Arminius: Hermann der Cherusker

Vor zweitausend Jahren besiegten germanische Truppen das römische Heer unter Varus. Irgendwo zwischen Detmold und Osnabrück. Ihr Anführer, Hermann der Cherusker, war eigentlich Waffenbruder der Römer ­ nur um ihnen dann den Garaus zu machen. Wie es sich lebt als Verräter, wie er sich und seine Rolle in der Geschichte einschätzt, was er vom Hermannsdenkmal hält ­ ein Gespräch mit einem Volkshelden.




Neuland: Hermann oder Arminius ­ wie soll ich Sie nennen?

Arminius: Hermann, wer soll das denn sein? Ich heiße Arminius. Seit meiner Zeit in Rom.

Aber Sie sind Germane, ein Cherusker.

Schon, aber meine Eltern wollten, dass ich eine gute Ausbildung bekomme, also schickten sie mich nach Rom. Daher der Name.

Nicht sehr nett, dann ausgerechnet gegen die Römer in den Krieg zu ziehen.

Finden Sie? Statthalter Varus ließ mir doch gar keine andere Wahl. Er zog mit seinen römischen Gerichten durch unser Hinterland. Wollte Streit schlichten nach römischem Recht, Tribut kassieren. Wenn es so weitergegangen wäre, ganz Germanien wäre vollends zur römischen Provinz geworden wie Syrien oder Gallien. Statt Thingplätzen hätten wir Theater bekommen, statt heiligen Bäumen Thermen und Viadukte, statt Waldböden befestigte Straßen.

Was wäre daran so schlimm gewesen?

Wir hätten unsere Identität verloren, unsere Sprache, Kultur ...

...Sie hatten nicht einmal eine Schrift!

Aber Götter, Feste, Kultorte. Das war kulturelle Notwehr.

Wie finden es Ihre Götter, die römischen Waffenbrüder erst in einen Hinterhalt zu locken und dann abzuschlachten? Immerhin drei Legionen, samt Reiterei. Fast zwanzigtausend Soldaten.

Sie kennen doch Thor und Wotan ­ die mögen es, wenn viel Blut fließt, wenn es richtig schmutzig wird. Von der Seite habe ich nichts zu befürchten.

Also haben Sie kein schlechtes Gewissen, erst einen auf Römer zu machen und dann zuzuschlagen?

Würden wir sonst miteinander sprechen? Wohl kaum. Meine Taten sind zu Recht noch immer bekannt.

Sie gelten als Versöhner, als erster großer Einiger der germanischen Stämme.

Ja, eine Weile ging es wirklich gut mit den Chatten und Brukterern, aber das hielt nicht lange.

Warum nicht?

Wir konnten uns nicht mehr genau erinnern, wo wir die Römer besiegt hatten. Die einen meinten in Detmold, die anderen in Kalkriese bei Osnabrück, wieder andere erinnerten sich an das Ruhrtal. Provinzielle Idioten.

Und wo war es nun?

Ganz ehrlich? Ich weiß es auch nicht mehr. Es waren so viele Schlachten. Erst gegen Varus, dann gegen Tiberius und Germanicus und schließlich gegen den Markomannen-Chef Marbod. Da gleicht ein Kampf irgendwann dem anderen. Ich weiß noch, dass es dort Bäume gab, Sümpfe und Hügel. Aber an welchem Ort? Warum ist das überhaupt so wichtig?

Weil es bei den Menschen diesen Schauer auslöst: Genau hier wurden die Römer vertrieben!

Na ja, vertrieben ist, glaube ich, etwas überzogen. Sie wollten eh nicht lange bleiben. Wächst kein Wein hier, zu kalt. Und dann das flache Hinterland bis zum Ural, das hätten die nie beherrschen können.

2009 feiern die Deutschen 2000 Jahre Varusschlacht. Da geht es um viel Geld, um Touristenströme, historische Schlachtenbummler. Was halten Sie davon?

Touristen sind genau wie Römer: eine Plage. Sie verschandeln unsere schöne Landschaft, die tiefen Wälder, mit Parkplätzen, Abgasen, Reisebussen, Seniorentellern und öffentlichen Toiletten. Bah!

Sie locken eben immer noch viele Leute an.

Sie haben recht, ich bin populär. Mehr als 100 Opern und Dramen, Historienschinken und Romane handeln von mir. Sogar ein Fußballclub heißt wie ich. Das alles schmeichelt mir ja auch ­ so wie die Siegfried-Theorie.

Welche Theorie?

Es gibt Forscher, die meinen, der Siegfried aus dem Nibelungenlied sei eigentlich ich. Und der Drache sei kein Urtier, sondern ein Sinnbild für das römische Heer, das sich kilometerlang durch den Wald windet.

Welches Hermann-, pardon!, Arminius-Bild gefällt Ihnen selbst am besten?

Ich sehe mich gerne als stürmischen Liebhaber, der sich verzweifelt in die Schlachten stürzte, weil ihm seine Thusnelda geraubt wurde.

Im Ernst?

Ja, mit Thusnelda, das war wirklich gemein: Mein eigener Schwiegervater liefert seine schwangere Tochter den Feinden aus. Meinen Sohn habe ich nie gesehen. Die beiden waren in Ravenna und ich hier im Landregen.

Trotzdem werden Sie als Vater gefeiert, als Vater der deutschen Nation. Stimmt die Linie "Arminius ­ Bismarck ­ Kohl"?

Die deutsche Einheit meinen Sie. Ach, ich habe ja nicht einmal die paar Stämme auf Dauer versöhnt. Sie kennen mein Ende.

Was kann ein Verräter schon erwarten?

Das war ein feiger Giftanschlag. Aber Deutschland ist sowieso ein wenig groß für mich. Ostwestfalen-Lippe, das Weserbergland und der Harz genügen mir völlig.

Dann ist Ihnen Ihr Denkmal bei Detmold bestimmt auch ein bisschen zu üppig.

Das kann man wohl sagen. Und dann dieser Helm mit den albernen Flügeln. Mit dem hätte ich auf dem Schlachtfeld keine zehn Minuten überlebt.