Stefan Roggenkamp

Der ehemalige Investmentbanker Stefan Roggenkamp betreibt in Herzebrock-Clarholz eine Firma für Biosuppen. Sie soll Geld für Demenzkranke erwirtschaften.




"Einen Porsche kann sich heute doch fast jeder kaufen, das ist nichts Exklusives mehr." Sagt Stefan Roggenkamp, 38, während er im schwarzen Porsche Carrera 4S durch Gütersloh fährt. Natürlich weiß er, dass das Unsinn ist. Er sagt solche Sätze eher, um klarzumachen, in welcher Welt er früher zu Hause war, bevor er zurückkam in die Ge- gend, wo die Orte Pixel, Lette und Ummeln heißen und ein Porsche Carrera 4S definitiv kein Allerweltsauto ist.

Früher, das war sein Leben als Investmentbanker in London, München, New York. Roggenkamp verdiente Millionen, flog um die Welt und fuhr einen Aston Martin ­ bis er mit einer Abfindung Abschied nahm. Er hätte danach eine Farm in Südafrika kaufen oder sich dauerhaft im Waldorf-Astoria einmieten können. Stattdessen kehrte der Banker, der aus Verl stammt, in seine Heimat zurück, um etwas Besseres mit seinem Geld anzufangen: Roggenkamp hat eine Stiftung ins Leben gerufen, mit der er die Pflege von Demenzkranken in Deutschland verbessern will. Zur Finanzierung des Vorhabens gründete er eine Firma für Bio-Suppen ­ er selbst sagt, er habe "die Suppe neu erfunden".

Große Worte, aber ehrgeizige Ziele ist der Unternehmer aus seiner Zeit in der Hochfinanz gewohnt. Als Direktor der Abteilung für Versicherungsderivate bei der japanischen Investmentbank Mizuho International in London, handelte er mit Wetter-, Währungs-, Zins- und Preis- risiken. Das machte ihn erst reich, dann arbeitslos: Im Sommer 2005 verdient er durch den Handel mit Versicherungs-risiken und Öl-Optionen am Hurrikan "Katrina" für seine Bank Millionen ­ und verliert kurz danach durch Fehlspekulationen um die Hurrikans "Rita" und "Wilma" ein Vermögen. Roggenkamp muss seinen Hut nehmen.

Als er sich Ende 2005 nach Gütersloh aufmacht, hat er keine konkreten Pläne. Er will ein paar Monate Urlaub machen, sich sortieren, seine Eltern besuchen. Und kommt just in dem Moment, als sich die Demenz-Erkrankung seiner 60-jährigen Mutter dramatisch verschärft. Plötzlich muss sich der Banker mit dem Medizinischen Dienst der Krankenversicherung herumschlagen, mit Pflegestufen auskennen und seinem überforderten Vater helfen; er macht sich auf die Suche nach einem Pflegeheim. Dort sieht er alte, demente, einsame Menschen, mit Medikamenten ruhiggestellt, an Stühle und Betten fixiert. Er blickt "in die Abgründe des deutschen Pflegesystems" ­ und trifft "die wichtigste Entscheidung" seines Lebens.

Roggenkamp hätte seiner Mutter einen Platz im teuersten Heim des Landes kaufen können. Er hätte drei Pfleger anstellen können, die sie rund um die Uhr betreuen. Stattdessen gründet er Anfang 2007 die "Deutsche Demenz Stiftung ­ Vergissmeinnicht". Er will nicht nur einem helfen, sondern auf das Schicksal von rund 1,5 Millionen Menschen aufmerksam machen, die hierzulande an Demenz erkrankt sind. Mit einer eigenen Pflegeeinrichtung soll die Stiftung außerdem beweisen, dass die Kranken besser und doch billiger betreut werden können als bisher. "Gute Pflege ist nahezu unbezahlbar", meint Roggenkamp, "die Pflegeversicherung deckt selbst in der höchsten Pflegestufe oft nicht mal die Hälfte der Heimplatzkosten."

Die Stiftung, deren Kuratorium drei Fachärzte bilden, entwickelt das Konzept einer Wohngemeinschaft für Demenzkranke und erwirbt das "Alte Parkhotel" in Gütersloh, das dieses Frühjahr eröffnet werden soll. "Es wird kein umgebautes Krankenhaus mit langen Fluren, in denen es nach Pfefferminztee riecht", verspricht der Initiator. "Wir planen eine überschaubare Einrichtung mit familiärem Charakter für zehn Patienten, dazu ein großer Garten, in dem sich auch die Angehörigen wohlfühlen sollen." Die Pflege übernimmt ein ambulanter Dienst als Subunternehmer, eine "Heimmutter" ist ständiger Ansprechpartner für die Bewohner.

Zur Nachahmung empfohlen

Weil das Haus weder Gewinn erzielen noch eine große Verwaltung finanzieren muss, haben Roggenkamp und sein Kuratorium trotz des besseren Personalschlüssels einen monatlichen Beitragssatz von 2700 Euro pro Bewohner errechnet ­ weit weniger als die 4000 Euro und mehr, die anderswo verlangt werden. Das Wohngemeinschaftsmodell soll Vorbild für andere werden. Roggenkamp will bald eine Stiftungsgeschäftsstelle einrichten, in der Gründungswillige in allen wichtigen Punkten, von der Finanzierung ihres Projektes bis zur Inneneinrichtung oder Vertragsgestaltung mit Pflegeanbietern und Behörden, beraten werden.

Das Geld für die Arbeit der Stiftung stammt aus den Erträgen des Stiftungskapitals und aus Spenden. Weil aber Firmen, wie der Finanzexperte weiß, auf dem Kapitalmarkt eine wesentlich bessere Rendite erwirtschaften können als Stiftungen, gründete Roggenkamp außerdem ein Unternehmen. Die Roggenkamp Organics AG stellt Bio-Suppen her ­ ein Teil ihres Gewinns wird an die Demenzstiftung gehen.

Qualitativ orientieren sich der Gründer und seine Frau Sandra, die das Unter- nehmen leitet, an den frischen Produk- ten der Bio-Lebensmittelmarke "Duchy Originals" von Prinz Charles, die der ehemalige Banker noch aus den feinen Londoner Docklands kennt. Auch äu-ßerlich sind die Roggenkamp-Suppen denen des Prinzen recht ähnlich, das edle Fastfood ist in durchsichtigen Plastikdosen abgepackt ­ der Inhalt stammt überwiegend aus Ostwestfalen: Bis auf einige Gewürze ist alles Bio-ware, die dreimal wöchentlich frisch geerntet und geschnitten vom Kiebitz- hof angeliefert wird, einer Behinderten- einrichtung in Gütersloh. Daraus werden nach Rezepten der Spitzenköche Achim Schwekendiek und Thomas Bühner aus Hameln und Osnabrück Kreationen wie Pastinaken-Apfelsuppe mit Ahornsirup oder Belugalinsensuppe mit Cashmir-Curry. Hergestellt ohne Geschmacksverstärker, Konservierungs- und Farbstoffe.

Für die Produktion hat Roggenkamp die ehemalige Corned-Beef-Fabrik in Herzebrock-Clarholz gekauft und umgerüs-tet. Dort sind neben einigen Leiharbeitern drei Festangestellte beschäftigt: ein Koch, ein Produktionschef und ein Vertriebsmann, der die Suppen deutschlandweit in die Kühlregale von Feinkostläden und Supermärkten bringt. In weit mehr als tausend Geschäften sind die Produkte schon zu haben. Die kleine Fabrik ist auf maximal 80000 Dosen pro Tag ausgelegt, 10000 täglich liefert sie bereits aus. Der Absatz wächst, aber Wachstum ist nicht das oberste Ziel. Roggenkamp Organics versteht sich als Manufaktur, nicht als Fabrik.

"Gutes Essen ­ Gute Taten" heißt der Slogan der Firma, deren Gründer sich als "social entrepreneur" und "venture philantropist" begreift: "Unternehmerisches Geschick kann helfen, gesellschaftliche und soziale Probleme zu lösen", meint Roggenkamp. Ein sozialer Unternehmer strebe nicht allein die Maximierung von Kapitalwerten an, sondern auch einen gesellschaftlichen Gewinn." So redet einer, der vor nicht langer Zeit Profiteur der Kurzfristigkeit war. Man will es ihm dennoch gern glauben. Vielleicht gerade deshalb.