Die dritte Generation

Sie wollten besser werden, effizienter. Und die Kunden optimal bedienen: durch Einzelstücke nach Maß – zum Preis der billigeren Konfektion. Der Computerbauer Dell hatte vorgemacht, wie es geht, und Mass Customization zum Erfolgsprinzip erhoben.
Was beim PC möglich ist, müsste doch erst recht in der Bekleidung funktionieren, dachten die Nachahmer. Und haben gelernt, dass auch ein erfolgreiches Geschäftsmodell einen individuellen Zuschnitt braucht.




Johannes Steuerwald ist einer, der den Aufstand geprobt hat. Gegen das System Schuhindustrie. Er hatte eine Idee, versuchte sie zu verwirklichen. Kämpfte, scheiterte, stand wieder auf. Scheiterte erneut. Menschen wie er sind die Helden der Wirtschaft. Ohne ihre Visionen würde sich die Welt nicht weiterentwickeln.

Steuerwalds Vision war einfach, damals, Mitte der Neunziger. „Eine Art Swatch-Schuh, direkt vertrieben, nach einem Baukastensystem vom Kunden selbst zusammengestellt und auf Bestellung gefertigt.“ Levi’s hatte vorgemacht, dass es funktioniert. 1994 bot der größte Jeanshersteller der Welt die ersten individuell gefertigten Denims an, um Designer- und Handelsmarken etwas entgegenzusetzen. Sie waren natürlich nicht maßgeschneidert, wie der Name Personal Pair suggerierte. Es gab die Modelle nur in mehr Varianten: Statt 51 Standardgrößen hatte Levi’s jetzt 400 verschiedene Schnittmuster im Cutter. Für die meisten Kunden passte das.

Dieses Prinzip, dachte Steuerwald, müsste sich auch auf Schuhe übertragen lassen. Andere dachten ähnlich. Mass Customization (MC) wurde zum Trend. Überall konnten die Kunden plötzlich „ihre“ Produkte kaufen: Vitaminpillen bei Sovital, Uhren und Taschen beim Netzhändler Xaaaz, maßgefertigte Pager bei Motorola. Matthias Horx vom Zukunftsinstitut witterte eine neue Ära: „Das Zeitalter der Ich-Produkte hat begonnen.“ Inspiriert waren alle von einer der imponierendsten Erfolgsgeschichten der Gegenwart. Seit Mitte der Achtziger schraubte Computerhersteller Dell PCs nach Kundenorder zusammen, startete mit Telefonverkauf, profitierte von der raschen Verbreitung des Internets. Und baute, wenn man so will, eine neue Firma: Erst die Bestellung des Kunden setzte Logistik und Produktion in Gang. Michael Dell wurde zum König des E-Commerce, Benchmark ist Dell bis heute.

Während der Rest der Branche erneut ein Minus verbuchte (ein Prozent), wuchs der Absatz beim MC-Pionier im ersten Quartal 2003 um 29 Prozent. Deshalb weitet der Computerhersteller seine Geschäftsfelder sogar aus. Schon bietet er auch Drucker und PDAs an. Mobiltelefone kommen ab Herbst in den Verkauf.

Für die Schuh- und Bekleidungsindustrie schien das Prinzip Dell besonders geeignet – keine Lagerhaltungskosten, keine Überproduktion, Retouren und Schlussverkäufe. Einsparpotenzial in Milliardenhöhe. Ausstatter wie Cut for You und Kaufhäuser wie C&A ersetzten das Maßband durch den Laser und stellten medienwirksam 3D-Bodyscanner auf. In Ehren ergraute Maßschneider wie Dietrich Brügelmann boten maßgefertigte Hemden übers Internet an. Doch der Anfangsschwung erlahmte. Dells Geschäftsmodell war schwieriger zu kopieren als gedacht.

1. Creo: Wie alles begann

Johannes Steuerwald, Gründer des MC-Unternehmens Creo, wächst mit der Schuhindustrie auf. Sein Vater ist Geschäftsführer von Libelle, dem Marktführer für Damenschuhe in den fünfziger Jahren. Er studiert BWL, arbeitet drei Jahre im Verkauf, landet im Marketing von Adidas. Er weiß, wie hoch die Lagerkosten sind, spürt den Wettbewerbsdruck der Niedriglohnländer. Von mehr als 500 Betrieben in Deutschland im Jahr 1970 sind nach Angaben des Hauptverbandes der Deutschen Schuhindustrie 1991 noch 151 übrig. Steuerwald über die Gründe: „Rückständigkeit, Innovationsfeindlichkeit, verkrustete Strukturen – das hat mich oft zur Weißglut getrieben.“

Individualisierung sieht Steuerwald als Weg, sich zu positionieren. Er setzt aufs Design, nicht auf die Passform: „Den perfekt passenden Schuh gibt es nicht. Das ist abhängig von der Tageszeit, vom Material. Wenn Sie mit der Passform werben, ist die Erwartung hoch, der Kunde schnell unzufrieden. Wer das Design gestalten kann, ist emotional beteiligt.“

Steuerwald ist Pionier, muss die Wertschöpfungskette neu erfinden: Produktionsprozesse, Logistik, Marketing, Vertrieb. Als Erstes entwickelt er ein modulares System, in dem sich einzelne Schuhpaare industriell fertigen lassen, in Fabriken, wo normalerweise 4000 Paar am Tag über die Bänder laufen. Sohle, Oberteile vorn und hinten und die Lasche bilden die vier Module, die in verschiedenen Farben und Designs vorproduziert und auf Bestellung zusammengesetzt werden. Vom Ausstanzen des Leders bis zum Hineinsetzen in die Schachtel 83 Arbeitsgänge – üblich sind 160.

Bei der Popkomm ‘98 stellt er den Schuh vor. Bis dahin hat er gut 150.000 Mark investiert – vor allem für die Sohlenform und die Entwicklung des Konfigurators, mit dem der Kunde den Schuh am Bildschirm zusammenstellen kann. „Das Publikum stand an den Terminals und spielte mit dem Konfigurator. Die verstanden nicht, dass sie den Schuh tatsächlich ordern konnten. Da habe ich begriffen, dass wir zu früh sind. Wir mussten erst ein Bewusstsein dafür wecken, dass so etwas möglich war.“

Die Presse feiert Steuerwald als Held – die Branche schließt ihn aus. Er hat Ärger mit dem Logistiker, wechselt den Hersteller. Er muss Widerstände überwinden. Den Konfigurator für das damals noch junge Netz entwickelt eine Münchner Firma. Er funktioniert nur mit speziellem Browser. Und wer keinen schnellen Zugang hat, wartet eine halbe Stunde, bis die Seite geladen ist. Steuerwald muss alles neu entwickeln lassen.

Ein Jahr nach dem Start verkauft der Pionier 130 Paar Schuhe pro Monat, setzt jährlich 150.000 Euro um. Das reicht nicht. „Mass“ heißt Masse, nicht „nach Maß“. Er sucht strategische Partner und landet beim Otto Versand. Doch die Kooperation läuft nicht wie erhofft. Einkäufer, die sonst in Losgrößen von 1000 Stück denken, bestellen bei ihm zwei Paar täglich. Auf der Website ist er gut versteckt, auch im gedruckten Teil des Kataloges steht er nicht, nur auf einem beiliegenden Flyer.

Er kommt mit dem US-Direktvertreiber Market America ins Gespräch, der seine Distributoren im Haustürverkauf einen Testlauf machen lässt. In drei Wochen verkaufen sie 800 Paar. Alles scheint gut zu werden: Im Juli 2001 verkauft Creo wöchentlich 180 Paar Schuhe allein in Nordamerika. Mit dem 11. September ist es vorbei. Fünf Wochen lang keine einzige Bestellung. Steuerwald macht den Laden dicht. Er hat genug vom Kämpfen. Noch heute ist er überzeugt, dass seine Idee richtig war: „220 Tage liegt ein Schuh durchschnittlich im Handel. Rechnen Sie mal die Kapitalbindung aus.“ Er sitzt in einem Café in Köln, auf Dienstreise als freiberuflicher Berater im Sportartikelbereich. „Rücksendequoten sind die Achillesferse der Versender. Normal sind 50 Prozent. Wir lagen um die zehn Prozent.“

2. Aus Fehlern der Pioniere lässt sich viel lernen

„Creo ging es wie vielen Start-ups: Sie haben die Möglichkeiten des Internets überschätzt und kamen nie über die kritische Masse hinaus“, sagt Frank Piller, Partner der Unternehmensberatung Think Consult und wissenschaftlicher Assistent an der Technischen Universität München. Er ist so etwas wie der Pate der deutschen Mass-Customization-Szene. Bei ihm läuft vieles zusammen, er veranstaltet Kongresse, schreibt Standardwerke zum Thema. „Schwierig wird es für die Start-ups, wenn sie mit einer ganzen Branche konkurrieren, wie Steuerwald. Sie brauchen Kapital, um ihr Geschäftsmodell aufbauen zu können. Und das Vertrauen der Kunden, dass sie Qualität liefern wie ein Großer. Daran sind die meisten Unternehmen der ersten MC-Generation gescheitert.“

Die Pioniere waren getrieben von den Vorteilen, die Joseph Pine im Bestseller „Mass Customization“ 1992 beschrieben hatte: Abbau des Risikos, keine Produktionsüberschüsse, Abschöpfen von Konsumentenrenten. Levi’s gehörte dazu, Custom Foot, Panasonic Bicycles. Die zweite Generation begeisterte sich in den späten neunziger Jahren für die Möglichkeiten der Individualisierung. Das Internet erlaubte Mittelständlern wie Xaaaz, ID-Town und Sovital Life & Nutrition Science weltweite Präsenz und senkte die Kommunikationskosten.

„Diese beiden Generationen haben das Konzept Mass Customization bekannt gemacht und ausgetestet“, sagt Piller. „Einige unterschätzten die hohen Implementierungskosten, andere die Abhängigkeit von Lieferanten. Auch der Kunde war überfordert: ID-Town bot mehr als 30 Millionen Möglichkeiten, eine Uhr zu designen. Wenn sie dann geliefert wurde, war sie hässlich. Woher soll der Kunde wissen, wie man eine Uhr gestaltet?“ Die Prinzipien von Dell, mussten die Pioniere leidvoll erfahren, ließen sich nicht einfach übertragen. „Dell liefert zu etwa 80 Prozent an Geschäftskunden und Behörden“, sagt Bernd Skiera, Professor für E-Commerce an der Universität Frankfurt. „Die Branche leidet unter rapidem Preisverfall, ein Prozent pro Woche, der Markt will häufig Neuerungen.“ Frank Piller ergänzt: „Die Pioniere haben geblutet. Aber ihre Erfahrungen und Fehler haben den Weg geebnet für die dritte Generation. Dell hat eine Entwicklung angestoßen, die weltweit die Produktionsprozesse verändern wird.“

3. Die jüngste Generation

Im Sommer 2001 eröffnet Claudia Kieserling den Laden Selve Shoes in München. Adresse: Tal 22, knapp fünf Gehminuten vom Marienplatz. Dort residiert das Lifestyle-Kaufhaus Ludwig Beck. Von den MC-Pionieren hat Kieserling gelernt, dass sie einen starken Partner braucht. Sie wollte zu Beck und konnte Vorstand Reiner Unkel überzeugen. Seit August 2002 hat sie einen Shop im dritten Stock, zwischen Strenesse und Max Mara, mit fünf Mitarbeiterinnen und frischen Blumen jeden zweiten Tag.

Sie hat ihr Geschäft gründlich vorbereitet. Für Bama Schuhe leitete sie das Designteam, das Mitte der Achtziger mit frischen Ideen aus einem Ökoschuh eine Trendsandalette machte. Sie designt für Puma, absolviert ein MBA-Studium in St. Gallen, schreibt ihre Diplomarbeit über Mass Customization. „Der Damenschuh-Markt ist groß, und es gibt kaum Konkurrenz, selbst von Maßschuhmachern“, sagt die 40-Jährige. Bei der Individualisierung setzt sie gleichermaßen auf Passform und Design. Sie wählt ein breites Marktsegment, von modisch bis klassisch. Und sie hält einen Laden für unabdingbar.

Ähnlich wie Steuerwald muss Kieserling den Produktionsprozess neu entwickeln, von Grund auf. Sie braucht Daten, nach denen sie ihre Leisten fertigen kann. Der Leisten ist das Herzstück der Schuhfertigung. Um ihn herum wird das Oberleder gepresst. Dabei kommt es auf Millimeter an. Doch die letzte Reihenvermessung, die sie findet, stammt aus den dreißiger Jahren – und enthält nur Daten von Männerfüßen.

Also führt sie eine eigene Untersuchung durch, zusammen mit der TU München. Leiht sich einen 200.000 Euro teuren Fußscanner und vermisst damit vier Wochen lang in den Fußgängerzonen von München, Berlin und Hamburg die Füße von 1000 Frauen. Aus den Daten clustert sie 36 Leistenformen. Normal sind acht bis zwölf.

Bei Beck bietet sie 15 Modelle an, Preis: um 195 Euro. Die Füße werden an sechs Punkten vermessen. Mit einem Probierschuh kann die Kundin die Größe überprüfen, kommt über die Auswahl von Farbe, Material und Absatzform auf mehr als 5000 Varianten. „Die Daten gehen an den italienischen Hersteller“, sagt Kieserling. „Nach zwei bis drei Wochen bekommt die Kundin den Schuh per Post oder holt ihn hier ab.“ Der Break-Even ist für 2004 geplant und in diesem Herbst eine Selve-Filiale in London.

4. Wie man den Handel als Partner gewinnt – oder als Gegner

Die Zeit ist reif. Markenartikler wie Adidas, Nike, Procter & Gamble, Lego und Lands’ End entdecken das Potenzial der Mass Customization. Die Maßfertigung soll dabei die Massenproduktion ergänzen und an neue Kundengruppen heranführen. Für einige Konzerne ist es der Einstieg in den Direktvertrieb. Zudem lässt sich der Kundenkontakt zur Marktforschung nutzen – und für die Entwicklung neuer Produkte.

Das verlangt Konsequenzen. Das gesamte Geschäftsmodell muss auf MC abgestimmt werden. Einkauf, Herstellung, Vertrieb, Kommunikation, alle Abläufe innerhalb der Organisation sind neu zu definieren. Ansprechpartner ist nicht mehr der Chefeinkäufer, sondern der Kunde. Die Qualitätskontrolle findet nicht mehr am Ende der Produktion, sondern zwischen modularen Baukästen statt. Vorfertigung und Lagerhaltung entfallen. Die Vergütung für die Vertriebsmannschaft muss angepasst werden. Das Marketing bewirbt ein Produkt, das es noch gar nicht gibt. Der Kunde wird aktiver Teil der Wertschöpfung.

Inkonsequenz sei der Grund, dass das Modell von Levi’s so schleppend läuft, sagt Frank Piller. „Der Vorstand hat sich nie committed.“ Ganz anders Procter & Gamble. Der Konzern bietet unter der Marke Reflect.com individualisierte Kosmetik- und Pflegeprodukte an. Den Costumizer hat er ausgegliedert und eine der erfolgreichsten Kosmetikmarken seit 15 Jahren in den USA neu etabliert.

Das kostete bisher 280 Millionen Dollar. Dafür hat Procter & Gamble Zugang zu allen Vorlieben, Wünschen und Daten der Kundinnen – ohne die paneltypischen Fehler der Marktforschung. Für einen Konzern, der jedes Jahr eine halbe Milliarde Dollar für die Untersuchung des Verbraucherverhaltens ausgibt, kein schlechtes Geschäft.

Dem US-Versender Lands’ End kam bei der Einführung individuell produzierter Hosen zugute, dass die Kunden das Bestellprinzip bereits kannten. Etwa 60 Prozent der Chinos werden mittlerweile nach Maß gefertigt. Die Mehrkosten für Website und Beratung macht Lands’ End durch höhere Margen, Vorauskasse und geringere Rücksendequoten mehr als wett.

Einen Königsweg gibt es nicht. Gleich, ob Mittelständler oder Global Player: Jedes Unternehmen muss seinen eigenen Weg gehen. Piller: „Bei Mass Customization muss auch das Konzept individualisiert sein.“

5. Dolzer – Erfolg nach Maß

Die Firma Dolzer hat ihr Konzept gefunden. Der Maßkonfektionär aus dem 2000-Seelen-Dorf Schneeberg im Odenwald ist einer der größten deutschen Hersteller für Damen- und Herren-Maßkonfektion. Während der Branchenumsatz in den vergangenen beiden Jahren nach Angaben des Statistischen Bundesamtes um zehn Prozent sank, ist er bei Dolzer zweistellig gestiegen. Die Umsatzrendite liegt bei traumhaften zehn Prozent. Grund Nummer eins ist der Preis. Ein Hemd nach Maß kostet ab 50 Euro, ein Anzug ab 149 Euro. Die Presse nennt Dolzer den Aldi der Maßkonfektion. Thomas Selkirk, der Inhaber, bevorzugt den Ausdruck „Value for Money“.

Grund Nummer zwei ist die Zielstrebigkeit, mit der Selkirk die betuliche Familienfirma zum modernen Mass Customizer umbaute. Der 42-jährige ehemalige Unternehmensberater kaufte die Firma 1995. Es gab zwei PCs im Haus. Aufträge wurden per Orderbogen weitergereicht. Selkirk führte ein Computersystem ein, eröffnete fünf Filialen in deutschen Großstädten, etablierte eine Linie mit hochwertigen Stoffen. Ende 2001 startete Dolzer einen Internetshop für Hemden, um Erfahrung im E-Business zu sammeln. Selkirk führte Dolzer aus der Billig-Nische, erweiterte den Kundenkreis und steigerte die Effizienz. Der Umsatz 2001/2002 verdoppelte sich von 7,5 auf 15,5 Millionen Euro.

Erfolgsgrund Nummer drei ist die vertikale Integration. Die Näherei ist ausgelagert in eine tschechische Schwesterfirma, zugeschnitten werden die Stoffe im dritten Stock in Schneeberg. Auf 400 Quadratmetern arbeiten 80 Mitarbeiter und zwei je 300.000 Euro teure Cutter, die den arbeitsintensiven Zuschnitt automatisieren. Eine Schwesterfirma in Porto fertigt die Hemden. Damit hat Selkirk eine schlanke Produktion und keine Probleme mit Zulieferern. Durch den Direktverkauf fallen zudem die Händlermargen weg.

Grund Nummer vier: die Kompetenz. Seit 40 Jahren macht Dolzer nur Maßkonfektion, hat Erfahrung und eine starke Marke. Grund Nummer fünf ist das Gespür von Thomas Selkirk. „Es spielt uns alles in die Hände. Märkte entwickeln sich erst quantitativ, dann qualitativ. Das Bewusstsein für Stoffe ist noch nicht stark ausgeprägt. Aber das kommt. Maßkonfektion wird zum Megatrend.“ Zurzeit führt Selkirk in fünf Ländern die Marke Mallet&Tusk ein. Umsatzziel in fünf Jahren: 15 Millionen Euro. „Immer mehr Einzelhändler haben Interesse daran, weil sie mit geringem Kapitaleinsatz eine Zusatzleistung anbieten können.“

6. Adidas und Euroshoe – vorsichtige Testläufe

Das Modell Dolzer funktioniert. Doch als Kopiervorlage taugt es nicht, weil die meisten Markenartikler über den Handel vertreiben. Mit MC riskieren sie Konflikte: 1. Nach dem Maßnehmen können die Folgekäufe per Internet abgewickelt werden – bequem für den Kunden und profitabler für den Hersteller. Wie aber soll der Einsatz des Handels bei Maßnehmen und Beratung entlohnt werden? 2. Bei Einführung einer MC-Linie entsteht schnell der Eindruck, der Handel verkaufe zweitklassige Ware, weil die guten Stücke nur in speziellen Läden oder beim Hersteller erhältlich sind. 3. Wem gehören die Daten, die der Händler erhebt und an den Hersteller leitet, wer darf sie nutzen? 4. Wer schult das Personal, wer ist für Fehlmessungen verantwortlich, wer für Reklamationen?

Adidas Salomon vertreibt seine MC-Marke Mi-adidas nur in Flagship-Stores und auf Veranstaltungen. Der Sportartikler hat vom Konkurrenten Nike gelernt, der sein Projekt ID bewusst klein hält, mit Rücksicht auf den Handel. Wird der Mi-adidas-Marktanteil größer, ist ein Konflikt mit den Händlern unausweichlich – ein Pilotprojekt für die Branche.

Auch Euroshoe, das mit neun Millionen Euro von der EU geförderte Projekt, weist in die Zukunft. Forschungsinstitute, Maschinen- und Softwarehersteller untersuchen mit den Schuhfabriken von Lloyd, Ecco und Bally MC-Konzepte – von der Produktentwicklung bis zum Vertrieb. Auf Basis der Ergebnisse wird eine Musterfabrik nahe Mailand gebaut, die ab Mitte 2004 produzieren soll, auch als Dienstleister für andere Hersteller. Die optimale MC-Fabrik. Johannes Steuerwald wäre der erste Kunde gewesen.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.