Ungezügelt

Nach dem Opioid-Skandal und McKinseys 600-Millionen-Dollar-Vergleich stellt sich die Frage: Ist es an der Zeit, die Zunft der Unternehmensberater zu regulieren?





/ Berater haben großen Gestaltungsspielraum. Consultant nennen darf sich jeder. Und anders als beispielsweise Anwälte müssen die Berater nicht unbedingt dafür geradestehen, wenn infolge ihres Tuns etwas schiefläuft.

Missstände werden immer dann sichtbar, wenn Skandale die Branche treffen. Als der US-Energiekonzern Enron 2001 pleiteging, wurde das Versagen seines Abschlussprüfers Arthur Andersen offenkundig. Accenture und McKinsey brachten mit teuren Beraterverträgen das Bundesfinanzministerium ins Gerede, EY hat im Wirecard-Skandal keine gute Figur gemacht.

Die jüngste Affäre betraf erneut McKinsey & Company: Der Branchenprimus hat 2021 einem Vergleich zugestimmt, für seine unrühmliche Rolle in der Opioid-Krise in den USA mehr als eine halbe Milliarde Dollar zu zahlen. Die Berater hatten Pharmaunternehmen zu höheren Dosen der schnell abhängig machenden Schmerzmittel geraten. Marketingstrategien, die Tausende von Menschen das Leben kosteten.

Die Affäre wirft einen Schatten auf die Branche – und lässt wieder einmal Diskussionen um strengere Regeln und Gesetze aufkommen. Zu Recht? Könnten gesetzliche Standards und eine stärkere staatliche Regulierung helfen, solche Skandale zu vermeiden? Fünf Einschätzungen von Beobachtern.

Der Regulierungsexperte: Oliver Sieg ist promovierter Rechtsanwalt und seit 20 Jahren Partner der Kanzlei Noerr. Dort leitet er den Bereich Haftung und Versicherung. Sein Fokus liegt auf Prozessführung, Regulierung und Compliance.

„Gute Compliance ist wichtig.“

So ist der Stand der Regulierung
Es ist kompliziert, so viel kann man über die Regulierung der Beraterbranche in jedem Fall sagen. Erst einmal: Jeder kann sich Consultant nennen, der Begriff ist nicht geschützt. Wir müssen hier aber stark unterscheiden: Es gibt unter den Dienstleistern, die Unternehmen beraten, auch verkammerte Berufe mit einer spezifischen Standesordnung und klaren Vorgaben – Wirtschaftsprüfer, Steuerberater und Rechtsanwälte. Diese Berufe haben eine lange Tradition; um das Vertrauen in sie zu stärken, müssen ihre Vertreter eine Prüfung ablegen, strikte Verschwiegenheitspflichten einhalten und immer im Interesse ihrer Mandanten agieren.

Die allgemeine Unternehmensberatung, etwa zu Strategie, Kommunikation oder IT, ist dagegen marktreguliert, der Staat greift hier eigentlich nicht ein – oder nur in Ausnahmefällen, etwa dann, wenn die Beratung als gewerblich im Sinne der Gewerbeordnung zu verstehen ist.

Eine weitere Ausnahme resultierte aus dem Skandal um Bilanzfälschungen des US-Energiekonzerns Enron im Jahr 2001: Damals stellte die Politik einen strukturellen Interessenkonflikt fest, wenn eine Beratung für einen Mandanten sowohl Abschlussprüfung als auch Strategieberatung vornimmt. Auch hierzulande ist seitdem klar geregelt, in welchem Umfang Consulting-Firmen strategisch beraten dürfen, wenn sie beim selben Kunden für die gesetzliche Abschlussprüfung zuständig sind. Das ist sinnvoll, um die Unabhängigkeit der Prüfer zu wahren.

Generell wird eine gute Compliance-Organisation für Beratungsunternehmen immer wichtiger, also eine Politik interner Richtlinien. Regelwerk und Kontrollsystem dafür müssen die jeweiligen Geschäftsleitungen und Aufsichtsräte schaffen; konsequent gehen hier vor allem die Kammer-Berufe vor.

Ich bezweifle, dass sich solche Selbstverpflichtungen in unregulierten Teilen der Branche schon konsequent etabliert haben – insbesondere bei kleineren Unternehmen. Insoweit bleiben die Beratungen hinter anderen Industrien immer noch zurück. Dabei ist gute Compliance beim Dienstleister auch für Kunden ein wichtiges Kriterium.

Worauf Berater achten müssen

Zunächst einmal muss jede Unternehmensberatung das geltende Recht beachten. In den USA gehen strafrechtliche Sanktionen bei Zuwiderhandlungen deutlich weiter als hierzulande. Aber auch in Deutschland gilt: Wer in einer Vertragsbeziehung berät und Fehler macht, kann gegenüber seinem Kunden oder Dritten schadenersatzpflichtig sein.

Das bedeutet in der Konsequenz: Wer ein Unternehmen darin unterstützt, gewisse Strategien zu implementieren, muss im Blick haben, welche gesetzlichen Pflichten das Unternehmen zu beachten hat. Sonst kann es im Einzelfall dazu kommen, dass der Berater haften muss. Im Consulting gibt es also immer ein latentes Haftungsrisiko.

Juristisch ist es außerdem so: Verletze ich als Consultant Pflichten aus dem Beratungsvertrag, verstoße ich gegen allgemeines Zivilrecht. Wenn ich das vorsätzlich tue, mache ich mich unter Umständen sogar strafbar.

Anders als die Angehörigen von Kammer- Berufen muss ich als IT- oder Strategie-Consultant keine Berufshaftpflichtversicherung abschließen, wenn auch dringend dazu zu raten ist. Diese Versicherung übernimmt nämlich die Kosten, wenn eine Beratungsgesellschaft ihrem Kunden Schadenersatz leisten muss.

Wie eine Regulierung aussehen könnte

Jede größere Beratung sollte eine eigene Rechtsabteilung haben, kleinere Beratungen eine feste Kanzlei, die sie als Kontrollinstanz konsultieren können. Möglicherweise strittige Empfehlungen eines Beraters an einen Kunden vorher im eigenen Haus juristisch abzuklären ist aus meiner Sicht Best Practice – allerdings ist es zurzeit nicht verpflichtend. Das könnte der Staat rein theoretisch verlangen. Es wäre aber schwierig, eine solche Regel gesetzlich verbindlich zu formulieren. Eine Möglichkeit wäre, die Beratung „schadenersatzrechtlich zu privilegieren“, wie wir Juristen sagen. Das heißt: Wenn sie vorher intern einen Compliance-Check durchgeführt hat, ist sie von der Schadenersatzpflicht befreit.

Wie wahrscheinlich neue Pflichten sind

Ich denke nicht, dass der Gesetzgeber in nächster Zeit etwas in diese Richtung plant, allein schon, weil die Beratungsbranche im internationalen Standortwettbewerb ein wichtiger Industriezweig ist, den der Staat sicher nicht durch eine als zu weitgehend empfundene Regulierung verlieren möchte. Deshalb ist nicht davon auszugehen, dass die nicht regulierten Beratungsbereiche erweiterte Pflichtenkataloge bekommen.

Allerdings werden Industriezweige wie die Pharma- oder Finanzbranche immer stärker reguliert, und das färbt natürlich auch auf die Berater ab. Dann ziehen ihre Kunden die Consultants mit in die Compliance-Praxis hinein.

Der Ex-Berater: Antonio Schnieder leitete von 1992 bis 2001 die Consulting-Sparte von Ernst & Young (EY) in Deutschland, später gehörte er bei Capgemini zum globalen Vorstand. Er war Präsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) und sitzt in den Aufsichtsräten mehrerer Beratungsfirmen.

„Ich mache mir keine Sorgen.“

In der Automobilindustrie kommt es immer wieder vor, dass ein Hersteller Tausende Fahrzeuge zurückrufen muss. Im Consulting passieren Fehler nicht häufiger, es wird aber von Medien und Gesellschaft besonders kritisch beäugt. Das hat auch historische Gründe. Die Deutschen sind besonders misstrauisch, wenn jemand nicht selbst macht und umsetzt, sondern Impulse gibt und die Richtung aufzeigt. Ich nenne das „Meisterorientiert“.

In den USA genießt Beratung schon länger mehr Anerkennung, aber ich beobachte hierzulande einen vorsichtigen Wandel. Die Branche hat sich weiter professionalisiert, Berater sind zunehmend bereit, Verantwortung zu übernehmen – auch in Haftungsfragen.

Mehr staatliche Vorgaben sind aus meiner Sicht nicht nötig. Zum einen, weil die Branche an der Selbstregulierung weiterarbeiten wird. Zum anderen, weil die meisten Industrien immer stärker reguliert werden, daran muss sich dann auch die Beratung anpassen. Spezifische gesetzliche Vorgaben für Consultants wären auch nur schwer umzusetzen.

Nehmen Sie nur die Ausbildungswege. Man könnte ja etwa auf die Idee kommen, einen standardisierten Abschluss vorzuschreiben. Aber keine Chance! Und das zu Recht. Anders als Wirtschaftsprüfer haben Unternehmensberater schließlich kein spezifisches Feld, das sie beackern. Die Vielfalt der Beratungsgebiete ist enorm. Und so vielfältig sollten deshalb auch die Ausbildungswege sein.

Ich habe die Erfahrung gemacht, dass die Consulting-Berufe allgemein anerkannte Methoden und Verfahren selbst installieren. Schwarze Schafe gibt es natürlich. Aber die sind ja kein Alleinstellungsmerkmal der Branche. Außerdem können die Verbände sie ausschließen und damit Zeichen setzen. Das passiert durchaus immer wieder: Andere Berater oder Kunden rufen nach negativen Erfahrungen beim BDU an, die Fälle landen dann vor dem Schiedsgericht – das ist eine sinnvolle Institution. Obwohl dort zugegebenermaßen nicht alle Unternehmen organisiert sind.

Auch in den Beratungsgesellschaften ist in den vergangenen Jahren viel passiert. Inzwischen gibt es selbst in kleineren Unternehmen immer umfangreichere Compliance-Vorschriften, die stetig verschärft werden. Dazu gehört zum Beispiel, dass Erfolgshonorare für Berater deutlich zurückgeschraubt wurden, um Druck abzubauen und Abhängigkeiten zu vermeiden. Die Regulierung vieler Kunden-Branchen hat sich ebenfalls verstärkt, und die Kollegen schauen gegenseitig ganz genau hin, was der andere macht.

Der vielleicht wichtigste Regulierungsaspekt für die Branche ist das Vermeiden von Interessenkonflikten. Ich erinnere mich an den Fall Enron, der vor 20 Jahren dafür gesorgt hat, dass eine Beratungsgesellschaft nicht parallel Consulting und Abschlussprüfung für denselben Mandanten übernehmen darf. Daher hat Capgemini damals die Consulting-Sparte von Ernst & Young (heute EY) übernommen. Heute bieten die meisten großen Gesellschaften wieder Wirtschaftsprüfung und Consulting an, übernehmen für einen Kunden aber niemals beides.

Dadurch entsteht indes ein anderes Problem: Consulting-Aufträge generieren oft ein Vielfaches des Umsatzes, den die Firmen mit der Prüfung erwirtschaften können. Also wollen die Anbieter in der Regel lieber beraten als prüfen. Das führt aber zu internen Spannungen, das Gebot der Trennung von Prüfung und Beratung gilt ja weiter.

Ein anderes Thema ist die Frage nach Haftung und Falschberatung. Fälle wie Mc-Kinsey, die in der Opioid-Krise zur Kasse gebeten wurde, lösen Alarm aus, sind aber in meiner Wahrnehmung extrem selten. Es ist richtig, dass Beratungen in Haftung genommen werden können: Je stärker die Beratung in die Realisierung ihrer Ratschläge involviert ist, desto größer ist die Gefahr, dass sie auch für Fehler und Verstöße zur Verantwortung gezogen wird. Eigentlich wissen die großen Anbieter, worauf sie achten müssen – vor allem in einer stark regulierten Branche wie Pharma prüfen sie ihre Ratschläge intern ab.

Dass das im konkreten Fall offenbar nicht passiert ist, hat gesellschaftliche und finanzielle Folgen. Und es schadet zumindest kurzfristig der Reputation der ganzen Branche, die sich eigentlich auf einem guten Weg befindet. Daher lacht sich auch kein Wettbewerber ins Fäustchen. So ein Skandal trifft alle.


Im Consulting passieren Fehler nicht häufiger, es wird aber von Medien und Gesellschaft besonders kritisch beäugt.

Der Interessenvertreter: Matthias Loebich ist Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberater (BDU) und Präsident der European Federation of Management Consultancies Associations (FEACO). Als Mitglied der Geschäftsführung von BearingPoint arbeitet er selbst in der Beratung.

„Regulierung ist schädlich.“

Herr Loebich, in den USA muss McKinsey wegen fragwürdiger Beratung die höchste Vergleichszahlung ihrer Historie leisten. Als Ganzes ist die Consultingbranche aber komplett unreguliert. Das wirkt aus der Zeit gefallen, oder?

Matthias Loebich: Unternehmensberater ist einer der freiesten Berufe, die es gibt, und das ist auch gut so. Ich halte Regulierung hier für ausgesprochen schwierig und schädlich. Zum Beispiel die Idee, die Dauer von Mandaten zu begrenzen: Beratung lebt vom Vertrauen zwischen Berater und Mandant, das gefährdet man durch so eine Vorgabe.

Generell unterscheiden sich die Projekte so stark, dass es für den Gesetzgeber fast unmöglich sein dürfte, hier vernünftige allgemeingültige Regeln zu finden. Zudem geht es bei vielen der Debatten zu vermeintlicher Intransparenz oder ungesunden Abhängigkeiten am Ende eher um die Corporate Governance der Kunden.

Sind also die Mandanten das Problem?

Dort hat man jedenfalls vieles in der Hand. Etwa ob jemand aus persönlichen Gründen eine bestimmte Beratung bevorzugt oder wie lange er an einem Dienstleister festhält. Aber keine Sorge: In sehr vielen, gerade größeren Unternehmen wurde die Rolle des Einkaufs von Beratungsleistungen in den vergangenen Jahren deutlich gestärkt, es gibt dort strikte Vorgaben für Ausschreibungen und die Auswahl von Dienstleistern.

Generell sind die Kunden reifer geworden: Sie suchen sich sehr viel gezielter und wählerischer genau die Beratungsfirmen aus, die zu ihrem aktuellen Thema passen. Wir stehen als Branche vor der Aufgabe, uns eine funktionierende Selbstregulierung aufzuerlegen. Und das tun wir.

Über die Berufsgrundsätze des BDU?

Genau. Die gibt es schon seit Gründung des Verbands, es sind die moralischen Leitplanken der Branche. Darüber hinaus haben wir fachliche Grundsätze für mehrere Beratungsfelder formuliert. Und wir veröffentlichen regelmäßig Leitfäden, anhand derer Kunden prüfen können, ob Dienstleistungen auf dem entsprechenden professionellen Niveau liegen. Aktuell haben wir etwa einen Leitfaden für Vergabeverfahren im öffentlichen Sektor veröffentlicht.

Wer Mitglied im BDU werden will, muss strenge Kriterien erfüllen. Und in Streitfällen oder wenn Mitgliedsunternehmen gegen die Regeln verstoßen haben, können Mandanten das Verbandsgericht anrufen.

Wie oft kommt das vor?

In den vergangenen vier Jahren ist es zum Glück gar nicht mehr passiert und davor auch nur vereinzelt.

Viele der Großen wie McKinsey oder Bain sind nicht im BDU organisiert. Schränkt das die Wirkungsmacht des Gerichts nicht deutlich ein?

Sie haben recht, einige der großen angelsächsischen Unternehmen treten eher selten nationalen Berufsverbänden bei. Das bedauern wir, aber es heißt nicht, dass kein Großer im BDU wäre. Capgemini, Deloitte, Sopra Steria oder BearingPoint etwa sind dabei. Wir gehen davon aus, dass unsere Verbandsgrundsätze Vorbildcharakter für die ganze Branche haben – auch für Nicht-Mitglieder.

Entwickeln Sie die Standards weiter, etwa in Fragen der Nachhaltigkeit?

Wir arbeiten laufend daran, die Grundsätze zu ergänzen. Und ja, Nachhaltigkeit ist ein Thema, das wir künftig stärker in unseren Selbstverpflichtungen berücksichtigen werden. Da ist die öffentliche Diskussion schon weiter, und insbesondere jüngere Mitarbeiter aus der Millennial-Generation haben bei diesem Thema einen spürbar höheren Anspruch, das merken unsere Mitgliedsunternehmen.

Inwiefern?

Die jungen Kolleginnen und Kollegen wollen wissen: Welchen Mehrwert bringt unsere Beratung für das Thema? Wie macht unsere Arbeit die Wirtschaft grüner und sozialer? Beratung kann ja durchaus ein Katalysator sein und Transformationsprozesse beschleunigen. Junge Berater stellen auch häufiger infrage, ob man breit in der Kritik stehende Branchen oder Kunden beraten sollte, oder sie wollen erklärt haben, wo Consulting-Firmen dabei ihre Grenzen ziehen.


Wir stehen als Branche vor der Aufgabe, uns eine funktionierende Selbstregulierung aufzuerlegen.

Die Wirtschaftsethikerin: Lisa Marie Ranisch studierte Ethik in Jena, forschte in Berkeley und promovierte in Friedrichshafen. Danach erprobte sie ihre Erkenntnisse in der Praxis, als Managerin bei PwC Deutschland. Heute lehrt sie als Professorin für Nachhaltige Unternehmensführung und Angewandte Ethik an der OTH Amberg-Weiden.

„Den Jungen fehlt oft der Mut.“

Berater erfüllen oft die Funktion des externen Impulsgebers. Von ihnen werden häufig innovative Konzepte erwartet. Das Risiko, dass auch mal etwas schiefläuft, ist daher immer da. Berater sind aber keine seltene, schützenswerte Spezies mit gesonderten Privilegien. Das zeigt schon die Tatsache, dass sich jeder Unternehmensberater nennen darf. Dass ein Berufsstand stark reguliert ist, schützt eine Branche bekanntlich auch nicht vor rechtlichen und moralischen Fehltritten und Skandalen – zu sehen an der Wirtschaftsprüfung.

Die Beratungsindustrie lebt von ihren Erfolgen, aber auch von ihrem guten Ruf und den Persönlichkeiten, die dort arbeiten. Skandale können daher definitiv schaden, zumindest kurzfristig. Wirklich guten Beziehungen zwischen Kunden und Beratern werden sie aber wenig anhaben. Der Kunde heuert letztlich überzeugende Menschen auf Zeit an – er kauft nicht nur einen Namen.

Auch die oft kritisierten Seilschaften – etwa Ex-Berater, die in neuer Funktion ihre früheren Kollegen beauftragen – müssen nicht schädlich sein. Wichtiger finde ich sowohl aus juristischer als auch aus wirtschaftsethischer Perspektive die klare Trennung zwischen Prüfung und Beratung, die derzeit nicht immer gegeben ist. Ist doch klar, dass keine unabhängige Prüfung erfolgen kann, wenn die geschäftlichen Entscheidungen, die ich da prüfe, aus derselben Feder stammen.

Die diskutierte Option, Berater über eine erweiterte, vielleicht gar persönliche Haftung zu regulieren, halte ich für kein Allheilmittel. Auch eine persönliche Haftung von Unternehmensberatern hätte Beratungs-Skandale nicht verhindert. In den meisten Fällen wurde ohnehin gegen bestehende Gesetze verstoßen, was Konsequenzen für die Täter nach sich zieht. Zudem sind die Probleme nicht immer in Geld zu bemessen – und über konkrete Schadenersatzansprüche auszugleichen.

Viel schwieriger ist doch die Wiedergutmachung, wenn es um soziale Folgen geht, etwa Standortschließungen, oder um ökologische Folgen bei der Missachtung von Klimarisiken. Hier ist es wichtiger, regulatorisch an den Problemen in der Produktion selbst anzusetzen – etwa mittels Lieferkettengesetz. Das trifft indirekt dann auch die Berater der jeweiligen Unternehmen.

Selbstverpflichtungen in Form von Ethikkodizes sind heute ein Standard guter Unternehmensführung. Ich denke, alle großen Beratungen haben sich entsprechende Regeln gegeben. Es hängt letztlich an den Führungskräften, ob und wie diese Regeln gelebt werden. Auch wenn ein Kodex erst mal nur ein schönes Dokument ist: Er schafft eine Verpflichtung, schwarz auf weiß – daher sehe ich es als Verantwortung eines jeden Mitarbeitenden, Verstöße dagegen zu melden.

Leider fehlt den jungen und unerfahrenen Consultants am Anfang ihrer Karriere hierfür oft der nötige Mut. Dann bleibt der ethische Anspruch eben doch Makulatur.

Zu einem Umdenken könnte das Thema Nachwuchsmangel führen. Unternehmensberatungen stellen sich auf die veränderten Wertvorstellungen junger Mitarbeiter ein, rufen Diversity-Netzwerke ins Leben, bieten Sabbaticals und Überstundenkonten an. Neue, transparentere Vergütungssysteme, die auf ein höheres Fixgehalt bauen, können den Erfolgsdruck auf unteren Stufen verringern und damit auch das Risiko, dass junge Berater mit Blick auf Bonuszahlungen vorschnelle und falsche Entscheidungen treffen.

In den Führungspositionen ist indes bis heute der variable Gehaltsbestandteil ausschlaggebend. So hängt die Wirksamkeit der Selbstregulierung eher an der Vorbildfunktion der erfahrenen Berater. Als ich vor einigen Jahren im Consulting anfing, war ich nach erster Berufserfahrung und fertiger Promotion älter und vielleicht auch gefestigt genug, um im Zweifel Bedenken zu äußern. Eigene Wertvorstellungen konnte ich vielleicht besser in den Job integrieren als manche Jüngere.

Eine ethisch verantwortungsvolle Beratung ist möglich, aber sie hängt stark vom jeweiligen Manager beziehungsweise Partner im Projekt ab. Wenn die Führungskräfte kein ethisches Bewusstsein mitbringen und vorleben, nützt das beste Compliance-System wenig. Wenn Leistungen allein an Resultaten gemessen werden, kann verantwortungsbewusstes Handeln kaum honoriert werden.


Mit jedem Fehlverhalten leistet sich die Beraterzunft selbst einen Bärendienst.

Der Wirtschaftsprofessor: Christoph Willers ist Professor für Strategisches Management und Unternehmensentwicklung an der CBS International Business School in Köln, deren Geschäftsführer und Vizepräsident er ist. Zudem leitet er die Klett Campus GmbH.

„Es fehlen vielfach Standards.“

Consulting steht noch immer auf der Liste der Traumjobs vieler Studenten, die Christoph Willers in Strategie unterrichtet. Für sie ist der 42-Jährige ein guter Ansprechpartner: Bevor er die Professur an der CBS übernahm, war Willers selbst zehn Jahre lang bei verschiedenen Beratungen tätig. Rund ein Fünftel der jährlich gut 1000 Absolventen der CBS schlägt den gleichen Weg ein.

Die Branche wächst, aber das Rekrutieren von Nachwuchskräften wird schwieriger. Das mag auch an den Reputationsproblemen der Zunft liegen, die immer mal wieder in die Schlagzeilen gerät. Auch wenn vor allem die Großen gemeint sind, wenn von „den Beratern“ die Rede ist. Also die Firmen, die laut Klischee Unternehmen vor allem dabei helfen zu restrukturieren, zu zerschlagen oder zu entlassen – und dafür hohe Beträge in Rechnung stellen. Auf ein solches Image reagiert die junge Studentengeneration sensibel.

„Mit jedem Fehlverhalten leistet sich die Beraterzunft selbst einen Bärendienst“, ist Willers überzeugt. Gute Gehälter und dicke Boni reichen längst nicht mehr als Lockstoff. Es kommt immer häufiger auf den gesellschaftlichen Beitrag, den Sinn des eigenen Tuns an. Die Branche muss einen Purpose vermitteln, ihre Systemrelevanz unter Beweis stellen, findet der CBS-Geschäftsführer.

Dass es immer wieder mal zu Fehlverhalten, zu Skandalen wie jüngst bei McKinsey kommt, deutet Willers nicht als Marktversagen, das Kontrolle und eine stärkere staatliche Überwachung notwendig macht. Anders sei es, wenn es darum gehe, Regelungen zu finden, die den Markt besser ordnen, „dann ist sicherlich auch im Beratungssegment Luft nach oben“, findet er. Dass kein Berufsregister existiert und jeder sich Berater nennen darf, macht den Markt höchst intransparent. Welche Leistung kann ein Kunde erwarten? Wie lassen sich Angebote und Preise von Wettbewerbern vergleichen?

Willers meint: „Es fehlen vielfach Standards für Beratungsleistungen.“ Während große Firmen eigene Qualitätsansprüche und -standards definierten und die Berufsverbände zumindest Minimalansprüche formulierten, bestünde vor allem bei vielen kleinen und mittleren Marktteilnehmern Nachholbedarf.

„Die Branche hat die Kraft zur Selbstregulierung, sie muss es nur wollen“, meint Willers. Sich auf Standards zu verständigen sei bei der Vielzahl von Marktteilnehmern zwar ein Mammutprojekt, aber letztlich im Eigeninteresse: Freiwillige Selbstregulierung birgt die Chance, sich mit einem Qualitätsversprechen im Wettbewerb hervorzutun. Willers stellt sich eine Art Berater-TÜV vor. Akkreditieren können sich Beratungen, die ihre Dienste klar umreißen und dank größerer Transparenz vergleichbarer machen. „So könnte sich die Branche mit Blick auf gesellschaftspolitische Ziele selbst in die Pflicht nehmen“, sagt er.

Vieles regle auch der Markt. Etwa die Seilschaften: Wird ein Berater nur aufgrund des Drehtüreffekts, also alter Verbundenheit, von einer Firma zurate gezogen, sieht Willers keinen Grund, staatlich einzugreifen. Wenn der Berater seinen Job schlecht mache, werde der Kunde schon seine Konsequenzen ziehen – persönliches Netzwerk hin oder her.

Das gilt auch beim heiklen Thema Haftung: Zwar liegt die Verantwortung für die Umsetzung einer Berater-Empfehlung beim Auftraggeber – „anhand der umgesetzten Beratungsergebnisse können jedoch Kompetenz und Professionalität besser eingeschätzt werden“, sagt Willers. Werde der Berater erfolgsabhängig vergütet, sei es auch in seinem Interesse, sich am Ergebnis messen zu lassen und Verantwortung zu übernehmen.

Die Hochschule, an der Willers lehrt, hat sich nachhaltiges Management auf die Fahnen geschrieben, worunter sie Aspekte wie Regulierung, Wirtschaftsethik und Verantwortung fasst. Die möchte Willers an der CBS explizit dem Consulting-Nachwuchs nahebringen. Immer stärker habe man diese Inhalte in den vergangenen zehn Jahren in Lehre und Forschung etabliert.

„Wir sehen uns als Hochschule in der Verantwortung, dass unsere Studierenden – als Fach- und Führungskräfte von morgen – lernen, wirtschaftliche Prozesse kritisch zu hinterfragen“, sagt Willers. Das Ziel: eine verantwortungsvolle Beratergeneration, die sich selbst reguliert. //

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