Hornbach in Bornheim

Märkte verändern sich, Kundengewohnheiten, die Konjunktur ­ manchmal radikal. Die Baumarkt-Kette Hornbach aus dem südpfälzischen Bornheim kann das nicht schrecken. Seit mehr als 130 Jahren lässt sich das Familienunternehmen auf Umbrüche ein und macht das Beste aus jeder neuen Situation. Stagnation gilt nicht. Denn es gibt immer was zu tun.




Und nun zur Werbung: Eine nette Dame bringt ihren feisten Ehemann im Garten unter die Erde. Ein unbeschwert über die Wiese tollender Terrier springt gegen ein frisch gemaltes, täuschend echtes Landschafts-Plakat. Ein fetter Mopedfahrer, mit Teppichen und Holzlatten beladen, jagt Fußgänger durch enge Gässchen. Ein Vater schnauzt seine kleine Tochter an, weil sie auf ihrem liebevoll gemalten Bild die Kacheln nicht so ordentlich gezeichnet hat, wie Papi sie gerade in der neuen Küche verlegt. Die Einblendung am Ende des Spots: kein normaler Baumarkt. Keine normalen Kunden.

Mit ihren Werbefilmen, die seit 2001 im Fernsehen rauf und runter laufen, zelebriert die Baumarktkette Hornbach aus Bornheim das Image des etwas anderen Heimwerkerparadieses. In einer konservativen Branche hat sich das Unternehmen getraut, bei der Reklame auf Ironie und Lockerheit zu setzen ­ ganz im Trend der Zeit. Lohn des Muts: diverse Preise auf internationalen Werbefestivals und überregionale Bekanntheit. Der Schlachtruf "Yippie jaja, Yippie Yippieyeah", mit dem jeder Spot endet, ist so eingängig wie die Titelmelodie der Tagesschau, der Claim "Es gibt immer was zu tun" hat das Zeug zum geflügelten Wort.

Das alles passt prima zu einer jungen aufstrebenden Firma, die unbekümmert und frech auf den Markt drängt. Hornbach ist das Gegenteil davon, aber Neugier, Pragmatismus und Innovationslust haben im Unternehmen eine lange Tradition. Seit 130 Jahren erfindet sich der Familienbetrieb aus der Südpfalz immer wieder neu, inzwischen unter Leitung der fünften Generation. Wenn sich Märkte, Branchen und die Ansprüche der Kunden wandeln ­ kein Grund zur Panik: Hornbach geht mit. Es gibt immer was zu tun.

So ist die Baumarktkette zur Nummer sechs auf dem deutschen Markt aufgestiegen und betreibt heute 124 Niederlassungen, 33 davon im europäischen Ausland. Rund 12000 Mitarbeiter, an die 1000 in der Südpfalz, verkaufen alles für Haus und Garten, von Schrauben über Bilderrahmen, Bohrmaschinen und Vogelhäuschen bis hin zu Buchsbäumchen und Schnellzement. Im Geschäftsjahr 2006/2007 erwirtschaftete die Hornbach-Gruppe einen Umsatz von 2,5 Milliarden Euro.

Die Wurzeln des Erfolgs reichen weit zurück, bis ins frühe 19. Jahrhundert muss man gehen, um zu Michael Hornbach zu gelangen. Eigentlich will der Ur-Ur-Urgroßonkel des heutigen Firmenchefs, der damals in Venningen lebt, einem kleinen Dorf bei Landau, nur seine Familie ernähren. Der Mann ist Maurer, aber seit Einführung der Gewerbefreiheit einige Jahre zuvor gibt es leider viel zu viele Berufsgenossen, die Arbeit wird knapp. Also sattelt Hornbach um und wird Schieferdeckermeister ­ ein gefährlicher, aber einträglicher Job: Von den steilen Kirchendächern stürzt so mancher zu Tode, doch es gibt immer was zu tun. Michael Hornbachs jüngster Sohn, wieder ein Michael, nutzt den Bau-Boom, den der Abriss der Landau-er Festungsanlagen auslöst. 1877 gründet er einen Schieferdeckerbetrieb in der Stadt und deckt mit seinen Söhnen in den kommenden Jahren jedes zweite Schieferdach in Landau und jeden zweiten Kirchturm der Vorderpfalz. Ein im Wortsinn flächendeckender Erfolg.

Auch die nächste Generation der Familie versteht es, die Umbrüche der Zeit gewinnbringend für sich zu nutzen. Wilhelm Ludowici erfindet 1881 den Falzziegel und macht damit Schieferdächern Konkurrenz ­ Michaels Sohn Wilhelm Hornbach macht daraus ein Geschäft. Er eröffnet 1900 einen Baumaterialienhandel und sichert sich die Alleinvertretung für Ludowici-Ziegel, die sich fortan verkaufen wie geschnitten Brot. Daneben besetzt der Firmenchef als Erster in der Südpfalz die Marktnische Eisenbeton. Der eben erst erfundene Baustoff eröffnet neue Möglichkeiten in der Konstruktion von Fundamenten, Decken und Wänden, und er macht aus dem einstigen Dachdeckerbetrieb ein stattliches Bauunternehmen.

Der Unternehmenskurs: immer auf zu neuen Ufern

So geht es weiter, jeder neue Spross gibt dem ererbten Betrieb eine neue Richtung und drückt ihm den eigenen, jeweils zeitgemäßen Stempel auf. Ein paar Jahrzehnte später steuern Wilhelms Söhne Albert und Wilhelm das Fami-lienschiff ­ mit Bedacht, wie ihre Vorgänger, und ebenso bereit, einen neuen Kurs einzuschlagen, wenn es die Umstände erfordern. 1936 stößt Hornbach in den Markt, den der Ablauf des Patents für ein weitverbreitetes Abwasser-Klärsystem eröffnet: Die Firma baut Hauskläranlagen und verdient damit noch bis in die siebziger Jahre gutes Geld. Dann wird Umweltschutz zum großen gesellschaftlichen Thema, Kommunen bauen reihenweise neue Kläranlagen ­ Hornbach schwenkt darauf ein und erfindet ein Baukastensystem: Stahlbetonplatten, die sich unkompliziert zu Klärbeckenbehältern jeder Größe und Funktion zusammensetzen lassen. Das international geschützte Patent bringt ordentlich Umsatz.

Noch während die Firma das Hauptgeschäft mit Kläranlagen macht, hat Otmar, Neffe von Albert und designierter Nachfolger seines Onkels, bereits die langfristigen Entwicklungslinien des Unternehmens im Blick.

Otmar ist die treibende Kraft hinter der Entscheidung, die den Grundstein für Hornbachs heutige Stellung legt: Am 27. September 1968 eröffnet die Firma ihren ersten Bausupermarkt im südpfälzischen Bornheim. Auf 4100 Quadratmetern finden die Kunden seinerzeit 8600 Artikel unter einem Dach, die sie sonst mühsam im Einzelhandel zusammensuchen müssen: Farben, Tapeten, Eisenwaren, Bodenbeläge, Baustoffe, Elektrogeräte und Werkzeuge. Nicht, dass Hornbach damit der erste Baumarkt in Deutschland wäre ­ Bauhaus und Max Bahr betreiben zu diesem Zeitpunkt bereits Filialen, Obi sitzt in den Startlöchern. Aber Hornbach unterscheidet sich von der Konkurrenz gleich mehrfach: Die Größe des Marktes ist einmalig, der Standort vor den Toren der Stadt mit vielen Parkplätzen und guter Verkehrsanbindung ist ungewöhnlich, zudem nennt der Baumarkt von Beginn an ein Gartencenter sein eigen, das Pflanzen, Samen und Gerätschaften anbietet.

Dem Initiator des Geschäfts liegt die familiäre Bereitschaft zur Veränderung im Blut. "Ich war damals davon getrieben, weiterzukommen, weiter zu wachsen", sagt Otmar Hornbach heute. Er ist mittlerweile 77 Jahre alt, ein gepflegter älterer Herr, noch immer eine Respektsperson. Obwohl er schon seit 2001 nicht mehr ins operative Geschäft involviert ist, hat das Familienoberhaupt seinen Arbeitsplatz in der Bornheimer Zentrale der Baumarkt AG nie geräumt und kommt fast täglich in sein Büro, vor dessen Fenstern sich die Keimzelle des Imperiums ausbreitet. Seit Juli sitzt er sogar wieder im Aufsichtsrat der Holding, für das symbolische Gehalt von einem Euro im Monat versteht er sich als Berater seiner Söhne.

Was er ihnen mitgeben kann? Bis heute: die Haltung, die Einstellung, den wachsamen Blick auf Menschen und Märkte, die sich entwickeln und verändern. All das, was er selbst vom Vater und dem Onkel gelernt hat und was er für die größte Stärke des Familienunternehmens hält: Bewährtes bewahren und gleichzeitig offen sein für Neues.

Er hat sich selbst auch immer daran gehalten, vor allem 1966, mit 36 Jahren, als er mit einer Gruppe deutscher Baustoffhändler an einer Studien- und Kontaktreise durch die USA teilnimmt und Baumärkte besichtigt, die in Amerika schon zum Alltag gehören. Er ist der Jüngste von allen, doch während die anderen die Reise in erster Linie als netten Ausflug betrachteten, habe er unbedingt ein Konzept finden wollen, das sich auf Deutschland übertragen ließ, erzählt der Senior. Zwei Wochen lang sammelt er akribisch Informationen: Wo werden Waren strategisch richtig aufgestellt? Wie werden Paneelständer gestaltet? Wie breit müssen Haupt- und Nebengänge des Baumarktes sein, welche Rolle spielen Marketing und Werbung? "Ich wollte einfach alles wissen", erinnert sich Hornbach. Denn er war davon überzeugt, dass Do-it-yourself auch in Deutschland das nächste ganz große Ding sein würde.

Ein Land im Heimwerkerfieber

Der Boden dafür ist bereitet. Seit 1957 erscheint die erste Heimwerker-Zeitschrift, Selbst ist der Mann, im ganzen Land boomt die Wirtschaft, es herrscht Vollbeschäftigung. Die Auftragsbücher der Handwerker sind übervoll, wer Profis buchen will, muss mitunter lange warten. Spätestens seit Einführung der 40-Stunden-Woche im Jahr 1966 reservieren sich ambitionierte Laien das Wochenende für Heimwerkerarbeiten. 1967 legt die Bundesregierung zur Ankurbelung der Baukonjunktur ein 60 Millionen Mark starkes Förderprogramm für die Erneuerung und Modernisierung von Altbauten auf. In der Südpfalz sorgt zudem die Ansiedlung von Daimler-Benz und der Mobil-Oil-Raffinerie in Wörth für einen Bau-Boom, ganze Wohngebiete für die Belegschaft werden aus dem Boden gestampft.

Gleichzeitig bahnt sich im traditionellen Baustoffhandel, der vor allem Bauunternehmen bedient, eine Krise an. "Die Kunden hatten plötzlich eine mäch-tige Position, sie konnten die Preise drücken", sagt Otmar Hornbach. Das trifft auch das Unternehmen seiner Familie, für das die Baufirmen immer noch wichtige Abnehmer sind. "Also wollten wir uns unbedingt verändern."

Die Eröffnung des Bausupermarktes in Bornheim erweist sich als goldrichtig. Zwar übersteigen die Kosten für das Büfett zur Einweihung noch die Einnahmen des ersten Tages, doch in den folgenden Monaten wachsen die Umsätze stetig. Ermutigt vom Erfolg gründet Hornbach in der Folgezeit Baumärkte in weiteren pfälzischen Städten. 1972 Kaiserslautern, 1973 Pirmasens, 1976 Sinsheim, 1977 Ludwigshafen. In den Achtzigern boomt die gesamte Branche, 16 Hornbach-Märkte in ganz Süddeutschland kommen hinzu, das Sortiment umfasst 40000 Artikel. Expansion ist alles in dieser Phase. Es gibt Übernahmeangebote, vor allem die Einzelhandels-Riesen schielen begehrlich auf die rasanten Zuwachsraten der Do-it-yourself-Branche, die bis zu 20 Prozent betragen.

Doch Hornbach wäre nicht Hornbach, wenn das Familienunternehmen die neuen Spielregeln nicht zum eigenen Vorteil nutzen würde. 1987 beschließt Oberhaupt Otmar, Hornbach als erstes Baumarkt-Unternehmen Deutschlands an die Börse zu bringen, um das Kapital für den weiteren Ausbau des Filialnetzes einzusammeln. Gleichzeitig holt er seine Kinder mit ins Boot. 1998 löst Albrecht, der älteste Sohn, seinen Vater als Vorstandsvorsitzenden der Hornbach Baumarkt AG ab. 2001 übergibt er den Posten an seinen jüngeren Bruder Steffen, um vom Senior den Vorstandsvorsitz der Muttergesellschaft Hornbach Holding AG zu übernehmen ­ ein Wechsel an der Spitze, der Kontinuität signalisiert.

Albrecht Hornbach trägt Jeans, ein dunkelblaues Sakko und ein magenta-weiß gestreiftes Hemd mit orangefarbenem Firmenlogo. "Meine Hornbach-Kluft", sagt der 52-Jährige und schenkt dem Gast Pfefferminztee ein. Der Vormann der Holding, in der die Baumärkte für weit mehr als 90 Prozent des Umsatzes sorgen, arbeitet in einem schmucklosen Büro am Stadtrand von Neustadt an der Weinstraße. Hier hat der Konzern eine ehemalige Kaserne der französischen Armee zum Firmensitz umbauen lassen. Ein Zeugnis der Vorliebe für den bescheidenen Auftritt. Auch im Chefzimmer dominiert der Funktionalismus: schlichte Einbauschrankwand aus Holz, weißer Kunststoffschreibtisch, grüner Teppichboden. Hier könnte auch der Filialleiter eines Supermarktes arbeiten. Nur ein paar Schritte vom Büro entfernt steht ein Globus-Baumarkt. Die Konkurrenz. "Das spornt an, immer ein wenig vor dem Wettbewerb zu bleiben."

Nicht schnell, sondern richtig

Albrecht Hornbach ist seit 1991 im Unternehmen aktiv, Geschäft und Firmenphilosophie, sagt er, waren für ihn aber seit seiner Kindheit allgegenwärtig. Er erinnert sich an nächtliche Krisensitzungen seines Vaters, als Teenager füllte er in den Sommerferien die Regale des Bornheimer Baumarktes auf und klebte Preise auf die Waren in der Küchenabteilung. Immer wieder diskutiert er mit dem Vater das Geschäft ­ als der ihn bittet, Verantwortung für die Firma zu übernehmen, zögert Albrecht nicht.

Schon bei seiner ersten offiziellen Mission handelt er nach der Familienmaxime, sich Veränderungen vorausschauend zu stellen. Denn es gibt immer was zu tun: Kurz nach dem Fall der Mauer soll er die Erschließung der neuen Bundesländer organisieren. Während andere Baumärkte in eilig hochgezogenen Zelten Nägel und Bohrmaschinen verscheuern, entscheidet sich Hornbach junior für das Gegenteil. Er setzt auf Substanz und baut eine Filiale nach dem modernsten Standard, den die Firma zu bieten hat. Im Juni 1991, bei der Eröffnung des Baumarktes in Dresden ­ es ist das erste Geschäft im Osten und das größte deutschlandweit ­ warten die Kunden in langen Schlangen am Eingang. "Sie hatten nicht das Gefühl, dass wir nur auf den schnellen Reibach aus waren", glaubt Hornbach. "Das haben sie uns hoch angerechnet." Die Bilanz: In den ersten acht Monaten bis zum Geschäftsjahresende macht die Dresdner Filiale rund 77 Millionen Mark Umsatz, ein neuer interner Rekord. "Es lohnt sich eben, die Dinge nicht schnell, sondern vor allem richtig zu machen", sagt Hornbach zufrieden.

So führt er sein Geschäft, so hat er Hornbach am Markt positioniert. Wer Mitarbeiter der Bornheimer Filiale fragt, was ihren Arbeitgeber von anderen Baumärkten unterscheidet, bekommt immer wieder ähnliche Antworten: "Wir machen keine Rabattaktionen." ­ "Zu uns kommen vor allem Leute, die große Projekte angehen wollen." ­ "Bei uns gibt es mehr Beratung."

Richtig ist: Anders als viele andere Baumärkte wirbt die Kette nicht um Schnäppchenjäger, sondern vor allem um sogenannte Projekt-Heimwerker. Dazu gibt es bei Hornbach statt Sonderaktionen Dauerniedrigpreise. Niemand soll sich ärgern, dass die Spanplatten beim zweiten Einkauf teurer sind als beim ersten. Zudem bekommt der Kunde alle Produkte ohne Wartezeit in der gewünschten Menge, egal, was er vorhat. Selbst wer einen Dachstuhl ausbauen will, soll bei einem Einkauf alles mitnehmen können. Dazu braucht es viel Platz ­ eine Hornbach-Filiale hat durchschnittlich 11000 Quadratmeter Verkaufsfläche, etwa doppelt so viel wie der deutsche Durchschnitt. Und Hornbach beschäftigt überdurchschnittlich viel Personal für eine ausgiebige Beratung.

Groß ist gut, gut ist besser

Das Konzept zahlt sich aus: Zwar rangiert das Südpfälzer Unternehmen beim Umsatz hinter Obi, Praktiker, Toom, Hagebaumarkt und Bauhaus nur auf Platz sechs der Do-it-yourself-Branche. Bei der entscheidenden Größe, dem Bruttoumsatz pro Quadratmeter Verkaufsfläche, erreicht Hornbach jedoch einen Wert, der mit 2128 Euro weit über dem Branchendurchschnitt von 1572 Euro liegt.

Nicht zuletzt dieser Trumpf verschafft Hornbach heute eine gute Ausgangslage, um gelassen mit einer tiefgreifenden Veränderung der Rahmenbedingungen umzugehen: Die Baumarkt-Branche steckt in der Krise. Nirgendwo in Europa ist das Angebot an Schrauben, Kreissägen und Rasenmähern so groß wie in Deutschland. Der deutsche Heimwerker gibt pro Kopf und Jahr 217 Euro aus, mehr als jeder andere Europäer. Dafür bekommt er jedoch auch mehr als die europäischen Nachbarn ­ entsprechend mager fallen die Gewinne aus. Die Marge ist nach Schätzungen auf ein Prozent gesunken.

Branchenexperten mahnen deshalb schon lange eine Konsolidierung an. Eine Studie der Prüfungsgesellschaft Ernst & Young prophezeite bereits vor mehr als zwei Jahren das Schrumpfen der Branche auf maximal drei Konzerne in Deutschland. Inzwischen hat Praktiker Max Bahr übernommen, Rewe hat sich die 133 Baumärkte der Edeka-Tochter Marktkauf einverleibt.

Und wie geht der Südpfälzer damit um? Er macht sein Ding, kopiert keine fremden Konzepte, und er verlässt sich vor allem auf sein Gespür, ganz egal, was Berater und Wirtschaftsprüfer raten. Albrecht Hornbach sieht selbst in Deutschland noch Raum für weiteres Wachstum. Gerade haben zwei Märkte bei Darmstadt und München eröffnet, 2008 soll ein weiterer in Hamburg folgen. Nicht der Markt sei zu voll, glaubt der Firmenchef, zu viele Anbieter seien nicht richtig aufgestellt: "Es gibt in Deutschland etliche Baumärkte, die wegen ihrer geringen Größe nicht mehr rentabel sind." An die Übernahme eines Wettbewerbers denkt er deshalb nicht: "Keine Kette passt zu uns."

Um weiter zu wachsen, hält sich Albrecht Hornbach lieber an die gute Familientradition ­ und ersinnt neue Konzepte, um Kunden im In- und Ausland zu überzeugen. Eines heißt Drive-in, funktioniert wie bei McDonald's ­ am besten, findet Hornbach, man schaut es sich mal an.

Der Vorstandsvorsitzende fährt seinen blauen Mercedes selbst, wenig später steht er in Bornheim auf dem Parkplatz der neuartigen Baustoffabteilung: ein direkt an den Baumarkt angeschlossenes, teilweise überdachtes Gelände, auf dem entlang befahrbarer Gänge sperrige Baustoffe lagern ­ Granitplatten, Ziegel, Baustahlmatten und bergeweise offenes Schüttgut, Splitt, Schotter oder Rheinkies. Gerade fährt ein Golf samt Anhänger vor. Der Besitzer, Andreas Hoefs, will in ein paar Tagen einen Gartenteich anlegen. Der Hobby-Bauherr, der sein Geld als Bankangestellter verdient, hält direkt vorm Schüttgut, lässt sich 50 Kilo Kies in den Hänger schütten, notiert die Menge auf einem Einkaufszettel und fährt ein paar Meter weiter zum nächsten Stopp: Waschbetonplatten, für einen kleinen Weg. Ein Hornbach-Mitarbeiter hilft ihm beim Einladen. Wieder notiert Hoefs die Teile auf seinem Zettel. Kontrolliert und bezahlt wird an der Ausfahrt ­ wenn der Kunde alles, was er braucht, beisammen hat.

Hornbach hat das System 2003 in einer Niederlassung im schwedischen Göteborg getestet ­ der erste Bau- und Gartenmarkt mit integriertem Drive-in in Europa. Ein Jahr später folgt eine Filiale in Osnabrück ­ auch auf dem deutschen Markt ein Novum. Inzwischen gehört die Drive-in-Baustoffabteilung bei jedem neuen Markt zum Standard, sogar die Konkurrenz hat teilweise nachgezogen, was den guten Riecher von Hornbach wieder einmal bestätigt.

Erst die alten Werte machen neue Wege möglich

Seit 2006 experimentiert der Unternehmer in Bornheim in der Gartenabteilung mit einem separaten Drive-in: Mit den bis zu vier Meter hohen Buchen, Eichen und Linden oder dem Angebot von 60-Liter-Säcken Erde will er vor allem Landschaftsgärtner locken. Rund zehn Prozent der Hornbach-Kunden sind hauptberufliche Handwerker, schätzt der Firmenchef, "die sind enorm wichtig für unser Image". Der leidenschaftliche Heimwerker wolle dort einkaufen, wo sich die Profis eindecken. Je mehr die Trennlinie zwischen Baumarkt und Fachhandel verschwimmt, desto besser, findet Hornbach.

Trennlinien sind dem Unternehmer auch im persönlichen Umgang fremd. Wenn er in Bornheim durch den Baumarkt läuft, ist nicht ganz klar, ob seine Mitarbeiter ihn nicht erkennen oder sich einfach diskret zurückhalten. Die Bohrmaschine, die der Chef für den Fotografen benutzen soll, darf er nur unter dem strengen Blick einer Mitarbeiterin anschmeißen. Und am Ausgang des Baustoff-Drive-in wird er gebeten, seinen Kofferraum zur Kontrolle zu öffnen. Wie jeder andere auch.

Dass der Boss nicht abhebt, Primus inter Pares bleibt, spiegelt die Symbiose aus Familie und Unternehmen wider. Verwurzelung, Tradition, Kontinuität ­die konservativ anmutenden Werte schaffen erst die Grundlage für Anpassungsfähigkeit: Wer sich verändern will, braucht einen stabilen Kern, auf den er vertrauen und aufbauen kann. Den bietet für Hornbach die Familie, wozu der Ort genau wie das Unternehmen zählt.

Auch Manfred Valder, einer der vielen, die seit Jahren dabei sind, kann kaum einen Unterschied zwischen den Hornbachs und dem Unternehmen sehen, das ihren Namen trägt. Alle ziehen an einem Strang, die Fluktuation ist niedrig, wer neu kommt, bleibt gern im Unternehmen. Valder selbst arbeitet seit der Eröffnung des ersten Baumarktes für die Familie, 1968 fing er als Verkäufer an, seit 1993 ist der 60-Jährige Vorstand für Ein- und Verkauf. Mit so manchem Lieferanten aus der Anfangszeit unterhält er bis heute Verträge. "Auch die sind loyal, weil die Familie Beständigkeit vorlebt."

Sie wird auch künftig die Führungsfäden in der Hand halten. Zwar stieg 2001 der englische Baumarktriese Kingfisher bei den Pfälzern ein und besitzt seitdem 25 Prozent plus eine Aktie an den stimmberechtigten Stammaktien der Hornbach Holding. Die Familie hat jedoch weiterhin das Sagen, sie bestimmt, ob und wann der nächste Kurswechsel ansteht. Dass er kommen wird, ist angesichts der Firmengeschichte unstrittig, die Frage ist, wer aus dem Clan ihn wann initiieren wird. AlbrechtHornbachs Geschwister haben Nachwuchs, er selbst hat vier Kinder, der älteste Sohn ist 32, der jüngste 16 Jahre alt. "Wir werden uns demnächst mal zusammensetzen", sagt er, "und in Ruhe besprechen, ob Familienmitglieder meine Nachfolge anstreben."

Wie sich die Branche, der Markt oder die Wünsche der Kundschaft verändern werden, können sie dabei nicht planen. Doch ganz gleich, was kommt: Wenn sich der neue Chef auf die Tradition seiner Vorfahren besinnt, wird er Hornbach weiterentwickeln und neu erfinden. Es gibt schließlich immer was zu tun.