Schöner Schein

Bad Münster am Stein-Ebernburg hat jahrzehntelang über seine Verhältnisse gelebt und auf bessere Zeiten gehofft. Jetzt sind die Schulden der Kurstadt so hoch, dass Zins und Tilgung die Einnahmen übersteigen. Ein Unternehmen hätte schon lange Insolvenz anmelden müssen. Was wird aus einer Stadt, die bankrott ist?




Abends ist es am schönsten. Wenn die Sonne den Felsen Rheingrafenstein beleuchtet, der über der Nahe aufragt. Wenn das radonhaltige Wasser plätschert, das hier seit Ende des 19. Jahrhunderts die Gäste anlockt. Wenn alles so friedlich und geordnet und natürlich aussieht im gepflegten Kurgarten.

Stadtbürgermeister Michael Fries ist dennoch nicht glücklich. Die Stiefmütterchen im Park sind die Spende eines Floristen. Die Holzpergola um die Ecke ist einsturzgefährdet und muss deshalb vermutlich abgerissen werden. Der Bauhof muss, wenn er eines Tages ein neues Auto benötigt, mit einem Gebrauchtwagen vorlieb nehmen. Immerhin sieht der Haushalt des Jahres 2005 auch „Investitionen“ vor. Zum Beispiel den Erwerb einer Tischtennisplatte. Die Stadt hat kein Geld mehr.

Dies ist die Geschichte einer Gemeinde, die lange Jahre dachte, sie habe von allem Guten ein Stück abbekommen: Ruhe. Ordnung. Stabilität. Eine idyllische Landschaft. Mildes Klima. Guten Wein. Vor allem aber: eine bei allerlei Leiden Linderung bringende Heilquelle. Und treue Kurgäste, die den Weg in den versteckten Ort im Nahetal von allein fanden oder kamen, weil die Krankenkassen sie als Patienten schickten. So ließ es sich lange gut leben in Bad Münster am Stein-Ebernburg.

Aber dies ist auch die Geschichte einer Gemeinde, die die Zeichen der Zeit nicht rechtzeitig erkannte. Die es versäumt hat, Reformen in Angriff zu nehmen. Und deren gewählte Vertreter nicht ahnten, welche Konsequenzen ihr Zögern haben würde. Es ist die Geschichte einer Gemeinde, die viel zu lange auf das Prinzip Hoffnung setzte, statt aktiv zu werden, als die treuen Gäste plötzlich untreu wurden und das kleine Städtchen nicht mehr so zahlreich besuchten.

Seit den siebziger Jahren nur noch Verluste

Heute ist Bad Münster am Stein-Ebernburg nicht mehr strahlendes Sinnbild einer Kurtradition, die bis ins 19. Jahrhundert zurückreicht, sondern ein Beispiel für kommunale Misswirtschaft: Drei Jahre lang wurde der Ort zwangsverwaltet. Sowohl der Bürgermeister als auch der Gemeinderat hatten keinerlei Möglichkeit mehr, auf die Geschicke der Stadt Einfluss zu nehmen – ein Vorgang, den es in der Geschichte der Bundesrepublik so konsequent noch nie gegeben hat. Wäre Bad Münster ein Unternehmen, hätte es Insolvenz angemeldet oder wäre verkauft worden. Beides ist für Städte in der Gemeindeordnung nicht vorgesehen. Bad Münster am Stein-Ebernburg existiert also weiter, auch wenn die Kassen leer sind.

Kämmerer Peter Butzbach verwaltet das Elend. Die Schulden, das verraten seine sorgsam archivierten Statistiken, haben sich in den vergangenen 20 Jahren fast verdoppelt. Schon die langfristigen Darlehen liegen mit 6,8 Millionen Euro deutlich höher als im Landesschnitt: Im Mittel haben Städte mit 3000 bis 5000 Einwohnern 406 Euro Schulden pro Kopf, in Bad Münster am Stein-Ebernburg sind es 1783 Euro. Die Dramatik der Lage erschließt sich aber erst, wenn zinsfreie Darlehen und Kassenkredite hinzuaddiert werden: Die tatsächlichen Verbindlichkeiten belaufen sich auf 30 Millionen Euro – das sind rein rechnerisch 7500 Euro für jeden der knapp 4000 Einwohner.

Der Schuldige an der Misere ist leicht zu identifizieren: Es ist der in Eigenregie geführte Kurbetrieb der Stadt. Seit den siebziger Jahren macht er Verluste. Zunächst noch in vergleichsweise überschaubarer Höhe, mal waren es 300.000 Mark, mal 700.000 Mark im Jahr. Als Ende der achtziger Jahre immer weniger Kurgäste kamen, spitzte sich die Lage zu. Die Zahl der Übernachtungen sank kontinuierlich, von rund 500.000 im Jahr 1987 auf etwa 290.000 im vergangenen Jahr. Die Sparmaßnahmen im Gesundheitsbereich verschlimmerten die Situation zusätzlich, Kranken- und Rentenkassen genehmigten weniger und immer kürzere Kuren. In den achtziger Jahren wurden in Deutschland rund 800.000 Kuren pro Jahr absolviert, 2004 noch 160.000. Und das Minus in der Kasse von Bad Münster wurde immer größer. 1991 machte der Kurbetrieb mehr als 3,5 Millionen Mark Verlust, in den Folgejahren sah es mit stets mehr als zwei Millionen Mark nicht viel besser aus. Ausgleichen musste am Ende immer die Stadt. So geriet sie in eine Schuldenspirale, aus der sie heute nicht mehr herauskommt: Um Zins und Tilgung bezahlen zu können, muss der Kämmerer immer wieder neue Kredite aufnehmen.

Die letzte Stufe der Sanktion: Zwangsverwaltung

Zwar schreibt die Gemeindeordnung vor, dass der Haushalt der Gemeinden ausgeglichen sein muss – was nichts anderes heißt, als dass sie so viel einnehmen müssen, wie sie ausgeben. Nur dann wird ein Haushalt genehmigt. In der Praxis halten sich Einnahmen und Ausgaben in vielen Städten, Gemeinden und Kreisen allerdings schon längst nicht mehr die Waage. Ihre Haushalte werden nur unter Auflagen genehmigt. Kredite können begrenzt werden, die Gemeinden müssen mehr einsparen oder durch höhere Steuern mehr Geld in die Kassen spülen. Greift dieses Vorgehen nicht, kann die Kommunalaufsicht ein so genanntes Haushaltssicherungskonzept fordern – dieses Prozedere ist beispielsweise in Rheinland-Pfalz oder Nordrhein-Westfalen üblich. Die Stadt muss dann konkret benennen, wie sie ihren Haushalt in einem Zeitraum von vier Jahren wieder auszugleichen gedenkt.

In diesem kritischen Zustand befinden sich immer mehr Kommunen. In Nordrhein-Westfalen sind beispielsweise schon 200 Städte, Gemeinden und Kreise in der Haushaltssicherung – zwei Drittel der Einwohner des Landes leben in Gemeinden, die in eine finanzielle Schieflage geraten sind. Für 103 von ihnen sieht die Kommunalaufsicht kaum noch Chancen, jemals den Haushalt auszugleichen, ihnen sind freiwillige Ausgaben grundsätzlich untersagt. Jede Investition wird akribisch geprüft, nur was wirklich notwendig ist, darf angeschafft werden. Für die ganz schweren Fälle gibt es noch eine weitere Sanktionsstufe: Die kommunale Selbstverwaltung wird aufgehoben, ein Zwangsverwalter nimmt die Zügel in die Hand. Aber so etwas passiert eigentlich nie. Die Vertreter der kommunalen Verbände in Deutschland müssen deshalb lange nachdenken, bis ihnen ein Name einfällt: Bad Münster am Stein-Ebernburg.

Aber wie konnte es so weit kommen? Und: Wie kommt die Stadt aus der Misere wieder heraus? „Wir hätten vermutlich schon in den achtziger Jahren eingreifen und die Notbremse ziehen müssen“, übt sich Rudolf Oster, Chef der Kommunalaufsicht im Mainzer Innenministerium, in Selbstkritik. „Dann wäre die Geschichte sicher anders verlaufen.“ Doch Ministerialdirigent Oster spricht auch von Versuchen des „Tarnens und Täuschens“. Kreis und Land hätten viel zu lange den Beschwichtigungen geglaubt, die Rügen des Rechnungshofs seien ignoriert worden. Und der Gemeinderat habe sich, obwohl es immer enger wurde, nicht auf eine Lösung einigen können. „Die haben sich gestritten wie die Kesselflicker. Alles sollte so bleiben, wie es ist. Deswegen ist jetzt auch nichts mehr, wie es früher war.“

Andere Kurbäder waren besser und schneller

Tatsächlich haben andere Kurorte vorgemacht, wie man sich dem veränderten Markt für Kur und Erholung stellen kann. „Die Bürger sind sehr wohl bereit, Geld für ihre Gesundheit auszugeben, auch wenn die Kassen das nicht mehr so üppig bezahlen wie früher“, meint Thomas Bausch, Tourismus-Professor an der FH München. „Aber dann muss man sie auch als Kunden behandeln, sie umwerben und ihnen konkurrenzfähige Angebote machen.“ Private Anbieter oder GmbHs unter dem Dach von Stadt oder Land hätten es schon aus tariflichen Gründen leichter, wirtschaftlich zu arbeiten. „Die Politik darf aber über ihre Posten im Aufsichtsrat nicht zu viel Einfluss nehmen auf die Geschäftspolitik“, warnt Bausch. „Wer ein Bad wirtschaftlich führen will, muss sich an den Kunden, nicht an den Wählerstimmen vor Ort orientieren.“

Als Beispiel für eine erfolgreiche Strategie führt der Wissenschaftler die Bayerischen Staatsbäder an – dort hätten die Verantwortlichen nicht nur die Strukturen verbessert, sondern durch Investitionen auch die Zielgruppe der Wellness-Urlauber angelockt. Ein positives Beispiel in Rheinland-Pfalz kennt Lutz Hertel, der Vorsitzende des Vorstands des Deutschen Wellness-Verbands. „Die Hotels in Bad Sobernheim haben sich von den Bedürfnissen des Kurgastes auf die des Wellness-Gastes umgestellt. Sie müssen jetzt mehr bieten, haben aber genau deshalb Erfolg.“

Auch in der unmittelbaren Nachbarschaft von Bad Münster gab es gute Ideen. Das nur fünf Kilometer entfernte Bad Kreuznach gliederte den Betrieb von Bäderhaus und Therme schon Anfang der neunziger Jahre in GmbHs unter dem Dach der Stadtwerke aus. So ließen sich Kosten sparen, weil die Angestellten nicht mehr nach dem vergleichsweise teuren BAT-Tarif bezahlt werden mussten. Die Verluste, die es dennoch gab, wurden durch die Gewinne der Stadtwerke aus dem Verkauf von Strom und Gas wieder aufgefangen. Pech für Bad Münster, dass es hier keine Stadtwerke gab, die der Gemeinderat für so eine elegante Lösung hätte heranziehen können. Pech auch, dass die Konkurrenz schneller und innovativer war und die Subventionen des Landes zu nutzen wusste. Während Bad Münster in der Depression versank, wurde Bad Kreuznach Stück für Stück attraktiver für die Gäste. „In den vergangenen sechs Jahren haben wir in Kur und Wellness etwa 30 Millionen Euro investiert“, sagt Hansjörg Rehbein, der Pressesprecher der Stadt. Bad Münster verwaltete das Elend.

Natürlich hatten Stadtrat und Bürgermeister die ganzen Jahre immer wieder überlegt, was sie gegen die Millionen-Verluste tun können. Vor allem hofften sie – darauf, dass die guten alten Zeiten wiederkommen würden, in denen viele Kurgäste nach Bad Münster reisten und lange blieben. Sie handelten aber auch – punktuell jedenfalls: Die Zahl der Mitarbeiter im Kurbetrieb wurde reduziert, von 90 im Jahr 1992 auf weniger als 30. Das senkte den Jahresverlust von 3,5 Millionen auf weniger als zwei Millionen Mark. Die Gemeinde verpachtete ihre Gärtnerei – früher hatten noch städtische Bedienstete Samen ausgestreut, um Blumen für den Kurpark anzuziehen. Und sie sorgte dafür, dass nicht mehr die Helfer des Bauhofs die Särge zum Begräbnis trugen, sondern private Bestattungsunternehmen, weil das billiger war.

Die Schließung des Kurbetriebs aber konnte der damalige Stadtbürgermeister Stefan Köhl im Gemeinderat nicht durchsetzen – zu schwer wogen für die Vertreter die Befürchtungen, das zur Kurstadt gewachsene Dorf damit seiner Identität zu berauben. Das war kurzfristig gedacht. Denn eine Alternative zur Schließung gab es nicht. Nur einen Fremden, der am Ende den Buhmann spielen musste.

Im Jahr 1999 verlor die Kreisverwaltung Bad Kreuznach die Geduld und stellte fest: Bad Münster am Stein-Ebernburg ist zahlungsunfähig. Ein „Beauftragter nach Paragraf 124 Gemeindeordnung“ sollte das Ruder übernehmen – im Volksmund schlicht „Zwangsverwalter“ genannt. Wegen der Dramatik der Situation wurden ihm besondere Rechte eingeräumt: Er sollte als Vertreter des Gemeinderats beschließen, was zu tun ist. Und die Entscheidung dann als Vertreter des Bürgermeisters ausführen. Rechtlich eine haarige Kombination, dessen war sich das Innenministerium bewusst, schließlich wurde die Gewaltenteilung partiell aufgehoben. Doch niemand klagte, das Experiment ging durch. Bürgermeister und Gemeinderat waren ab 2000 für die Zeit von drei Jahren entmachtet.

„Der Beauftragte sollte die unangenehmen Entscheidungen treffen, die vorher niemand fällen wollte oder konnte“, sagt Ministerialdirigent Oster. Das Innenministerium wählte Harald Bartos für den schwierigen Job aus, ein Mann für die Knüppelarbeit, wie Oster sagt. „Er hat polarisiert, aber etwas bewegt.“

„Ich bin schon immer ein eher ungeduldiger Mensch gewesen“, sagt Harald Bartos, lächelt ein wenig und faltet die Hände. „In der Kommunalpolitik dauert es normalerweise sehr lange, bis Entscheidungen fallen. Und manchmal noch länger, bis sie dann umgesetzt werden.“ In Bad Münster am Stein-Ebernburg konnte der 53-Jährige, Rechtsanwalt und früher Bürgermeister einer 25.000-Einwohner-Gemeinde bei Trier, schalten und walten, wie er wollte. Und er sollte zwei dringende Aufgaben erledigen: erstens rasch den städtischen Kurbetrieb schließen. Zweitens nach einer neuen Perspektive für den Ort suchen.

„Am Anfang habe ich den Gemeinderat noch einberufen und die Mitglieder sogar zur Probe abstimmen lassen“, erzählt Bartos heute. „Ich wollte zeigen, dass ich es ernst mit den Leuten meine und auf ihre Meinung Wert lege. Doch man hat mir nur unterstellt, ich wolle den Ort kaputtsparen und alles zu Geld machen.“ Die persönliche Abneigung zwischen Zwangsverwalter Bartos und dem entmachteten Bürgermeister Stefan Köhl machte die Situation nicht einfacher. Bartos warf dem ehemaligen Chef der Stadt vor, mit schuld an der Finanzmisere zu sein. Köhl polterte, Herr Bartos baue doch nur Luftschlösser und mache sich lächerlich.

Auch der Zwangsverwalter fand keine neue Perspektive

Seine erste Aufgabe erledigte Harald Bartos zügig. Ende März 2001 wurde der Kurbetrieb der Stadt geschlossen, alle Mitarbeiter wurden entlassen. Im Mai 2004 übernahm ein privater Klinik-Betreiber die Anwendungen mit dem berühmten Radon-Wasser und bietet heute Massagen und Packungen mit Heilschlamm an. „Es ist keine Goldgrube, aber wir sind gut gestartet“, sagt Klaus Kurre, Verwaltungsdirektor der Paracelsus-Kliniken in Bad Münster. Die Paracelsus-Gruppe, die in ganz Deutschland Krankenhäuser betreibt, besaß hier bereits zwei Häuser mit zusammen 240 Betten. Ein ambulantes Therapiezentrum im ehemals von den städtischen Kurbetrieben genutzten Kurmittelhaus ist nun das dritte Standbein vor Ort. Es kommt – je nach Nachfrage – mit drei bis sechs Mitarbeitern aus, die flexibel eingesetzt werden können. Und es läuft gut, meint Direktor Kurre. „Der Bereich hat großes Potenzial – der Trend geht generell weg von der stationären hin zur ambulanten Behandlung.“

Mit seiner zweiten Aufgabe tat sich Bartos schwerer. Zwar gab es Versuche, eine große Therme anzusiedeln, doch das Land stellte sich quer und wollte keine Konkurrenz zu den erst ein paar Jahre davor erweiterten Bäderlandschaften in Bad Kreuznach. Zudem hätte die Stadt für mögliche Verluste bürgen sollen – das war den Finanzfachleuten dann doch zu heikel. Auch ein Seilbahnprojekt kam über das Planungsstadium nicht hinaus. So endete Bartos’ Amtszeit Ende August 2003 weniger erfolgreich als erhofft. Ein Nachfolger wurde nicht bestimmt. Im folgenden Jahr standen Kommunalwahlen an und die gewählten, aber entmachteten Ratsmitglieder drängten darauf, die Entscheidungen wieder ihnen zu überlassen.

Wie es jetzt weitergeht mit Bad Münster am Stein-Ebernburg? Der 2004 gewählte Bürgermeister Michael Fries hat eine klare Vorstellung: „Das Land soll uns entschulden. Von kommunaler Selbstverwaltung kann man bei uns ja nicht sprechen, wenn wir so klamm sind, dass nicht einmal mehr ein Zuschuss für ein Vereinsfest möglich ist.“

Investor dringend gesucht

Es sieht nicht so aus, als würde dieser Wunsch in Erfüllung gehen. Denn auch die Kassen des Landes sind leer. „Im Doppelhaushalt der Jahre 2005/2006 ist kein Geld für eine Entschuldung der Stadt vorgesehen“, sagt Ministerialdirigent Rudolf Oster lakonisch. Für die Jahre danach wagt er keine Prognose – an der klammen Finanzlage werde sich so bald aber wohl nichts ändern. Das Defizit über den Finanzausgleich der rheinland-pfälzischen Kommunen zu reduzieren kommt für ihn auch nicht in Frage – warum sollten andere Städte und Gemeinden im Land für die in Bad Münster gemachten Fehler bluten? Also, was nun?

Ein paar kleinere Projekte, um die Verluste der Stadt zu minimieren, hat der neue Bürgermeister schon auf den Weg gebracht. Ein privat organisierter Verkehrsverein hat die Tourismuswerbung übernommen. Es gibt endlich eine Zusammenarbeit mit Bad Kreuznach, dem ungeliebten Nachbarn: An der Gemarkungsgrenze entsteht ein Nordic-Walking-Parcours. Und mithilfe einer privaten Stiftung kann neuerdings wieder so manches Fest stattfinden, das Besucher bringt – die Stadt schießt kein Geld mehr zu, weil nur noch Pflichtaufgaben bezahlt werden dürfen. Vielleicht lässt sich ja auch das marode Freibad zu einem Ganzjahresbad umbauen?

Bürgermeister Fries weiß, dass das alles nicht reicht, um die Stadt zu entschulden. Bad Münster braucht einen Magneten, etwas, das die Leute anzieht. Und dazu braucht die Stadt einen Investor. Denn auch die Gradierwerke, an denen die Kurgäste die heilkräftige Luft inhalieren, sind in dramatisch schlechtem Zustand. „Laut Baurecht müsste man sie eigentlich sofort erneuern“, sagt im Mainzer Innenministerium Rudolf Oster eher beiläufig – er will im Ort nicht noch mehr Unruhe. Die Kosten der Erneuerung? Eine halbe Million Euro. Die gibt es womöglich sogar vom Land, aber nur, wenn garantiert ist, dass künftig noch Kurgäste nach Bad Münster kommen werden.

Würde sich ein potenter Geldgeber interessieren, die Stadt würde dem Heilsbringer das Kurgelände sogar schenken, sollte er sich entschließen, ein modernes Hotel zu bauen. Auch das Land würde in so einem Fall weitere finanzielle Unterstützung leisten. Es laufen schon Verhandlungen mit Hoteliers aus Bad Kreuznach, die sich angeblich im Nachbarort engagieren wollen. Vielleicht wird für Bad Münster ja doch noch alles gut? Vielleicht auch nicht. Im Innenministerium kursieren schon Planspiele für die Zeit nach den Landtagswahlen im kommenden Jahr. Womöglich wird es, den politischen Willen der dann Regierenden vorausgesetzt, eine Kommunalreform geben. Bad Münster am Stein-Ebernburg müsste dann vielleicht unter die Haube des wirtschaftlich potenten Bad Kreuznach schlüpfen und auf das Stadtrecht verzichten.

Bürgermeister Michael Fries will gar nicht daran denken, und er wird die Hoffnung nicht aufgeben. Im Moment pflanzen Freiwillige Blumen und streichen die Gebäude im Kurpark. „Wir müssen mit ehrenamtlichem Engagement ausgleichen, was die Stadt nicht mehr leisten kann“, sagt er. Und macht gute Mine zum bösen Spiel: „Immerhin haben wir jetzt den Ehrenamtspreis des Landes bekommen.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.