Mehr Mut!
Selbstständige und Wissensarbeiter werden von der Politik noch immer vernachlässigt. Brauchen wir eine neue Ökonomie? Fragen an den Politik-berater Daniel Detttling.
Dieser Artikel erschien in der Ausgabe Wirtschaftskanzleien 2021.
Daniel Dettling |
Herr Dettling, im Verlauf der Pandemie wurde über Selbstständige und Freiberufler vor allem als Problemfälle diskutiert: Sie sind von der Krise oft besonders stark betroffen, bei den staatlichen Hilfsprogrammen aber erst spät in den Fokus gerückt. Viele hatten den Eindruck: Der Staat und die Gesellschaft interessieren sich nicht für uns, wir fallen durch die Maschen der sozialen Sicherungssysteme. Stimmt das?
Daniel Dettling: Da ist schon etwas dran. Unser Sozialstaat ist insgesamt noch sehr stark auf die alte Arbeitswelt der Industriegesellschaft zugeschnitten. In dieser Welt geht man von einem Dualismus aus: Auf der einen Seite stehen die Menschen in den Unternehmen – das sind die Angestellten im sogenannten Normalarbeitsverhältnis. Und auf der anderen Seite stehen die profitorientierten Unternehmen, die diesen Menschen Arbeit geben.
Das ist die alte Welt von Arbeit und Kapital, deren oft gegenläufige Interessen man ausgleichen und steuern will. Die Selbstständigen und Freiberufler stehen in diesem Modell irgendwo draußen, außerhalb des Normalarbeitsverhältnisses, aber auch außerhalb der Unternehmensorganisation. Sie sind nicht der Normalfall und deshalb auch nicht die erste Priorität der Politiker.