„Mit dem Kopf im
Getümmel ...“

Ein selbst angenähter Knopf, sechs Wochen Urlaub am Stück, der Theorie ein wenig Leben abgerungen zu haben. Persönliche Lernerfolge, auf die Manager, Wissenschaftler, Politiker oder Schauspieler stolz sind. McK Wissen hat noch viel mehr gefragt. Und überraschende Antworten bekommen.




1. Was heißt Bildung für Sie?

Barenboim: Bildung ist der einzige Weg in eine bessere, fortschrittlichere Zukunft, für das Individuum wie für die Gesellschaft. Fthenakis: Bildung ist das, was einem Menschen erhalten bleibt, auch wenn er die speziellen Inhalte seines Unterrichts vergessen hat. Viele haben Bildung mit Kenntnissen, andere mit Fertigkeiten und neuerdings mit dem Erwerb von Metakompetenzen verwechselt. Meines Erachtens ist Bildung mehr als das. Das Gefühl der Zugehörigkeit zur eigenen Kultur, Sensibilität für und Achtung von Andersartigkeit gehören ebenso dazu wie die Fähigkeit und Bereitschaft zur demokratischen Teilhabe und zur Übernahme von Verantwortung für sich und andere. Schließlich ist Bildung ein gutes Stück Herzensbildung, verknüpft mit einer ausgeprägten Sensibilität für soziale Gerechtigkeit, mit der Zurückweisung von Ausgrenzung, gleich welcher Art, mit einem klaren Blick auf die kulturelle Tradition und mit der Aufgeschlossenheit für eine sich wandelnde Welt und andere Kulturen, deren Wertschätzung selbstverständlicher Teil einer so definierten Bildung ist. Goll: Bildung bestimmt den persönlichen und unternehmerischen Erfolg. Nur mit diesem Kapital lässt sich dauerhaft ein Mehrwert für die Kunden schaffen. Deshalb hat Bildung für mich persönlich und bei ZF höchste Priorität. Kloeppel: Bildung ist ein nie abgeschlossener Lernprozess, der die Kombination von theoretischem und praktischem Wissen in möglichst vielen Feldern anstrebt. Dazu gehören aber auch die so genannten Soft Skills wie Kommunikationsfähigkeit und soziale Kompetenz. Häufig wird Bildung ausschließlich mit Wissen gleichgesetzt – ich halte die Ausprägung des eigenen Urteilsvermögens, die Reflexion und die kritische Distanz gegenüber dem heutigen Informationsangebot für einen genauso wichtigen Aspekt. Lauer: Bildung ist Wissensbreite und -tiefe verbunden mit persönlicher Haltung. Das heißt, zur Bildung gehört auch, wie man mit Wissen umgeht. Pastewka: Es ist das wohl verbindendste Kulturgut neben der Musik, obwohl jeder etwas anderes unter Bildung versteht. Loos: Für mich ist Bildung zum einen der nie aufhörende Prozess, sich Wissen und Fertigkeiten anzueignen, zum anderen die kontinuierliche Bewusstseinserweiterung für die zahlreichen Facetten des Lebens. Dabei ist Bildung nie Selbstzweck, sondern befähigt einen, sein Umfeld aktiv zu gestalten. Middelhoff: Interdisziplinäres Wissen, und das überdurchschnittlich. Mittelstraß: Das Besondere (die jeweilige Individualität) gespiegelt im Allgemeinen (dem kulturellen Ganzen). Man könnte es auch einfacher noch immer mit Wilhelm von Humboldt sagen: So viel Welt als möglich ergreifen und so eng als nur möglich mit sich verbinden. Ricke: Bildung ist Wissen. Industriegesellschaften sind zu Wissensgesellschaften geworden. Meine Branche ist an dieser Entwicklung nicht ganz unschuldig – sie ist sogar ein wesentlicher Motor. Sommer: Die wichtigste Voraussetzung, sein Leben in allen Anforderungen zu meistern! Stern: Gleichzeitige Autonomie und soziale Eingebundenheit. Wilson: Bildung ist das Teilen von Wissen. Dazu gehört auch das Wissen in uns. Sokrates hat gesagt, dass das geborene Kind alles weiß. Die Lernerfahrung besteht daraus, dieses Wissen aufzudecken.

2. Ihr persönliches Bildungskonto weist heute 100 Punkte auf: Für wie viele Punkte hat die Schule gesorgt?

Mittelstraß: 25 Punkte. Fthenakis: Wenn ich den schulischen Anteil mit zehn Prozent gewichte, dann bin ich mir im Klaren, dass ich übertreibe. Aber es kommt ja nicht nur auf den quantitativen Bildungsanteil an. Eine Schule, die es verstanden hat, eine Lernatmosphäre zu bieten, die der Lernmotivation zuträglich ist, wo verständnisvolle Lehrerinnen und Lehrer nicht nur Wissen vermitteln, sondern sich auch unserer Sorgen angenommen haben; dies alles zählt nicht zu den genannten zehn Prozent, sondern es war in Wirklichkeit viel mehr. Goll: Die Schulzeit hat auf meinem Bildungskonto von maximal 100 Punkten etwa 40 Punkte ausgemacht. Kloeppel: 30 – den Rest habe ich in Studium, Ausbildung, während meines Beruflebens und durch intensives Selbststudium zahlreicher Bücher erlernt. Lauer: Auf jeden Fall hat die Schule gepunktet. Wer nur die Nützlichkeit konkret vermittelten Wissens gelten lässt, wird die Punkte klein zählen. Loos: Bildung heißt ein Leben lang lernen. Die Schule hat bei mir vielleicht zehn Punkte beigetragen. Middelhoff: Wie der Lateiner sagt: Nicht für die Schule, sondern für das Leben lernen wir. Barenboim: Keine Antwort möglich. Pastewka: Etwa ein Drittel der Punkte ist Wissen aus der Schule, ein weiteres Drittel ist Wissen aus der Zeit, in der ich zur Schule ging; die restlichen Punkte stehen für Zeug, das gerade zur Hand ist. Ricke: Das lässt sich nicht in Punkten ausdrücken. Denn erstens: Non scolae sed vitae discimus (Seneca). Zweitens: Education is what remains after one has forgotten everything he learned in school (Einstein). Sommer: 60 Punkte. Stern: 50 Punkte. Wilson: Ich lerne im Alltag. Alles, was man macht, ist ein Lernprozess. Es ist ein Fehler zu glauben, Bildung würde allein in einer formalen Institution stattfinden.

3. Was haben Sie – trotz vieler Anstrengungen – leider nie gelernt? 

Barenboim: So geduldig zu sein, wie ich es mir in meinem Herzen wünsche. Fthenakis: Meine Schwächen zu beseitigen. Ich habe sie, sie bleiben veränderungsresistent. Keine individuelle Anstrengung, kein elterlicher oder sozialer Einfluss, geschweige denn die Bildungsinstitutionen haben es je geschafft, sie zu eliminieren. Die Sache hat aber auch eine gute Seite: Ich habe gelernt, dass es darauf ankommt, die eigenen Stärken zu erkennen und sie weiter zu fördern. Und die Schwächen? Man muss sich mit ihnen versöhnen. Goll: Gewünscht hätte ich mir, Fremdsprachen noch besser zu beherrschen. Kloeppel: Singen und Chinesisch sprechen. Ricke: Das werde ich erst am Ende meiner Tage beantworten können. Noch ist alles möglich. Wilson: Klavier spielen. Pastewka: Ich hätte gern etwas mehr Aufgeschlossenheit zu den Naturwissenschaften. Loos: Mandarin habe ich nie richtig gelernt, obwohl ich mir für meinen zweijährigen China-Aufenthalt fest vorgenommen hatte, mir wenigstens ein Basiswissen anzueignen. Doch trotz Unterrichts habe ich festgestellt, dass man diese Sprache nicht so einfach nebenbei erlernen kann. Middelhoff: Weniger zu arbeiten. Mittelstraß: Geduld. Sommer: Immer und überall meine Schlüssel wiederzufinden! Stern: Klavier spielen. Lauer: Mathematik – mit Ausnahme der Geometrie – war meine Sache nie.

4. Wer war Ihr bester Lehrer?

Barenboim: Die Musik. Middelhoff: Mein Vater, Mark Wössner und viele andere, von denen ich versucht habe zu lernen. Mittelstraß: Die Erfahrung – in der Praxis wie in der Theorie. Pastewka: Meine Lehrer waren eigentlich alle recht fähig, obwohl sie den Lehrplan nie geschafft haben. Ricke: Es gab viele Lehrer. Eigentlich kann man von jedem lernen. Man muss nur genau hinschauen. Sommer: Von meiner großen Familie. Fthenakis: Gelernt habe ich am meisten von meiner Mutter: Sie war eine widerstandsfähige Persönlichkeit, die ein für sie unendlich schwieriges Leben aktiv bewältigt hat. Und sie war und ist auch heute, im Alter von 93 Jahren, eine an Bildung äußerst interessierte Frau. Sie hat mir das vermittelt, was ich als ein Kernstück von Bildung ansehe: Schwierigkeiten als Herausforderungen zu betrachten, an die man mit Zuversicht und Verantwortung herangeht, und dabei ein Gefühl für soziales Engagement und Widerstandsfähigkeit zu entwickeln. Goll: Am meisten gelernt habe ich während der Schule und des Studiums von meinen jeweiligen Mathematiklehrern, während meiner Berufslaufbahn von meinen Vorgesetzten, Kollegen und Mitarbeitern, von denen jeder einzelne auf bestimmten Gebieten Stärken hat. Kloeppel: Sehr viel gelernt habe ich durch Bücher, Reisen und von meinen Eltern. Mein bester Lehrer war Wolf Schneider an der Henri-Nannen-Journalistenschule. Lauer: Ich hatte viele Lehrmeister, die ich bewundert habe und an deren Lippen ich hing. Ein herausragender unter ihnen war mein Großvater: eine beeindruckende Persönlichkeit mit Bildung. Loos: Auch wenn es etwas seltsam klingen mag, aber am meisten habe ich von meinen Kindern gelernt, gerade zum Thema Mitarbeiterführung. Bei Kindern wird meines Erachtens sehr deutlich, wie wichtig es ist, klare Strukturen zu geben, konsequent und verlässlich zu sein, wie wichtig Lob und Motivation, aber auch das stete Fördern von neuen Fähigkeiten sind. Stern: Ich hatte das Glück, in jeder Lebensphase jemanden in meinem geistigen Umfeld zu haben, an dem ich mich orientieren konnte. Eine herausragende Position nahm in dieser Hinsicht mein verstorbener akademischer Lehrer Franz Weinert ein. Wilson: Christopher Knowles.*

* Siehe auch Text ab Seite 124.

5. Wie lernen Sie (am besten)? 

Wilson: Indem ich Fragen stelle. Middelhoff: Learning by doing, aus Fehlern. Barenboim: In Stufen: erst durch instinktive Reaktion, dann durch Analyse, dann durch das Verbinden mit anderen Elementen, die direkt oder indirekt mit dem neuen Stoff verbunden sind. Fthenakis: Indem ich drei Elemente mobilisiere: Der Lerngegenstand muss einen Sinn machen, er muss mich faszinieren, und er soll in einen angenehmen Lernkontext eingebettet sein, er muss also einfach Freude machen. Loos: Indem ich Dinge tue. Goll: Früh morgens, wenn der Kopf klar ist, sowie durch aufmerksames Zuhören in jeder Situation. Lauer: Durch Lesen und Zuhören. Mittelstraß: Mit dem Kopf im Getümmel und dem Bleistift in der Hand. Pastewka: Durchs Radio, ich lerne das meiste auditiv. Kloeppel: Büffeln kann ich am besten in ruhiger Atmosphäre, durch stetiges Wiederholen und mit dem Druck einer Prüfung im Nacken. Lernen fürs Leben ist etwas anderes – dafür gibt es nur eine Regel: immer lernen wollen, auch aus Fehlern. Ricke: Nur durch Erfahrung. Im wahrsten Sinne die Dinge erleben. Sommer: Durch Hin- und Herlaufen, verbunden mit großem Süßigkeitenkonsum. Stern: Als Wissenschaftlerin heißt Lernen für mich vor allem, Dinge ganz neu sehen und einordnen zu können. Das geschieht nicht auf Knopfdruck, sondern erfordert, dass man in jeder freien Minute nachdenkt. Nicht selten hatte ich morgens beim Aufwachen die Lösung für ein Problem, das mir am Abend zuvor noch Kopfzerbrechen bereitet hat.

6. Ihr größter Lernerfolg? Worauf sind Sie besonders stolz?

Barenboim: Ich versuche, jeden Tag aufs Neue etwas zu lernen; nur darauf bin ich stolz. Fthenakis: Auf der beruflichen Ebene ist es, denke ich, der Erwerb der deutschen Sprache. Ich habe mit 20 Jahren meine ersten deutschen Vokabeln mithilfe eines Buches gelernt, das ein Franzose 1865 verfasste, um der deutschen Grammatik fehlende Systematik bei der Deklination der Hauptwörter vorzuhalten. Der Erwerb der deutschen Sprache gestattet mir heute die Teilnahme an landesweiten Diskussionen über brennende Fragen der Bildungs- und der Familienpolitik. Daran mitwirken zu dürfen, darauf bin ich wirklich stolz. Goll: Mein größter persönlicher Lernerfolg war die Entwicklung vom technischen Fachspezialisten zum unternehmerischen Generalisten. Kloeppel: Dass ich im Studium der Landwirtschaft „Quantitative Genetik“ verstanden und in der Hauptprüfung fürs Diplom in diesem Fach eine 1,0 erhalten habe – was mir danach aber nie etwas genutzt hat, leider. Lauer: Unverändert das Abitur und die beiden Staatsexamina. Mit Blick auf meine Kinder ist mir bisweilen schleierhaft, wie ich das hinbekommen habe. Loos: Dass ich nie aufgehört habe, neugierig und wissbegierig zu sein, dass ich jeden Tag bewusst dazulerne und offen für Veränderungen bin. Middelhoff: Sechs Wochen Urlaub an einem Stück nach dem Ausscheiden aus einem früheren Arbeitsverhältnis. Mittelstraß: Der Theorie (in meinem Fall der Philosophie) ein bisschen Leben abgerungen zu haben. Noch ziemlich unvollkommen. Doch die Familie meint: Es wird besser. Pastewka: Ich habe es geschafft, einem Großteil der Allgemeinbildung zu widerstehen, ohne deswegen einen Schuldkomplex zu tragen. Ricke: Ich freue mich über jede Lösung eines Problems, über jede Nuss, die ich knacken konnte. Sommer: Menschen zu überzeugen, dass es leichter ist, etwas miteinander als gegeneinander zu tun. Stern: Einerseits natürlich, wenn es meinen Kollegen und mir nach großen Anstrengungen gelungen ist, einen Artikel in einer guten wissenschaftlichen Zeitschrift zu platzieren. Andererseits kann es mich auch stolz machen, wenn ich etwas geschafft habe, was man mir nicht zugetraut hat, weil man mir (nicht zu Unrecht) zwei linke Hände nachsagt. Ein von mir angenähter Knopf oder eine Pflanze, die länger als ein Jahr überlebt hat, gehören dazu. Wilson: Eine Stadt in zwei Minuten zu entwerfen. Das war meine Aufgabe in einem fünfjährigen Seminar für Architekturgeschichte von Sybil Moholy-Nagy.

7. Würden Sie heute noch einmal denselben Bildungsweg einschlagen? Warum? Warum nicht?

Barenboim: Ich würde den gleichen Weg wieder gehen, denn Musik ist für mich sowohl eine Ablenkungsmöglichkeit von der Welt als auch ein Mittel, die Welt besser zu verstehen. Fthenakis: Mein Wunsch, Medizin und Psychologie gleichzeitig zu absolvieren, ist damals an der Weigerung der medizinischen Fakultät gescheitert. Ich habe deshalb als Zweitstudium Fächer gewählt, die der Medizin nahe liegen, Anthropologie und Humangenetik in Kombination mit Molekulargenetik. Aus heutiger Sicht konnte mir nichts Besseres passieren. Ein Doppelstudium ist wie der Erwerb einer zweiten Sprache. Es eröffnet eine zusätzliche Perspektive. Aber die Grundstudien legen nur das Fundament. Das Haus muss über permanente Lernprozesse gebaut werden. Und hätte ich die Chance, würde ich denselben architektonischen Plan für ein künftiges Haus verwenden. Ich fühle mich darin sehr wohl. Goll: Ich bin mit dem Erreichten höchst zufrieden. Leistungsbereitschaft, ein gesunder Ehrgeiz, einige Förderer und etwas Glück waren mit entscheidend für meine persönliche Erfolgsbilanz. Ich habe Maschinenbau studiert und würde diese Entscheidung wieder treffen. Aus heutiger Sicht wäre eine Kombination von Maschinenbau und Betriebswirtschaft sehr vorteilhaft. Und ein Auslandsaufenthalt – unbedingt. Kloeppel: Als ich mich für Agrarwissenschaften entschied, war ich zwar journalistisch interessiert, konnte mir aber nicht vorstellen, als Journalist tätig zu werden. Während des Studiums merkte ich jedoch, dass ein Dasein als Landwirt nichts für mich wäre. Lieber wollte ich Menschen Dinge aus der Landwirtschaft erklären, die auch mir einmal schleierhaft waren. Da lag Agrarjournalismus nahe – mit dem Wunsch im Hintergrund, Wissenschaft und Journalismus zu verbinden. Also bewarb ich mich an der Henri-Nannen-Schule. Für mich der richtige Weg, ich würde nichts anders machen. Lauer: Das Studium der Juristerei würde ich heute stärker mit betriebswirtschaftlichen und psychologischen Kenntnissen verbinden. Loos: Der Inhalt des Studiums stand für mich nicht so stark im Mittelpunkt. Viel wichtiger und prägender war das Umfeld, die Kommilitonen und das zusätzliche Bildungsangebot. Ich hatte das Glück, in St. Gallen studieren zu dürfen, da bot sich eine Vielzahl von Möglichkeiten. So habe ich unter anderem ein Management-Symposium mit organisiert und dabei viel gelernt. Wenn ich die Fachrichtung noch mal wählen könnte, würde ich heute wohl eher den Studiengang des Wirtschaftsingenieurs einschlagen. Middelhoff: Die Ratio sagte mir BWL, das Herz schlug für die Publizistik. Ich bin mit meinem Leben und der Berufswahl sehr zufrieden. Mittelstraß: Ich habe neben Philosophie, Germanistik und evangelischer Theologie noch manches mehr studiert (damals zählten noch das Gelernte und Gekonnte, nicht die Studienordnung). Vielleicht aber doch zu selektiv und zu eilig. Heute würde ich mir mehr Zeit nehmen und die Naturwissenschaften nicht nur von außen betrachten. Pastewka: Das Studium war natürlich ein Alibi; ich habe nie geglaubt, ich sei als Lehrer geeignet. Dennoch interessierte mich eine Weile Anthropologie – aber als wir über Rousseau im Multiple-Choice-Verfahren abgefragt wurden, habe ich mich verdrückt. Im Rückblick war das (übrigens nie abgeschlossene) Studium ein Umweg, aber hinterher ist man ja meistens schlauer. Ricke: Ich würde nicht viel anders machen – außer einem: Bei aller notwendigen Spezialisierung darf man die Breite des Wissens nicht zu kurz kommen lassen. Aber vielleicht braucht man für diese Erkenntnis wiederum die nötige Lebenserfahrung – schließlich soll man ja ein Leben lang an sich arbeiten. Sommer: Ich würde immer wieder gern mit Menschen umgehen, mit kleinen und großen. Stern: Schon als Schülerin wollte ich wissen, wie man menschliches Denken und Lernen so erforscht, wie ich es von der Naturwissenschaft kannte. Da kam eigentlich nur das Psychologiestudium in Frage. Auf manche Verrücktheit an deutschen Universitäten hätte ich aber gut verzichten können. Wilson: Ich würde gern ein Töpfer sein.

8. Zum Lernen ist es nie zu spät: Was steht noch auf Ihrer persönlichen Agenda? 

Barenboim: Obwohl ich bereits mehrere Sprachen spreche, würde ich gern noch Arabisch lernen. Fthenakis: Eine weitere Fremdsprache zu erwerben, über Begegnungen mit anderen Kulturen und Religionen meine interkulturelle Kompetenz zu erweitern und, wenn es dazu kommt, zu lernen, ein guter Großvater zu werden. Wenn ich in Letzterem versage? Dann muss ich beginnen, völlig neu zu lernen. Goll: Auf meiner persönlichen Bildungs-Agenda stehen in der nächsten Zeit Sprachen und Themen der Hilfeleistung im sozialen Bereich. Kloeppel: Sollte ich einmal bedeutend mehr Zeit zur Verfügung haben, möchte ich ein Musikinstrument erlernen und richtig Segeln lernen. Und lernen, ein besserer Lehrer zu sein. Lauer: Die Liste ist viel zu lang und füllt mühelos ein ganzes Zweitstudium. Für das ein oder andere ist es zu spät. Das grämt mich aber nicht, denn Mut zur Lücke ist allemal besser als Besserwisserei. Loos: Ich würde mich gern noch tiefer mit der jüngeren Weltgeschichte und der Rolle der verschiedenen Weltreligionen darin beschäftigen. Denn ich glaube, dass mehr Wissen darüber nicht nur mehr Verständnis für die Geschehnisse unserer Zeit bringt, sondern auch hilfreich ist, um eine große und vielfältige Gemeinschaft zu führen. Denn Bildung bedeutet verstehen und mitgestalten können. Middelhoff: Jeden Tag weiter lernen. Mittelstraß: Die Welt zu verändern – was sonst? Pastewka: Ich kann recht hübsch Klavier spielen, Noten lernen möchte ich in diesem Leben aber auch noch. Ricke: Den Augenblick zu genießen. Sommer: Geduldiger zu werden. Stern: Klavier spielen – nachdem ich alle noch geplanten wissenschaftlichen Untersuchungen veröffentlicht und alle noch vorgesehenen Bücher geschrieben habe. Wilson: Mehr schlafen.
1. Daniel Barenboim Pianist und Dirigent. Geboren 1942 in Buenos Aires. Klavierunterricht erst bei seiner Mutter, später bei seinem Vater, Besuch von Dirigierklassen, Studium der Harmonielehre und Komposition. 2. Wassilios Fthenakis Leiter des Staatsinstituts für Frühpädagogik, München. Geboren 1937 in Kilkis/Griechenland. Studium der Pädagogik, Anthropologie, Humangenetik, Molekulargenetik und Psychologie. 3. Siegfried Goll Vorstandsvorsitzender der ZF Friedrichshafen AG. Geboren 1940 in Bregenz/Österreich. Maschinenbaustudium. 4. Peter Kloeppel Chefredakteur und Chefmoderator bei RTL. Geboren 1958 in Frankfurt am Main. Studium der Agrarwissenschaften, anschließend Henri-Nannen-Journalistenschule. 5. Stefan Lauer Mitglied des Vorstands der Deutschen Lufthansa AG. Geboren 1955 in Melsungen. Jurastudium. 6. Bastian Pastewka Schauspieler und Comedian. Geboren 1972 in Bochum. Studium der Pädagogik, Germanistik und Soziologie. 7. Christoph Loos Geschäftsführer der Hilti Deutschland GmbH. Geboren 1968 in Mannheim. Studium der Betriebswirtschaftslehre. 8. Thomas Middelhoff Vorsitzender des Vorstands der KarstadtQuelle AG. Geboren 1953 in Düsseldorf. Studium der Betriebswirtschaftslehre. 9. Jürgen Mittelstraß Professor für Philosophie und Wissenschaftstheorie an der Universität Konstanz. Geboren 1936 in Düsseldorf. Studium der Philosophie, Germanistik und evangelischen Theologie. 10. Kai-Uwe Ricke Vorsitzender des Vorstands der Deutschen Telekom AG. Geboren 1961 in Krefeld. Banklehre und Studium der Betriebswirtschaftslehre. 11. Barbara Sommer Schulministerin (CDU) in Nordrhein-Westfalen. Geboren 1948 in Bielefeld. Studium der Pädagogik. 12. Elsbeth Stern Kognitionspsychologin, Forschungsleiterin am Max-Planck-Institut für Bildungsforschung, Berlin; Professur an der Technischen Universität Berlin. Geboren 1957 in Marburg. Studium der Psychologie. 13. Robert Wilson Theaterregisseur, Autor, Bühnenbildner und Architekt. Geboren 1941 in Waco/Texas. Studium der Betriebswirtschaftslehre, der Architektur und Malerei.

Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.