Krankenhäuser
Kann Architektur heilen?
Zumindest kann sie ihren Teil dazu beitragen. Einblicke in gesündere Kliniken.



Licht
Wo früher grelle Leuchtstoffröhren über dem Krankenbett flackerten, bevorzugt man heute hohe Fenster und geräumige Fensterbänke. Natürliches Licht steigert das Wohlbefinden.
Studien haben gezeigt, dass so ausgeleuchtete Zimmer bei Patienten weniger Stress auslösen und die Gabe von Schmerz- und Beruhigungsmitteln reduziert werden kann. Statistisch gesehen verkürzen sie sogar die Dauer des Krankenhausaufenthalts.
Auch das Personal profitiert: Die richtige Beleuchtung hebt die Stimmung und senkt die Fehlerquote.

Pflanzen
Zahlreiche Untersuchungen belegen, dass sich Zimmerpflanzen positiv auf Blutdruck und Herzfrequenz auswirken. Eine Studie verglich jüngst die Aufenthaltsdauer von Patienten, die an der Gallenblase operiert wurden. Wer freien Blick auf die umliegende Flora hatte, wurde früher entlassen als jene, die auf die gegenüberliegende Hauswand starren mussten.
Lärm
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) nennt 45 Dezibel als Obergrenze für Krankenhauszimmer; nachts liegt sie bei 30 Dezibel. Was darüber hinausgeht, bedeutet Stress für den Patienten – und ist deshalb hinderlich für die Heilung.
In der Praxis kommt es aber zu Pegeln bis zu 95 Dezibel (das entspricht der Lautstärke eines Rasenmähers). Verantwortlich dafür sind vor allem Geräte zur Beatmung oder zur Überwachung der Herzfunktionen. Sie stören nicht nur die Patienten, sondern auch das Personal.
In zwei Versuchszimmern der Intensivstation der Berliner Charité hat man Geräte und Schläuche in der Wand oder hinter Holzpaneelen versteckt, um den Schall zu minimieren sowie Stress und Erschöpfung zu reduzieren.
Die Versuchszimmer verfügen über einen Beobachtungsraum mit Fenster zum Patienten. Dort befinden sich die Überwachungsmonitore, und von dort können Medikamente dosiert und verabreicht werden. Auch Arztbesprechungen finden in diesem Nebenraum statt, um den Patienten möglichst wenig zu stören.
Die Zimmerdecke ist mit einem künstlichen Himmel ausgestattet, an dem rund 14 000 Leuchtdioden den Sonnenaufgang simulieren. Weitere Lichtquellen erhellen den Raum wie an einem Sommertag. Blaues Licht und grüne Flecken sollen an Bäume unter freiem Himmel erinnern und den Erwachenden die Angst nehmen.




Fotos: © GRAFT Architekten / Tobias Hein
Das Krankenhaus als Stadt
Ein Krankenhaus besteht aus vielen verschiedenen Bereichen: Krankenversorgung, Gesundheitspflege, Versorgung und Wohnen. Die Übergänge zwischen den öffentlichen, halböffentlichen und privaten Bereichen sollen möglichst fließend sein, um Barrieren und Schwellenängste abzubauen. Die Fassade ist das Gesicht des Krankenhauses. Es soll offen und ansprechend wirken und gleichzeitig die Privatsphäre seiner Bewohner schützen. Dafür muss es zu direkte Einblicke verwehren, ohne dabei abweisend zu wirken.


Orientierung
Krankenhäuser sind komplex und baulich oft unübersichtlich. Einfache und klare Strukturen helfen den Besuchern bei der Orientierung, sowohl im Haus als auch bei der Wahl des richtigen Ansprechpartners. Großzügige Eingangshallen mit Informationstresen sollen einladend wirken.


Die Bildauswahl entstand mit Unterstützung der Nickl & Partner Architekten AG, einem Spezialisten für Krankenhausarchitektur, und der Charité Berlin. Zu sehen sind das Kinder- und Herzzentrum der Universitätskliniken Innsbruck, die Kinderklinik des Universitätsklinikums Heidelberg, die Kinderklinik des Klinikums der Universität München, das Nouveau Bâtiment Centre in Luxemburg, das Klinikum der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main, die Orthopädische Kinderklinik Aschau, die Klinik für Anästhesiologie der Charité Berlin und das Mutter-Kind- und OP-Zentrum im Kaiser-Franz-Josef-Spital, Wien.

brand eins Podcast
Zu diesem Thema sprachen wir auch in unserem Podcast mit Stefanie Matthys, Geschäftsführerin des European Network Architecture for Health.
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edition brand eins: Gesundheit
Diese Zeiten sind wahrlich nichts für Hypochonder: Die Pandemie hat viel Verunsicherung im Gepäck. Umso wichtiger also, hinzuschauen, wo es überall auf der Welt in Medizin und Versorgung vorangeht. Und da gibt einiges Grund zur Hoffnung: Telemedizin, Alternativen zu Antibiotika, Organ-Chips, Patienten-WGs, eine heilende Architektur oder der gemeinsame Kampf gegen Ebola – unsere neue edition ist voller Geschichten, die Durchblick und Wohlbefinden fördern.
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