sind Auslaufmodelle (siehe auch brand eins 04/2021: Besser spät als nie). Viele Nationen und Autohersteller setzen auf E-Antriebe. Bis 2030 sollen nach den Plänen der Bundesregierung bis zu zehn Millionen Elektroautos auf Deutschlands Straßen rollen. So entsteht ein gigantisches neues Geschäft, an dem ein cleverer Mittelständler teilhaben will – mithilfe einer neuen Norm für ein zentrales Bauteil: den Ladestecker und die passende Dose.

Mennekes, ein Familienbetrieb aus Kirchhundem im Südosten Nordrhein-Westfalens, produziert schon seit mehr als 60 Jahren Industriestecker und das entsprechende Zubehör. Als vor 15 Jahren das E-Auto in Form eines Tesla-Roadsters auf die Straße kam, gab es noch keinen einheitlichen Standard für Stromladestecker. Die Ingenieure von Mennekes konstruierten daher in kurzer Zeit einen solchen Anschluss für Elektroautos: Metallkontakte, Kunststoff, keine sonderlich komplizierte Sache. Vertraut mit der Normung schrieb Volker Lazzaro, Geschäftsführer Technik des Unternehmens, sogleich die passende Norm dazu. Die Stecker aus dem Sauerland sollten Europa erobern.

Allerdings sah es für Mennekes zunächst nicht gut aus: „Normalerweise wären wir gegen die Japaner machtlos gewesen“, sagt Lazzaro. Dort gibt es bereits seit 2009 einen genormten Ladestecker für Elektro-Pkw, der auch in den USA verwendet wird. „Wenn eine Technik eine gewisse Marktdurchdringung besitzt, kann sich die Normung hieran natürlich orientieren“, sagt Mario Beier, der die Verhandlungen seitens des DIN begleitet hat. „Und dann findet oft das Eingang in die Normung, was schon auf dem Markt ist.“

Die Mennekes-Manager aber erkannten eine Schwäche des japanischen Steckers. Dieser war nur einphasig, hatte also nur einen leitenden Metallkontakt. Dagegen setzten die Sauerländer auf drei Phasen. Damit kann ein Auto im europäischen dreiphasigen Stromnetz dreimal so viel laden. Überdies verwendete Mennekes besonders robuste Materialien, wie sie auch bei Industriesteckern üblich sind: Autos und Bagger können über solche Stecker fahren, ohne dass diese kaputtgehen.

„Technische Details allein geben aber nicht den Ausschlag“, sagt Lazzaro. „Wir sind nur ein Mittelständler. Da ist es schwer, auf dem internationalen Parkett zu überzeugen.“ Deshalb sei er zu BMW, Volkswagen, Daimler, Eon und RWE gegangen, habe seinen Stecker vorgestellt und mithilfe der Automobil- und Energieindustrie verbessert. Außerdem habe man Patentanträge zurückgezogen, weil „ja niemand ein Interesse an einem teuren Monopol hat. Dann hätten wir alle Unterstützer verloren.“

Allianzen sind ein entscheidender Faktor, um den Streit in den Normungsgremien für sich zu entscheiden. Aus diesem Grund schlossen sich die Automobilindustrie, Zulieferer und Hersteller von Ladeinfrastruktur 2015 zur international tätigen Vereinigung Charin, für Charging Interface Initiative, zusammen. „Wir einigen uns intern auf einen Standard, prüfen den, bereiten die Normierung vor. Dann sagen wir, wir decken 90 Prozent der Weltindustrie ab. Wir halten das und das für richtig“, sagt Claas Bracklo. Er ist eine Schlüsselfigur in diesem Fall und ein Manager „mit drei Hüten“, wie er sagt: Head of Electromobility bei BMW, Berater beim Verband Deutscher Automobilbauer und Vorstand bei Charin.

Die Allianz konnte den starken Gegenwind aus Italien und Frankreich allerdings zunächst nicht verhindern. Peugeot fand den Mennekes-Stecker zu teuer, andere Firmen zu klobig. Mehrere Unternehmen aus den beiden Ländern präsentieren 2010 ein handlicheres und billigeres Modell. Dafür setzte sich vor allem das französische Elektrotechnikunternehmen Schneider Electric ein. „Das ist vor einer Norm immer so, dass nationale Interessen hineinkommen.“ Man denke protektionistisch, sagt Bracklo. „Das schadet der global tätigen Industrie. Wir wollen möglichst einen weltweiten Standard.“

Jahrelang dauerten die Auseinandersetzungen an. Mennekes agierte wie ein wendiger Abwehrspieler, griff alle Kritikpunkte auf, verkleinerte den Stecker zunächst und stellte 2012 zudem eine Steckdose mit optionaler Kindersicherung vor – und hatte damit eine Lösung für einen weiteren Streitpunkt. Das verhalf zu einem Etappensieg: Sowohl Mennekes System als auch das französisch-italienische fielen unter die Norm – zusätzlich zum japanischen.

„Es war aber klar, dass die Elektromobilität nur Fahrt aufnehmen wird, wenn man sich auch auf ein einheitliches Stecksystem für die EU einigt“, sagt der DIN-Experte Beier. An diesem Punkt schaltete sich Charin ein: „Es bestand die große Gefahr, dass jeder nehmen kann, was er will. Das ist nicht in unserem Interesse“, sagt Bracklo. „Daraufhin haben wir in Brüssel lobbyiert.“ Zusammen mit Lazzaro saß er mit den EU-Kommissaren Antonio Tajani und Günther Oettinger am Tisch. „Wir wollten den Mennekes-Stecker und daneben für das Schnellladen an Autobahnen das sogenannte CCS-System.“

Und so kam es 2014, auch dank einer entsprechenden EU-Richtlinie. Der Aufwand hat sich für den Mittelständler gelohnt: Aufgrund der Norm habe Mennekes 2020 mit dem neuen Geschäft Elektromobilität 100 Millionen Euro Umsatz erzielt, fast genauso viel wie im einstigen Kerngeschäft mit Industriesteckern, sagt Lazzaro. Von 500 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen vor der Norm sei das Unternehmen auf aktuell 1200 gewachsen. Und dank des von ihm entwickelten Standards wurde der Name Mennekes in der Welt der Konzerne bekannt. Renault, Peugeot und Schneider Electric rüsteten bereits von 2015 ab auf das Sauerländer Modell um.

Langweilig, aber lukrativ

Eigentlich lohnt es sich kaum, für nationale Normen zu streiten, denn die meisten Märkte sind international. Allerdings gibt es Ausnahmen, wie die erste deutsche Norm für Finanzdienstleistungen von 2019 zeigt – ein Standard zur Analyse von Privathaushalten. Das klingt sterbenslangweilig; mancher, der eine private Rentenversicherung abgeschlossen oder in einen Fonds investiert hat, kennt entsprechende Abfragen etwa zu Einkommen, Lebenssituation und Risikobereitschaft in Geldangelegenheiten.

Doch in der Finanzbranche sah man das anders: Schließlich sind solche Checklisten der Zugang zum Geld der Sparer und damit zu Millionen Menschen. Aus diesem Grund interessierten sich Banken und Versicherungen sehr für das Thema und wollten Einfluss auf eine entsprechende Norm nehmen. Anlass war die Digitalisierung: Statt mit einem Bankangestellten oder Versicherungsvertreter zu reden und ihm Auskunft zu geben, gibt der Kunde Daten über seine finanzielle Situation und abzusichernde Risiken in Programme oder Apps ein. Wie diese gestrickt sind, ist von großem Interesse für Anbieter von Geldanlagen wie auch für Verbraucherschützer.

Als Klaus Möller, Vorstand des Instituts für Finanznorm Defino in Heidelberg, 2017 eine Norm für einen Finanzcheck vorschlug, rannte er beim DIN offene Türen ein. „In der Branche gab es keine Normen. Und sie hat einen ziemlich schlechten Ruf“, so die Begründung von Matthias Kritzler-Picht vom DIN. Möller hatte einen guten Grund, sich an diese Institution zu wenden: „Die größte Autorität eines Standards hat die DIN-Norm.“

Das Interesse der Unternehmen, an der Norm mitzuwirken, war enorm. Es meldeten sich 63 Aspiranten – von der Allianz über die Deutsche Bank bis zu Signal Iduna –, nicht alle konnten aufgenommen werden. Bei den Verhandlungen ging es Insidern zufolge hoch her. Gestritten wurde über die Frage, welche finanziellen Risiken der Finanzcheck abfragen soll. Und darüber, welches Risiko als erstes genannt wird und welches als letztes. Die Banken wollten das Sparen möglichst weit vorn vertreten sehen, die Versicherer ihr Business. Einig war man sich nur in dem Anliegen, den Eindruck von Neutralität via Norm zu vermitteln. „Es war unheimlich schwierig“, erinnert sich Kritzler-Picht.

Verbraucherschützer waren auch mit von der Partie, mit dem Verlauf aber gar nicht einverstanden. „Die Norm zur Finanzanalyse fragt den Verbraucher gar nicht erst, was er möchte. Sie zementiert die Praxis, die Beratung an bestehenden Produkten zu orientieren“, sagt Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg. Aus Unmut soll der Vertreter der Verbraucherzentrale Bundesverband die Gesprächsrunden verlassen haben. Dort möchte man sich zu dem Dissens nicht äußern.

Klaus Möller vom Institut Defino dagegen ist mit dem Ergebnis zufrieden. Die standardisierte Analyse beinhalte nun 42 Finanzthemen. An erster Stelle stehe Gesundheit, sprich: die Krankenversicherung, an zweiter Haftungsrisiken, wie sie über eine Haftpflichtversicherung gedeckt werden können, an dritter Stelle kommt die Gefahr des Arbeitskraftverlustes. Dass es um Verkauf geht, bestätigt er indirekt: Eine Scheidung etwa ist ein reales Risiko von Ehepaaren und kommt manchen sehr teuer. „Aber dagegen gibt es kein Produkt, mit dem man sich absichern kann“, sagt Möller. Deshalb werde danach in der Norm nicht gefragt. „Wer jedoch zur Jagd geht, braucht eine Jagdhaftpflichtversicherung.“

Eine Folge der Norm: Da sie so komplex ist, dass sie am ehesten mittels IT umgesetzt werden kann, sei sie „ein Katalysator der Digitalisierung“, so Kritzler-Picht. Bis dato sind zwölf zertifizierte Softwareprodukte zur Finanzanalyse auf den Markt gekommen. Vom neuen Standard profitieren alle, die auf digitale Beratung setzen – nicht zuletzt Defino, das an jeder Zertifizierung eines entsprechenden Programms fünfstellig verdient.

Auch die Deutsche Bank zählt zu den Gewinnern. Mehr als 200 000-mal sei die Software Finanzcheck heruntergeladen worden, sagt Marco Stein, Fachmann für Finanzanalyse bei dem Geldhaus. „Mit der Norm wird die Digitalisierung auf eine neue technische Stufe gehoben. Sie vermittelt Vertrauen; schließlich ist der Anspruch der Kunden deutlich höher als früher.“

Der Kampf um die Normen geht derweil weiter, alte weichen, neue kommen. Wer heute verloren hat, kann morgen gewinnen. Im Stecker-Streit hatte Schneider Electric gegen Mennekes den Kürzeren gezogen. Aber die nächste Verhandlungsrunde zur Elektromobilität hat schon begonnen. „Es fehlen Normen, die verhindern, dass das Licht ausgeht, wenn ein ganzes Stadtviertel elektrisch fährt, oder dass dem Hausmeister dann der Schaltschrank abbrennt“, sagt Markus Hettig, einer der führenden Manager bei Schneider Electric.

Hettig sitzt derzeit in 16 verschiedenen Normungsgremien. Und im Frühjahr 2021 wird der Mittelständler aus Paris zudem Mitglied bei Charin, dem globalen Normenvorbereiter hinter den Kulissen. Sicher ist sicher. ---

Wer normiert?

Hierzulande ist das Deutsche Institut für Normung, DIN, in Berlin zuständig. Die meisten Normen entstehen aber mittlerweile auf EU- oder anderer internationaler Ebene, die jeweiligen nationalen Normungsorganisationen leisten die Vorarbeit. Die Vorschläge verhandeln einzelne Ländervertreter dann miteinander. In der EU trifft man sich unter dem Dach des Europäischen Komitees für Normung, CEN. Auf internationaler Ebene übernimmt die ISO, die Internationale Organisation für Normung, diesen Part. Es dauert mehrere Monate oder gar Jahre, bis sich die Beteiligten auf einen neuen Standard verständigt haben. Das Ergebnis der Verhandlungen ist immer ein Kompromiss.

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