Jeder das Seine
Bei der Beiersdorf AG, die von Verbrauchern regelmäßig Bestnoten für die Glaubwürdigkeit und Güte ihrer Produkte wie Nivea, Labello oder Eucerin erhält, heißt Qualität deshalb: mutige Vorgesetzte. Gewonnene Gerichtsprozesse. Schnelle Antworten. Gesunde Mitarbeiter. Einfache Sprache. Das richtige Tempo. Neue Kleidung. Eindeutige Produktnummern. Oder weniger Dreck. Je nach dem, wen man befragt.
DR. HEINER MAX (42),
seit elf Jahren bei Beiersdorf. Als Leiter der Forschungsabteilung Körperpflege (Research Personal Care) ist es seine Aufgabe, neue Wirkstoffe zu entwickeln, mit denen Produkte wie Nivea-Shampoo oder -Deo verbessert werden.
„Einen Bewerber frage ich grundsätzlich erst einmal nach seinen Erfahrungen bei eigenen Projekten. Lief dabei alles super, ist es der falsche Kandidat. Ein Blender. Einer, der Dinge tendenziös betrachtet und nicht in der Lage ist, sich kritisch zu fragen, was genau die Erfolgsfaktoren waren. So jemanden brauchen wir nicht, denn Fehler gehören bei uns zum Tagesgeschäft. 50 bis 80 Prozent unserer Projekte bringen nicht die Ergebnisse, die wir uns erhofft hatten, das kann extrem frustrierend sein. Wenn wir die Qualität unserer Forschung verbessern wollen, müssen wir dennoch jedes Mal die Schwachstellen gründlich und ehrlich anschauen und aus unseren Erkenntnissen für das nächste Projekt lernen.
VOLKER POHLMANN (54),
seit 28 Jahren bei Beiersdorf, ist Leiter der Küche, die täglich rund 3500 Menschen versorgt.
„Kantine? Das Wort höre ich nicht so gern. Wir sind ein Restaurant. Und die Mitarbeiter, die mittags zu uns kommen, sind unsere Gäste – auch wenn sie nicht zwischen sieben Fleischsorten und fünfzehn Beilagen wählen können. Wer zu uns kommt, schätzt den Service und weiß, dass wir sehr genau auf eine ausgewogene Ernährung achten. Diese Verantwortung für die Gesundheit der Gäste empfindet jeder, der hier bei uns in der Küche arbeitet. Für mich ist das die Basis: die Bereitschaft und die Fähigkeit der Köche, diese Verantwortung zu übernehmen.
Wären wir nicht nur für das Mittagessen, sondern für die komplette Ernährung zuständig, würden wir die Qualität unserer Arbeit auch daran messen, ob unsere Kunden übergewichtig sind oder nicht. So halten wir uns an andere Belege für die Zufriedenheit. Das ausgesprochene Lob. Die Tatsache, dass sich die Leute unsere Rezepte aus dem Internet herunterladen. Dass sie zahlreich und gerne an den Kochkursen teilnehmen, die wir anbieten. Dass wir als Küche mit Preisen ausgezeichnet werden. Wir bekommen auch viele Mails – auf die wenigen Beschwerden reagiere ich fast immer innerhalb von 24 Stunden.
Natürlich sind auch Arbeitsprozesse und Produkte wichtig. Das Gemüse kommt aus biologischem Anbau. Stallungen der Landwirtschaftsbetriebe oder Schlachtereien, über die wir unser Fleisch beziehen, inspizieren wir in regelmäßigen Abständen. Selbst für die Ordnung im Lkw-Fahrerhaus eines Lieferanten oder für die Sauberkeit der Kleidung des Fahrers interessieren wir uns. In der Küche steht ein großer Ordner – unser Kontrollsystem, in dem wir jedes Detail für jeden Arbeitsprozess aufführen.
BARBARA MILKE (37),
seit zehn Jahren im Unternehmen. Die Leiterin des Bereichs Succession Planning & Recruitment-Programs ist verantwortlich für den Managementnachwuchs und die Nachfolge-Planung für Führungspositionen.
„Eigentlich geht es bei dem, was ich tue, um die Antwort auf eine einzige Frage: Wie können wir sicherstellen, dass die richtigen Mitarbeiter zum richtigen Zeitpunkt für unsere Schlüsselpositionen zur Verfügung stehen?
DR. HANS-HENRY WENDT (58),
seit 24 Jahren bei Beiersdorf, ist der Leiter Plan and Deliver. Er ist für die logistische Entwicklung der Wertschöpfungskette verantwortlich und dafür, dass neue Produkte in die Logistik eingebunden werden.
„Eigentlich ist es ganz einfach: Weltweit sollen Produkte zu Kunden gelangen – genau wie sie es möchten und genau dann, wann sie es möchten. Wie gelingt das? Indem wir gut mit ihnen zusammenarbeiten. Wie arbeiten wir gut mit ihnen zusammen? Indem wir auf ihre Bedürfnisse und Wünsche eingehen. Wie können wir auf ihre Wünsche eingehen? Indem wir ein flexibles Logistiksystem benutzen. Was ist die Grundvoraussetzung für ein flexibles System? Eine einheitliche Basis.
DR. DIRK ALERT (51),
seit 22 Jahren im Haus, ist Leiter des weltweiten Qualitätsmanagements. Er ist unter anderem dafür zuständig, dass nur einwandfreie Waren auf den Markt gelangen.
„Qualität kann man nicht in Produkte oder Dienstleistungen ,hineinprüfen‘. Qualität erreicht man auch nicht über Sanktionen und Strafen. Qualität erlangt man, indem man prozessorientiert arbeitet. Je besser ein Prozess, desto besser ist daher die Qualität unserer Arbeit.
HEINZ JÜRGEN STÜTING (55),
seit 14 Jahren im Haus. Seit 1998 leitet er den Umbau eines ehemaligen polnischen Kombinats zu einer Tochtergesellschaft des Beiersdorf-Konzerns und musste unter anderem die Mitarbeiterzahl von rund 1500 auf 370 reduzieren. Mittlerweile hat der Pro-Kopf-Umsatz des polnischen Werks den mittleren Konzerndurchschnitt erreicht.
„Die Ziele waren klar: Die Qualität unserer Produkte sollte kompromisslos gut und Nivea zur Kosmetikmarke Nummer eins in Polen gemacht werden. Die technischen Anlagen sind dafür nicht entscheidend, die kann man kaufen. Entscheidend würden die Mitarbeiter sein und die Frage: Wie gewinnt man Menschen für einschneidende Veränderungen? Von einer guten Antwort hing die Qualität meiner Arbeit ab.
Für einen Wandel, wie wir ihn hinter uns haben, braucht man Menschen, die mitziehen. Das kann nicht jeder, deshalb muss man zunächst einmal vor allem beobachten. Wie packt jemand eine Aufgabe an? Geht er auf ein Problem zu, oder ist er defensiv und zögerlich? Besitzt er die Fähigkeiten, die für einen langwierigen Veränderungsprozess nötig sind? Wenn jemand nicht in der Lage ist, die neuen notwendigen Fertigkeiten zu erlernen, muss man sich, so bitter das ist, von ihm trennen. Im anderen Fall muss man ihn, so schnell es geht, schulen. Je besser und ehrlicher man die Potenziale der Mitarbeiter einschätzt, desto höher ist die Qualität der Veränderung.
ULRIKE VOLLMOELLER (42),
seit 16 Jahren bei Beiersdorf, ist für das weltweite Marketing der Produktgruppe Face Care verantwortlich, unter die alle Nivea-Gesichtspflegeprodukte fallen.
„Wie gut verstehen wir die Bedürfnisse unserer Kunden? Von dieser Frage hängt die Qualität unserer Arbeit ab. Deshalb gibt es eine Abteilung innerhalb des Marketings, die sich nur mit Consumer Insights beschäftigt. Deshalb veranstalten wir Gruppendiskussionen mit Verbrauchern. Deshalb hören wir zu. Ganz oft heißt es da: Wenn Nivea etwas verspricht, dann glauben wir das. Ein besseres Lob für die Qualität unserer Arbeit kann es kaum geben. Leider beantwortet es nicht die Frage, bei welchen Themen die Verbraucherüberhaupt bereit sind, uns zuzuhören. Und wie gelingt es uns anschließend, die Anregungen des Kunden so umzusetzen, dass sie sich auch wirklich im Endprodukt niederschlagen? Die Kunst besteht darin, sich trotz aller Euphorie über neue Wirkstoffe, die die Forschungsabteilung gefunden hat, trotz der Versuchung, sich mit einzigartigen, schön klingenden Produktversprechen gegenüber dem Wettbewerb zu profilieren, und trotz der Begeisterung für eigene Ideen, immer wieder zu erden. Luft zu holen. Und die Frage zu wiederholen: Was will der Verbraucher?
Aus Flops im Markt lernen wir oft mehr als etwa aus Produkten, die sich mittelmäßig verkaufen. Vor einiger Zeit haben wir beispielsweise eine ganz neue Anti-Falten-Creme für Frauen um die 30 entwickelt. Das Produkt hätte ein Erfolg werden müssen, zumindest laut unseren Berechnungen, aber es blieb nach der Markteinführung in den Regalen liegen. Wir waren ratlos. Daraufhin haben wir eine Verbraucherstudie in Auftrag gegeben, um den Grund für den Misserfolg zu erforschen. Dabei stellte sich heraus, dass die Verpackung den Frauen nicht gefiel. Dass die Werbung nicht passend war. Vor allem aber: Obwohl 30-Jährige schon über die ersten Falten klagen, wollen sie das Thema ,Altern‘ am liebsten verdrängen – sie wollen es jedenfalls ganz bestimmt nicht in Form eines Produktes in ihrem Badezimmer manifestieren. Uns war diese Widersprüchlichkeit bisher nicht so deutlich.
Das Ergebnis der Fehleranalyse: eine Neueinführung im Anti-Aging-Bereich, bei der die Entwicklung Schritt für Schritt mit der Zielgruppe, Frauen um die 40, überprüft wurde. Diesmal scheinen wir alles richtig gemacht zu haben. Die Produktlinie ist ein voller Erfolg!“
CHRISTIAN JUST (61),
seit 29 Jahren bei Beiersdorf, ist Betriebsleiter im Produktionswerk 1 in Hamburg, wo täglich zum Beispiel 150.000 Dosen Nivea-Creme, 900.000 8x4 Roll-on-Deos und 300.000 Flaschen Nivea After Shave Balsam für den europäischen Markt produziert werden.
„Woran ich Qualität festmache? An der technischen Qualität unserer Anlagen. An der Materialqualität der Rohstoffe, die wir geliefert bekommen. An der Qualität des Personals, das in der Produktion arbeitet. An der Qualität des Arbeitsplatzes und der Arbeitsprozesse. An der Lebensqualität der Mitarbeiter. Und an der Service-Qualität, etwa bei der Lieferpünktlichkeit. Je weiter man als Führungskraft von den eigentlichen Produktionsprozessen entfernt ist, desto abstrakter und schwerer greifbar wird der Qualitätsbegriff. Gleichzeitig gilt der alte Satz, gerade wenn es um die Qualität geht: Der Fisch fängt vom Kopf an zu stinken!
Damit ist auch die wichtigste Frage definiert: Wie schafft man es, auch von weit oben, Einfluss zu nehmen auf die Qualität der Arbeit? Nun, indem man klare, präzise Anweisungen erteilt. Indem man Mitarbeitern vertraut und Freiraum gibt, aber auch kontrolliert. Indem man auch mal ordentliche Feiern veranstaltet, wenn etwas sehr gut geklappt hat. Indem man Fortschritte registriert und nicht dauernd auf den Schwächen herumtrampelt – und indem man erkennt, wann einer am falschen Platz ist.
Ich erinnere mich gut an einen Handwerker, der für die Wartung und Reparatur der Maschinenanlagen zuständig war. So sehr er sich auch abmühte, er erfüllte nicht meine Erwartungen. Nach einem langen Gespräch machte ich ihm den Vorschlag, den Job innerhalb der Produktion zu wechseln und Maschinenführer zu werden. Dort leistet er heute vorzügliche Arbeit. Personalmanagement ist also extrem wichtig für die Qualität in der Produktion, aber auch altmodische Themen wie Anstand und Ordnung haben eine Bedeutung. Fragen Kollegen aus anderen Unternehmensbereichen nach einer Führung durch die Produktion und werden zum vereinbarten Termin versetzt, bin ich mir nicht zu schaden, so etwas persönlich zu klären. Ich spreche es an, wenn der Umgangston innerhalb der Belegschaft rau wird. Oder wenn die Sozialräume mal wieder unaufgeräumt sind. Kleinigkeiten wie diese sind die wahren Indizien für die Qualität unserer Arbeit. Denn die setzt sich aus vielen Faktoren zusammen. Und nur, wenn die alle auf einem guten Niveau sind, stimmt am Ende auch die Qualität unserer Produkte.
Fatal ist nur, man muss die Dinge immer und immer wiederholen. Jeder neuen Führungskraft sage ich deshalb gleich zu Beginn: ,Stellen Sie sich darauf ein, dass Sie die nächsten zehn Jahre jede Woche dieselben Sätze sagen werden.‘ Gutes Management funktioniert nicht anders als Kindererziehung. Sie brauchen Durchhaltevermögen und Geduld. Und Sie müssen sehr aufmerksam beobachten: Oft erkennt man die Qualität einer Arbeit nicht daran, dass etwas immer sauberer wird – es wird aber auch nicht langsam dreckig.“
Die Beiersdorf AG in Zahlen
Gründung: | 1882, Firmensitz Hamburg |
Umsatz 2006: | 5,12 Milliarden Euro |
EBIT 2006: | 590 Millionen Euro |
Umsatzrendite nach Steuern 2006: | 7,5 Prozent |
Mitarbeiter: | rund 17.300, davon etwa 6000 in Deutschland |
Hauptaktionär: | Tchibo Holding AG (50,46 Prozent) Tochtergesellschaften: mehr als 100 |
Marken: | Nivea, Labello, 8x4, La Prairie, Eucerin, Atrix, Juvena, Hansaplast/Elastoplast, Florena, Tesa |
Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.