Gesprächsbedarf

Was zeichnet eine funktionierende Lieferkette aus? Perfekte Planung? Exakte Kalkulationen? Höhere Mathematik? Viel komplizierter: die ständige Kommunikation aller am logistischen Prozess Beteiligten im Unternehmen. Der niederländische Lebensmittelkonzern Numico hat über den Dialog den Turnaround geschafft.




So etwas kennt man eigentlich nur aus der Planwirtschaft. Der Vertrieb eines Babynahrungsherstellers bemerkt, dass sein Lagervorrat an Karotten-Gläschen zu Ende geht, und ordert bei der zuständigen Fabrik Nachschub. Sehr zum Ärger des dortigen Produktionsleiters. Denn der will in der fraglichen Woche Fenchel-Babygläschen fertigen, eine Umstellung der Maschinen auf Karotten würde viel Zeit und damit Geld kosten. Zu viel, findet der Produktionsleiter und weist den Kollegen deshalb ab: Soll der Vertrieb doch statt Karotten Fenchel auf den Markt bringen.

Niraj Mehra schüttelt noch heute den Kopf, wenn er an die Zustände denkt, die er vorfand, als er vor knapp dreieinhalb Jahren seinen Job als President Operations bei Numico antrat. Mit rund 13.500 Mitarbeitern und einem Jahresumsatz von knapp zwei Milliarden Euro (2005) zählt der niederländische Konzern zwar nicht zu den Größten, aber doch zu den Großen im europäischen Lebensmittelmarkt. Und dann so was.

Mehra kommt immer wieder auf dieses Karotten-Fenchel-Beispiel zu sprechen. „Es war einfach unvorstellbar“, sagt der 51-Jährige. Und „ein Synonym für die Riesenprobleme“, die der Konzern damals bei der Organisation seiner Lieferkette hatte. Damals, das war im Oktober 2002. Mehra, bis dahin Manager beim französischen Lebensmittelkonzern Danone, dem deutlich größeren Wettbewerber von Numico, sollte gemeinsam mit McKinsey & Company den Turnaround schaffen.

Keine leichte Aufgabe. Der Konzern stöhnte über hohe Kosten, unflexible Produktionen, schlecht ausgelastete Werke, zu hohe Warenbestände in den Lagern und eine miserable Lieferbereitschaft. Nur 60 bis 80 Prozent aller Bestellungen landeten pünktlich beim Kunden. „Wir hatten zu viele falsche Bestände am falschen Ort, während das fehlte, was wir wirklich brauchten.“ Was nach chaotischem Extrembeispiel klingt, ist in Wahrheit auch für die Logistiker in anderen Konzernen alltäglich. Im Dickicht aus Bestellung, Einkauf, Transport, Verteilung, Herstellung, Weiterverarbeitung, Marketing, Lieferung und Verkauf kommt es nur allzu oft zu Staus und Störungen. Das reibungslose Management komplexer logistischer Prozesse ist eher die Ausnahme als die Regel. Und die Aufgabe wird nicht leichter, seit die Unternehmen weltweit einkaufen, produzieren und verkaufen.

Tatsächlich kann der Logistik-Prozess in international agierenden Unternehmen an jeder Stelle ins Stocken geraten. Im Einzelfall hapert es an spezifischen Details. Wahrscheinlicher ist, dass die Ursachen für Störungen dort zu finden sind, wo auch das Management von Numico mithilfe der Unternehmensberater fündig geworden ist: in den Kommunikationsstrukturen. Logistik wird von Menschen gemacht. Und Menschen machen Fehler. Weil sie zu wenig miteinander reden, sich missverstehen. Oder weil sie unterschiedliche Ziele verfolgen.

Die rechte Hand weiß nicht, was die linke tut

Numico produziert europaweit vor allem Babynahrung und klinische Lebensmittel für den Verzehr unter ärztlicher Aufsicht. Gut 200 Zulieferer organisieren die Rohstoffe für Babybrei, Milchpulver, Säfte und Kekse, die der Konzern in mehr als hundert Ländern unter verschiedenen Marken vertreibt. In den Niederlanden stehen die Produkte mit dem Label Nutricia im Supermarktregal, in Großbritannien heißen sie Cow&Gate. In Deutschland stammen alle Milupa-Artikel aus den Numico-Fabriken. Die ehemals deutsche Firma gehört seit 1995 zum niederländischen Konzern.

2002 steckte das Unternehmen in der größten Krise seiner rund 110-jährigen Geschichte. Eine misslungene Expansionsstrategie in den neunziger Jahren hatte zu einem Geflecht von Firmen geführt, die sich eher blockierten als ergänzten. Die Folge waren 2,9 Milliarden Euro Schulden und ein historischer Tiefstand der Numico-Aktie. Seit dem Jahr 2000 war der Kurs des Papiers von mehr als 60 auf 4,30 Euro im Februar 2003 gefallen.

Jan Bennink, ehemaliger Vorstand bei Danone, sollte das Unternehmen sanieren. Als neuen Chef für den Bereich Operations holte er Ende 2002 seinen langjährigen Kollegen Niraj Mehra. Die Optimierung der Lieferkette hatte für die Unternehmensführung höchste Priorität. Konkret erwartete Bennink eine Steigerung der Lieferbereitschaft auf mindestens 98,5 Prozent und eine kurzfristige Reduktion der internen Warenbestände um 25 Prozent. Langfristig sollten die Bestände sogar um die Hälfte schrumpfen.

Eine Lieferkette stützt sich auf drei Pfeiler: Prozess, Organisation und Instrumente, so viel war Mehra klar. Er wusste auch, dass er bei Numico an allen drei Stellschrauben drehen musste. Aber wo genau anfangen? Welches Problem war am dringendsten? Welcher Lösungsweg der beste? Eine Schwachstellenanalyse sollte den nötigen Überblick geben.

Das Ergebnis: Die Lieferkette von Numico war nicht optimal organisiert. Interne Prozesse waren nicht aufeinander abgestimmt, Verantwortungen waren unklar definiert, Zuständigkeiten und Funktionen überlappten sich. Die an strategischen Entscheidungen beteiligten Geschäftsbereiche für einzelne Marken und Produkte waren auf verschiedene Standorte in mehreren Ländern verteilt. Auch die Fertigungslogistik war kompliziert: Ein Standort produzierte, der nächste übernahm die Verpackung, einzelne Werke machten beides. Zudem wurden gleiche Artikel an mehreren Fabrikstandorten ohne ersichtlichen Grund parallel gefertigt. Die Tochterunternehmen von Numico hatten ihr Geschäft stark national ausgerichtet – eine zentrale Abteilung, die ihre Zusammenarbeit koordinierte, gab es nicht. Niraj Mehra fasst die Analyse nüchtern zusammen: „Der Ablauf der Lieferkette hing damals noch ausschließlich von Individuen ab – und damit eher vom Zufall. Es gab weder eine funktionierende Organisation noch standardisierte Prozesse und Systeme, die geholfen hätten, die Kommunikation der Mitarbeiter zu erleichtern.“

Stattdessen verfolgte jeder Bereich andere Ziele, angetrieben durch unterschiedliche Leistungsparameter, die sich teilweise sogar widersprachen: Während das Management beispielsweise die Arbeit der Vertriebsmitarbeiter nach dem Niveau der Lieferbereitschaft bewertete, zählte bei der Beurteilung der zentralen Planung der Bestand. Die Konsequenz: Der Vertrieb versuchte stets, seinen Service durch hohe Bestände und teilweise überzogene Prognosen abzusichern – die zentrale Planung setzte alles daran, ihre Effizienz mit möglichst knappen Beständen zu demonstrieren.

Von Absprachen oder Vereinbarungen konnte keine Rede sein. Konzernweit existierten weder gemeinsame Ziele noch bereichsübergreifende Optima. Über die angestrebte Lieferbereitschaft gingen die Meinungen – je nach Standort und Produktlinie – ebenso auseinander wie über die optimale Produktionsfrequenz oder nötige Sicherheitsbestände.

Detaillierte Zielvorgaben gab es genug. Eine einheitliche Linie war darin allerdings nicht zu erkennen. Tatsächlich gab es unterschiedliche Ansagen: Während die eine Vertriebseinheit diverse Fertigungsstandorte mit Prognosen bombardierte, die sich auf den Verkauf eines Artikels bezogen, schickten die Kollegen aus der anderen Vertriebsabteilung Zahlen, die den gewünschten Produktions-Output bezifferten. Das Ergebnis war ein wirrer Mix aus Vorgaben, Ziffern und Erwartungen, den die Werke frei und oft genug falsch interpretierten. „Der eine sprach von Absatzzahlen, der andere hielt sie für Produktionsprognosen“, sagt Mehra. „Eine kostenoptimale Zusammenführung von Absatz-, Bedarfs- und Produktionsplänen war so natürlich schwer zu erreichen.“

Auch bei der Leistungstransparenz haperte es, wie die Analyse der Schwachstellen zeigte. Die Vertriebseinheiten und Produktionsstandorte berichteten nur unregelmäßig über ihre Arbeit. Eine einheitliche Definition von Kennzahlen existierte gar nicht. „Allein für den Begriff ‚Serviceniveau‘ kursierten konzernweit sieben verschiedene Definitionen“, sagt Mehra. Selbst verlässliche Daten über Warenbestände waren rar. Die beste Schätzung, die das Management am Montagmorgen von den verfügbaren Beständen haben konnte, waren Daten, die jede Geschäftseinheit am Freitagnachmittag geschickt hatte. Von Produkten, die nicht gelistet waren und dann regelmäßig irgendwann später plötzlich auftauchten, nahm man vereinfachend an, dass sie wohl irgendwo unterwegs gewesen waren.

So mancher Fehler hätte sich schon damals verhindern oder leicht beheben lassen. Aber das hätte zumindest ähnliche Organisationsgrundlagen erfordert. Die gab es nicht, weil jede Einheit ihre Arbeit nach eigenem Gutdünken organisierte. „Einige arbeiteten mit anspruchsvollen IT-Systemen, andere mit einfachen Excel-Tabellen, in einem Werk kalkulierten die Mitarbeiter noch gemeinsam an der Tafel“, erzählt Mehra. „Jeder machte es eben so, wie es ihm gerade in den Kram passte.“

Gemeinsam gegen die Beliebigkeit

Es war ein verknotetes Durcheinander, das der Operations-Vorstand kurz nach seinem Amtsantritt zu entwirren versuchte. Anfang 2003 brachte er mit McKinsey das Projekt Link!, zu Deutsch Bindeglied, auf den Weg. Weil ein Prozess nur funktioniert, wenn alle Elemente harmonisch aufeinander abgestimmt sind und die einzelnen Stationen ineinander greifen, entwickelten die Berater gemeinsam mit Numico-Mitarbeitern aller Lieferketten-Schlüsselpositionen eine neue, idealtypische Vorgehensweise – und gemeinsame Ziele und Regeln für die Zusammenarbeit aller Bereiche: Wer liefert was, wann und an wen? Wie lange dauert die Frozen Period, also die Phase, in der ein Produktionsplan unverändert beibehalten wird, auch wenn sich die Absatzplanung verändert? Wie werden Ausnahmen behandelt? „Solche Regeln haben die Beliebigkeit ersetzt“, sagt Mehra.

In dieselbe Richtung zielten klare, auf Fakten basierende Standards, beispielsweise zur Berechnung der optimalen Produktionsfrequenz oder der nötigen Sicherheitsbestände, die – verbindlich für alle – im Zuge von Link! etabliert wurden. Wurde früher für jedes Produkt der gleiche Sicherheitsbestand gelagert, ist er inzwischen individuell definiert. Artikel, bei denen die Nachfrage stark schwankt und der Bedarf oft von den Prognosen abweicht, haben einen höheren Sicherheitspuffer als hochwertige, regelmäßig nachgefragte Produkte.

Auch die Nachfrageprognosen lassen sich inzwischen deutlich zuverlässiger treffen. Braucht der wichtigste Großhändler in Irland mehr Milchpulver? Wie wird sich der Absatz der Fenchel-Babygläschen in Deutschland entwickeln? Geht Fenchel dort überhaupt? Wo früher Erfahrung und Bauchgefühl einzelner Mitarbeiter die Datenbasis bildeten, rechnet inzwischen ein standardisiertes IT-System die künftige Kundennachfrage aus Erfahrungswerten statistisch hoch – bereinigt um vergangene außergewöhnliche Ereignisse, wie etwa Lieferausfälle und Verkaufsaktionen, und ergänzt um geplante Sonderfälle, von PR-Aktionen bis hin zur Neueinführung von Produkten. „Ich wollte so wenig wie möglich dem Zufall überlassen“, kommentiert der Operations-Chef Mehra. Und er wollte fair und angemessen entlohnen. Seit die Kundenzufriedenheit als das oberste Ziel für alle klar definiert ist, zahlt sich gute Arbeit für jeden Einzelnen in Bonuszahlungen aus. Qualität wird neuerdings am Leistungsparameter Lieferbereitschaft gemessen.

Was als Umgestaltung der Lieferkette seinen Anfang nahm, wuchs sich so zum tiefgreifenden Wandel der unterschiedlichsten Organisationseinheiten aus. Ein Prozess, der naturgemäß weder schnell noch komplikationslos vonstatten geht. Mehra hatte schon vorher gewusst, dass „die Umgestaltung einer kleinen Revolution im Unternehmen“ gleichkam. Bevor er die neuen Standards, Definitionen und Ziele in allen Unternehmensteilen einführte, ließ der Operations-Vorstand sie deshalb zunächst in einem britischen Werk für eine Produktkategorie testen. „Wir haben den neuen Prozess relativ schnell pilotiert, die Ergebnisse laufend analysiert und die einzelnen Veränderungsschritte dann stetig verfeinert.“ In der Unternehmenszentrale entstand parallel dazu eine Abteilung, die mit der Koordination aller an der Lieferkette beteiligten Bereiche beauftragt war.

Inzwischen ist der Turnaround geschafft, der Profit hat sich stabilisiert, die Aktie stieg in den vergangenen zwölf Monaten um knapp 30 Prozent auf 38 Euro. Das ist nicht nur der Optimierung der Lieferkette zu verdanken, aber auch. Statt wie zuvor an verschiedenen Standorten lässt Numico heute Artikel in der Regel nur in jeweils einer Fabrik produzieren, zu niedrigeren Kosten mit einer deutlich geringeren Komplexität. Das erleichtert nicht nur die interne Kommunikation, sondern auch die notwendigen Absprachen mit allen externen Partnern der Lieferkette – und erhöht die Kundenzufriedenheit.

Gar nicht trivial: reden statt raten

Zwei wichtige Leitlinien des Link!-Prozesses sorgen inzwischen für eine zuverlässige Produktionsplanung: Absatzprognosen dürfen heute nur noch die Vertriebseinheiten abgeben, die dem Endkunden am nächsten sind. Die einzelnen Fabriken sind hingegen allein für die Produktionsplanung ihres Standorts verantwortlich. Um beide Prognosen aufeinander abzustimmen, besprechen sich die jeweiligen Teams mindestens einmal pro Woche an einem eigens für den Austausch reservierten Tag. In diesen telefonischen Cockpit-Meetings wird alles besprochen, was für die reibungslose Produktion und Lieferung der unterschiedlichen Produkte wichtig ist. Der Name wurde mit Bedacht gewählt: „Klarheit, Transparenz, Sichtbarkeit, die Assoziationen waren natürlich gewollt“, sagt Mehra.

Philip Spring, seit mehr als 15 Jahren Vertriebsmitarbeiter im britischen Trowbridge, möchte die regelmäßigen Besprechungen nicht mehr missen. Er kann sich noch an die Anfänge erinnern, als er den Bereich noch mehr oder weniger allein meisterte. Eine Abteilung? „Gab es nicht.“ Stattdessen war Spring so etwas wie ein einsamer Feuerwehrmann – er löschte Brände, wo er eben konnte. Heute teilt er sich die Arbeit mit rund 35 Kollegen. Gemeinsam steuern sie die Logistik des britischen Vertriebs, der für Großbritannien und Irland zuständig ist. „Das soll nicht heißen, dass es keine Probleme mehr gibt“, sagt Spring, „aber sie sind seltener geworden, und wir lösen sie inzwischen viel strukturierter.“ Einmal wöchentlich aktualisiert jede Vertriebseinheit ihre Absatzprognosen. „Potenzielle Lieferengpässe lassen sich so schnell identifizieren“, sagt Spring. „Die beste Voraussetzung, um gemeinsam sofort darauf zu reagieren“ – und möglichen Fehlbeständen so früh wie möglich entgegenzusteuern.

Wie das praktisch aussieht, zeigt sich später im Konferenzraum beim telefonischen Cockpit-Meeting mit Kollegen in Irland und den Niederlanden. Brona Kennedy, Vertriebsmitarbeiterin aus Dublin, braucht in der kommenden Woche dringend zusätzliche Milchpulver-Produkte. Momentan sind sie in der nötigen Stückzahl nicht lieferbar, die zuständige Fabrik im irischen Wexford hat technische Probleme. Ian Gibson, der dort zuständige Produktionsmanager, kann die Lücke wohl auch in den nächsten Tagen nicht schließen. Philip Spring allerdings schon, das zeigt ihm ein kurzer Blick auf die vorbereiteten Tabellen. Am Standort Trowbridge sind genügend Bestände am Lager, die den irischen Kollegen über den Engpass hinweghelfen können. Prima, meint eine vierte Stimme – sie gehört Lisa Maguire, Logistik-Managerin in der zentralen Lieferketten-Abteilung der Numico-Konzernzentrale in Amsterdam. Am nächsten Arbeitstag wird sich also eine Teillieferung von England nach Irland auf den Weg machen. Zudem, so informiert Lisa Maguire die Runde, sei an einem zweiten irischen Produktionsstandort die Milchpulver-Produktion angelaufen, um die Situation weiter zu entschärfen.

Rund eine halbe Stunde diskutieren die vier Kollegen die Planung für die Folgewochen, aber auch die Ergebnisse der vergangenen Produktionstage. Darauf sind alle Gesprächspartner bestens vorbereitet, seit sich jede einzelne Vertriebseinheit am Ende der Woche die Zeit nimmt, Warenbestände und Lieferprozesse detailliert zu analysieren. Dank der inzwischen harmonisierten IT-Systeme lassen sich Prognosefehler heute leicht feststellen. „Jeder einzelne Lieferausfall wird untersucht“, sagt Philip Spring.

War das niedrige Service-Niveau das Resultat einer falschen Planung, oder gab es Probleme bei der Produktion? Signalisieren hohe Warenbestände eine ungünstige Produktionsfrequenz, oder beugen die zuständigen Manager damit nur möglichen Lieferantenausfällen vor? Gab es Qualitätsprobleme oder Engpässe bei der Besorgung von Rohstoffen? Jede mögliche Ursache hat einen eigenen Code.

Spring und seine Kollegen identifizieren detailliert jedes spezifische Problem und leiten ihre Ergebnisse an die zentrale Lieferketten-Abteilung in Amsterdam weiter. Dort werden die Berichte aus allen Vertriebseinheiten gesammelt und im Paket an die Fertigungsstandorte geschickt, die den jeweiligen Vertrieb beliefern. Gemeinsam wird in den anschließenden Cockpit-Meetings dann Ursachenforschung und Problemlösung betrieben. „Dabei geht es nicht um Schuldzuweisungen, sondern darum, aus den Fehlern zu lernen“, sagt Spring.

Warum liefert der Bauer nicht?

In Ergänzung zu den Lösungen, die in den operativen Einheiten ersonnen werden, erarbeitet die Zentrale parallel dazu Maßnahmen für das Gesamtunternehmen. Die zentrale Lieferketten-Abteilung in Amsterdam wertet sämtliche gesammelten Daten aus und identifiziert konzernweit die Schwachstellen – für jeden Produktionsstandort, jede Produktgruppe und jede Vertriebseinheit, aber auch für sämtliche übergeordneten Ebenen. „Anfangs beruhten die meisten Probleme auf Prognose-Fehlern“, sagt Operations-Vorstand Niraj Mehra. Deren Häufigkeit habe durch die Umstellung der Lieferkette inzwischen deutlich abgenommen, heute könne das Unternehmen an der Lösung komplexerer Probleme arbeiten.

Dazu gehören beispielsweise Engpässe bei der Besorgung von Rohstoffen für Babynahrung. Ein extrem regulierter Bereich. Die erlaubten Rückstände an Pestiziden sind minimal. Für Numico kommen deshalb nur Rohstoffe aus wenigen Regionen von geprüften und zertifizierten Bauern infrage. „Unsere Bezugsquellen sind rar“, sagt Niraj Mehra. Die Konsequenzen eines möglichen Lieferausfalls können demnach gewaltig sein. Um das Risiko zu minimieren, sind verlässliche Daten wichtig: Basierte der Lieferausfall auf einer Missernte? Welche Ursachen gab es dafür? Das Wetter? Organisatorische Probleme? Stockte die Produktion? Weshalb? Lagen technische Schwierigkeiten vor? „Einer unserer italienischen Zulieferer hatte etwa nach dem Stromausfall im September 2003 monatelang Produktionsschwierigkeiten“, erzählt Mehra. „In diesem Bereich gibt es immer wieder außergewöhnliche Gründe für Lieferausfälle.“

Störungen wie diese kann auch das beste Management nicht verhindern. Aber nur wer die Risiken und ihre möglichen Ursachen kennt, kann durch eine bessere Planung und Steuerung von Zulieferern und Produktion rechtzeitig auf mögliche Probleme in der Lieferkette reagieren – und damit die Leistungsfähigkeit aller am Prozess Beteiligten erhöhen. Früher, sagt Mehra, sei so mancher geäußerte Frust folgenlos geblieben. „Seit wir die Ursachen für Versäumnisse genau kennen und exakt benennen können, wissen unsere Lieferanten, was sie wie verbessern können. Heute sind sie deshalb auch viel stärker bemüht, Lieferschwierigkeiten zu vermeiden.“ Übersicht, verbindliche Planungen, konkrete Vereinbarungen, verlässliche Zahlen, gemeinsame Ziele und das kontinuierliche Gespräch haben aber nicht nur die Zufriedenheit bei Kundschaft und Partnern sichtlich erhöht. Auch intern hat der Link!-Prozess so manches verändert. Iain Roebuck beispielsweise macht sein Job heute deutlich mehr Spaß als noch vor einigen Monaten. Als Vertriebsmitarbeiter ist er das Bindeglied zwischen Supermarkt-Kunden und Konzern – in der Vergangenheit fühlte er sich nicht selten als hilfloser Puffer, zerrieben zwischen den Anforderungen zweier frustrierter Parteien. Seit Numico die Servicequalität erhöht hat, haben sich Roebucks Aufgaben sichtlich gewandelt.

In den vergangenen zweieinhalb Jahren stieg die Lieferbereitschaft des Konzerns deutlich, obwohl die Gesamtbestände im selben Zeitraum sanken. In der Folge haben auch die Kundenbeschwerden abgenommen. Statt dem Einzelhändler wie früher mühsam zu erklären, warum eine Lieferung wieder einmal nicht pünktlich eingetroffen ist, kann Roebuck seine Kundschaft heute bei der Vorratsplanung in Lagern und Regalen unterstützen. Die gestiegene Numico-Lieferbereitschaft und Logistik-Erfahrung hat ihn zu einem begehrten Gesprächspartner gemacht. Für Roebuck ist das fast wie ein neuer Job: „Es fühlt sich einfach tausendmal besser an zu beraten, als sich ständig für etwas entschuldigen zu müssen.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.