Ganz oder gar nicht

Beef oder Chicken? Lieber vegetarisch? Oder religiös korrekt? Wunschessen im Flugzeug anbieten zu können führt die Caterer an ihre Leistungsgrenzen. Standardisiert soll es sein, aber auch abwechslungsreich. Kostengünstig, aber auch gut und frisch. Airline-Catering ist nur etwas für leidenschaftliche wie leidensfähige Dienstleister. Wie die LSG Sky Chefs.




Flugbegleiterinnen und Flugbegleiter, die ihren Job beherrschen, versprühen mit jedem Blickkontakt aufs Neue diesen berufstypischen, uniformen Charme. Doch nicht alle haben Lust dazu. Von den 16 Stewards und Stewardessen, die in einem Langstrecken-Jumbojet mitfliegen, versteckt sich ein Crew-Mitglied vor den Passagieren. Es schiebt keine Trolley-Wagen durch die schmalen Gänge der Economy Class, fragt nicht nach der Menüauswahl in der Business Class, erfüllt auch nicht in der First Class die mit dem Flugpreis exponentiell gestiegenen individuellen Bedürfnisse. Die „Galley-Maus“, so der Bordjargon, hat keinen Kundenkontakt, sondern bleibt in der Galley, der Bordküche. „Der Job ist gar nicht so unbeliebt“, sagt die 24-jährige Lufthansa-Stewardess Carola Sonnet. Es gibt immer Freiwillige.

Denn die Arbeit in der Flugzeugküche ist absolut stressfrei: Das Essen ist schon fertig, der Tisch – das Tablett – gedeckt, die Trolleys sind in der Reihenfolge der Mahlzeiten gestaut. Bleibt nur, den Kaffee zu kochen, den Ofen anzuschalten, den Müll zu sortieren. Und viel Zeit zum Lesen. Dank des Galley-Kabuffs können sich die Fluggäste über den Wolken, kurz nach Erreichen der Reiseflughöhe von rund 10.000 Metern, wie in einer Gaststätte fühlen. In der First und Business Class geben sie Bestellungen à la carte auf, die Flugbegleiter kellnern, schaffen selbst Ausgefallenes herbei, für dessen Qualität die Namen von Spitzenköchen bürgen. Immer wieder gehen die Vorhänge auf, und Essen rollt heran. Aber wie gesagt: Niemand kocht.

Große Kochkunst: 360 Millionen Mahlzeiten im Jahr

Die Nahrungskette beginnt am Boden, und das lange vor dem Flug. Das Bestücken der Galley besorgt die LSG Sky Chefs, eine Lufthansa-Tochter, nicht nur in den Fliegern der Muttergesellschaft, sondern für rund 270 internationale Fluggesellschaften. Die Firma mit 28.500 Mitarbeitern liefert jährlich mehr als 360 Millionen Mahlzeiten, produziert in rund 200 Betrieben, jeweils flughafennah in 48 Ländern. Dort werden die Trolleys gepackt und per Hubwagen übers Vorfeld in den Flieger gebracht.

„Oft werden wir fälschlicherweise als Köche bezeichnet“, sagt Ulrich Höngen, Betriebsleiter des LSG-Betriebs „Flugservice International“ direkt am Frankfurter Flughafen. Er beliefert bis zu 50 der dort verkehrenden internationalen Airlines, von der Air Canada bis zu Virgin Atlantic Airways. „Klar, wir haben Küchen. Aber in Wirklichkeit sind wir Logistiker.“ Kochen könnten schließlich viele. Doch das Essen unter den Nebenbedingungen der Frische, Hygiene und Rezepttreue garantiert rechtzeitig an den Flieger zu bringen – „das ist die große Kunst“. Nicht nur das Essen: Jede Airline hat eigene Trolleys, eigenes Geschirr und Besteck, Servietten, je nach Klasse andere, immer hübsch mit Logo. Die Vielfalt gilt selbst für Coladosen. Für US-Kunden ist die Coke 355 Milliliter groß, für europäische 330 Milliliter, arabische Kunden erhalten die Coca-Cola selbstverständlich mit arabischem Schriftzug. Bis zu 800 verschiedene und airline-spezifische Teile – Essen und Utensilien – sind vor einem Flug rechtzeitig an der Verladerampe zusammenzuführen. Vielfalt en masse.

Für all das hat Höngens Betrieb nur einen Tag Zeit. Um die Frische zu garantieren, beginnt die Zubereitung frühestens 24 Stunden vor dem Start. „Wir produzieren nichts auf Lager, sondern nach der Uhr“, sagt Höngen. Der 43-jährige Höngen wirkt hibbelig, wie auf Abruf, fast so, als ob er ahnt, dass gleich irgendetwas passiert, aber noch nicht weiß, was es diesmal ist. Flieger könnten ausfallen oder Verspätung haben. Oder jemand könnte eine Extrawurst ordern: Eine Stunde vor Abflug sollte ein Jet sein Essen zwar längst an Bord haben, doch kann die Crew – falls noch kurz entschlossene Mitflieger eintrudeln – einfaches Economy-Essen bis zu einer halben Stunde vor Abflug nachbestellen. Dann geht in Höngens Betrieb im wahrsten Wortsinn die Lampe an. An der für den Flug zuständigen Konfektionsstraße – Workstation genannt – rotiert die Alarmleuchte, und das darunter befindliche Faxgerät spuckt die gewünschte Speiseliste aus, in einer Form, die jeder Mitarbeiter in diesem Betrieb schnell versteht: Auf der so genannten Stückliste sind bis aufs Gramm genau die Zutaten und per Foto deren Garnierung festgelegt. Nach dieser Vorgabe, die für jedes Essen im LSG-Datenverwaltungssystem gespeichert ist, wird angerichtet. Selbst wenn ein Flieger endlich off-block ist – die Halteklötze vom Fahrwerk entfernt sind – löst sich die Spannung nicht. Der Betrieb in Frankfurt bedient schließlich täglich 120 Maschinen.

Airline-Welt: Arbeit wie im Kaffeerausch

Der Spannungszustand permanenter Dienstleistungsbereitschaft ist eine Betriebskrankheit. Auch die Belegschaft zeigt die Symptome. Keiner sitzt, alle wuseln, im Drei-Schicht-Betrieb rund um die Uhr, wie in einem kollektiven Kaffeerausch, durch dieses enge, teuer angemietete Stück Flughafengelände mit Warenanlieferung, Spülmaschinen, Lagern, Konfektionslinien, Kühlhäusern, Verladerampen. „Das hier ist Airline-Welt“, kommentiert Höngen den Betriebsrundgang. Die unüberhörbar an- und abfliegenden Maschinen der Kunden geben den Rhythmus vor. „Wenn wir Mitarbeiter und Führungskräfte einstellen, müssen die sich erst mal akklimatisieren.“ Ihm ging es nicht anders. Der Lebensmitteltechnologe, maschinelle Mahlzeitenproduktion gewohnt, landete in einer Manufaktur. Handarbeit dominiert. Die Möhrchen werden zwar schon geschält angeliefert, und der Fetakäse ist schon gewürfelt. Doch den Salat auf dem leeren Teller anrichten – Handarbeit. Das Abwiegen jeder portionierten Zutat – Handgriffe. Alles auf ein Tablett packen und in den Trolley schieben – nur per Hand.

Pro Schicht sind im Schnitt 200 Mitarbeiter mit dieser so genannten Ausdeckung beschäftigt, die meisten davon Frauen. Aus mikrobiologischen Gründen müssen sie sich beeilen, die Frischware darf die zwölf Grad kühlen Lagerräume nur kurz fürs Anrichten verlassen. In der Produktionshalle selbst ist es auch nicht viel wärmer. Überhaupt sind die flughafennahen Betriebe der LSG vor allem eines: kalte Küchen. Warme Speisen werden kurz vor dem Flug nur von einigen Spezialitätenköchen für die asiatischen Zungen zubereitet.

Europäische Speisestandards wie Nudeln, Gulasch, Erbsenbeilage dagegen kommen tiefgefroren aus dem rheinhessischen Alzey, wo die LSG-Tochter LSG Sky Food GmbH für sämtliche europäischen Kunden der LSG diese so genannte „heiße Komponente“ herstellt. Ist das am Flughafen zubereitete Essen vor allem für die teuren Gäste gedacht – der Frischeanteil steigt mit der Klasse – gibt’s auf den billigen Plätzen kaum mehr als diese Aluschale. Für sie ist eine eigene – tiefgekühlte – Logistikkette nötig, die direkt in den elektrischen Bordofen führt. Erst wenn die „heiße Komponente“ heiß ist, packen die Stewardessen sie zu den kalten aufs Tablett.

Über den Geschmack dieser Komponente richtet in Alzey Alois Strobl, Director Culinary Excellence bei Sky Food. Der 46-Jährige hat früher in Hotels gekocht, Hilton, Intercontinental, Sheraton. Als er in Alzey anfing, kam er sich verloren vor. „Die erste Zeit bin ich hier verzweifelt durchgelaufen und habe einen Herd gesucht. Wo ist denn hier – die Küche?“ Dann gewöhnte Strobl sich an seinen Arbeitsplatz, „der nichts mehr mit der Küche zu tun hat, wie man sie kennt“. Hier rollen am Tag 100.000 Mahlzeiten vom Band. „Das geht schon in Richtung Fabrik.“

Nudeln werden nicht in Töpfen, sondern in Stahlbottichen gekocht, größer als Badewannen. Nudeln rein, Deckel drauf, der Computer erledigt den Rest: die Wasserzufuhr, das sekundengenaue Kochen, das schnelle Abkühlen mit flüssigem Stickstoff. Wanne umdrehen, Deckel öffnen – und heraus flutscht eine Tonne Nudelmasse. „Wir nutzen heute neue Technologien“, sagt Strobl. Steaks kommen nicht in die Pfanne, sondern in die Bratstraße – beidseitig gebraten zwischen heißen Teflonbändern, prägt ein Stempel am Ende ein Grillmuster ein. Hühnerbeine kommen in den „Tumbler“, eine Trommel, die den 500 Kilo Tiermuskeln zwei Stunden lang Gewürze „einmassiert“, wie Strobl sagt. Nicht der Koch schmeckt ab, sondern die Waage im Wiegeraum, auf der stücklistenkorrekt die Würzmischungen zurechtgemixt werden.

In die Aluschale gelangen Fleisch und Beilagen dann durch flinke Hände. An mehreren Bändern legen sie eine Zutat auf die nächste – auch in diesem Betrieb ist die Anrichtung nicht automatisiert. Einzige Ausnahmen sind die Soßendosierer, die mit einem Sprotz! portionierte Soße draufklecksen. Bis zu 39 Essen pro Band und Minute wandern auf diese Weise in den Froster, fertig zum Transport ins Zwischenlager. Ist ein Essen erledigt, gehen die Frauen etwas essen. Kommen sie wieder, ist das Fließband umgerüstet, die nächste Speise harrt ihrer Anrichtung. Nicht umsonst lautet der LSG-weite Betriebsgruß: „Mahlzeit!“

Herr Wagner: 80.000-mal Gänsebraten bitte

Strobl hat seinen Frieden mit der Großküche gemacht: „Der Ausstoß, das Produkt, das wir erzielen, zeigt mir, wir haben es doch mit Kochen zu tun. Das Resultat ist mit der Hotellerie zu vergleichen, nur das Zustandekommen ist eben ein anderes, und die Mengen sind größer.“

Zum Beispiel: 80.000-mal weihnachtlichen Gänsebraten bitte, allein für die Lufthansa. „Von der Zubereitung her ist Gans ein einfaches Produkt“, sagt Roland Wagner, Geschäftsführer von Sky Food. „Aber die nötige Logistik ist extrem kompliziert.“ Das beginnt mit der Aufzucht: Die Gänse müssen wegen des Produktionsvorlaufs früher geschlachtet werden als andere deutsche Weihnachtsgänse, die erst zu St. Martin in die Restaurants kommen. Wagner muss Züchter finden, die alles einen Monat früher erledigen als üblich, vom Brüten bis zum Schlachten. Klöße sind einfacher, die werden im Sommer in ruhigen Phasen gekocht und gefrostet beiseite gelegt. Frischer Rotkohl lässt sich für Oktober bestellen. Dann kommen auch die Gänse, 20 Frauen säbeln sie in Stücke. Doch weil die Bratensoße erst danach aus den Knochen gekocht werden kann, kommt über die ersten Portionen Soße von der Vorjahresgans, die tiefgefroren aufbewahrt wird.

Der 55-jährige Wagner beneidet seine Kollegen in der Automobilindustrie. „Die haben es doch viel einfacher als wir.“ Wie bitte? Die Logistik der Autobranche gilt für Industriebetriebe als das Ausgefeilteste, was es gibt – und Tiefkühlkost zu organisieren soll anspruchsvoller sein? „Diese Logistik ist für uns nicht anwendbar, weil unser Geschäft viel komplexer und kurzfristiger ist“, beharrt Wagner.

Die Regel: Produktion auf eigenes Risiko

In seinem Metier handelt es sich nicht um Metallteile, sondern um verderbliche Ware. Das erhöht die Anforderung an die Qualitätskontrolle und senkt die Chancen, Kosten sparend Vorratswirtschaft zu betreiben. Zudem wechselt das Produkt sehr häufig. Rund alle sechs Monate wünschen die Airlines neue Menüs für alle drei Sitzklassen. Damit Vielflieger nicht ständig das Gleiche vorgesetzt bekommen, wechselt innerhalb der Menüs alle zwei Wochen der Speiseplan, bis die Folge von vorn beginnt.

Für Sky Food heißt das, Produktion und Lagerhaltung danach auszurichten, dass am Ende der Menüfolgen die nötige Menge vorhanden ist, aber auch nicht mehr. „Überhänge sind ärgerlich“, sagt Wagner. Was nicht an andere Kunden loszuschlagen ist – spontane Abnehmer sind derzeit häufig US-Truppentransporteure –, verhagelt die Bilanz: Die Airlines zahlen nicht für produzierte Menüs, sondern nur für die an Bord tatsächlich verzehrten. „Wir müssen uns immer am permanent schwankenden Absatz entlanghangeln.“ Und immer besser werden, denn im Catering-Geschäft sinken – wie überall – die Preise. Zudem ist in diesem Markt die altbekannte Regel außer Kraft gesetzt, dass wer bestellt auch bezahlt. Die Fluggesellschaften bestellen zwar, können aber jederzeit zurücktreten, entschädigungslos. „Wir produzieren auf eigenes Risiko“, sagt Wagner. „Abnahmegarantien geben uns Kunden nur selten.“ Dass sie in Workshops bei der LSG jeden Speisevorschlag betrachtet, gekostet, abgenickt haben – egal. Dass sie den Preis jedes Salatsblatts gedrückt haben – wurst. Dass sie manchmal Starköche mitbringen und exakte Kopien von deren Essen bestellen – kein Zahlungsversprechen.

Und dass jeder Kunde versucht, die Preise zu drücken – normal. „They just negotiate you down“, beschreibt der britische LSG-Manager Andrew Walsh die Verhandlungen, „till your margin is invisible“ – „Sie handeln dich runter, bis deine Marge verschwunden ist.“ All das macht das Geschäft nicht leicht, aber angesichts des hart umkämpften Marktes kalkulieren eben auch die Airlines so eng wie möglich. Business as usual – in jeder Industrie.

Obwohl sie permanent an die Buchungssysteme der Airlines angeschlossen ist, erfährt die LSG erst sehr spät vor Abflug, wie viele Passagiere tatsächlich mitfliegen. Verspätete Anschlussflüge, Last-Minute-Passagiere, Doppelbuchungen – bis kurz vor Toresschluss lässt sich die Zahl nur schätzen. Nach Erfahrungswerten rechnet die LSG daher mit einer bestimmten Auslastung, mit einer bestimmten Beliebtheit bei den Wahlessen – und schafft diese Menge aus dem Tiefkühllager plus etwas Reserve an den Flughafen oder produziert sie dort vor Ort. „Unter solchen Umständen ist eine exakte Bedarfsplanung unmöglich“, sagt Wagner. „Wir können nicht wie die Kollegen in der Autoindustrie mit optimalen Losgrößen arbeiten.“ Um auch ja das Gewünschte zu liefern, „machen wir größte Klimmzüge, produzieren auch kleinste Mengen und damit unwirtschaftlicher“.

Die logistische Optimierung stößt auch in den flughafennahen Betrieben an Grenzen. Die Vorgabe, kurz vor Abflug zu produzieren, beißt sich mit dem erstrebenswerten Ziel, Skaleneffekte durch Serienproduktion und gleichmäßige Personalauslastung zu erzielen. „Der Produktionsplan ist ein einziger Kompromiss“, sagt Produktionsleiterin Alexandra Wenninger. Als Puffer wirkt das Personal – der Anteil von kurzfristig zu aktivierenden Mitarbeitern ist hoch. Bei Anruf: Schicht.

Der weltweite Trend: sparen am Catering

Nicht der planbare Idealfall ist also Grundlage der LSG-Logistikkette, sondern der tägliche Ausnahmefall. „Das Ergebnis ist eine hochflexible Logistik, die sich den Schwankungen anpasst“, sagt Höngen. Anzupassen hat sich mittlerweile das gesamte Unternehmen – nicht nur die Logistik.

Die LSG Lufthansa Service Holding AG, die 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz erwirtschaftet und mit den LSG Sky Chefs einen Weltmarktanteil von 30 Prozent erreicht, ist nämlich nur auf dem Papier ein Riese. Es gibt kaum einen Analystenreport zur Lufthansa-Aktie, der nicht die weitere „Konsolidierung“ der verlustträchtigen LSG Sky Chefs anmahnt. Kein Wunder: Früher ein lukrativer Markt, gilt das Catering nicht nur Billigfliegern als verzichtbar. Seit den Terroranschlägen 2001 gibt es auf inneramerikanischen Flügen keine Bewirtung mehr, auch anderswo strichen Airlines das Catering auf Kurz- und Mittelstreckenflügen. Klar, Catering ist der größte Kostenblock, den die hart konkurrierenden Airlines leicht beeinflussen können. Bei Kerosin, Wartung und Löhnen lässt sich die Kostenschraube nicht so einfach drehen.

Die LSG ist davon besonders hart betroffen. Der 1966 als LSG Lufthansa Service GmbH gegründete Caterer hat seinen Hauptmarkt nämlich just in dem Augenblick in die USA verlegt, als der zusammenbrach. Drei Monate vor dem 11. September 2001 hat die LSG für 1,3 Milliarden Euro den US-Caterer Sky Chefs Inc. komplett übernommen. Nach den Terroranschlägen halbierte sich das US-Geschäft der Sky Chefs. Seitdem jagte bei der LSG eine Umstrukturierung die nächste, ein Kostensenkungsprogramm folgte dem anderen. Inzwischen sieht sich das Unternehmen auf dem Weg zurück in die schwarzen Zahlen.

Die Kunden, die auf ihren Langstreckenflügen am Catering festhalten, bleiben aber am Drücker. Für die LSG bedeutet das: „Wir drehen an allen möglichen Rädern, um die Preise zu senken“, sagt LSG-Sprecher Martin Riecken. Der Anteil ungelernter Arbeitskräfte steigt, ebenso der Anteil zugelieferter Ware. Um es billiger zu machen, bietet die Firma bei den Menü-Verkostungen immer Alternativen an: Formfleisch statt Hühnerbein, Ei aus Tankwagen statt vom Freilandhof. Reicht das nicht, kann mit Bechamelsauce gestreckt werden. „Wir nehmen hier mal ein Blatt runter, da eine Möhre“, sagt Riecken. „Doch irgendwann ist damit natürlich Schluss.“ Milton Friedmans Binsenweisheit, „There’s no such thing as a free lunch“, wird somit auch bei Flugspeisen gültig bleiben. Aber auf 80 Cent pro einfacher Mahlzeit ist man schon mal runter.

Diese billigste Speise im Programm ist ein kleines Frühstück: „Ein Omelett, zwei Kartoffelspalten, ein Nürnberger Würstchen“, sagt Strobl. Zwischen 80 Cent und fünf, sechs Euro für die Gänsemahlzeit rangieren die Preise. Tendenz fallend. Im Standardsegment, der Economy Class, spiele der Preis die zentrale Rolle, sagt Wagner. Im Premiumsegment, der First und Business Class, „bekommt der Kunde dagegen alles, was er will, nur muss er dafür entsprechend bezahlen“. Hier wird der Caterer nicht mit sinkenden, sondern mit steigenden Ansprüchen konfrontiert – und profiliert sich als flexibler Dienstleister.

Der Traum: ein Passagier, der bestellt und bezahlt

Geschäftsleute wünschen Rücksicht auf nationale Geschmäcker? Kein Problem, die LSG holt sich Köche aus allen möglichen Ländern. Die Chinesen differenzieren regional? Bitte sehr, eine Schulung zum Unterschied von Schanghai- und Peking-Küche. Die Pakistan International Airlines möchte Essen nur vom Herd eines Vertrauensmanns? Gut, sie schickt ihren eigenen Koch vorbei. Speziell für die arabischen Airlines hat die LSG in Deutschland gar einen Betrieb gegründet, in dem ausschließlich „halal“ gekocht wird, also nach muslimischen Regeln. Weil dieses Essen nicht mit anderem zusammen gelagert und transportiert werden darf – noch nicht mal die Teller sollen zusammen in die Spülmaschine –, gibt’s eine separate Logistikkette. Zertifiziert von einem malaiischen Inspekteur geht es in diesem Betrieb in Kelsterbach religiös korrekt zu. Kein Schweinefleisch, kein Alkohol, sondern Geschächtetes und Gebetsraum. Noch setzt der Betrieb erst 3,8 Millionen Euro im Jahr um, doch rüsten die arabischen Linien ihre Flotte massiv auf, gelten mithin als Zukunftsmarkt. Als zahlungskräftig ohnehin. „Manchmal kommen Sonderflüge mit Scheichs“, schwärmt der Leiter des Halal-Betriebs Wolfgang Köhler, „die bestellen nach Lust und Laune, wobei Geld überhaupt keine Rolle spielt.“

Ein Passagier, der bestellt und bezahlt – von solchen Kunden träumt auch Andrew Walsh. Der 39-Jährige sucht bei der LSG nach Geschäftsideen, das Catering lukrativer zu gestalten, und zwar für den Caterer. Dazu gibt es prinzipiell zwei Wege: die Abhängigkeit von der Airline entweder zu vermindern oder durch Verflechtung zu steigern.

Von letzterem Angebot machen zwei Kunden – Lufthansa und Virgin Atlantic Airways – bereits Gebrauch. Für sie organisiert die LSG mehr als nur die Beköstigung, sie koordiniert Reinigungstrupps, wählt Verpackungen, streicht überflüssige Utensilien. Mehr als 150.000 Euro ließ es sich etwa Walshs früherer Arbeitgeber Virgin Atlantic jährlich kosten, Waschlappen mit Firmenlogo an Bord zu haben. „Das war ohne jeden Nutzen“ – das Logo verschwand, sobald der Lappen feucht wurde. Weg damit. Weitere Maßnahme: Statt eigenem Dessert kommt ein Jogurt aus dem Supermarkt aufs Tablett. Eine Gefahr für die Marke sieht Walsh darin nicht. „Wer wechselt denn die Fluggesellschaft, nur weil kein Logo auf dem Plastikglas ist? Eher wechseln Sie für ein Ticket, das ein paar Euro billiger ist.“ Dazu schafft er Spielraum: Virgin Atlantic hat das Supply-Chain-Management durch die LSG eine Kostensenkung von mehr als zehn Prozent gebracht.

Eine andere Strategie für ein Catering der Zukunft wäre der Direktverkauf an Passagiere. „Billigflieger praktizieren schon solche Buy-on-bord-Services“, sagt Walsh. „Für uns ist das neu, wir führen ein Business-to-Business-Geschäft und wollen erst hin zum Business-to-Consumer.“ Ob der Caterer damit allerdings glücklich wird, weiß auch Walsh nicht. Denn bisher ist das Verhältnis des Fluggastes zu seinem Essen auch nicht besonders innig – gerade auf den Langstrecken Richtung Asien. Wenn die Tabletts in die Galley zurück kommen, „sehen sie manchmal aus, als seien sie explodiert“, sagt Stewardess Sonnet. Die chinesische Kultur des Spuckens hinterlässt Spuren, weshalb die Crew bei der Tablettrücknahme neuerdings Plastikhandschuhe trägt. Japaner fliegen zwar diszipliniert, nörgeln aber gern, wenn auf dem Tablett mal was fehlt. „Für manche Fluggäste ist es ein Sport, das Haar in der Suppe zu suchen“, sagt Riecken. Probleme, von denen die Galley-Maus verschont bleibt. Es sei denn, ein Kind hat seine Zahnspange auf dem Tablett liegen lassen. Dann räumt die Maus die voll gemüllten Trolleys aus – und es wird nichts mit Lesen.

Die LSG Sky Chefs – das Unternehmen in Zahlen:

Die Lufthansa-Tochter LSG Lufthansa Service Holding AG bestückt unter dem Markennamen LSG Sky Chefs nicht nur die Flieger der Muttergesellschaft mit Mahlzeiten, sondern auch rund 270 andere internationale Fluggesellschaften.

Die Firma mit 28.500 Mitarbeitern liefert pro Jahr mehr als 360 Millionen Mahlzeiten, produziert in knapp 200 Betrieben, jeweils flughafennah in 48 Ländern. Mit einem Weltmarktanteil von 30 Prozent und 2,3 Milliarden Euro Jahresumsatz (2004) ist sie nach einer verlustreichen Phase wieder zurück auf dem Weg in die Profitabilität. Der Caterer, dessen 600 Chefköche auch außergewöhnliche kulinarische Ansprüche bedienen, lässt sich nach eigenen Angaben im Jahr 30.000-mal in die Töpfe schauen: So häufig schicken Lebensmittelbehörden und Kunden ihre Inspekteure bei den LSG-Betrieben vorbei.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.