Der Eigensinnige

Auf der Fahrt durch das Etschtal von Bozen nach Meran übersehen viele Besucher Terlan. Im idyllischen Südtirol ist das malerische Örtchen bloß eines von sehr vielen. Und die Burgruine? Gehört zur Grundausstattung – Bozens Umgebung ist das burgenreichste Gebiet Europas. Doch was auffällt, sind die Reben. Überall wächst Wein, auf den Hügeln, an der Straße, selbst in Baulücken. Kein Wunder: Terlan ist ein gut 2000 Jahre altes Weindorf. „Früher“, sagt Norbert Kofler, „hat hier jeder Wein produziert. Für den Hausgebrauch. Nicht nur Bauern, auch Angestellte, die in der Stadt gearbeitet haben. Mein Vater hat ebenfalls Wein gemacht, im Jahr um die 100 bis 200 Liter.“


Norbert Kofler ist Winzer. Er hat Landwirtschaft studiert, seine Abschlussarbeit schrieb er über Dessertweine. Danach arbeitete er für eine Winzergenossenschaft. Seit 2007 führt er sein eigenes Gut: Kiemberger. „Es ist mit 0,7 Hektar Anbaufläche ziemlich klein“, sagt der 31-Jährige. „Ich konzentriere mich deswegen auf zwei Weine: eine weiße Cuvée – den Terlan – und den Lagrein.“ Lagrein ist eine autochthone, also einheimische Rebsorte Südtirols, die international wenig beachtet wird. Doch Koflers Weine sind speziell. Wie er das macht? „Der Wein“, sagt er, „ist jedes Jahr anders, weil jedes Jahr die Voraussetzungen, das Wetter, die Entwicklung anders sind. Und genau das will ich: Ich möchte, dass der Wein ein Vertreter seines Jahrgangs und seines Gebiets ist.“

Zaubern können Winzer nicht. Selbst wenn ihr Wein danach schmeckt

Früher war das normal. Inzwischen folgt die Weinwelt anderen Regeln. Überall wird daran gearbeitet, Wein zu standardisieren wie Hackbrötchen. Der Konsument soll mit einer Marke oder einem Anbaugebiet wie Kalifornien oder Chile einen bestimmten Geschmack verbinden. Das hilft allen, die gern leckeren Wein trinken, sich aber nicht näher damit beschäftigen wollen. Doch wer sich auskennt, verlangt mehr: Überraschungen beim Verkosten, neue Geschmacksnoten und Ideen. So etwas findet man in den Weinen kleiner Güter. So wie bei Kiemberger, das in kurzer Zeit zum Geheimtipp geworden ist. Norbert Kofler sieht sich dabei als Teil eines Trends in Südtirol. „Es gibt immer mehr Winzer, die ganz eigene Weine produzieren“, sagt er.

Für ihn hat sich der Eigensinn ausgezahlt. Das Weingut Kiemberger ist jedes Jahr ausverkauft. Davon leben kann Kofler trotzdem nicht, weshalb er nebenbei noch Obstbau betreibt. Doch an Wachstum ist nicht zu denken, denn Grundstücke für den Weinbau sind teuer: Ein Hektar Land kostet zwischen 500 000 und 800 000 Euro. Aber Kofler ist zufrieden. Er liebt seine Arbeit. Über das Jahr beschäftigt er sich mit dem Boden, den Reben, der Reifung. Manchmal kommen Touristen vorbei. Denen zeigt er seine Rebstöcke, zwischen denen Hühner und Enten herumlaufen. Danach können sie gern Wein kaufen. Wenn es noch welchen gibt.

SECHS BESONDERE SÜDTIROLER WEINE WEISS
Weingut Kiemberger, Terlaner
(über www.wein-aus-suedtirol.eu)
Kellerei Tramin, Goldmuskateller
(über www.cantinatramin.it)
Weingut J. Hofstätter,
Kolbenhof Gewürztraminer
(über www.hofstatter.com)
ROT
Weingut Kiemberger, Lagrein Riserva
Muri-Gries Klosterkellerei,
Lagrein Riserva Abtei Muri
(über www.muri-gries.com)
Josephus Mayr „Erbhof Unterganzner“, Lagrein dunkel Riserva 2011
(über www.karl.kerler.de)

Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.