Alles bleibt anders

Die Umwälzungen in der Automobilindustrie sind für die Beschäftigten direkt spürbar. Neue Arbeitsabläufe erfordern neue Qualifikationen und ein hohes Maß an Flexibilität. Experten wissen, was die Produktion von morgen erfordert. Zwei Veteranen, ein Bandarbeiter und ein Ingenieur, erzählen, wie sie die Veränderungen in der Vergangenheit erlebten.




Die Automobilindustrie befindet sich in einer turbulenten Phase. Die Innovationszyklen werden kürzer, die Abläufe in den Montagehallen komplexer. Alte Mechanik und neue Elektronik verschmelzen – die Zahl der potenziellen Fehlerquellen steigt. Der Druck, unter dem die Hersteller stehen, ist für die Beschäftigten unmittelbar spürbar. Aus Einzelkämpfern sollen Teamarbeiter werden. Statt der ständigen Wiederholung ein und desselben Handgriffs sollen die Beschäftigten am Band organisatorische Aufgaben übernehmen, Verbesserungsvorschläge machen, lernen, systematisch Probleme zu erkennen und zu ihrer Lösung beitragen. Die Ingenieure sollen das alte Standesdenken ablegen, sich soziale und methodische Kompetenzen aneignen, die über ihr unmittelbares Aufgabengebiet hinausgehen. Es reicht schon längst nicht mehr, sich in nur einem Bereich auszukennen. Flexibilität und Wissen in unterschiedlichen Gebieten sind gefragt. „Ein Konstrukteur, der gestern eine Nockenwelle gebaut hat, befasst sich heute mit der Herstellung von Ventilen und morgen mit piezoelektrischen Aktuatoren“, sagt Professor Eberhard Abele, der sich als Leiter des Instituts für Produktionsmanagement, Technologie und Werkzeugmaschinen der TU Darmstadt unter anderem mit Organisationsstrukturen und Kompetenzanforderungen in Produktionsanlagen befasst. „Mechanische Systeme werden von mechatronischen abgelöst. Das setzt einen erheblich ausgedehnten Wissenshorizont voraus.“ Auch von den Arbeitern werde eine höhere Anpassungsfähigkeit verlangt: „Jemand, der bislang über fünf oder sechs Jahre mit der Montage ein und desselben Produktes konfrontiert war, wird in Zukunft wesentlich häufiger lernen müssen, ein Produkt zu optimieren oder es in kundenspezifischen Ausführungen zu montieren.“ Kurz: Die Qualifikation muss sich an das veränderte Arbeitsumfeld anpassen. Erste Schritte sind getan. Die Inhalte der Lehre haben sich erweitert:
Im Kraftfahrzeugbereich werden keine Mechaniker mehr ausgebildet, sondern Mechatroniker. Eberhard Abele hat an der TU Darmstadt derweil ein Pilotprojekt gestartet, das auf die Konzeption neuartiger Produkte und das Design idealer Wertschöpfungsstrukturen ausgerichtet ist. Es vermittelt angehenden Maschinenbau-Ingenieuren nicht nur das nötige Fachwissen, sondern führt sie auch in Disziplinen wie Marketing und Finanzierung oder in die Voraussetzungen effizienter Teamarbeit ein.
Wie aber fühlt sich Veränderung an? Auf den folgenden Seiten schildern zwei alte Hasen der Automobilproduktion, wie sie die Entwicklung ihrer Arbeitswelt in den vergangenen Jahren erlebt haben. Vieles spricht dafür, dass die Wandlungen, die noch vor ihnen liegen, drastischer ausfallen als alles, was sie bisher erlebt haben. Sicher ist nur: Mit Robotern allein kann man keine Autos bauen. Dafür werden auch künftig Menschen gebraucht, die wissen, was sie tun.

Kurt, 47, Schlosser

„Ich bin schon fast 30 Jahre dabei, seit 1975, seit meiner Schlosserlehre bei einem kleinen Maschinenbauer in meinem Heimatort. Meine Aufgabe ist die Instandhaltung der Bänder in der Lackiererei. Mein Team wartet und repariert die gesamte Fördertechnik.

Die Werkleitung hatte mal vor, die Instandhaltung auszulagern, aber es gab keine Fremdfirma, die sich darauf einlassen wollte. Kein Wunder: In der dreistöckigen Anlage wechseln sich Bodenförderer und Hängeförderer ab. Sie ist so lang und so verbaut, dass es seine Zeit dauern kann, bis ein Fehler gefunden ist. Bei einer Störung müsste die Fremdfirma für die Ausfallzeiten geradestehen. Das ist ein Risiko, das niemand in Kauf nehmen will. Wenn es einmal eine neue Anlage gibt, wird die Firma, die sie baut, wohl auch für den Betrieb verantwortlich sein. Aber das wird dauern, bisher war es jedenfalls immer so, dass die alte Anlage bei Umstellungen auf neue Modelle verbessert und auf den neuesten Stand gebracht wurde, weil das Geld für einen Neubau nicht ausreichte.

Für die Leute am Band ist die Arbeit durch die Modernisierung eigentlich angenehmer geworden. Früher mussten sie etwa beim Einbauen des Tanks neben den Autos herlaufen und die Schrauben im Gehen anziehen. Heute ist das Band breiter, die Arbeiter können in ihrem Abschnitt mitfahren. Und statt Pressluftschraubern, die in die Arme gehen, verwenden sie heute intelligente Werkzeuge, deren Drehmomentaufbau sich am Ende verlangsamt. Dafür haben sich die Kontrollen verschärft. Jeder stempelt seine Arbeit mit seiner Nummer ab. So lässt sich genau nachvollziehen, wer welchen Sitz eingebaut und welches Rad montiert hat.

Vor zwei Jahren wurde die Gruppenarbeit eingeführt. Die Gruppen bestehen aus fünf bis sechs Mann und sollen sich unter Anweisung eines Gruppenleiters selbst organisieren. In meiner Gruppe bin ich für die Förderung zuständig, ein Rohrschlosser kümmert sich um die Luft-, Gas- und Wasserzufuhr, ein Elektriker um den Strom und so weiter. Die Arbeitsteilung klappt gut, jeder weiß, was er zu tun hat. Für uns ist das ganz gut, aber für den laufenden Prozess?

Wir werden heute immer erst dann aktiv, wenn eine Störung auftritt. Ist billiger. Aber die Störungen haben zugenommen, weil keine Routine-Kontrollen mehr durchgeführt werden. Früher haben wir die Maschinen regelmäßig an Samstagen und Sonntagen gereinigt und unter die Lupe genommen, um mögliche Fehlerquellen ausfindig zu machen. Jetzt wird schon mal so lange abgewartet, bis es knallt. Da passieren Dinge, die darf man keinem erzählen. Einmal ist es vorgekommen, dass mehr als 400 Rohkarosserien fix und fertig lackiert waren, bevor bemerkt wurde, dass bei allen eine Schweißnaht aufgerissen war.

Die Hauptursachen für Störungen sind Verschleiß, Mängel in der Elektrik und falsche Bedienung der Maschinen. Aus Unkenntnis. Aber manchmal drückt einer der jungen Kerle auch mit Absicht einen falschen Knopf. Es dauert dann fünf bis zehn Minuten, bis das Wartungsteam anrückt. So lange kann er Pause machen. Bei mechanischen Ursachen sind die Fehler meist sehr schnell behoben. Bei Problemen mit der Elektronik kommt es auch mal zu längeren Ausfällen. Vor ein paar Wochen stand das Band einen ganzen Tag lang still. Nach drei, vier Stunden wurden die Arbeiter nach Hause geschickt. Keiner wusste, was los war. Schließlich stellte sich heraus, dass beim Überspielen von Daten die Speicherkapazität einer Baukarte nicht ausgereicht hatte. Da weiß dann im Haus keiner mehr weiter. Um den Fehler zu finden, mussten erst die Spezialisten der Computerfirma anreisen, die die Schaltungen installiert hatten.

Früher haben wir alles selbst gemacht. Aber so vor ungefähr zehn Jahren hat der Vorstand beschlossen, dass so viel Arbeit wie möglich an Zulieferer abgegeben werden muss. Durch die Auslagerung fehlt es jetzt an vielen Stellen. Fachlich sowieso, da findest du kaum noch jemanden, der Ahnung hat. Aber auch sonst: Da kannst du mittags um zwei in der Werkstatt anrufen, um ein Teil zu bestellen, und niemand hebt ab.

Seit der letzten Modernisierungswelle haben wir viel mehr zu tun. Was früher fünf Mann beschäftigte, müssen heute zwei oder drei erledigen. Flexibel sollen wir sein. Wenn sich mehrere Leute von der Linie krank gemeldet haben, trommelt der Meister von da und dort Ersatzkräfte zusammen.

Aber die haben natürlich die nötigen Handgriffe nicht drauf. Arbeiter aus der Lackiererei müssen zum Beispiel in der Endmontage aushelfen. Am Ende wird ihnen dann vorgeworfen, dass sie die Einzelteile zu fest verschraubt haben. Du hast dies falsch gemacht, du hast das falsch gemacht, heißt es dann. Es gibt nur noch Druck, Hektik, Stress.

Die Arbeitsmoral ist momentan ganz unten. Das sagen alle. Früher hatten die Leute Spaß an der Arbeit, heute denken sie nur: Hoffentlich ist bald Feierabend. Das kann doch nicht Sinn der Sache sein. Und dann soll jede Gruppe auch noch mindestens drei Verbesserungsvorschläge im Monat einreichen.

Ich bekomme Leute vorgesetzt, studierte Ingenieure, die von mir wissen wollen, was zu tun ist. Eigentlich sollten die mir das doch sagen. Neulich kommt einer, der seit zwei Jahren dabei ist, auf mich zu und sagt, dass es da und da ein Problem gibt. Dann schauen wir uns das mal an, antworte ich. Da sagt er, ich soll doch bitte vorgehen. Der Typ kennt sich in seinem eigenen Werk nicht aus! Da könnte ich verrückt werden!

Überhaupt habe ich manchmal das Gefühl, dass wir inzwischen mehr Häuptlinge haben als Indianer. Auf jeden Fall gibt es längst mehr Angestellte als Arbeiter hier. Heute beschäftigt der Standort nur noch halb so viele Mitarbeiter wie in meiner Anfangszeit vor 28 Jahren. Selbst die Auszubildenden haben es schwer, übernommen zu werden. Wer seine Prüfung mit drei oder vier macht, bekommt einen befristeten Vertrag. Wer mit eins oder zwei abschließt, bekommt ein Stellenangebot für das Werk im Osten, kehrt dann nach einem Jahr zurück und wird in die Produktion gesteckt. So wird den Leuten die Arbeitslosigkeit schmackhaft gemacht.

Immerhin war der Stellenabbau human. Viele sind in den Vorruhestand gegangen und haben schöne Abfindungen bekommen. Doch das Klima hat sich verändert. Wenn bei den Besprechungen jemand aufmuckt, sagen die Chefs, dass wir froh sein können, überhaupt Arbeit zu haben. Als die Autos noch gelaufen sind, konnte die Gewerkschaft einen ganz anderen Druck ausüben. Jetzt, wo der Absatz so niedrig ist, hat sie keinen Zunder mehr. Ein echtes Problem. Die Kapazitäten sind bei weitem nicht ausgelastet. In guten Zeiten sind bei uns pro Schicht 700 Autos vom Band gegangen, jetzt sind es nicht mal mehr 500. Und seit das Modell Y ausgelaufen ist, sind auf einmal ein paar hundert Arbeiter zu viel da. Die werden jetzt zur Fortbildung geschickt oder sollen Büros tapezieren und Treppenhäuser streichen, nur damit sie irgendwas zu tun haben. Wer einen Führerschein Klasse 2 hat, darf sich in einen Lastwagen setzen – alles Aufgaben, die sonst Fremdfirmen übernommen haben. Na ja. Demnächst soll die dritte Schicht eingeführt werden. Dann wird das vielleicht ein Ende haben.

Ich kenne ein paar Kollegen aus anderen Werken. Die Probleme sind überall gleich. Wahrscheinlich wird in zwei Monaten wieder mal alles umgestellt. Aber das schreckt mich nicht mehr. Ich habe schon alles erlebt. Und trotzdem: Ich bin immer noch stolz darauf, bei N. zu arbeiten. Die Autos, die wir bauen, sind heute besser als je zuvor. In den vergangenen vier, fünf Jahren ist die Qualität nur nach oben gegangen. Wir machen unsere Arbeit. Und wir lassen uns von niemandem was am Zeug flicken.“

Helmut, 55, Maschinenbau-Ingenieur

„Ich bin Leiter der Fahrzeugmontage und ein echtes Q.-Gewächs. Genau in dieser Halle habe ich 1969 eine Ausbildung zum Werkzeugmacher begonnen. Nach zwei Jahren in der Produktion habe ich das Abitur nachgeholt: tagsüber auf der Schulbank, nachts am Fließband. Danach habe ich hier an der Uni und in Hamburg Maschinenbau studiert. Q. hat mich ins Ausland geschickt: Ich war acht Jahre an verschiedenen Standorten in Europa und zweieinhalb Jahre in den USA.

Vor zwei Jahren haben wir die Produktion in unseren Werken neu strukturiert. Die Ergonomie hat sich erheblich verbessert. Wir haben die Einzelanlagen entkoppelt und Puffer eingebaut. Wenn das Fließband an einer Position zum Stillstand kommt, kann im Rest der Halle weitergearbeitet werden, ohne dass wir ein geringeres Volumen produzieren. Die Bänder fahren inzwischen auch mit deutlich reduzierter Geschwindigkeit. Montagefehler können auf der Stelle behoben werden. Der größte Unterschied zu vorher ist jedoch die Art und Weise, wie wir mit den Mitarbeitern umgehen, welche Verantwortung wir ihnen geben und was wir von ihnen in Bezug auf die Entwicklung ihres Arbeitplatzes erwarten. Früher haben wir den Leuten gesagt: Schraub mal das Rad an, dafür hast du 38 Sekunden Zeit. Und das war’s dann. Heute erwarten wir, dass die Leute innerhalb einer Kleingruppe auch an Verbesserungen arbeiten.

Das Aufsichtsverhältnis hat sich von eins zu 80 auf eins zu sechs verschoben, damit der einzelne Arbeiter besser unterstützt werden kann. Dahinter steht die Vision, selbstständige Einheiten zu kreieren, die ihr eigenes Business betreiben.

Das ist nichts Besonderes, alle Hersteller haben in der Vergangenheit schlanke Produktionssysteme entwickelt, die sich sehr ähnlich sind. Unterschiede gibt es nur in der Implementierung, wobei der Implementierungsgrad selbst von Unternehmen zu Unternehmen abweicht – aber auch von Werk zu Werk, sogar von Halle zu Halle. Ist ja klar, die Anlagen kann man innerhalb eines exakt kalkulierten Zeitrahmens von acht bis zwölf Monaten aufbauen, aber der Lean-Gedanke lässt sich eben nicht mit einem einzigen Big Bang auf die Mitarbeiter übertragen. Wie lange es dauert, bis das auch der Letzte begriffen hat, kann ich nur schätzen. Wenn man die Philosophie von oben nach unten pusht, sieht man vielleicht nach einem Jahr erste Ergebnisse, nach fünf Jahren ist die Mehrheit dabei, und nach acht Jahren ist man dann bei der selbstständig denkenden Organisation angekommen. Es ist eine weitaus größere Herausforderung, einen gewachsenen und zum Teil verknöcherten Apparat umzupolen, als ein neues Werk aufzubauen und Mitarbeiter anzuleiten, die vorher noch nie etwas mit der Automobilproduktion zu tun hatten.

Bei der Umstellung auf den Dreischicht-Betrieb haben mehr als 80 Prozent der Mitarbeiter einen neuen Arbeitsplatz bekommen. Das war hart. Wir haben Leute von der Endmontage in den Rohbau versetzt. Für jemanden, der 30 Jahre an der laufenden Linie gestanden hat, ist das ein Kulturschock. Auch die Ingenieure sind von der drastischen Verschiebung der Arbeitsinhalte und der Arbeitsumgebung betroffen. Sie mussten quasi neu lernen. Wir haben sie in Schichten gesteckt und ans Band geschickt. Vor fünf Jahren hat man in der Halle keine Führungskräfte gesehen. Die waren alle oben auf der Büroetage. Heute tragen unsere Manager keine dunklen Anzüge mehr, sondern Sicherheitsschuhe. Wir erwarten von den Betriebsleitern, dass sie 90 Prozent ihrer Zeit in der Produktion verbringen. Sie sollen Kontakt zu den Arbeitern haben und mit anpacken. Damit sind nicht alle zurechtgekommen. Einige Meister und Ingenieure, früher tragende Säulen des Betriebs, sind da regelrecht rausgefallen. Sie sind in den Vorruhestand gegangen. Das tat schon weh.

Die Standardisierung der Produktion hat sich auch auf den Tagesablauf der Führungskräfte übertragen. Unsere Arbeit ist deutlich strukturierter geworden. Viele von uns sind hervorragende Krisenmanager. Doch wenn die Karre mal läuft, fällt es uns schwer, nicht in einen Tiefschlaf zu fallen. Heute wird ein anderer Typus verlangt, einer, der beharrlich an den Dingen arbeitet und nicht erst herbeigerauscht kommt, wenn es brennt.

In den vergangenen Monaten haben wir so stabil produziert wie nie zuvor. Trotzdem gibt es immer Gründe, unzufrieden zu sein. Mal wird nicht das geplante Volumen gebaut, oder es stehen plötzlich ein paar Autos mit erheblichen Mängeln draußen auf dem Hof. Aber insgesamt sind die Fehler in der Produktion heute sicher beherrschbarer als früher, als die fehlerhaften Einheiten manchmal in die Tausende gingen.

Der Automationsgrad hat sich zwar insgesamt erhöht – die Motoren werden zum Beispiel von einem Roboter statt von einer Vierergruppe eingesetzt, im Rohbau gibt es weniger einfache Einlegearbeiten –, aber für den Einzelnen ist die Arbeit nicht komplizierter geworden, nur anders.

Unsicherheiten treten natürlich immer mal wieder auf, wenn jemand, der einen Wasserschlauch montiert hat, plötzlich Bleche einlegen soll. Das kann man mit Training und Reden in den Griff bekommen. Und in den Manipulatoren der Endmontage steckt heute auch nicht mehr Elektronik drin als früher. Der Einsatz von Elektronik in der Automobilindustrie hat seine Grenzen. In einigen Bereichen sind diese Grenzen sicherlich überschritten worden. An die Vollautomation glaubt heute niemand mehr.

Dafür ist der Instandhaltungsbedarf gestiegen. Von einigen Bereichen hatten wir uns mental längst verabschiedet und uns darauf eingestellt, dass die Wartungsarbeiten ausschließlich von den Suppliern geleistet werden, die die Anlage gebaut haben. Aber speziell im Rohbau hat sich gezeigt, dass wir nicht zurechtkommen, wenn wir keine Leute mehr im Haus haben, die sich mit der Software auskennen. Deshalb haben wir fünf, sechs Leute nachgeschult, um das Know-how in die Organisation zurückzuholen.

Was den Erfolg unserer Arbeit betrifft, ist es schwer, Standards zu definieren oder Regeln aufzustellen und zu sagen: Das gilt jetzt für immer. Wir müssen vielmehr lernen, mit permanenter Veränderung umzugehen. Wir haben hier jede Menge Agenturen und Beratungsfirmen, die uns trainieren, noch ein bisschen effizienter zu werden.

Worauf es wirklich ankommt, ist die Änderung, die sich innerhalb unserer Arbeitskultur vollzieht, zwischen den Menschen. Wir müssen die Pyramide umdrehen und ein Verständnis dafür entwickeln, dass das Management dazu da ist, die nächste Ebene dabei zu unterstützen, einen vernünftigen Job zu machen. Alles gipfelt in demjenigen, der das Teil ans Auto bringt. Die Organisation, die das am besten schafft, wird sicher auch die erfolgreichste sein.

Für das Management ist das eine Riesenherausforderung. Wir fühlen uns ja ziemlich gut hier, weil wir immer befördert worden sind. Und wir reden viel von Teamarbeit, aber das Belohnungssystem ist immer noch auf individuelle Ziele ausgerichtet.

Vor zwölf, dreizehn Jahren hing ich in einer Schlucht in den Vogesen und habe Nachtmärsche gemacht. Das Teamgefühl, das bei solchen Exkursionen geschaffen werden sollte, hielt nicht lange an. Wir waren ja schließlich auch Konkurrenten.

Und es ist doch so: Mehr Geld bekommt man nur, wenn man Verantwortung für mehr Leute trägt. Dann steigt man auf – und bildet sich ein, richtig gut zu sein, weil man sonst ja nicht da wäre, wo man ist. So baut sich jeder sein eigenes kleines Königreich. Für die Organisation ist das vermutlich nicht sehr zielführend. Wir müssen vielmehr lernen, uns selbst in Frage zu stellen.“

Die Aufgaben des Arbeiters gehen über die direkte Tätigkeit am Band zunehmend hinaus und beinhalten immer mehr dispositive, organisatorische Tätigkeiten. Er muss mit dem gesamten Prozess der Wertschöpfung in seinem Umfeld vertraut sein. *
Abhängig vom Volumen der Fahrzeugproduktion und vom Variantenreichtum der Modelle wird es unterschiedliche Formen der Arbeitsorganisation geben. Die Gruppenarbeit wird jedoch in jedem Fall weiter zu nehmen. Das bedeutet, dass auch auf der Ebene des Bandarbeiters Methodenkompetenz und Sozialkompetenz immer wichtiger werden.
Bandmitarbeiter arbeiten unmittelbar dort, wo Probleme und Fehler aus vorangegangenen Arbeitsabläufen wie Produktentwicklung und Arbeitsvorbereitung sichtbar werden. Deshalb wissen sie mehr über die möglichen Ursachen von Problemen und sind oft auch schneller in der Lage, eine Lösung zu finden.
Die Routine wird gerade im Montagebereich abnehmen. Wenn Produkte mit einer hohen Anzahl von Varianten und in kleinen Stückzahlen gefertigt werden, stößt die Automatisierung an ihre Grenzen. Im Einzelfall kann es sogar sinnvoll sein, bestimmte Arbeitsschritte wieder von Hand zu erledigen, die früher automatisiert von Maschinen ausgeführt wurden.
Bei den Facharbeitern ist zunehmend das T-Profil gefragt: Ein breites, allgemeines Wissen, das auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse umfasst, ruht auf einem in die Tiefe gehenden Fachwissen über spezielle Fertigungstechnologien, die im jeweiligen Bereich eingesetzt werden.
Die Bedeutung der Methodenkompetenz nimmt gegenüber der Fachkompetenz zu. Fachkompetenz ist das Wissen auf den Gebieten, die mit der Arbeit unmittelbar zusammenhängen. Methodenkompetenz umfasst darüber hinaus das systematische Suchen und Beheben von Fehlern sowie das Erkennen und Erschließen von Ratiopotenzialen. All das sind Fähigkeiten, die man losgelöst von einem konkreten Problem lernen und dann später auch anwenden kann.
In den vergangenen Jahren sind die Zeiträume, in denen neue Produkte entwickelt werden, immer kürzer geworden. Der heutige Druck, rasch auf den Markt zu gehen, lässt es nicht mehr zu, dass ein Produkt sukzessive die klassischen Entwicklungsphasen wie Konzeption, Konstruktion und Fertigungsplanung durchläuft. Diese Prozesse laufen inzwischen simultan ab. Die Antwort auf das Problem der Beschleunigung von Produktzyklen heißt Cooperative Engineering: Die Entwicklung des Produkts startet zusammen mit der Planung von Betriebsmitteln bei gleichzeitiger Einbindung von Zulieferern und Kunden.
Mechanische Systeme werden von mechatronischen Systemen abgelöst. Das setzt einen erheblich breiteren Wissenshorizont voraus. Ein Entwicklungsingenieur, der sich bisher nur mit der Mechanik befasst hat, benötigt dann auch Kenntnisse in der Elektrik, Elektronik, Fluidtechnik und Software, um seine Funktion auszufüllen.
Die Kunst wird sein, die höher vernetzten Systeme so gründlich zu durchdenken, dass Fehler schon im konzeptionellen Ansatz ausgeschlossen werden.

* Alle Zitate: Professor Eberhard Abele


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.