Julia Bornefeld

Bruneck ist ein hübsches Städtchen mit einer Einkaufsstraße und einem schmalen Fluss, der an Espresso-Bars und Wirtshäusern entlangsprudelt. Am östlichen Stadtrand befindet sich hinter einem alten Tor eine Reihe ebenso alter Werksgebäude: Das ist die Tuchfabrik Moessmer, in der seit 120 Jahren feine Stoffe produziert werden – zurzeit vor allem für Luxus-Labels wie Armani, Prada, Dolce & Gabbana oder Louis Vuitton. Und in einem der flachen Gebäude, die schon lange keine Farbe mehr gesehen haben, entsteht Kunst.


Eine Performance als Dankeschön

Seit acht Jahren haben Julia Bornefeld und zwei Kolleginnen hier ihr Atelier. Zudem schreibt in der Werksvilla der Meraner Schriftsteller Joseph Zoderer. Bornefeld ist mit dem „modernen Mäzenatentum“ sehr glücklich. „Die Zusammenarbeit mit Moessmer ist schön, der Einfluss aus der Wirtschaft ist sehr befruchtend“, sagt die 50-Jährige. Die Firma stellt die riesigen Ateliers bereit, dafür entwickeln die Künstlerinnen einmal im Jahr ein Performance-Projekt für Bruneck. „Das machen wir jetzt seit sieben Jahren. 2011 haben wir etwa die Türme der Stadt mit roten Stoffbändern umwickelt.“ Moderne Kunst für alle. Nicht im Museum, sondern im Alltag.

Dabei sind Julia Bornefelds Werke meist nicht so dekorativ, als dass sie Chefetagen oder Empfangshallen zieren würden. In ihrem Studio stehen und liegen zwischen riesigen Gemälden Reste früherer Ausstellungen und Aktionen, die eher herausfordernd wirken: das Skelett eines verkohlten Flügels, den sie angezündet hat. Ein riesiges Messer, das durch den Deckel eines Flügels gerammt wurde. Ihre Neigung zur Musik erklärt die gebürtige Kielerin mit ihrer Herkunft: Ihr Großvater war Pianist. Sie wäre auch gern Musikerin geworden, sagt sie. „Ich denke bis heute wie eine, die mit anderen Jazz spielt. Ich reagiere auf das, was andere tun.“

Zugleich fungieren die traditionellen Instrumente der Hausmusik für sie als Symbole des alten Bürgertums und seiner autoritären Erziehung. Bornefeld verarbeitet in ihrer Kunst auch damit verbundene Traumata. „Die Zerstörung des Instruments hat immer auch mit der Verwandlung eines Menschen und der Kultur zu tun“, sagt sie. „Kunst ist immer autobiografisch. Das Ziel eines Künstlers ist es, an seinem Werk zu arbeiten – und an sich.“

Dabei hilft ihr, dass sie in Bruneck fern vom großstädtischen Lärm lebt. „Die Ruhe hier ist wunderbar“, sagt Bornefeld. „Der Alltag ist so angenehm und beruhigend. Kunst ist etwas sehr Einsames. Kunst erschaffen ist wie Meditation. Wenn ich hier bin, steht die Zeit still.“ Andererseits braucht sie Austausch. „Dass man auf der Straße zufällig einen interessanten Menschen trifft, passiert hier eher selten.“

Deshalb hat sie noch ein weiteres Studio in Berlin. Dort betreibt sie die Plattform polyphonic fields, für die sie Künstler einlädt, um Ideen auszutauschen und vielleicht etwas Gemeinsames zu schaffen. „Ich bringe Menschen zusammen“, sagt sie. Das gehört für sie zu ihrer Arbeit. „Ich sehe mich als Teil eines Ganzen. Kunst entsteht in der Begegnung.“ In der Kleinstadt wie in der Metropole, mit Unternehmen wie mit Künstlern. Als Nächstes wird sie mit einem Architekten einen Wasserspeicher gestalten. Julia Bornefeld sagt lächelnd: „Ich habe keine Grenze.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.