Eine Frage der Qualität

Während die Welt heftig das Für und Wider debattiert, trafen die Niederlande eine einsame Entscheidung. Sie haben per Gesetz verboten, dass sich Privatunternehmen an ihrer Trinkwasser-Industrie beteiligen dürfen. Eine Privatisierung, befürchtet die Regierung, treibt die Wasserpreise in die Höhe und die Wasserqualität in den Keller.




Irgendwann mitten im Idyll tritt Marijke Poppelier kurz auf die Bremse. „Das“, sagt sie und deutet nach rechts aus dem Auto, „sind meine Kollegen.“ Ringsum zieht sich das Dünenfeld Meijendel zum Horizont. Und direkt neben der Straße grasen dort Schafe, Pferde und Rinder im Sonnenlicht. Malerisch. Findet auch Poppelier. Sie ist gern hier draußen, in den Dünen nahe dem holländischen Städtchen Scheveningen, und zeigt Besuchern eine der drei Produktionsstätten ihres Arbeitgebers. Denn der beschäftigt dort – neben rund 500 Menschen – auch 35 Fjordpferde, 32 Galloway-Rinder, 52 Heideschafe sowie seit Frühlingsbeginn zusätzlich noch 40 Lämmer. Die tierischen Kollegen kümmern sich darum, dass das Gras in den Dünenfeldern kurz bleibt. Umweltverträglich und ressourcenschonend.

Poppeliers Arbeitgeber ist der Duinwaterbedrijf Zuid-Holland (DZH). Das Trinkwasser-Unternehmen nutzt die Dünen zwischen den holländischen Küstenorten Monster und Katwijk, um Flusswasser in trinkbares Leitungswasser zu verwandeln. Dafür transportiert DZH zunächst Wasser aus dem Fluss Maas durch zwei fast mannshohe Pipelines in das 80 Kilometer entfernte Dünengebiet an der Nordseeküste. Dort versickert das Nass zwei Monate lang im Sand, bis es in rund 60 Meter Tiefe angekommen ist. Danach pumpen die DZH-Ingenieure das Wasser wieder nach oben, entfernen Kalk, Eisen und Mangan – und fertig ist ein besonders mild schmeckendes Trinkwasser für rund 1,2 Millionen Holländer. „Das alles geschieht vollkommen ohne Chemikalien“, erklärt Piet Jonker, Managing Director des DZH. „Die Dünen sind unser natürlicher Wasserfilter.“

Wasser-Märkte: Die Wahl zwischen drei Übeln

Das Einführen von Wettbewerb bei der Trinkwasser-Versorgung ist nicht einfach. Denn anders als etwa bei Strom oder Gas lässt sich das Wasser unterschiedlicher Anbieter mit unterschiedlicher Qualität nicht einfach in einem Rohr mischen. Zudem sind große Mengen nur schlecht über weite Strecken zu transportieren, Wasser ist immer eine regionale Ressource. Meist lohnt es sich auch nur für einen Anbieter, ein Versorgungsnetz inklusive Anlagen zur Wasseraufbereitung, Pumpstationen, Speicherbecken, Kanälen und Leitungen zu errichten und zu betreiben. Denn das ist nicht nur extrem teuer, in der Regel gibt für ein zweites Netzwerk auch schlicht keinen Platz. Wasser ist also immer mit einem lokalen Monopol verbunden. „Wir können nur zwischen drei Übeln wählen“, lautet deshalb das Fazit, das der Nobelpreisträger Milton Friedman bei der Betrachtung der Wasser-Märkte zog: „ein privates, unreguliertes Monopol, ein privates Monopol, das vom Staat reguliert wird, und ein öffentliches Monopol.“

Geschlossen für ein Gesetz gegen die Privatisierung

Jonkers Unternehmen ist einer von drei niederländischen Anbietern, die auf diese Weise Trinkwasser produzieren. Ihre Methode ist einzigartig auf der Welt.

Poppelier, ihr Chef Jonker sowie die Schafe, Rinder und Ponys in den Dünen arbeiten im Auftrag von 27 Gemeinden, darunter der niederländische Regierungssitz Den Haag. Rein rechtlich ist der Wasserversorger DZH zwar eine Aktiengesellschaft, die Anteilsscheine gehören jedoch den Kommunen der Region. Und das soll nach dem Willen der Niederländer – trotz der weltweiten Debatten um die Privatisierung öffentlicher Unternehmen – auch so bleiben. Am 9. Dezember 2003 haben fast alle Parteien in der Tweede Kamer, der wichtigsten Kammer des nationalen Parlaments, ein neues Gesetz angenommen. Es verbietet explizit die Beteiligung privater Investoren und kleiner Unternehmen an der Trinkwasser-Versorgung von Haushalten. Am 7. September des vergangenen Jahres stimmte auch die andere Parlamentskammer, die Eerste Kamer, dem Gesetz zu. Seitdem ist das Verbot in Kraft.

Mit ihrer strikten Antiprivatisierungs-Regelung stehen die Niederlande ziemlich allein da. Zwar gehört die Trinkwasser-Industrie in der Europäischen Union noch überwiegend der öffentlichen Hand. Aber Großbritannien hat den Sektor bereits komplett privatisiert, in Frankreich können Privatanbieter über Ausschreibungen langfristige Konzessionen erwerben. In Deutschland ist die Privatwirtschaft über Public Private Partnerships bislang an rund einem Drittel der gesamten Wasserproduktion beteiligt – mit steigender Tendenz. Die Kommunen, die für den Sektor zuständig sind, dürfen selbst über weitere Partnerschaften mit Privatinvestoren entscheiden, dabei sind sie allerdings verpflichtet, die Aufsicht über den Sektor zu behalten. Ein Gesetz wie das der Niederländer, das jede Privatisierung verbietet, findet sich weltweit nur noch in Uruguay.

Die Debatte um das Öl dieses Jahrhunderts

Die Niederländer stellen damit unmissverständlich klar, auf welcher Seite sie in der Debatte stehen, die zurzeit rund um den Globus über die Privatisierung der Wasser-Industrie geführt wird. „Trinkwasser“, fasst Anthony Muller, McKinsey-Experte für Wasserwirtschaft, die Diskussionen zusammen, „ist ein emotional extrem aufgeladenes Thema.“ Die Flüssigkeit polarisiert, weil sie ein Zwitter ist: unentbehrliche Lebensgrundlage eines jeden Menschen und zugleich eine Handelsware, deren Produktion und Vertrieb nun einmal Geld kosten. Entsprechend dieser Doppelnatur stehen sich in der Debatte zwei Lager unversöhnlich gegenüber.

Auf der einen Seite sind dies Menschen wie der Weltbank-Wasserspezialist John Briscoe, der rückhaltlos für eine Privatisierung der Versorger und sogar für eine völlige Abschaffung aller Regulationen eintritt. „Nur über den freien Markt“, argumentieren Briscoe und seine Mitstreiter, „können Wasserversorger das dringend benötigte Kapital aufbringen und effizient genug werden, um jeden Menschen mit frischem Trinkwasser zu versorgen.“ Natürlich haben die Privatisierungs-Befürworter auch im Hinterkopf, dass sich mit Trinkwasser Geld verdienen lässt. Die Weltbank schätzt den globalen Wassermarkt auf ein Volumen von 800 Milliarden Euro jährlich.

Kein Wunder, dass das US-Magazin Fortune Wasser das Öl des 21. Jahrhunderts nannte. Momentan konkurrieren um diesen Zukunftsmarkt vor allem drei Großunternehmen: die französische Suez-Gruppe, daneben Veolia Water Systems, die Wassersparte des ebenfalls französischen Vivendi-Konzerns, und die deutsche RWE, die seit dem Kauf des britischen Versorgers Thames Water auf Platz drei liegt. Vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern, in denen klamme Regierungen dazu neigen, ihre Versorgungseinrichtungen zu verkaufen, um an Kapital zu gelangen, kämpfen die Anbieter mit harten Bandagen.

Wasser – Konsumgut oder Menschenrecht?

Auf der anderen Seite der Diskussion um die Trinkwasser-Privatisierung stehen zahllose Bürgerinitiativen, Globalisierungskritiker und Dritte-Welt-Aktionsgruppen. Aus ihrer Sicht ist Wasser mehr als nur ein Konsumgut. Letztlich sogar ein Menschenrecht. Darum dürfe es niemand als Eigentum betrachten und Kapital daraus schlagen. Die Privatisierungsgegner befürchten, dass profitorientierte Unternehmen vor allem auf kurzfristige Renditen schielen – und darüber nachhaltigen Ressourcenschutz, sozialverträgliche Preise sowie eine bestmögliche Qualität des Grundnahrungsmittels vergessen. Deshalb sollen sich ihrer Meinung nach staatliche Einrichtungen als Teil der Daseinsvorsorge darum kümmern, dass jeder Bürger immer gutes Trinkwasser zu akzeptablen Preisen erhält.

Prinzipiell lässt sich die Trinkwasserversorgung durchaus privatisieren, da sind sich die Experten einig. Allerdings muss dieser Prozess auch professionell gemanagt werden – vom Unternehmer sowieso, vor allem aber von der Regierung. „Die Frage, ob privatisierte oder öffentliche Wasserunternehmen kosteneffizienter oder umweltfreundlicher sind, konnte in der Fachwelt bislang nicht abschließend geklärt werden“, meint Professor Georg Meran, Vizepräsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin und Experte für Wasserwirtschaft. Es gebe zwar empirische Untersuchungen – aber mit den unterschiedlichsten Ergebnissen. „Man weiß einfach nicht, ob solche Dinge nach einer Privatisierung besser funktionieren als vorher“, sagt Meran. Die Entscheidung dafür oder dagegen hänge deshalb in der Regel von der Kassenlage eines Staats ab – und von politisch-ideologischen Erwägungen.

Zu viel Wasser und zu viel Dünger

Die niederländische Regierung hat das Thema Trinkwasser ganz oben auf ihre Prioritätenliste gesetzt. Im Gegensatz zu den heiß umkämpften Schwellen- und Entwicklungsländern haben die Niederlande allerdings eher zu viel Wasser als zu wenig. So münden auf ihrem Territorium die großen Flüsse Rhein, Maas und Schelde ins Meer. Und fast ein Drittel des 16 Millionen Einwohner-Landes – das am dichtesten besiedelte Europas – liegt unter dem Meeresspiegel. Ohne zahlreiche Dämme und Deiche, Kanäle und Pumpstationen würden vor allem die Ballungsgebiete im Norden und Westen mit den Großstädten Amsterdam, Den Haag und Rotterdam überflutet. „Unser Kampf“, sagt der ehemalige niederländische Umweltminister Jan Pronk, „war eigentlich immer eher gegen das Wasser als dafür.“

Doch auch die Niederlande haben ein Wasserproblem: Die Niederländer nutzen knapp 30 Prozent ihrer Landesfläche für die Landwirtschaft, vor allem für den Anbau von Blumen und Zwiebeln. Das verunreinigt den Wasserkreislauf mit Dünger, Pestiziden und anderen Chemikalien.

Zudem leiden die Wasservorräte im Boden und in Gewässern unter der niedrigen geografischen Lage des Landes: Große Mengen davon sind durch eindringendes Meerwasser versalzen.

Die niederländischen Produzenten müssen das Grund-, Fluss- oder Seewasser des Landes darum besonders sorgfältig bearbeiten, um es trinkbar zu machen. Bis 1920 übernahmen das in dem damals neu entstandenen Sektor noch junge private Unternehmen. Sie engagierten sich jedoch vor allem in den dicht besiedelten Regionen des Landes, wo sich die hohen Investitionen in Wasserleitungen und -kanäle auch rechneten. Also übernahm der Staat die Kontrolle über den Sektor und sorgte bis 1970 für eine komplette Versorgung bis hin zu den abgelegensten Bauernhöfen. Heute sind lokale Wasserbehörden für die Abwasser-Aufbereitung zuständig, die Abwasserkanäle werden von den Gemeinden betrieben.

Die Trinkwasser-Versorgung liegt momentan in den Händen von 15 Anbietern, die pro Jahr rund eine Milliarde Kubikmeter produzieren und damit knapp 1,5 Milliarden Euro umsetzen. Die Branche steckt mitten in einem Konzentrationsprozess: 1938 gab es noch 229 Anbieter, in den Siebzigern immerhin noch 109. In fünf Jahren, besagen Prognosen, werden es nur noch sechs oder vielleicht sogar nur noch drei Anbieter sein.

Auch die Beschäftigtenzahl sinkt. Zurzeit arbeiten gut 5400 Menschen in der niederländischen Trinkwasserindustrie – 1993 waren es noch 8000, also fast anderthalb mal so viele.

Wie der Den Haager Wasserversorger DZH sind auch fast alle der anderen 14 aktiven Unternehmen als Aktiengesellschaften organisiert. Ihre Anteilsscheine gehören – je nach Unternehmen in unterschiedlicher Zusammensetzung – den jeweiligen Kommunen und den zwölf Provinzen des Landes. Der öffentliche Sektor arbeitet also mit einer Mischkonstruktion aus privatwirtschaftlicher Rechtsform und öffentlichen Eigentümern.

„Dank dieser Konstruktion können die Unternehmen autonom agieren und wichtige Entscheidungen ohne eine vorige politische Debatte treffen“, erklärt Ger Ardon das Konstrukt. „Wir haben sie so vor der direkten Diskussion in der Politik geschützt.“ Ardon war bis vor 18 Jahren bei der Vereinigung der Niederländischen Wasserwerke (Vereniging van Waterbedrijven in Nederland – VEWIN) für Bedarfsplanungen zuständig. Heute sitzt er als Leiter der Wasserabteilung des niederländischen Umweltministeriums VROM in dessen Neubau in der Den Haager Innenstadt. Dort hat Ardon mit seiner Abteilung auch seit Mitte der neunziger Jahre an dem neuen Antiprivatisierungs-Gesetz gearbeitet.

Nur der Staat darf Anteile halten

Damals war auch in den Niederlanden eine Diskussion um die Privatisierung von staatlichen Versorgungsunternehmen entbrannt. Dabei hatte sich die Regierung jedoch vor allem auf die Anbieter von Gas und Elektrizität konzentriert und den Wassersektor explizit ausgenommen. Trinkwasser, so die Überlegung damals wie heute, ist zu wichtig, um es den Kräften des freien Marktes zu überlassen. 2000 stellte der damalige sozialdemokratische Umweltminister Jan Pronk erstmals ein Positionspapier vor, in dem es darum ging, dass Besitzanteile der öffentlichen Wasserversorger nicht in privater Hand landen dürften. Ein Jahr später kursierte bereits der erste Gesetzentwurf. Danach verschwand das Vorhaben jedoch vorerst in den Aktenschränken der Bürokratie, weil die Regierung von Premierminister Wim Kok 2002 zurücktreten musste und durch die konservative Regierung, angeführt von Jan Peter Balkenende, ersetzt wurde. Die neue Spitze behielt den Kurs jedoch bei, und Ger Ardon konnte miterleben, wie das Parlament das von ihm ausgearbeitete Gesetz rund ein Jahr später billigte.

Ardons Gesetzes-Konstruktion zufolge dürfen die Anteilseigner der Trinkwasser-Versorger ihre Aktien nur an Körperschaften oder Unternehmen verkaufen, die ebenfalls zu hundert Prozent dem niederländischen Staat gehören. Zugleich garantiert der Staat den Versorgern, dass sie die Einzigen sind, die in ihrer jeweiligen Region Trinkwasser an Haushalte und Kleinunternehmen verkaufen dürfen. Mit ihrer Regelung will die niederländische Regierung vor allem die durchsetzungsschwachen Kleinabnehmer vor steigenden Preisen und schlechter Wasserqualität schützen. Der Markt für Großkunden bleibt dagegen offen für private Wettbewerber.

„Wir glauben, dass Wasserversorgung mehr beinhaltet als nur das Versorgen mit Wasser“, begründet Ardon das Gesetz. „Denn dazu gehört auch ein Verantwortungsgefühl gegenüber der Gesellschaft und ein schonender Umgang mit den natürlichen Ressourcen.“ So fürchte die Regierung, eine Privatisierung würde auf Kosten der sehr guten Qualität ihres Trinkwassers gehen. Ardon führt dabei das Beispiel England und Wales an. Dort hat Margaret Thatcher 1989 das gesamte Wassersystem an Privatinvestoren verkauft. In der Folge habe sich, so Ardon, die Wasserqualität verschlechtert, und die Wasserpreise seien gestiegen. Ardons Chef, Umwelt-Staatssekretär Pieter van Geel, ergänzt: „Auch wenn Effizienz wichtig ist – wir dürfen und wollen bei der Qualität und der Verfügbarkeit von Wasser keine Kompromisse machen zu Gunsten von Kostenersparnis.“

Die EU-Kommission ist für Wasser-Privatisierung

Ardon und van Geel gehen davon aus, dass ihr Gesetz keine Probleme mit dem geltenden EU-Recht bekommt. Die Europäische Kommission hätte zwar am liebsten eine weitgehende Privatisierung der Wasserindustrie in allen Mitgliedsländern. In einer Rahmenrichtlinie verlangt sie aber zunächst nur, dass Trinkwasser-Preise bis spätestens 2010 die Kosten für Produktion, Transport und Umweltschäden wiedergeben und dass die Anbieter kostendeckend arbeiten – also ohne jede Subvention.

Die niederländische Trinkwasser-Industrie kommt schon heute ohne Staatszuschüsse aus. Kein Wunder: Ihre Preise gehören, zusammen mit denen in Deutschland, Dänemark und Großbritannien, zu den höchsten in Europa. Dafür liefern die Niederländer aber auch beste Qualität – das Trinkwasser in Süditalien oder in Teilen Spaniens ist zwar preiswerter, allerdings oft nicht wirklich trinkbar.

Und dennoch: Ist die Sorge nicht berechtigt, dass die Trinkwasser-Unternehmen auf Dauer nicht nur kostendeckend, sondern profitabel arbeiten wollen? Dass sie durch Preissteigerungen, billigere Produktionsmethoden und um den Preis der besten Qualität sogar Gewinne einzufahren versuchen? Das könnte ihnen keine Konkurrenz vereiteln, schließlich garantiert ihnen der niederländische Staat regionale Monopole. Aber auch hier hat die Regierung vorgesorgt. Damit genau das nicht passiert, müssen die Versorger künftig regelmäßig in Benchmarks gegeneinander antreten. Dabei vergleichen sie Kosten und Effizienz, Service und Kundenzufriedenheit, Umweltverträglichkeit und Wasserqualität miteinander. Die Ergebnisse sollen in einer Rangliste veröffentlicht werden. Solche Vergleiche erstellen die Unternehmen unter Aufsicht des Wassererzeuger-Verbands VEWIN zwar schon seit 1997. Bislang ist die Teilnahme an den Tests jedoch freiwillig. Ende des Jahres soll sich das ändern.

Das Benchmarking habe zwei Ziele, erklärt Arjen Frentz, Chef der Abteilung Wasser & Wirtschaft bei VEWIN. Es solle die Öffentlichkeit über die Industrie informieren. Zudem sollten Anteilseigner und Kunden der Firmen erfahren, wie ihre Unternehmen im Vergleich dastehen. Wettbewerb ist der beste Garant für Qualität, glauben die Planer. Und wenn das nicht funktioniere, heißt es im Umweltministerium, könnte man auch Standard-Werte festsetzen, die dann eben alle Unternehmen erreichen müssten.

Warum etwas ändern, wenn es keine Probleme gibt?

Das ist bislang nur eine Theorie – die staatlichen Trinkwasserversorger in den Niederlanden arbeiten vergleichsweise gut. Ihre Leitungen und Kanäle sind derart gut in Schuss, dass die Unternehmen durch Lecks und Löcher weniger als sechs Prozent ihres Wassers verlieren – in anderen europäischen Ländern sind es oft zwölf Prozent und mehr. Zudem, so eine VEWIN-Studie, sind die Anbieter in den vergangenen vier Jahren sogar um neun Prozent effizienter geworden. „In vielen Ländern funktioniert die Trinkwasserversorgung unzuverlässig, mit schlechtem Service und nur geringen Investitionen“, sagt Pieter Huisman vom Lehrstuhl für Wassermanagement an der Technischen Universität Delft. „Um das zu verbessern, wird oft Liberalisierung und Privatisierung propagiert.“ Die niederländische Trinkwasser-Industrie dagegen funktioniere bestens. „Und wenn es kein Problem gibt“, fragt Arjen Frentz vom Branchenverband VEWIN und lächelt sanft, „warum sollte man dann etwas ändern?“

Pro und contra Wasser-Privatisierung

Darf der Staat die Versorgung seiner Bürger mit Trinkwasser privaten Unternehmen überlassen? Die Befürworter argumentieren: Nur über den freien Markt kann der Sektor Kapital und Effizienz erreichen, die nötig sind, um alle Menschen mit frischem Wasser zu versorgen – vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern.
Die Gegner postulieren, dass Wasser mehr ist als eine Ware – die alternativlose Lebensgrundlage für jeden Menschen. Ihre Befürchtung: Profitorientierte Unternehmen vernachlässigen nachhaltigen Ressourcenschutz, sozialverträgliche Preise sowie eine bestmögliche Qualität des Grundnahrungsmittels.

Wer hat Recht?

Beide, meint McKinsey-Experte Anthony Muller. Es stimme schon, sagt er, Wasser sei ein besonderes Gut.
Und ja, es gebe genügend Beispiele für eine misslungene Privatisierung. Allerdings spräche das nicht gegen die Idee, sondern für eine dringend notwendige Professionalisierung. Vor allem auf Seiten der Regierung. Ein Monopol aus der Hand zu geben, bedeute eben nicht, Verantwortung und Kontrolle abzugeben.
Die Entscheidung erfordere vielmehr den Aufbau neuer Skills innerhalb der Behörden, um den sensiblen Prozess in der Praxis zu steuern. Eine erfolgreiche Privatisierung erfordere geeignete rechtliche Regulierungs- und Rahmenbedingungen, saubere Verträge und ein professionelles Management. „Verträge mit privaten Anbietern sind immer nur so gut, wie sie von Seiten des Regulierers gemanagt werden“, meint Muller. Prinzipiell sei die Trinkwasser-Versorgung für Privatisierungen durchaus geeignet, so der Experte. Ob Verkäufer, Käufer und Kunden hinterher damit zufrieden sind, liege an der Gestaltung – und an der Konsequenz, mit der ein Staat sein Ziel verfolge. Die Entscheidung pro oder contra hänge letztlich von der Kassenlage des jeweiligen Staates ab – und davon, welchen Sektoren er zur Not mit Subventionen unter die Arme greife. In jedem Fall aber gilt: „Wer mit einer Privatisierung einfach nur klamme Kassen auffüllen will, wird scheitern.“


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.