Die Welt-Burger

Ein Big Mac ist ein Big Mac. Und zwar überall auf der Welt. Deshalb gleicht die Filiale in Paris der in Johannesburg aber noch lange nicht. Wie kaum einem anderen Konzern gelingt McDonald’s die Balance zwischen Standardisierung und Individualität.
Das zeigt sich an der Speisekarte. Und an den Kunden.


Was macht diesen Burger-Brater eigentlich so beliebt? Der unverwechselbare Geschmack, der sich aus der Kombination aus kross gebratenem Fleisch, vergleichsweise geschmacklosen Brothälften, grüner Garnitur und Gewürzen ergibt? Der Preis, der selbst mit einem bescheidenen Taschengeld zu finanzieren ist? Die zentrale Lage der Filialen? Das gute Gefühl einer stets gleich bleibenden Qualität? Alles zusammen? Nichts von alldem?

Sicher ist: Das Logo mit dem goldenen M zählt zu den teuersten der Welt. Das bescheinigen die Markenberater von Interbrand und das US-Wirtschaftsmagazin Business Week dem Konzern in schöner Regelmäßigkeit. In der jüngsten Untersuchung rangierte McDonald’s mit einem Markenwert von rund 26 Milliarden Dollar auf der Liste der erfolgreichsten amerikanischen Exportschlager auf Platz acht – noch vor dem Disney-Konzern. Wie kaum ein anderes Unternehmen hat es McDonald’s geschafft, zu einer wirklich globalen Marke zu werden. McDonald’s kennt buchstäblich jedes Kind – von Rovaniemi am finnischen Polarkreis bis zu Invercargill im Süden Neuseelands.

Sicher ist auch: Das Unternehmen lässt sich sein unverwechselbares Image einiges kosten. McDonald’s investiert jedes Jahr rund 600 Millionen Dollar, um die Marke im Bewusstsein der Kunden zu verankern. Rund 50 Millionen Menschen sind das, jeden Tag. Sie werden in mehr als 32.000 Filialen in 119 Ländern von rund 1,5 Millionen Mitarbeitern bedient. Dabei darf jeder, der eine McDonald’s-Niederlassung betritt, auf eine Reihe von Sicherheiten vertrauen. Frische, Service, Preis, Qualität, Zubereitung und eine amerikanische Dienstleistungsmentalität ziehen sich als Standards durch jede Filiale.

Genau wie die kleinen, aber feinen Unterschiede, die McDonald‘s in jedem Land der Welt einzigartig machen. Wo das Umfeld dürftig ist, bieten die Restaurants eine Oase der Sauberkeit und Hygiene. Wo es viele Kinder und wenig Geld gibt, ist McDonald’s der Ort, an dem auch die weniger gut Betuchten ihrem Nachwuchs etwas bieten können. Im Land der Gourmets etabliert sich die Marke als einer der wenigen Lunch-Lieferanten. Während sie dort, wo West-Importe punkten, westlicher daherkommt als im Ursprungsland. Eine Reise in die McDonald’s-Filialen rund um den Globus macht das Erfolgsgeheimnis des Konzerns sichtbar. Und weist all jenen Unternehmen die Richtung, die sich anschicken, mit ihren Marken die Welt erobern zu wollen. Global ist, wer sich harmonisch in die Kultur eines Landes einfügt und es schafft, die spezifischen Bedürfnisse des lokalen Marktes zu befriedigen. Überall. Zum besten Preis. In hoher Qualität. Unter einheitlichem Dach. Mit verlässlichen Standards. Regionaler Produktpalette. Leistungsfähigem Service. Und immer neuen Ideen. So einfach ist das.

USA: FAT SELLS

Vor Ort seit 1948
Filialen: 13.727
Umsatz 2005: 6,96 Milliarden Dollar
Mitarbeiter: 600.000
Kunden pro Tag: 25 Millionen
Beliebteste Gerichte: Double Cheeseburger, McChicken, große Portion Pommes frites, je 99 Cent

Die große Fensterfront der McDonald’s-Filiale in Palo Alto im Silicon Valley preist für eine Fastfood-Kette Ungewöhnliches an: einen „Asiatischen Salat“ mit Mandarinen und Sesam-Ingwer-Dressing, einen kleinen Snack-Wrap auf beigefarbenem und grünem Hintergrund. Auf Papptafeln prangen zu einer Blüte arrangierte Apfelscheiben. Drinnen Alustühle und Ledersessel, Rauchglas-Raumteiler, Pflanzen auf den Tischen, ein kostenloser Netzzugang und ein Flachbildschirm an der Wand.

Leichtere Küche, schickeres Ambiente – das sind die Eckpfeiler des Image-Wandels, den der Konzern in den USA anstrebt. Aufgeschreckt durch die Debatte um fettleibige Kinder und ernährungsbedingte Diabetes, propagiert McDonald’s jetzt gesundes Essen. Und reicht zu jedem Asian Salad eine kostenlose DVD mit Fitnessübungen. Vergebliche Liebesmüh. Die meisten Kunden, die in Palo Alto zur Mittagszeit auf einen schnellen Lunch vorbeikommen, bestellen Burger und Pommes – egal, ob Schüler, Programmierer von Technologiefirmen oder junge Familien. Rund 1800 Kunden täglich werden hier von 15 Angestellten pro Schicht bedient, sagt Restaurant-Managerin Farhat Khan. Die 29-Jährige leitet eine der ersten auf luxuriös getrimmten Filialen, die die Gäste zum Verweilen animieren sollen. Doch die wenigsten Besucher bleiben lange. Das gilt für alle Restaurants des Unternehmens. Mehr als die Hälfte der Kunden betritt das Lokal erst gar nicht, sondern lässt sich Frühstück, Mittag- oder Abendessen ins Auto reichen, für den Weg zur Arbeit oder nach Hause. In ärmeren Gegenden ist die Aufenthaltsdauer sogar gesetzlich geregelt: Wer länger als 30 Minuten bleibt, riskiert den Rauswurf oder einen Anruf bei der Polizei wegen „Herumlungerns“.

Obwohl die Image-Kampagne anscheinend an den Bedürfnissen der Kunden vorbeigeht, hat der Konzern in seinem Heimatland Marktanteile zurückgewonnen – dank der Billigangebote. Besonders beliebt ist das 2002 eingeführte Dollar-Menü: acht verschiedene Produkte, jedes für wenig Geld. Eine durchschnittliche Filiale verkauft pro Tag zwischen 300 bis 400 Double Cheeseburger für 99 Cent, aber nur 50 Salate und 50 bis 60 der viermal so teuren „Premium Chicken Sandwiches“. Überdurchschnittlich viele Käufer der 99-Cent-Produkte sind Afro-Amerikaner oder Latinos. Beide Zielgruppen werden aggressiv in ihren eigenen Radio- und Fernsehsendern beworben.

Bereits ein Fünftel des landesweiten Umsatzes macht der Burger-Brater mit seinem Frühstücksangebot, das seit kurzem sogar Kaffee beinhaltet, der diese Bezeichnung verdient. Neben der traditionell dünnen Brühe gibt es jetzt auch kräftigere Premium-Mischungen, die sich an den Produkten von Kaffee-Ketten wie Starbucks orientieren. Dazu ordern die Amerikaner am liebsten Kalorienbomben wie das McGriddle Sandwich – zwei fettige Pfannkuchen, in die der Ahornsirup-Ersatz gleich eingebacken ist. Nährwerte sind Nebensache.

Da überrascht es wenig, dass drei dänische Mediziner unlängst in einer 20-Länder-Studie herausgefunden haben: Das Fett, in dem McDonald’s seine Pommes frittiert, ist nirgendwo so ungesund wie in den USA. Der Untersuchung zufolge enthält eine große Portion French Fries in New York zehn Gramm Trans-Fettsäuren, die für einen hohen Cholesterinspiegel verantwortlich sind – zehnmal mehr als das gleiche Produkt in Deutschland oder Dänemark.

BRASILIEN: DAS FEST DER ARMEN

Vor Ort seit 1979
Filialen: mehr als 1100
Umsatz 2004: ca. 2 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 35.000
Kunden pro Tag: 1,5 Millionen
Beliebteste Gerichte: McDuplo, McCalabresa, Chicken McJunior, je 1,50 Euro

Dona Macabea muss fünf Kinder von drei verschiedenen Vätern durchfüttern. Ihre Jüngste, Thaís, wird gerade fünf und liegt ihr in den Ohren: „Mami, lädst du auch alle Freunde ein? Mami, gibt es auch eine Torte?“ Klar, auf dem Tisch steht eine Schokoladentorte mit fünf Kerzen. Alle Freunde und Nachbarn aus der Armensiedlung kommen in die McFesta, das verglaste Separee der McDonald’s-Filiale am Largo do Machado in Rio de Janeiros Stadtteil Catete.

Natürlich feiern auch Kinder in anderen Ländern ihren Geburtstag bei McDonald’s. Aber in Brasilien ist die Burger-Filiale für Favela-Bewohner oft der einzige Ort, der überhaupt in Frage kommt. Denn die McFesta kostet nichts. „Außerdem ist in meiner Hütte kein Platz, und tagsüber muss ich die Straße kehren. Wie soll ich da einen Geburtstag organisieren? Da ist das hier genau richtig!“, sagt Dona Macabea, hebt den Becher mit Guarana-Limonade und streicht der Tochter über die Locken.

Fast alle der mehr als 1100 brasilianischen McDonald’s-Filialen besitzen eine McFesta, und die Räume sind immer so gut wie ausgebucht. Kindergeburtstage auszurichten ist in Brasilien so wichtig wie dem Fußballverein die Treue zu halten. Je aufwändiger das Fest, desto angesehener die Gastgeber. Auch die Armen wollen demonstrieren, dass sie ihren Nachwuchs lieben, ohne sich völlig zu verschulden. Einzige Fixkosten der Feier bei McFesta: „Für die Torte bezahle ich 49 Real, alles andere wird nach Verzehr abgerechnet“, erklärt Macabea.

Umgerechnet sind das rund 24 Euro. Peanuts für die Stammkunden von McCafé. In den Bistros mit Bedienungen in italienisch angehauchtem Outfit trinkt die Oberschicht zwischen zwei Shopping-Touren eine Latte Macchiato oder einen Espresso. Für verkaterte Nachtschwärmer gibt es morgens „Agua de Cocó“, frische Milch aus grünen Kokosnüssen, und „Pao de queijo“, mit flüssigem Parmesan gefüllte Teigbällchen. Die Kinder der Reichen und Schönen feiern ihren Geburtstag übrigens gern im Golfclub. Wer weniger betucht ist, kann stundenweise eine „Villa Kunterbunt“ mieten. Die kostet allerdings mindestens 1000 Euro. Das Monatsgehalt eines Lehrers.

DER BIG-MAC-INDEX

Schon 1986 erkannte der Economist, dass sich eine weitgehend standardisierte, globale Marke zur Analyse von Handel und Wandel rund um den Erdball eignet. Das britische Wirtschaftsmagazin erkor den 1968 eingeführten Big Mac zu einem globalen Indikator für die Kaufkraft in einem Land. „Leichter verdauliche Wechselkurstheorie“ nennt das Blatt seinen Versuch, die Über- oder Unterbewertung lokaler Währungen anhand eines Bulettenbrötchens zu erklären.

Der im Januar veröffentliche Index 2006 führt die USA mit 3,15 Dollar pro Big Mac als neutralen Ausgangspunkt. Gewichtet man die örtliche Kaufkraft, liegt die Euro-Zone mit 3,51 Dollar leicht darüber. In China ist das Sandwich mit umgerechnet 1,30 Dollar am billigsten, in der Schweiz mit 4,93 Dollar am teuersten.

Online: www.economist.com/markets/Bigmac/ Index.cfm

SÜDAFRIKA: RAUS AUS DEM GHETTO

Vor Ort seit 1995
Filialen: 89
Umsatz: k. A.
Mitarbeiter: 6000
Kunden pro Tag: k. A.
Beliebteste Gerichte: Big Mac Combo mit Pommes frites und Cola, 2 Euro; McFeast Deluxe, 2,70 Euro; Grilled Chicken Fold Over, 1,70 Euro

„Wenig los heute“, schreit der Geschirrabräumer, um den ohrenbetäubenden Lärm in der McDonald’s-Filiale südlich von Johannesburg zu übertönen. Draußen hat sich vor dem Drive-in-Schalter eine Autoschlange gebildet, die um den ganzen Block reicht. „Southgate“ ist das am besten besuchte McDonald’s-Restaurant in Südafrika. In der Nähe liegt die Mega-Township Soweto mit einer Million Einwohnern.

In Soweto selbst – und in sämtlichen anderen Farbigen-Siedlungen Südafrikas – gibt es keine einzige Filiale der Fastfood-Kette. Wer dort lebt, will raus, wenn er essen geht. Was gut ist, so die Logik, kann nicht in der Township liegen – und was in der Township liegt, kann nicht gut sein. 99,9 Prozent der Gäste in Southgate sind schwarz. Die Filialen nobler Einkaufszentren wie Sandton City dagegen besuchen alle Bevölkerungsgruppen, ob Schwarze, Weiße, Katholiken oder Protestanten. Auch Moslems können unbesorgt in die Burger beißen: Sämtliche südafrikanischen McDonald’s-Restaurants sind „halaal“, das verwendete Fleisch stammt von geschächteten Tieren. 

Soziologen erklären die Überwindung der Rassenschranken bei Big Mac und Cola mit der frühen Bindung der Kunden an das Unternehmen – und in Südafrika gibt es noch eine Menge potenzieller Stammkunden. Das Land gilt als einer der aussichtsreichsten Märkte auf der Weltkarte des Konzerns. Insgesamt hat McDonald’s in Südafrika bisher rund 500 Millionen Rand investiert, etwa 62 Millionen Euro. Für die nächsten fünf Jahre sind weitere 750 Millionen Rand geplant. Südafrika hält sogar einen konzerninternen Rekord: Mitte der neunziger Jahre wurden innerhalb von nur 78 Tagen zehn neue Filialen eröffnet.

INDIEN: REGELTREU VEGETARISCH

Vor Ort seit 1996
Filialen: 76
Umsatz: 29 Millionen Euro
Mitarbeiter: 4000
Kunden pro Tag: 500.000
Beliebteste Gerichte: McAloo Tikki Burger, 38 Cent; Soft Serve Cone Vanilla (Softeis), 15 Cent; Chicken McGrill, 38 Cent

Vor der McDonald’s-Filiale am Janpath, einer großen Einkaufsstraße im Zentrum Neu-Delhis, stehen Trauben von Jugendlichen in Jeans und T-Shirts. Eltern betreten das Restaurant mit ihrem aufgeregten Nachwuchs an der Hand. Ein Wächter in blauer Uniform und weißen Gamaschen öffnet ihnen die Tür. McDonald’s in Indien ist genau das, was es in der Werbung zu sein verspricht: ein Familien-Restaurant.

Allerdings nicht für Familien aller Schichten. Nicht umsonst eröffnete 1996 die erste Filiale in Delhis Diplomatenviertel. „Unsere Kunden kommen aus der unteren bis oberen Mittelschicht“, sagt Gaurav Sharma, Leiter der Filiale am Janpath. Das deckt alles vom Studenten oder einfachen Handwerker bis zum hohen Regierungsbeamten ab, schließt aber die Masse der Tagelöhner, Handlanger und Erwerbslosen aus. Immerhin können sich viele Stadtbewohner inzwischen den Hamburger für 50 Rupien, etwa 1,20 Euro, leisten. Außerdem gibt es Kombi-Menüs in verschiedenen Preisklassen. Unter der Woche sind Sharmas Gäste vor allem junge Berufstätige aus den umliegenden Büros sowie Schüler und Studenten. Am Wochenende kommen Familien mit Kindern.

Für junge Erwachsene ist McDonald’s ein beliebter Treffpunkt. Dinesh Basht, 28, Designer bei einem Nachrichtenmagazin, und seine Bekannte Ambika Das, 29, verabreden sich oft hier. „Ich mag die Atmosphäre, und die Preise sind im Vergleich zu anderen Restaurants sehr vernünftig“, sagt Dinesh. Vor allem aber schätzt er, was in der indischen Gastronomie alles andere als selbstverständlich ist: die Sauberkeit.

Auf Reinlichkeit legen die Lokale ebenso viel Wert wie auf religiöse Küchenregeln. McDonald’s Indien ist die einzige Niederlassung weltweit, die weder Rind- noch Schweinefleisch verarbeitet. Im Land der heiligen Kühe sind die Burger aus Hühnerfleisch, und statt Big Mac gibt es den Chicken Maharaja Mac. Außerdem gibt es ein großes Angebot vegetarischer Speisen, ohne die ein Restaurant in Indien nur schwerlich im Geschäft bliebe. Serviert werden McVeggie Burger, McAloo Tikki Burger mit Kartoffelfüllung sowie die McCurry Pan mit Brokkoli und Pilzen.

Ein Faltblatt beschreibt ausführlich, wie die Gerichte zubereitet werden. Die vegetarische Küche ist von außen einsehbar, die Küchengeräte werden ausschließlich zur Zubereitung vegetarischer Gerichte benutzt, und die Köche, die für die pflanzliche Kost zuständig sind, kommen nie mit Fleisch in Berührung.

Letztlich gehen diese Vorschriften auf das indische Kastensystem zurück. Viele Angehörige der oberen Kasten, traditionell vor allem die Brahmanen, halten eine strikte vegetarische Diät ohne Eier und Milchprodukte ein. Und sie meinen es wirklich ernst: Als vor Jahren das Gerücht aufkam, McDonald’s verwende tierisches Fett, wurde die Unternehmenszentrale von aufgebrachten Kunden beinahe verwüstet.

CHINA: GO WEST!

Vor Ort seit 1990
Filialen: 750
Umsatz: k. A.
Mitarbeiter: 50.000
Kunden pro Tag: 1,5 Millionen
Beliebteste Gerichte: Premium grilled Chicken-Menü mit Pommes, Mais und Cola, 2,50 Euro; Haoyou-Menü, „Guter Gefährte“, mit Huhn, Doppelhamburger, Pommes, 5,60 Euro; einfacher Hamburger, 1 Euro

Fastfood-Lokale in China sind eine Verheißung: Hier ist der goldene Westen. Als im April 1992 in Peking das größte McDonald’s der Welt eröffnete, stürmten am ersten Tag 40.000 Besucher das zweistöckige Restaurant mit seinen 700 Plätzen. Großfamilien reisten mehr als hunderte von Kilometern an, nur um sich mit Ronald McDonald fotografieren zu lassen. Heute gibt es allein in Peking 90 Filialen. Die zunehmend motorisierten Massen fahren wie selbstverständlich zum Drive-Thru, der urbane Mittelstand trifft sich in einem der fünf angesagten „McCafés“. Ein Viertel der Pekinger Restaurants hat seit April rund um die Uhr geöffnet und überträgt live die Spiele der Fußballweltmeisterschaft in Deutschland.

Der Stellenwert von Fastfood hat sich gewandelt. Aber ein Besuch bei McDonald’s ist noch immer ein Ereignis, zu dem Familien am Wochenende mit dem Taxi vorfahren. Hier findet jeder seine Nische. In der Kinderecke toben als Stammgäste die „kleinen Kaiser“, hofierte Einzelkinder, von denen es in Chinas Städten dank der Ein-Kind- Politik 100 Millionen gibt. An separaten Zweiertischen turteln Liebespaare, Großfamilien können sich ungestört ausbreiten, Manager nehmen in der Mittagspause einen schnellen Happen zu sich. Mancher findet hier sogar Inspiration. Der Foto- Konzeptkünstler Wang Qingsong verarbeitet in seinen Werken Motive der Konsum-Ikonen Coca-Cola und McDonald’s. Und seine eigenen Erfahrungen: „1993 betrat ich in Peking zum ersten Mal eine McDonald’s-Filiale. Meine erste Begegnung mit dem Westen. Eine Offenbarung. Ein edles Restaurant. Vier Jahre später, in London, der Schock – dort war McDonald’s ein billiger Schnellimbiss, in dem manche ihren Big Mac im Stehen aßen, zwischen Kasse und Tür.“ Chinesen lassen sich beim Essen Zeit – und legen Wert auf Tradition. Eine chinesische Mahlzeit beruht üblicherweise auf einer bestimmten Mischung aus Fleisch, Gemüse und Reis oder Nudeln. Nach einem Besuch bei McDonald’s heißt es oft: „Chi bu bao“, ich bin nicht satt geworden. Ein Hamburger, selbst dreifach belegt, ist für sie nicht mehr als ein Riesen-Snack.

JAPAN: DIE TRENDWENDE

Vor Ort seit 1971
Filialen: 3774
Umsatz: 2,7 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 130.000
Kunden pro Tag: 3,56 Millionen
Beliebteste Gerichte: Cheeseburger, 66 Cent; Teriyaki Burger, 1,32 Euro; Ebi-Filet-O, 1,78 Euro

Bahnhof Tokio Ikebukuro. Zwei Millionen Reisende pro Tag, zwei Kaufhäuser mit einer Milliarde Dollar Jahresumsatz in der Nachbarschaft. In der McDonald’s-Filiale 130 bestimmen Geschäftsleute mit Notebook und kichernde junge Frauen das Bild. Sie sind die Zukunft, wenn es nach Eiko Harada geht, der seit 2004 die japanische Niederlassung leitet. Er will weg von den alten Zielgruppen – Familien, Müttern und Kindern. McDonald’s Japan soll von der billigen Schnellabfütterung zum hippen Treffpunkt für die Jugend und gestandene Männer mutieren. Harada hat das Ruder von Den Fujita übernommen, der 1971 den japanischen Zweig aufbaute. Der amerikanische Mutterkonzern hielt nur die Hälfte der Unternehmensanteile und ließ dem Selfmademan völlig freie Hand. Zu Beginn eine gute Strategie: Fujita witterte Trends wie kaum ein anderer. American Lifestyle war in Mode und eine Tüte von McDonald’s ein Fashion Statement. Das erste Lokal eröffnete Fujita nicht in einem Vorort, wie es die US-Zentrale empfahl, sondern in der besten Lage an Tokios Glitzermeile Ginza.

Doch in den neunziger Jahren verlor der charismatische Führer das Gefühl für die Zeit. Die Jugend trug jetzt Knöpfe im Ohr und nicht mehr Firmenabzeichen am Revers. Fujita vergaß über der Expansion die Renovierung der alten Filialen und vor allem die Produkt-Innovation. McDonald’s schrieb rote Zahlen.

Zum Retter ernannte der Konzern 2003 Eiko Harada, einen Informatikexperten. Der analysierte vor allem zwei Schwachpunkte: Für Geschäftsleute war McDonald’s nicht attraktiv, weil sie dort weder Entspannung finden, noch effizient arbeiten konnten. Mittlerweile hat fast jedes Lokal einen WLan-Anschluss.

Nächster Punkt auf der Mängelliste: Es gab kaum Fisch im Angebot und schon gar keine Garnelen, obwohl die Japaner Weltmeister beim Verzehr von Meeresfrüchten sind. Also führte Harada eine nach Jahreszeiten wechselnde Speisekarte ein und als besondere Leckerei den Ebi-Filet-O mit Garnelen. Um das Gericht vom Einerlei abzuheben, wird es in einer rosafarbenen Verpackung mit Herz-Logo verkauft. Ein Renner bei jungen Frauen. Ihretwegen werden Filialen jugendlicher gestaltet und an beliebten Standorten sogar alle paar Monate umgebaut, je nach Trend. Und im Fernsehen sowie auf Postern gönnt sich das von weiblichen Fans angehimmelte Model Yuri Ebihara, kurz Ebi-chan genannt, ein Ebi-Filet-O.

Ein Bild des Models ziert auch zwei 500-Yen-Gutscheine, die McDonald’s in limitierter Auflage verteilt hat. Wenn der Run auf die Bons ein Omen für die gesamte Neuausrichtung des Unternehmens ist, kann Harada beruhigt in die Zukunft blicken – bei Online-Auktionen beträgt das Mindestgebot inzwischen 2700 Yen.

Vincent Vega: You know what they call a Quarter Pounder with Cheese in Paris?
Jules Winnfield: They don't call it a Quarter Pounder with Cheese?
Vincent Vega: No, man, they got the metric system, they don't know what the fuck a Quarter Pounder is.
Jules Winnfield: What do they call it?
Vincent Vega: They call it a Royal with Cheese.
Jules Winnfield: Royal with Cheese.
Vincent Vega: That's right.
Jules Winnfield: What do they call a Big Mac?
Vincent Vega: Big Mac's a Big Mac, but they call it Le Big Mac.
Jules Winnfield: Le Big Mac. What do they call a Whopper?
Vincent Vega: I don't know. I didn't go into Burger King.

Dialog aus Quentin Tarantinos Film „Pulp Fiction“ zwischen den beiden Killern Vincent Vega (John Travolta) und Jules Winnfield (Samuel L. Jackson).

RUSSLAND: MILCH-SHAKE GEGEN WODKARAUSCH

Vor Ort seit 1990
Filialen: 148
Umsatz: k. A.
Mitarbeiter: 17.000
Kunden pro Tag: 500.000
Beliebteste Gerichte: Big Mac, 1,39 Euro; Cheeseburger, 95 Cent; große Portion Pommes frites, 1,10 Euro

Sie wäre die perfekte Kulisse für einen Werbefilm mit Blick auf ein europäisches Publikum: die McDonald’s-Filiale am Moskauer Puschkinplatz an einem Dienstagnachmittag. Kein Gerangel an den Kassen, die jungen blonden Servicekräfte lächeln unentwegt. Jung sind auch die Kunden, sie tragen Turnschuhe, italienisches Schuhwerk, die neueste Jeansmode und 200-Dollar-Frisuren. Ein Mädchen mit riesigen Kopfhörern auf den Ohren sitzt verträumt vor den Resten ihres McFlurry. Zwei Männer in perfekt sitzenden Lederjacken kauen gut gelaunt „Kartoffeln à la Dorf“ – grob geschnitten, stark gewürzt und weniger fett als Pommes frites. Russen schätzen sie als originäre Errungenschaft des vaterländischen McDonald’s. Auch das Dessert „Piroschek s lesnoi jagodoj“, Pirogge mit Waldbeeren, wurde bei McDonald’s Russland erfunden. Es ist so beliebt, dass es mittlerweile exportiert wird.

Der Imbisspalast am Puschkin-Platz, noch zu Sowjetzeiten im Jahr 1990 eröffnet, war der erste von mittlerweile 148 in ganz Russland. In Moskau ist McDonald’s längst Alltag. „Ich gehe öfter hin“, sagt ein Bekannter, „aber meine Mädchen führe ich in richtige Restaurants aus.“ McDonald’s gilt nur als „demokratichno“, demokratisch, die Moskauer aber lieben es eigentlich „pafosno“, pathetisch: so wie in Clubs mit Türstehern und überteuertem Essen. In Provinzstädten wie Tscheboksary oder Kasan machen sich die Leute noch extra für den Besuch bei McDonald’s fein. Für sie ist es „McRestaurant“, für die Moskauer nur ein Imbiss.

Aber auch die Hauptstädter sind Russen und wissen McDonald’s in manchen Lebenslagen besonders zu schätzen. Aljoscha, ein russischer Journalist, erinnert sich an das Ende eines wilden Gelages im „Letzten Tropfen“, einer Kneipe am anderen Ende des Puschkin-Platzes. Aljoscha wankte hinaus und wollte mit dem Auto nach Hause fahren. Seine Saufkumpane rieten ihm heftig ab, aber er rief: „Unsinn! Wir gehen jetzt zu McDonald’s und trinken einen großen Milch-Shake. Danach sind wir wieder stocknüchtern.“

POLEN: DER PREIS ZÄHLT

Vor Ort seit 1992
Filialen: 209
Umsatz: 159,2 Millionen Euro
Mitarbeiter: 7600
Kunden pro Tag: 275.000
Beliebteste Gerichte: Big Mac, 1,90 Euro; Softeis, 70 Cent; Kaffee, 70 Cent

Die Kreuzung Swietokrzyska und Marszalkowska ist einer der größten Verkehrsknotenpunkte in Warschaus Innenstadt. Eine Ladenpassage liegt hier, eingerahmt von Büros, einer U-Bahn-Station und dem Palast für Kultur und Wissenschaft. Die zentrale Lage ist wie geschaffen für Restaurants. Folglich eröffnete genau hier auch 1992 Polens erste McDonald’s-Filiale. „Sezam“ bietet 250 Sitzplätze auf zwei Etagen, dazu 100 Plätze im Freien.

Leider läuft das Geschäft noch immer nicht besonders gut, denn die wenigsten Polen gehen auswärts essen. Laut einer Umfrage essen 80 Prozent ausschließlich zu Hause. Fastfood verkauft sich deshalb nur über den Preis. Wer mit dem Mindestlohn von 800 Zloty, rund 215 Euro, auskommen muss, kann mit seiner Familie kaum 150 Zloty für ein durchschnittliches Essen in einem Restaurant ausgeben. Aber er kann es sich leisten, ab und zu bei McDonald’s vorbeizuschauen.

Die wichtigste Kundschaft sind junge Großstädter zwischen 18 und 35 mit eigenem Einkommen. Sie kommen am frühen Abend, nach der Arbeit, und sorgen für einen Großteil des Tagesumsatzes. Die zweite große Besuchergruppe bilden Jugendliche, die mittags nach der Schule in die Filiale drängen, um dort zu essen, Hausaufgaben zu machen oder einfach mit Freunden herumzuhängen. Zu den lukrativen Kunden zählen sie nicht: Im „Sezam“ ist jeder willkommen, auch wenn er keine Bestellung aufgibt. Inzwischen ist das Lokal aber auch für junge Familien mit kleinen Kindern attraktiv.

Anfang der neunziger Jahre war die Klientel weniger bunt. Damals galt es noch als besonderer Luxus, bei McDonald’s zu essen, die Kette vermittelte einen Hauch westlicher Kultur. Mittlerweile ist der Burger-Brater zum preiswerten Restaurant für alle geworden, acht Speisen zu je zwei Zloty stehen auf der Karte. Der Trend zum Massenkonsum, der neue Kunden lockt, hat jedoch auch einen Nachteil: Er schreckt die Mitglieder der neuen Mittelschicht ab, die früher McDonald’s besuchten. Mit ihrem gesellschaftlichen Aufstieg haben sich ihre Bedürfnisse verändert. Sie wollen sich gesund ernähren und legen Wert auf ein gehobenes Ambiente. Ihretwegen sollen alle Filialen in den nächsten Jahren modernisiert werden: mehr Glas, bequeme Sofas und Tageszeitungen sollen anspruchsvollere Kundschaft anziehen. Nur bei der Werbung bleibt McDonald’s vorsichtig. Statt „Kocham to“ heißt es in Warschau auf Englisch „I’m lovin’ it.“ Für Polen gehören Emotionen ausschließlich in die Privatsphäre. Man bekennt keine Liebe zu einem Hamburger. Jedenfalls nicht in seiner Muttersprache.

FRANKREICH: GOURMETS? GOURMANDS!

Vor Ort seit 1979
Filialen: 1040
Umsatz: 2,4 Milliarden Euro
Mitarbeiter: 40.000
Kunden pro Tag: 1,1 Millionen
Beliebteste Gerichte: Big Mac, 3,20 Euro; Royal Deluxe, 3,30 Euro; Royal Bacon, 1,95 Euro

Am 12. August 1999 begann wieder einmal die Revolution: José Bové, Bauer im Aveyron, zerstörte mit seinem Traktor die im Bau befindliche McDonald’s-Filiale im Dörfchen Millau. Gerade hatten die Amerikaner den heimischen Roquefort-Käse mit Strafzöllen belegt, da musste jemand wie Bové, der mit seinem blonden Schnurrbart ein wenig wie Asterix wirkt, zur Tat schreiten. Gegen die Hegemonie der USA, gegen Hormonrinder, gegen Kapitalismus, gegen „La Malbouffe“ – frei übersetzt: Drecksfraß. Bové wurde zu drei Monaten Haft verurteilt und demonstrierte fortan mit Gegnern der Globalisierung von Palästina bis Südkorea.

So übersah die Welt eine Meldung der Wirtschaftspresse: In Frankreich war 2004 der Markt für Fastfood-Restaurants um drei Prozent eingebrochen, McDonald’s hingegen steigerte seinen Umsatz um 5,5 Prozent auf 2,3 Milliarden Euro. Das Wirtschaftsmagazin L’Expansion kürte McDonald’s Frankreich zur dynamischsten Tochter des gesamten Konzerns. Für 2005 wurden 35 neue Restaurants angekündigt.

Das Seltsame daran: McDonald’s France hat ein Image-Problem. Niemand will dort gewesen sein. In den Filialen dagegen sieht es anders aus. In der Nähe der Großbanken am Pariser Boulevard des Italiens stehen jeden Mittag wie selbstverständlich Herren im schwarzen Anzug am Take-away-Schalter Schlange. Nachmittags feiern Kinder Geburtstag, abends muss man in manchen Filialen wegen des Andrangs junger Pariser 20 Minuten auf einen Hamburger warten.

Was lockt die vermeintliche Nation der Feinschmecker in Scharen zu dorthin? Für die jungen Kunden ist es das schnelle Essen ohne typisch französische Tischrituale. Gäste in mittleren Jahren landen auch deshalb bei McDonald’s, weil echte Konkurrenz fehlt: Neben Bäckern mit Tunfisch- und Wurstbrötchen und Luxus-Snacks wie „Lina’s Sandwiches“ mangelt es an Angeboten für schnelles und günstiges Essen.

So genießt der Burger-Gigant die Position als unangefochtener Marktführer. Die Erfolgsformel in Frankreich heißt: So amerikanisch wie nötig, so französisch wie möglich.

Literatur

Morgan Spurlock: Don’t Eat This Book: Fast Food and the Supersizing of America. Putnam, 2005
Michael Pollan: The Omnivore’s Dilemma. A Natural History of Four Meals. Penguin, 2006
Eric Schlosser: Fast Food Nation: What All-American Meal is Doing to the World. Houghton Mifflin, 2001
Eric Schlosser: Chew on This: Everything You Don’t Want to Know About Fast Food. Houghton Mifflin, 2006
Steen Stender et. al.: High Levels of Industrially Produced Trans Fatty Acids in Popular Fast Foods. New England Journal of Medicine, 354; 15, 13.4.2006, S. 1650 – 1652

Die Autoren der Geschichte

Steffan Heuer, San Francisco; Carl D. Goerdeler, Rio de Janeiro; Johannes Dieterich, Johannesburg; Britta Petersen, Neu-Delhi; Johnny Erling, Peking; Martin Kölling, Tokio; Stefan Scholl, Moskau; Anna Rusinek, Warschau; Jörg Zipprick, Paris


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.