Norbert Niederkofler

Im Restaurant „St. Hubertus“ in St. Kassian werden auf Zwei-Sterne-Niveau Gerichte zubereitet, die es nur dort geben kann. Denn der 52-jährige Spitzenkoch Norbert Niederkofler kocht ausschließlich regionale Bergküche: „Gerstenrisotto mit Bergkräutern und Zitronenverbene“. Oder: „Bauernbratl vom Wipptaler Lamm, Brennnessel und Minz Püree, Gerstenkaffee Salz und Mais Popkorn“. Hier erklärt er die Südtiroler Kulinarik und seine Arbeitsweise:


„Die Wurzeln der Südtiroler Küche reichen bis in die österreichisch-ungarische Kultur. Durch den mediterranen Einfluss Italiens hat sie sich aber in eine ganz andere Richtung entwickelt. Früher war sie vor allem eine Arme-Leute-Küche. Die traditionellen Südtiroler Gerichte entstanden aus den wichtigsten lokalen Produkten, die stets komplett genutzt wurden. Zum Beispiel Milch: Früher wurden die Kühe im Sommer auf die Alm getrieben, weil das Gras im Tal für den Winter gebraucht wurde. Es gab keine Autos, mit denen die Milch transportiert werden konnte, also wurde aus der Milch erst einmal Sahne gemacht und daraus dann Butter. Die ist länger haltbar, sodass man sie im Laufe einer Woche ins Tal bringen konnte. Und von dem Abfallprodukt, vom Lab, ist Graukäse gemacht worden. Der hat ganz wenig Fett, weil das Fett ja schon in der Butter war. Heute ist das einer der wichtigsten Käse Südtirols.

Diese Küche war vorwiegend vegetarisch. In meiner Kindheit gab es nur sonntags Fleisch: Schweinebraten. Wir aßen stattdessen Knödel in allen Varianten: mit Käse, Schnittlauch, Spinat, Pfifferlingen oder Brennnesseln. Es war eine sehr fette Küche mit viel Butter und Rahm. Aber die Leute haben früher die Kohlenhydrate gebraucht, weil sie körperlich hart gearbeitet haben.

Ich bin vor drei Jahren Vater geworden und habe mich gefragt: Was hinterlassen wir eigentlich unseren Kindern? Ich habe noch die gute Hausmannskost genossen, habe aber auch miterlebt, wie sie verschwand. Also habe ich das Menü unseres Restaurants auf die Bergküche umgestellt. Wir orientieren uns an alten Traditionen und nutzen traditionelle Produkte. Wichtig ist, dass die stimmen. Deshalb arbeiten wir eng mit einem Gemüseproduzenten zusammen, der für uns etwa 350 Kräuter- und Gemüsesorten anbaut. Vor allem alte Sorten, die nur selten genutzt werden, weil sie zu arbeitsintensiv sind. Zum Beispiel die Erdmandel. Das ist eine Knolle, die man im Winter erntet und die wie Mandeln schmeckt. Wir haben auch zehn, fünfzehn Karottensorten. Früher waren Karotten weiß, gelb, violett – die orangefarbene Sorte, die wir heute kennen, ist ja eine Züchtung.

Unser Gemüseproduzent arbeitet ohne Gewächshäuser, sodass wir alle Gerichte nur saisonal anbieten können. In diesem Sommer zum Beispiel waren die Tomaten sehr spät reif, also konnten wir erst drei Wochen später als sonst damit Gerichte zubereiten. Für mich sind die Jahreszeiten eng mit ihren Geschmäckern verbunden. Weihnachten ist die Zeit der Mandarinen. Spargel gibt es im Mai und Pilze ab Ende August. Es ist schön, in solche Abläufe wieder reinzukommen.“

RESTAURANT-TIPPS

Südtiroler Bergküche: St. Hubertus, St. Kassian // Das höchstgelegene Sterne-Restaurant Italiens: Auener Hof, Sarnthein // Gourmet-Bauernhof: Pretzhof, Wiesen // Das beste Restaurant Merans: Sissi // Traditionelle Südtiroler Küche: Wirtshaus Vögele, Bozen


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.