Kein Schiff wird kommen

/ Eines Morgens im Juni 2021 macht Mirja Nibbe daheim Bekanntschaft mit der Globalisierung. An diesem Tag steht vor ihrer Tür ein Tischler, der in ihrem Haus eigentlich eine Holztreppe montieren soll. Leider fehlten ihm die für die Montage nötigen Spezialschrauben, entschuldigt sich der Handwerker, die Materiallieferung hänge irgendwo auf dem Weg vom chinesischen Hersteller zum Hamburger Hafen fest. Ohne Lieferung aber keine Schrauben, ohne Schrauben keine Treppe.

„Wir haben lange über das Problem gesprochen“, sagt Nibbe, „ich konnte ihn ja gut verstehen.“ Mirja Nibbe ist Geschäftsführerin Germany & Central Europe bei Hapag-Lloyd, der mit 2,8 Millionen Containern, 13 000 Mitarbeitern und rund 250 Containerschiffen fünftgrößten Containerreederei der Welt. In den Augen vieler Kunden ist der hanseatische Logistiker dieser Tage aber vor allem ein Problemfaktor. Mehr als jeder zweite Hapag-Lloyd-Frachter erreicht sein Ziel derzeit nur mit teils wochenlanger Verspätung. Bei anderen Reedern sieht es nicht besser aus. Weil Zulieferteile fehlen, stehen in den Werken von Autobauern wie BMW, Audi und Mercedes zeitweise die Bänder still, in Ikea-Möbelhäusern bleiben Regale leer, weil Ware fehlt.