Privat-Brauerei Strate Detmold

Die Privat-Brauerei Strate Detmold pflegt eine mehr als 140 Jahre währende Tradition: Bier mit Charakter. Drei Frauen an der Spitze des Unternehmens sorgen dafür, dass der Anspruch nicht verwässert.




Bierbrauer unter sich sind auch nicht anders als andere Männer. Eine beliebte Frage: "Wie viele Hektoliter produzieren Sie so?" In solchen Runden, erzählt Friederike Strate, sei ihr Vater immer gelassen geblieben. "Ach wissen Sie", soll er beim Besuch der einst mächtigen Dortmunder Actien-Brauerei geantwortet haben, "wir machen ein bisschen mehr, als wir selbst trinken können."

Dreizehn Jahre ist Friedrich Strate nun schon tot, aber seine Nachfolgerinnen können über den Spruch noch immer herzlich lachen. Auch wenn sie ihn heute nicht mehr brächten, denn aus den rund 10000 Hektolitern Jahresausstoß Anfang der achtziger Jahre sind inzwischen 158000 Hektoliter geworden. "Detmolder", das ist eine stolze Marke im Lipperland. Und in der Region weiß jeder, der in eine Wirtschaft geht oder sich für Wirtschaft interessiert: Es sind drei Frauen, die den 1863 gegründeten Familienbetrieb mit heute 33 Mitarbeitern in seine erfolgreichste Phase geführt haben: Seniorchefin Renate Strate und ihre Töchter Simone und Friederike.

Bodenständig bleiben, unverwechselbar und eigenwillig. Das ist ihr Rezept in einem hart umkämpften Markt, in dem immer weniger Bier, dafür eine unabhängige Brauerei nach der anderen geschluckt wird. Internationale Konzerne wie InBev (dazu gehören etwa Beck's, Hasseröder, Diebels) und nationale Giganten wie die Oetker-Gruppe (Radeberger, Jever, Schultheiss) dominieren die Branche, halten rund 70 Prozent des Marktes. In ihrem Kampf um Anteile schielen diese Großen nicht auf die vielen ganz kleinen der insgesamt 1284 deutschen Brauereien, deren Kapazitäten gerade reichen, um "rund um den Kirchturm" zu liefern. Es sind attraktive Mittelständler wie Detmolder, die ins Beuteschema passen und fürchten müssen, einverleibt zu werden. Zuletzt erwischte es die Herforder Brauerei, die nach fast 130-jähriger Tradition als Privatbrauerei nun zum Imperium der Warsteiner Gruppe gehört.

Ein Beben unter Ostwestfalens Biertrinkern, jedenfalls bei denen, die Vielfalt wollen und nicht Einheitsgebräu. Wer schmeckt schon einen großen Unterschied zwischen Veltins, Krombacher, Bitburger? Im Vergleich zu solchen Fernsehbieren, wie sie die Branche wegen ihrer massiven TV-Präsenz nennt, ist Detmolder mit zuletzt 11,5 Millionen Euro Jahresumsatz ein Zwerg, aber einer mit Charakter, Mut und Selbstbewusstsein. Wo andere neuerdings mit milderen Rezepturen und aufgehübschten Flaschen um weibliche Kundschaft buhlen, machen die Strate-Frauen das Gegenteil: Ihre neueste Kreation heißt "Detmolder herb", mit einer Extra-Portion Hopfen. Herrlich zu Grill-Fleisch!

Klassische Werbung wird es auch für dieses Produkt nicht geben. Stattdessen unterstützt man Vereine. Kleine Vereine aus der Umgebung, aber davon mehr als 800. Den Männergesangverein Lohen- grin aus Enger. Die Schützenbruderschaft St. Georg aus Rolfzen bei Steinheim. Den Tischtennisclub Mennighüffen in Löhne. Hochwertige Jacken oder Trikots gehören zum Sponsoring, aber natürlich auch Flüssiges, wenn gefeiert wird. Bier-zum-Mund-Propaganda ist das und Teil der Firmenphilosophie.

Die lautet: "In der Region ­ für die Region". Die Verbreitung von Detmolder Bier ist bewusst auf einen Radius von 120 Kilometern beschränkt. Von der Braugerste bis zur Präsentverpackung setzt das Unternehmen bei den insgesamt 200 Zulieferern so konsequent auf Firmen aus dem Absatzgebiet, dass es dafür 2005 den Umweltpreis der Stadt Detmold erhielt. "Wo das Geld verdient wird, da soll es auch ausgegeben werden", sagt Friederike Strate.

Die 43-Jährige kümmert sich um das Wichtigste beim Bier: den Geschmack. Bereits mit 19 war sie Braumeisterin, Deutschlands jüngste damals. Zusammen mit dem technischen Betriebsleiter Markus Lopsien wacht sie am Sudkessel darüber, dass das Detmolder Pils würziger und vollmundiger daherkommt als das der Konkurrenz. Friederike war es auch, die vor neun Jahren die Rezeptur für das dunkle Landbier austüftelte. Inzwischen stecken in jeder vierten Kiste, die die Brauerei verlässt, Flaschen mit der rauchig-kräftigen Spezialität.

Bier ist Herzensangelegenheit

Apropos Flaschen: Nach Flensburger ist Detmolder Deutschlands zweitgrößter Bügelverschluss-Abfüller. Umweltfreundlich ist das, weil jährlich 39 Millionen Kronkorken eingespart werden. Für Frie- derike Strate ist es vor allem sinnlich. "Eine Flasche ohne Bügel ist für mich nackt. Und ich liebe es, wenn ich eine leere Kiste im Auto habe und das Klackern der Verschlüsse höre."

Trinkkultur ist den Strate-Frauen Herzenssache. Detmolder im Plastikbecher? Mutter Renate verzieht das Gesicht. "Wir wollen nicht, dass die unser schönes Bier aus Polycarbonat trinken, auch nicht bei Volksfesten", sagt ihre Tochter Friederike. "Da nehmen wir lieber ein paar kaputte Gläser in Kauf und berechnen sie nicht", meint Simone Strate. Die 38-Jährige hat ihre BWL-Diplomarbeit über Marktnischen-Konzepte mittelständischer Brauereien geschrieben, ist für die Finanzen zuständig, aber deshalb nicht weniger vernarrt ins eigene Produkt. Im August hat sie ihr zweites Kind zur Welt gebracht, die kleine Johanna, und wieder sei das einzig Schlimme an Schwangerschaft und Stillzeit, "dass ich mir für lange Zeit kein Detmolder gönnen darf".

Dass Frauen etwas von Bier verstehen, ist nicht neu. Bis ins Mittelalter gehörte Brauen zur Hausarbeit wie Kochen und Backen. Was die Detmolder Damen so unschlagbar macht, ist Witz und unbedingter Zusammenhalt. Wenn sie als Trio Besuchergruppen durch das schöne denkmalgeschützte Backsteingebäude führen (im vergangenen Jahr kamen 15000 Neugierige), gibt es bühnenreife Comedy zu erleben. Abwechselnd steigen die Frauen für ihren Part auf eine leere Bierkiste, freuen sich über jeden Lacher und darüber, dass sie so die Menschen kennenlernen, bei denen ihr "Bier verdunstet". Anschließend spendieren sie kistenweise Proviant für den Heimweg, postieren sich an der Hofausfahrt und winken, bis der Bus um die Ecke gebogen ist.

Was für nette Frauen! Dachten sich zunächst auch die Vertreter der Anbieterfirma, als die Brauerei vor einigen Jahren eine neue Flaschenreinigungsanlage brauchte. Doch beim Verhandeln um die 1,3 Millionen Euro teure Investition mussten die Herren erleben, wie zäh Lipperinnen sein können, wenn es ums Geld geht. "Ich habe meinen Töchtern gesagt, wir sitzen das aus, bis die mürbe sind", erzählt Renate Strate, die auch mit 72 Jahren noch in alle wichtigen Entscheidungen eingebunden ist. Am Ende gab es 280000 Euro Rabatt.

Und auch darin sind sich die Frauen einig: Unter dem Namen Detmolder darf es ein Weizen geben und Exoten wie das nach Sauerkirsche, Zimt, Anis und Nelken schmeckende Glühbier für die Weihnachtsmärkte. Aber kein alkoholfreies. Aus einem einfachen Grund, so Friederike Strate: Ein Bier zu brauen, das nicht auch ein bisschen fröhlich macht ­ daran hätte sie keinen Spaß.