Saubere Sache

Nicht nur Produktionsjobs wandern in Niedriglohn-Länder ab, auch Dienstleistungen erledigt die kostengünstigere Konkurrenz im Ausland inzwischen immer häufiger. Und das nicht in Indien oder China, sondern direkt vor unserer Haustür.
Berliner Luxushotels zum Beispiel lassen ihre Wäsche in Polen reinigen und haben sie binnen 24 Stunden schrankfertig zurück, bei jedem Wetter, in Top-Qualität. Ein Lehrstück über die allgegenwärtige, alltägliche Globalisierung.




Adlon, Bristol, Regent, Grand Hyatt oder Interconti – vor zehn Jahren brachten etliche Berliner Luxushotels ihre Handtücher, Bademäntel und Tischdecken in deutsche Betriebe. Heute lassen sie ihre Wäsche in Polen reinigen. Jeden Tag, jede Nacht, rund um die Uhr, bringt die deutsche Firma Fliegel Textilservice die Wäsche mit etwa einem Dutzend Lieferwagen ins rund 150 Kilometer entfernte polnische Gryfino, kurz hinter der deutsch-polnischen Grenze. Zwischen der Glamour-Welt der feinen Berliner Hotels und der Wäscherei in Polen liegen knapp drei Stunden Autofahrt. In Gryfino arbeiten 400 polnische Angestellte. Sie reinigen, mangeln und falten rund um die Uhr, sieben Tage in der Woche. Ein lohnendes Geschäft, weil die polnischen Gehälter rund 60 Prozent unter dem deutschen Niveau liegen. Und weil die Deutschen sonn- und feiertags nicht waschen.

Dies ist eine Geschichte über Arbeit, die auswandert, erzählt von den Beteiligten und Betroffenen – Menschen diesseits und jenseits der Grenze.

Franz-Josef Wiesemann, Geschäftsführer Fliegel Textilservice

Seit 1992 reinigt die Berliner Firma die Wäsche ihrer deutschen Hotelkunden in Polen. Franz-Josef Wiesemann ist seit drei Jahren Chef des Unternehmens. Mindestens einen Tag pro Woche verbringt er in Gryfino.

„In Polen liegen die Gehälter bei etwa 40 Prozent des deutschen Niveaus, Energie und Abwasser sind um die Hälfte billiger. Wir arbeiten sieben Tage die Woche rund um die Uhr in drei Acht-Stunden-Schichten. In Deutschland ist es schwer, Leute zu finden, die am Wochenende arbeiten. Neben der großen Wäscherei in Polen betreibe ich auch kleine Hauswäschereien in einigen Berliner Hotels. Dort zahle ich Bruttogehälter zwischen 1300 und 1500 Euro. Auf Stellenannoncen stellen sich trotzdem selten mehr als fünf Kandidaten vor. Wenn von denen einer länger als zwei Monate bleibt, kann ich von Glück reden.

In Polen warten im Schnitt 50 Leute auf einen Job bei uns. Wir zahlen 1400 bis 1800 Zloty, etwa 360 bis 460 Euro, damit liegen wir deutlich unter dem deutschen Lohnniveau, aber weit über dem gesetzlichen polnischen Mindestlohn von 205 Euro.

Insgesamt beschäftigen wir rund 380 polnische Mitarbeiter und schleusen 35 bis 40 Tonnen Wäsche täglich durch unsere Waschstraßen. 40 Fahrer transportieren die Ware in Lkw zwischen Berlin und Polen. Wir haben 80 Kunden in Deutschland, überwiegend Vier- und Fünf-Sterne-Hotels, 55 davon in Berlin und Umgebung, mit denen wir 85 Prozent unseres Umsatzes machen. Hamburg, die nächste Millionen-Metropole mit vielen Luxus-Hotels, ist für unsere Dienstleistung schon zu weit von der polnischen Grenze entfernt. Aber wir haben dennoch genug Wachstumsmöglichkeiten: Wir wollen den Umsatz – wie in den vergangenen drei Jahren auch – künftig jedes Jahr um rund zehn Prozent steigern.

Diese Entwicklung hätte niemand erwartet, als wir im Herbst 1992 anfingen, mit 20 Mitarbeitern und 500 Kilogramm schmutziger Wäsche am Tag. Die Unternehmensgründer hatten sich das Geschäftsmodell zwar sehr genau überlegt: Welche Dienstleistung ist arbeitsintensiv, braucht aber auch viel Energie und Wasser und muss nicht jeden Tag neu verkauft werden? Mit der Wäsche-Idee sind sie dann auf die Suche nach deutschen Auftraggebern gegangen. Aber erst, als sie zwei große Berliner Hotels begeistern konnten, haben sie zwei Millionen Mark in Polen investiert. 75 Prozent dieser Erstinvestition waren mit einem Bürgschaftsprogramm des Landes Nordrhein-Westfalen abgesichert. Mehr staatliche Unterstützung gab es nicht.

Es war eine riskante Investition. Kilometerlange Warteschlangen an der Grenze gehörten damals zum Alltag. Seit Polen EU-Mitglied ist, ist das Wetter der größte Risikofaktor. Aber seitdem ist auch das Lohnniveau deutlich gestiegen, genau wie die Preise für Energie und Abwasser. Viele prophezeien, dass sich die Kosten in Polen, insbesondere die Löhne, in den kommenden fünf bis acht Jahren an die deutschen Verhältnisse angleichen werden. Ich glaube das nicht. Der beste Beweis ist doch die Lohnentwicklung in den neuen Bundesländern: Die Löhne liegen auch 16 Jahre nach der Wende noch unter dem Niveau von Westdeutschland.“

Axel Ziegler, stellvertretender Hoteldirektor im Hotel Grand Hyatt

Das Fünf-Sterne-Hotel lässt seine Wäsche seit rund sieben Jahren in Polen reinigen. Täglich holen polnische Fahrer die Textilien des 342-Zimmer-Hauses um zwei Uhr morgens ab und liefern sie frisch gewaschen 24 Stunden später wieder an. Axel Ziegler kümmert sich um den operativen Teil des Hotelgeschäfts.

„Die Qualität der Wäsche spielt für den Erfolg eines Hotels eine entscheidende Rolle. Gäste achten in ihren Zimmern vor allem auf die Qualität des Bettes, an zweiter Stelle kommt das Bad und an dritter die Qualität des Unterhaltungsangebots. Gefällt den Gästen der Wäschegeruch nicht, wäre das für viele sicher ein Grund, nicht wiederzukommen.

Im vergangenen Jahr haben wir in Polen 548 Tonnen Wäsche reinigen lassen. Pro Kilo bezahlen wir einen Euro am Tag. Andere Anbieter sind etwas preiswerter, aber keiner kann uns den gleichen Service liefern. Obwohl der Markt heiß umkämpft ist: Uns bieten rund acht Bewerber pro Monat ihre Dienste an.

In Polen können wir unsere Wäsche sieben Tage die Woche waschen lassen und werden täglich bis zu zweimal mit frischer Wäsche beliefert. Das ist wichtig, weil wir so mit einem kleineren Bestand auskommen. Eine Garnitur Wäsche bedeutet für unser Haus eine Investition von 40.000 Euro, im Moment haben wir für jedes unserer 342 Zimmer vier Garnituren. Eine wird auf den Zimmern benutzt, eine zweite wird täglich gebraucht, weil viele Gäste ihre Wäsche abends erneut wechseln lassen, eine dritte Garnitur ist zur Reinigung in der Wäscherei, die vierte haben wir in Reserve. Alles in allem haben wir in die Wäscheausstattung also 160.000 Euro investiert. Würden wir mit einer Wäscherei kooperieren, die nur fünf Tage in der Woche arbeitet, wie das in Deutschland üblich ist, müssten wir mindestens zwei weitere Garnituren anschaffen. Das wäre wirtschaftlich kaum sinnvoll.

Zudem bekommen wir in Polen einen wirklich erstklassigen Service. Ein Teil unserer Wäsche wird per Hand nach unseren Wünschen gefaltet. Tischdecken, die wir im Restaurant benutzen, dürfen zum Beispiel maximal eine Falte haben, bei besonders wichtigen Veranstaltungen gar keine. Dann muss die Wäsche gehängt werden, was einen enorm platzintensiven Transport bedeutet. Auf derartige Sonderwünsche geht kaum ein deutscher Dienstleister ein.

Obwohl die Wäsche in Polen gereinigt wird, haben wir in Berlin rund um die Uhr einen Ansprechpartner. Auch für Sonderwünsche: Als im vergangenen September der Opernsänger Luciano Pavarotti bei uns wohnte, brauchten wir für ihn einen extra großen Bademantel. Ein Anruf genügte – eine Stunde später hatten wir ein Modell in Übergröße.“

Dorota Koszulinska, 45 Jahre alt, Arbeiterin in der Wäscherei

Im Industriegebiet im polnischen Gryfino arbeiten jeweils 50 polnische Wäscherinnen im Drei-Schicht-System. Es ist 21.30 Uhr am Samstagabend. Dorota Koszulinska hat in einer halben Stunde Feierabend.

„Manchmal stelle ich mir vor, welche Stars und Politiker die Wäsche benutzen, die ich falte. Klar würde ich gerne mal in einem der Hotels übernachten, für die wir arbeiten. Aber mit meinen Kolleginnen scherze ich oft, dass unser Brutto-Monatsgehalt von 1400 Zloty (rund 360 Euro) wahrscheinlich nicht mal reichen würde, um dort eine einzige Nacht abzusteigen. Also werde ich meine 26 Tage Urlaub wohl auch in Zukunft zu Hause verbringen oder meine Mutter besuchen. Ich bin trotzdem zufrieden. Ich arbeite seit mehr als fünf Jahren hier. Meistens mangele ich Tischdecken. Wir arbeiten in wechselnden Schichten, vergangene Woche hatte ich drei Frühschichten und zwei Nachmittagsschichten. Das schlaucht, genauso wie die Arbeit an Sonn- und Feiertagen. Wenn ich mich frei für einen Job entscheiden könnte, würde ich im Büro am Computer arbeiten. Endlich nicht mehr stehen. Aber ich habe Verkäuferin gelernt und fast nur in Fabriken gearbeitet, ich bin nicht für die Arbeit im Büro qualifiziert. Und ich bin zu alt.

Ich bin froh, überhaupt einen Job zu haben. Die Arbeitslosigkeit in unserer Gegend liegt weit über dem polnischen Durchschnitt von rund 18 Prozent. Vom Staat gibt es, anders als in Deutschland, kaum Unterstützung. Sechs Monate lang gibt es Arbeitslosengeld, nur in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit zwölf oder 18 Monate lang und dann auch nur um die 550 Zloty (140 Euro) im Monat. Das würde nicht einmal für Miete, Strom und Telefon reichen, allein dafür zahle ich im Monat 700 Zloty (rund 180 Euro). Alles wird ständig teurer, Lebensmittel, Strom und Miete kosten 50 Prozent mehr als vor zehn Jahren. Zwar hat sich mein Gehalt auch verdoppelt, seitdem ich hier angefangen habe. Ein Teil davon ist aber eine Prämie, sie liegt zwischen 150 und 200 Zloty (38 bis 51 Euro), die ich nur bekomme, wenn meine Gruppe besonders schnell und viel arbeitet. Selbst mit Prämie komme ich mit den knapp 1000 Zloty (255 Euro), die nach den Abzügen für Sozialversicherung und Steuern übrig bleiben, gerade so über die Runden. Ans Sparen ist überhaupt nicht zu denken.

Vor Jahren habe ich mal einen Monat lang in Deutschland Kirschen gepflückt, mit meinem Mann und unseren beiden Kindern. Zehn Stunden am Tag haben wir gearbeitet, im Zelt übernachtet und zusammen 1000 Mark verdient. So einen Job würde ich gerne noch mal machen, aber ich bekomme nur zwei Wochen Urlaub am Stück, das reicht nicht.“

Annerose Hanke, 52 Jahre alt, Wäscherin im Hotel Grand Hyatt

In seiner Hauswäscherei lässt das Grand Hyatt die Uniformen der Mitarbeiter und die von Gästen aufgegebene Wäsche reinigen. An einem Bügelbrett dämpft Annerose Hanke ein Oberhemd.

„Nach der zehnten Klasse habe ich Textilreinigungsfacharbeiterin gelernt. In der DDR habe ich in einem Dienstleistungskombinat gearbeitet, nach der Wende dann in verschiedenen Wäschereien. Seit 1998 bin ich hier. Wir arbeiten in drei Schichten, von 6 bis 14.30 Uhr, von 8 bis 16.30 Uhr und von 11.30 bis 20 Uhr. Die Schichten überschneiden sich, sodass wir meist zu zweit hier sind. Nachtschichten stehen nur ausnahmsweise an. Überstunden bummeln wir in ruhigeren Zeiten ab.

Die Wäscherei ist sieben Tage in der Woche besetzt, für die Arbeit an Sonn- und Feiertagen gibt es keine Zulagen. Das ist mit dem Gehalt abgegolten. Ich bekomme 1400 Euro brutto im Monat und 13 Gehälter, außerdem 24 Tage Urlaub. Ich komme gerade aus den Ferien in Dubai zurück. Ich bin zufrieden. Klar weiß ich, dass unsere polnischen Kolleginnen weniger verdienen. Am Anfang fand ich das ungerecht. Andererseits ist in Polen alles billiger. Alle zwei Monate fahre ich mit meinem Mann ein paar Kilometer über die Grenze, um Zigaretten zu kaufen und unseren Wagen voll zu tanken. Fürs Haarewaschen, Schneiden und Fönen zahle ich dort neun Euro, das kostet mich in Berlin 48 Euro. Da sehe ich natürlich, dass Polen auch für meinen Arbeitgeber attraktiv ist.

Manchmal mache ich mir Gedanken, ob mein Arbeitsplatz sicher ist. Wenn ich diesen Job verlieren würde, wäre es schwer, etwas Neues zu finden.

Nach einem Jahr Arbeitslosengeld wäre Schluss mit staatlicher Unterstützung, weil mein Mann ganz gut verdient. Es wäre hart. Aber zum Glück stehe ich kurz vor der Rente. Wenn ich jünger wäre, hätte ich Angst vor der Zukunft. Aber wenn ich anfangen würde, meine polnischen Kolleginnen als Konkurrenz zu sehen, das wäre doch verrückt.“

Efena Schröder aus Steglitz, 41 Jahre alt, arbeitslos

Freitagmorgen. In der Eingangshalle des Job-Centers Steglitz-Zehlendorf stehen rund 80 Menschen in der Schlange. Einen Stock höher warten Efena Schröder und Christine Przybilla auf Beratungsgespräche. Beide sind seit Jahren arbeitslos. Ob sie für ein Monatsgehalt von 1300 Euro einen Job in der Wäscherei annehmen würden, bei dem sie auch sonntags arbeiten müssten?

„Ich bin seit über fünf Jahren arbeitslos. 2002 habe ich mein zweites Kind bekommen, jetzt ist es extrem schwer, wieder einen Job zu finden. Ich habe schon überall gearbeitet: Als Kellnerin in Restaurants geschuftet, auch nachts, in einer Spedition habe ich mal Frachtbriefe ausgestellt und in einem Callcenter Papier und Büroartikel verkauft. Zwischendurch habe ich immer wieder an einem Stand auf dem Fischmarkt gerackert.

Aber für 1300 Euro brutto in der Wäscherei arbeiten? Das würde sich finanziell nicht lohnen. Vor allem, wenn man auch an Sonn- und Feiertagen arbeiten muss. Dann müsste ich einen Babysitter bezahlen – zusätzlich zu dem, was die Anfahrt zum Arbeitsplatz kostet. Da bliebe am Schluss vielleicht sogar weniger übrig als das, was ich im Moment an staatlicher Unterstützung erhalte.

Mein Lebensgefährte und ich bekommen je 311 Euro Arbeitslosengeld II, mit dem Zuschuss zur Miete und der Kinderbeihilfe kommen wir monatlich auf rund 1300 Euro. Ich bilde mit meinem Freund eine Bedarfsgemeinschaft. Und da zählen bei der Berechnung des Arbeitslosengeldes II alle Einkommen der Gemeinschaft. Das Gehalt aus einem Job in der Wäscherei würde also nicht nur mein Arbeitslosengeld rasant sinken lassen, sondern auch das meines Lebensgefährten. Zwar gibt es bei einem Gehalt von weniger als 1500 Euro brutto bestimmte Freibeträge. Aber trotzdem: Was unterm Strich übrig bleibt, lohnt den Aufwand nicht.“

Christine Przybilla aus Steglitz, 41 Jahre alt, arbeitlsos

„Ein Job in der Wäscherei für 1300 Euro brutto, bei einer 40-Stundenwoche? Das wäre ein Stundenlohn von etwa 7,40 Euro brutto. Das würde ich sofort machen. Solche Jobs sind heute schwer zu finden. Stundenlöhne von unter sechs Euro sind die Regel. Ich habe keine Kinder, ich bin flexibel. An Sonn- und Feiertagen zu arbeiten wäre überhaupt kein Problem.

Ich habe eine Ausbildung als Zahnarzthelferin und zwölf Jahre in dem Beruf gearbeitet, bis Mitte der neunziger Jahre. Dann bin ich bei einem Versicherungsagenten eingestiegen, für den ich auf Provisionsbasis Versicherungen verkauft habe. Da habe ich mit Prämien auch mal 3000 Mark netto verdient, davon kann ich heute nur träumen. 1998 ging der Versicherungsagent Pleite. Seitdem bin ich arbeitslos. Ich habe mich schon überall beworben: für Fließbandjobs in Fabriken, als Verkäuferin im Kaufhaus. Immer gab es Leute, die schon angelernt waren. Ich habe meine Ansprüche an einen Job inzwischen extrem weit heruntergeschraubt, sowohl inhaltlich als auch finanziell. Wenn ich höre, dass Betriebe ihre Wäsche in Polen waschen lassen, frustriert mich das. Und ich bin wütend, dass die IG Metall für höhere Löhne streikt. Da gehen Leute mit einem sehr guten Gehalt auf die Straße, weil sie noch mehr wollen. So wird es doch für deutsche Betriebe immer attraktiver, Arbeitsplätze ins Ausland zu verlagern. Und für mich wird es immer schwerer, einen Job zu finden.

Mein Lebenspartner ist auch seit Jahren arbeitslos. Wir bekommen beide je 311 Euro Arbeitslosengeld II, dazu kommen 180 Euro Mietzuschuss, macht zusammen 802 Euro. Ich habe keine Ersparnisse, an private Altervorsorge ist nicht zu denken. Auch wenn bei einem möglichen Gehalt von 1300 Euro brutto unterm Strich nur ein paar hundert Euro mehr als heute übrig blieben – das wäre für uns schon ein riesiger Fortschritt.“

Stefan Targatz, Geschäftsführer der Wäscherei Targatz GmbH

Die Firma mit Sitz in Eberswalde, rund 65 Kilometer nordöstlich von Berlin, begann 1928 als Familienbetrieb. In der DDR wurde er zum volkseigenen Betrieb, nach der Wende hat ihn die Treuhand reprivatisiert. Targatz ist der Enkel der Firmengründerin.

„Natürlich machen uns die Mitbewerber, die in Polen waschen, das Leben schwerer. Ich habe auch überlegt, einen Standort jenseits der Grenze zu gründen. Und mich dagegen entschieden. Das würde meine Glaubwürdigkeit bei unserer deutschen Belegschaft untergraben. Und in der Region will ich auf jeden Fall bleiben. Unser Familienbetrieb gibt 150 Menschen Arbeit. Im vergangenen Jahr haben wir fünf Millionen Euro Umsatz gemacht und einen Gewinn nach Steuern von zwei Prozent.

Wir waschen für Hotels und die Bundeswehr, für Krankenhäuser und Altenpflegeheime. Das mindert die Abhängigkeit von einzelnen Auftraggebern. In unserer Branche herrschen extreme Preiskämpfe, da geht schnell ein Auftrag flöten. Manch einer geht in diesem Kampf auch drauf. Die Rücklagen reichen oft nicht aus, um mit dem technischen Fortschritt mitzuhalten. Die Preise sinken, die Kosten steigen.

Den größten Anteil, rund die Hälfte, machen die Personalkosten aus. Mitarbeiter, die wir in der Produktion neu einstellen, bekommen einen Stundenlohn von 6,23 Euro und 24 Tage Urlaub. Wer schon seit Jahren dabei ist, bekommt 6,94 Euro die Stunde und 30 Tage Urlaub. Das sind noch die Konditionen aus einem Haustarifvertrag mit der IG Metall. Alle anderen Vereinbarungen konnten wir nicht halten, seit wir diesen Haustarifvertrag 2003 gekündigt haben. Weihnachts- und Urlaubsgeld haben wir gestrichen. Überstunden zahlen wir auch nicht mehr. Sonnabend-Arbeit wird durch Freizeit an anderen Tagen ausgeglichen. Wir können uns nicht mehr leisten.

Unsere Mitarbeiter, von denen die Hälfte schon mehr als fünf Jahre hier arbeitet, wissen das. Verklagt hat uns bislang niemand. Den Leuten ist klar, dass damit nichts gewonnen wäre, weil wir sonst den Betrieb schließen müssten. Im Gegenzug versuchen wir, unsere Interessen mit denen unserer Mitarbeiter abzugleichen. Als Dienstleister müssen wir uns nach den Bedürfnissen unserer Kunden richten und haben in letzter Zeit oft samstags gearbeitet. Das tun wir aber nur in Absprache mit dem Betriebsrat.

Es ist uns extrem wichtig, den Betriebsfrieden zu wahren. Deshalb setzen wir bewusst Grenzen: Wir arbeiten zum Beispiel nicht am Sonntag, auch wenn man in Deutschland die Erlaubnis dazu beim Gewerbeaufsichtsamt beantragen kann. Wer will schon jeden Tag in der Woche arbeiten?“

Bodo Grzonka, Bezirkssekretär der Industriegewerkschaft (IG) Metall Berlin-Brandenburg-Sachsen

Das Büro der Bezirksvertretung liegt im Berliner Stadtteil Kreuzberg. Bodo Grzonka sitzt im vierten Stock. Er ist im Stress: Im Bundesland Sachsen droht die Schließung einer Wäscherei.

„Die Wäsche für deutsche Kunden in Polen reinigen zu lassen verstärkt den ruinösen Preiskampf, den wir in der deutschen Wäschebranche seit einigen Jahren beobachten. Die Rahmenbedingungen haben sich geändert. Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen – große Auftraggeber – werden zunehmend privatisiert und ringen ihren Zulieferern, also auch den Wäschereien, immer niedrigere Preise ab.

Das ist möglich, weil es so viele Betriebe gibt, egal, ob diesseits der Grenze oder in Polen. Vor einigen Jahren traten etliche Wäschereien aus dem Arbeitgeberverband aus, mit dem Ziel, die Löhne zu senken und sich um einige, nur in Tarifverträgen festgeschriebene Leistungen zu drücken, wie etwa Sonn- und Feiertagszuschläge. Die tariflich geregelten Standards müssen jedoch auch nach dem Austritt aus dem Arbeitgeberverband gezahlt werden, zudem sind alle vereinbarten Zuschläge bindend. Und das mindestens bis zum Ende der Vertragslaufzeit. Bei Löhnen bis zur nächsten offiziellen Tarifrunde. Alles andere ist Rechtsbruch.

Viele Arbeitgeber versuchen, ihre Mitarbeiter durch Einzelverträge zu Abweichungen von den tariflichen Vereinbarungen zu zwingen oder setzen darauf, dass sich die Mitarbeiter ihre Rechte nicht erstreiten. Denn im Fall eines Vertragsbruchs muss der Arbeitnehmer selbst Klage erheben und vors Arbeitsgericht gehen. Davor schrecken besonders in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit natürlich viele zurück – aus Angst, anschließend ihren Job zu verlieren.

Der Grundfehler ist, dass man auf der wirtschaftlichen Ebene eine einheitliche EU und freien Warenverkehr geschaffen hat – aber nicht soziale und steuerliche Standards. In Polen endet die staatliche Unterstützung für Arbeitslose in der Regel nach sechs Monaten. Da ist der ökonomische Druck viel höher als in Deutschland. Trotzdem leisten auch viele polnische Beschäftigte keinen Widerstand. Aus ihrer Sicht können das aktuelle Lohnniveau und die soziale Absicherung schon ein Fortschritt sein. Für deutsche Arbeitnehmer in der Wäschereibranche ist die derzeitige Entwicklung dagegen ein Abstieg.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.