Der Nestwärmer

Auch Kamine und Kachelöfen haben heute ein Hightech-Innenleben. Ihre Entwicklung muss aber keine unterkühlte Angelegenheit sein, wie ein Besuch beim Ofentechnik-Unternehmen Ulrich Brunner belegt.




Ulrich Brunner, ein großer, kräftiger Mann von 51 Jahren, trägt ein Lodensakko mit Hirschhornknöpfen, rollt das R, wettert gegen den Werteverfall in der Gesellschaft ­ Fernsehen, Junkfood, seichte Lebensabende auf Mallorca ­ und sagt Sätze wie "Ich bin ein echter Niederbayer, so wie mein Vater, mein Großvater und mein Sohn. Ich bin stolz auf unsere Gegend." Als man ihn schon in der Schublade mit der Aufschrift "Lokalpatriot/konservativ/CSU" ablegen will, schiebt er nach: "Eigentlich bin ich auch ein Spieler. Und ich arbeite nur aus Spaß." Dann grinst er und streicht seine für einen Trachtenträger ungewöhnlich langen Haare zurück. Wieder einen drangekriegt.

Wer Ulrich Brunner ein bisschen länger zuhört, merkt: Er ist niemand, der Menschen gern mit Widersprüchlichkeiten foppt. Er ist so. Einerseits ein Mann des Bewahrens, der Sicherheit und der Verwurzelung. Andererseits ein Mensch der Erneuerung, des Risikos und des Aufbruchs. So hat er seine Firma geprägt: Die Ulrich Brunner GmbH aus Eggenfelden im Rottal ist, wenn es ums Heizen mit Holz geht, Deutschlands innovativste Ofentechnik-Firma.

Dabei wird das Hightech-Unternehmen geführt wie eine Familie oder, um in der Bildsprache Ulrich Brunners zu bleiben: wie eine Landwirtschaft. "Ich bin nur der Bauer", erklärt er, "ich sage zu meinen Leuten: Du fütterst die Schweine, du machst den Gemüsegarten, du hast ein Händchen für Maschinen, schau, dass der Traktor funktioniert." Jeden will Ulrich Brunner an seinen richtigen Platz stellen, und jeder der rund 60 Mitarbeiter bedeutet ihm gleich viel: "Der Lastwagenfahrer ist genauso wichtig wie der Entwicklungsingenieur oder der Kronzucker Robert, der dem Ingenieur in der Testabteilung beim Einheizen hilft. Unser Betrieb funktioniert nur im Team, weil jeder Verantwortung übernimmt und stolz auf seinen Job ist."

Allen Grund dazu haben sie: Das Unternehmen entwickelt und produziert das Herz nahezu jedes zweiten Kachelofens hierzulande, den Heizeinsatz, also die gusseiserne Brennkammer, in der das Holz verfeuert wird, inklusive der Frontklappe zum Nachfüllen. Brunner ist Marktführer für Kachelofen-Heiztechnik, Heizkamine stellen sie auch her, da rangieren sie unter den Top fünf.

"Eigentlich ist das eine ziemlich simple Angelegenheit", sagt Ulrich Brunner, "Klappe auf, Holz rein, Klappe zu, warm." Andererseits ist diese einfache Sache ein wunderbares Spielfeld für Innovationen. Wenn man ihr nur wirklich auf den Grund geht. Und darin ist Brunner in den 28 Jahren seines Bestehens schon immer Spitze gewesen. Wesentliche Technik- und Design-Fortschritte der vergangenen knapp drei Jahrzehnte kamen aus Eggenfelden.

Eine kleine Auswahl: 1984 bringt Brunner den ersten Heizeinsatz auf den Markt, der tatsächlich nur für Holz ausgelegt ist (nicht auch für Kohle, wie bis dahin üblich); das Abbrennen des Holzes lässt sich fortan mit einem einzigen Hebel regeln, statt mit einer Vielzahl von Schiebern. 1989 bietet Brunner als erster Hersteller große feuerfeste Glasscheiben für die Frontklappe an. 1991 kommt die erste elektronische Ofensteuerung. Später folgt eine automatisch gesteuerte Heizanlage für Niedrigenergiehäuser, die Ofen und Solartechnik kombiniert. Schließlich der Holzpellet-Kachelofen, der selbst Brennstoff nachlegt, wenn er zu kühl wird. "Der Ausgangspunkt fast aller Innovationen war das Besinnen auf das Wesentliche, die Grundwerte eines Ofens, wenn Sie so wollen ­ hohe Heizleistung bei möglichst geringem Verbrauch und Rauch", erklärt der Chef.

Ulrich Brunner stammt aus einer traditionellen Ofenbauerfamilie. 1980, mit 23 Jahren, arbeitete er im heimischen Ofenbau-Unternehmen, das seinem Vater und dessen Bruder gehörte. Er hatte gerade geheiratet, eine abgesicherte Zukunft lag vor ihm. Aber Brunner verstand sich, gelinde gesagt, nicht gut mit seinem Onkel: "Ich muss ihm heute noch Blumen aufs Grab legen, dass er so ein Stinkstiefel war." Brunner, der Nachfolger in spe, kündigte von einem Tag auf den anderen. War plötzlich arbeitslos, aber auch sein eigener Herr.

Geradlinig, aber nicht verbohrt

Konsequenz ist ihm eine der wichtigsten Unternehmereigenschaften. "Es heißt immer, als Geschäftsmann müsse man flexibel sein. Mir schmeckt das nicht. Dieses Mal-so-mal-so ist unglaubwürdig", findet er. Aber Brunner weiß auch, dass Geradlinigkeit in Halsstarrigkeit umschlagen kann und Fehler produziert: "Jahrzehntelang habe ich mich mit Händen und Füßen dagegen gewehrt, Heizkamine ins Programm aufzunehmen. Weil ich weiß, dass die Heizleistung von Kachelöfen nicht zu schlagen ist. Punkt. Kamine sind reine Show, Zeitgeist pur. Aber jeder will einen haben!" Seit fünf Jahren produziert Brunner auch Heizkamine, er hat gelernt: "Wenn ich länger den Willen der Kunden ignoriert hätte, wären wir mit unserer schönen Nur-Kachelofen-Philosophie untergegangen."

Der Schritt ins Kaminfeld eröffnet Brunner neue Möglichkeiten im Ausland. Seine Technik für Kachelöfen lässt sich kaum exportieren, weil für den Einbau spezialisierte Fachhandwerker nötig sind. "Heizkamine dagegen können wir auch nach Polen, Russland und Tschechien exportieren. Sie sind viel weniger aufwendig zu installieren. Das bekommt auch ein Laie hin, wenn es sein muss", erklärt der Unternehmer.

Bei der Osterweiterung könnte Brunner seine Verwurzelung helfen. "Ich bin es gewohnt, den persönlichen Kontakt zu suchen. In Niederbayern ist noch nicht alles so anonym. Man spricht miteinander, nimmt sich Zeit, hört zu." Das sei fürs Neugeschäft unerlässlich, sagt Brunner ­ und erzählt eines seiner Lieblingsbeispiele: "Wir haben einen Kunden aus Nowosibirsk, um den ich mich bei der Messe in St. Petersburg besonders gekümmert habe. Das bedeutet, dass man redet und zuhört, gemeinsam isst und trinkt, ohne gleich Dollarscheine im Auge zu haben. Wir aßen bei seiner Familie zu Mittag. Danach war ich so hinüber, dass ich auf seinem Sofa eingeschlafen bin ­ das war für ihn der größte Vertrauensbeweis überhaupt. Seit diesem Tag gehöre ich quasi zur Familie." Natürlich wurde irgendwann auch das Geschäft abgeschlossen.

Ähnlich gemütlich wird es in Eggenfelden, wenn Fachhandwerker aus ganz Deutschland zu mehrtägigen Seminaren in der Firmenzentrale eintrudeln. Die Teilnehmer übernachten in einem hölzernen Rundbau, in jugendherbergsartigen Schlafräumen. Tagsüber wird Hightech gebüffelt ­ die Brunner-Geräte sind oft so anspruchsvoll, dass die Handwerker Funktion, Einbau und Wartung erst lernen müssen. Der Unterricht findet in einem modernen Hörsaal statt, es gibt Lektionen in der Test- und Vorführwerkstatt sowie Führungen durchs Entwicklungslabor.

Der Clou aber befindet sich im Foyer der Unternehmenszentrale: Dort hat Ulrich Brunner einen Original-Getreidespeicher aus dem Jahr 1736 aufbauen lassen, einen sogenannten Troadkastl. Da sitzen sie dann, Seminaristen, Mitarbeiter und der Unternehmensgründer, auf rohen Holzbänken, beim Bier. Und heizen sich kräftig ein.