Operation geglückt

IT-Großprojekte haben immer etwas von Murphy’s Law: Was schief gehen kann, geht schief.
Zeitpläne werden überschritten, Kosten laufen aus dem Ruder, unzählige Pleiten und Pannen begleiten den Prozess. So gesehen ist das Projekt, das die Deutsche Postbank AG mit Hilfe der SAP AG gestemmt hat, ein kleines Wunder. Der Börsenneuling hat bei laufendem Geschäftsbetrieb eine komplett neue Software entwickelt und eingeführt – und setzt damit Standards in der Banken-Welt.




Wer in der IT erfolgreich sein will, hält sich an drei goldene Regeln: 1. Baue kein System auf der Grundlage von Versprechungen. 2. Verändere keine organisatorischen Strukturen in kritischen Phasen eines Projektes. 3. Erneuere niemals Hard- und Software gleichzeitig.

Bei der Entwicklung ihrer neuen Standardsoftware für große Banken hat die Postbank alle drei Regeln gebrochen. Mehrfach. Und mit Erfolg. Vom nicht ganz ernst zu nehmenden Behördenrest, der seit 1995 auch eine richtige Bank sein will, wird sie 2004 zum Technologieführer im Bankensektor. Die Postbank hat in der IT Standards gesetzt.

Der Prozess der grundlegenden IT-Erneuerung dauerte vier Jahre und hat geholfen, die Postbank börsenfit zu machen. Eine Erfolgsgeschichte. Doch was, so kann man mit Recht fragen, hat die Post überhaupt im Bankgeschäft zu suchen? Warum hat sie das nicht den Bankern überlassen? Die Antwort hat mit Erfahrung zu tun – und mit einer langen Geschichte.

WIE KOMMT DIE POST INS BANKGESCHÄFT?

Die Wurzeln der Banktätigkeit der Post reichen weit zurück ins vorindustrielle Zeitalter, als Informationsströme sich noch im Postkutschentempo bewegten. Weil Könige und Fürsten die Lebensadern ihrer Macht selbst kontrollieren wollten, wurde der regelmäßige Postdienst zur staatlichen Aufgabe. Die Staatspost erhielt auch das Privileg des Geldtransportes. Zahlungen wurden getätigt, indem man reale Münzmengen per Postkutsche von einem Ort zum anderen schaffte. Das dauerte seine Zeit. Und bis das Geld angekommen war, zahlte die Post dem Empfänger schon mal einen Vorschuss, damit er weiterarbeiten konnte. Sie gab Kredit, ein typisches Bankgeschäft.

Die industrialisierte Wirtschaft war auf schnellen Geldverkehr angewiesen. Die Post lieferte diesen Service mit dem Produkt Postanweisung Mitte des 19. Jahrhunderts. Die heutigen Großbanken waren damals noch sehr regionale Erscheinungen, was zu häufigen Zahlungsengpässen führte – ein Hindernis für die Entwicklung der Wirtschaft. Die Post räumte es aus. Weil sie allein flächendeckend im ganzen Deutschen Reich vertreten war, konnte sie einen zügigen Zahlungsverkehr sicherstellen. 1909 richtete sie den Postgirodienst ein, damals noch Postscheckverkehr genannt, der zum Garanten für schnellen Geldverkehr wurde; ein Service, den die Großbanken erst ein halbes Jahrhundert später anbieten konnten. So wurde die Post zur Bank. Mit einem Filialnetz, von dem eine Privatbank nur träumen konnte.

Zur Sparkasse wurde die Post 30 Jahre später. 1939 wurde das Postsparbuch von der angeschlossenen österreichischen Postsparkasse für das Großdeutsche Reich übernommen und erfreute sich bald großer Beliebtheit bei den kleinen Leuten. Eine Infrastruktur-Entscheidung mit Weitblick, denn in den folgenden Jahrzehnten sollte sich die Mobilität der Bevölkerung – notgedrungen – dramatisch erhöhen.

Girodienst und Sparkasse bildeten die beiden Bank-Standbeine des staatlichen Postmonopols. Eine schmale Produktpalette, die der teilweise steuerfinanzierte Monopolbetrieb zu unschlagbaren Konditionen anbieten konnte. Damit war 1989 Schluss. Mit der Postreform I wurde das Monopol zerlegt und in drei wirtschaftlich selbstständige Sparten gegliedert. Telekom und gelbe Post waren überlebens- und wachstumsfähig, das war klar. Aber der Giro-und-Sparkassen-Service einer vergangenen Epoche? Es schien nur eine Frage der Zeit, wann eine der großen Geschäftsbanken sich die Geldverkehrs-Strukturen der ehemals staatlichen Post einverleiben würde.

DIE EX-BEHÖRDE WIRD ZUR RICHTIGEN BANK

Es folgte ein Jahrzehnt holpriger Wegstrecke mit unklaren Perspektiven und dem Beginn des organisatorischen Umbaus der ehemaligen Behörde. Die IT-Frage rückte auf die Tagesordnung. Die Software, mit der Postgirodienst und Postsparkasse ihr Geschäft bis 1995 abgewickelt hatten, war geeignet für Behördenzwecke, nicht jedoch für einen echten Bankbetrieb. Trotzdem: 1995 wird die Postbank in eine Aktiengesellschaft umgewandelt, Eigentümerinnen sind die Deutsche Post AG und die Bundesrepublik Deutschland. Die Postbank erwirbt eine Vollbanklizenz und muss nun alle gesetzlichen Auflagen erfüllen, die der Staat Bankbetrieben auferlegt. Das bedeutet zum Beispiel eine doppelte Buchführung statt einer kameralistischen oder die Einführung aller Risikosteuerungssysteme, ohne die eine Bank dieser Größenordnung nicht arbeiten darf. Damit war klar: Um als Vollbank tätig zu werden, brauchte die Postbank eine echte Banken-Software.

Doch woher nehmen? Die IT ist das Herzstück jeder Bank. In ihr steckt das gesamte Know-how über ihre Prozesse, Produkte und die Beziehungen zu ihren Kunden. Jede der großen Privatbanken hatte seit den siebziger Jahren ihre eigene Software entwickelt. Es war das Manufakturzeitalter der IT. Standardisierte Normen, wie sie die Industrie kennt, gab es in der IT der Finanzwirtschaft damals noch nicht. Die Privatbanken mussten ihre Technologie selbst entwerfen und anpassen – über Jahrzehnte und für die eigenen spezifischen Bedürfnisse.

Eine Commerzbank-Software kann nur von Commerzbank-IT’lern gewartet, gepflegt und weiterentwickelt werden. „Die Banken-Software einer anderen Großbank zu kaufen und zu übernehmen wäre sicherlich möglich gewesen. Doch dann wären wir abhängig geworden vom Know-how und den Spezialisten dieser Bank“, erklärt Dirk Berensmann, heute IT-Vorstand der Postbank, die Lage der Bank im Jahr 1995. „Dann hätte man auch gleich die Postbank an dieses Institut verkaufen können.“

Was die Postbank mit ihren rund zehn Millionen Kunden brauchte, war eine Standardsoftware für Großbanken. Doch die war auf dem Markt nicht zu haben. Zu kaufen gab es damals lediglich Standardsoftware für mittlere Banken, also etwa von der Größe einer Apotheker- und Ärztebank, die aber nur rund ein Zwanzigstel des Volumens einer großen Bank abzuwickeln hat. Daneben gab es die Spezialprodukte der Konkurrenz, die gleichzeitig die Abhängigkeit von eben dieser Konkurrenz bedeutet hätten – und damit das Ende der Blütenträume einer eigenständigen Postbank als größter deutscher Privatbank.

DIE POSTBANK IN DER IT-SACKGASSE

Der Kauf der Kordoba-Software, einer Standardsoftware für mittlere Banken, schien 1995 der einzig gangbare Weg für das selbstständige Überleben der Postbank. Also wurden Siemens-Rechner und das Siemens-Betriebssystem BS-2000 angeschafft – und die Software wurde 14-mal installiert, an jedem der 14 Postbankstandorte in Deutschland.

Der Riese Postbank arbeitete IT-mäßig fortan, als ob er aus 14 mittleren Banken bestehen würde. Eine Software, die für diese Zwecke nicht geschrieben war, wurde an den Bedarf einer Großbank angepasst – man könnte auch sagen: vergewaltigt. Die Lösung war teuer und umständlich, und sie barg eine Unsicherheit: Der Marktanteil des Siemens-Betriebssystems BS-2000 schrumpfte; die Technologie schien sich dem Ende ihres Lebenszyklus zu nähern. Irgendwann in näherer oder ferner Zukunft würde das Betriebssystem vom Markt genommen werden. Die Postbank steckte in einer Sackgasse. Technologisch und strategisch.

Warum das System Mitte der neunziger Jahre überhaupt noch angeschafft wurde? „Eine typische Behördenentscheidung“, kommentiert Thomas Mangel, Vorstand der Postbank Systems, diesen Schritt. „Eine deutsche Behörde kaufte damals bei einem deutschen Konzern. Der liefert dann auch die Handbücher auf Deutsch.“ 

BRUCH MIT ALLEN IT-REGELN

1999 ändern sich die Eigentumsverhältnisse der Postbank. Sie wird zur Hundertprozent-Tochter der Deutschen Post, und die Mutter ist bereit, in die Bank zu investieren. Damit ist der Weg frei, nach IT-Lösungen mit Perspektive zu suchen. Die Zeit drängt: Das vorhandene System wird sich nicht weiterentwickeln können. Und der Markt bietet immer noch keine Alternative.

Die Postbank entschließt sich zur Kooperation mit der SAP, um eine eigene Standardsoftware für Großbanken zu entwickeln. „Wenn das Umfeld uns keine Lösung bietet, müssen wir das Umfeld so verändern, dass wir die Lösung bekommen“, begründet der ehemalige McKinsey-Berater Dirk Berensmann die Entscheidung heute. Es war die Geburtsstunde des Projekts „IT-2003“.

Die Zusammenarbeit von Postbank und SAP soll eine strategische Partnerschaft werden, von der beide Seiten profitieren. Die Bank braucht eine Technologie für ihre Zukunft – für die Walldorfer Softwareentwickler eröffnet sich mit dem Projekt ein neues Geschäftsfeld, denn große Retailbanken gehören Ende der neunziger Jahre nicht zu den SAP-Kunden.

Die goldene IT-Regel Nummer 1 – Baue kein System auf der Grundlage von Versprechungen – wird Makulatur. Denn ob die SAP in der Lage sein wird, eine Standardsoftware für große Banken zu entwickeln, wird sich erst in der Zukunft erweisen. Für beide Partner bedeutet das Projekt Neuland – und birgt enorme Risiken.

1999 verpflichtet sich die SAP, der Postbank ein neues IT-Herz zu schaffen. Gleichzeitig soll dieses Herz auch für andere große Banken tauglich und daher auf dem Markt verkäuflich sein. Eine zentrale Schwierigkeit: Den Postbank-Körper, in dem das Herz im Jahr 2003 schlagen soll, gibt es noch nicht. Die radikale Neuorganisation, bei der alle Geschäftsprozesse rund um die Kontoführung einer kritischen Überprüfung unterzogen werden sollen, steht noch bevor. Das bedeutet: Die Prozesse, für die SAP-Entwickler eine Software kreieren sollen, existieren zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch gar nicht. 1999 gibt es nur das Versprechen, dass man die Grundlagen schon schaffen würde. Und den Glauben daran.

EIN NEUES HERZ FÜR DIE BANK

Nach dem Jahrtausendwechsel krempelt sich die Postbank um. Die Zahl der Operations-Standorte verringert sich von 14 auf fünf und anschließend auf drei, Dortmund, München und Hamburg. Die Postbank-Rechenzentren werden von 18 auf sechs zurückgefahren, schließlich auf eines in Bonn. Und die Geschäftsprozesse werden gestrafft: Weil im Bankgeschäft viele Prozess-Schritte auch für unterschiedliche Produkte identisch sind, lässt sich einiges zusammenfassen und standardisieren. So werden aus 120 Kernprozessen im Postbankgeschäft zunächst 70, die SAP-Software ermöglicht eine weitere Straffung auf 35. Das entspricht einer Reduzierung der Komplexität um 70 Prozent. Der neue Körper nimmt Form an.

Die goldene IT-Regel Nummer 2 – Verändere keine organisatorischen Strukturen in kritischen Phasen eines Projektes – wird permanent gebrochen. Die IT entsteht, die Organisation erfindet sich neu. Auch Regel Nummer 3 wird ausgehebelt: Erneuere niemals Hard- und Software gleichzeitig, heißt die Warnung. Aber die neue SAP-Software läuft auf IBM-Rechnern, also werden Hard- und Software gleichzeitig ausgetauscht. Die permanente Missachtung der drei Grundregeln für jedes IT-Projekt wird zur Bedingung für den Projekterfolg.

Auch die Kultur verändert sich. Damit IT-Experten und Banker sich verständigen können, müssen die Partner eine gemeinsame Sprache finden. Programmiersprache ist Englisch, der Postbanker spricht Deutsch, aber auch deutsche Technologie- und deutsche Bank-Sprache reichen schon aus, um sich immer wieder gründlich misszuverstehen. Mühsame Debatten sind die Folge, Konflikte müssen beseitigt, Irritationen ausgeräumt werden.

Ein häufiger Diskussionspunkt beispielsweise: Wie wollen wir mit Fehlern umgehen? Softwareentwickler sind es gewohnt, dass Fehler im Prozentbereich von Hand ausgesteuert werden können. Bei der schieren Größe des Postbankvolumens ist das völlig undenkbar. Die neue Standardsoftware muss so ausgelegt sein, dass nur Fehler im Promillebereich ein Nacharbeiten von Hand erforderlich machen. Umgekehrt muss die SAP stets darauf drängen, eine Software zu entwickeln, die für jede Großbank auf dem Markt kompatibel ist – und keine postbankspezifische Software. Das hat für die Bank zum Teil aufwändige Maßnahmen bei der Reorganisation der Geschäftsprozesse zur Folge, sie reichen bis zu Änderungen ihrer Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Bis dahin hat die Postbank beispielsweise einen Scheck erst gebucht, wenn er vom bezogenen Institut gutgeschrieben war. Üblich im Kreditgewerbe ist dagegen die Gutschrift unter Vorbehalt: Auf dem Konto des Kunden erscheint dann ein Betrag, über den er unter Umständen noch nicht verfügen kann.

Auch im Firmenkundengeschäft gibt es Postbank-Prozeduren, die geändert werden müssen, soll die Software später auch für andere Banken passen. So manche bedeutet eine Veränderung der AGB. Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen müssen jedem einzelnen Kunden mitgeteilt werden. Macht Millionen Informationsblätter an die Kundschaft der Bank.

EIN NEUES ORGAN: DIE POSTBANK SYSTEMS

Die einzelnen Etappen des rund vier Jahre dauernden Projektes „IT-2003“ ergäben Stoff für einen Roman. Die SAP entwickelt die neue Software in Modulen. 18 Monate nach Projektstart wird das erste Modul ausgeliefert, Mitte 2002 das zweite. Das Training von 7000 Anwendern innerhalb der Postbank beginnt. Als es Ende 2002 gelingt, 44 Millionen Kundenstammdaten in die neue SAP-Software zu überführen, ist eine wichtige Teilstrecke erfolgreich gemeistert.

Im Frühjahr 2003, das Projekt befindet sich auf der Zielgeraden, springen die Ampeln auf Rot: Der Terminplan, bis dahin erstaunlich exakt eingehalten, läuft aus dem Ruder; es scheint, als könnten die notwendigen Tests für alle Module nicht mehr sorgfältig genug durchgeführt werden. Ernüchterung macht sich breit. Zu diesem Zeitpunkt glaubt kaum noch eines der Projektmitglieder, dass die Ziellinie 2003 zu schaffen ist.

Die Projektleiter müssen gegensteuern – und kreieren ein neues Verfahren: In Leipzig wird innerhalb weniger Wochen eine Phantombank aufgebaut, zu Übungszwecken. Die Übungsbank wird zur Testfabrik unter Realbedingungen. Dort werden Geschäfte simuliert, Buchungsprozesse mit echten Kontendaten mit der neuen Software nachvollzogen. Bis zu 500 Mitarbeiter sind von nun an unter Hochdruck damit beschäftigt, die neuen Module zu testen und jeden einzelnen Fehler im System zu beheben. 

Anfang Oktober 2003 ist es so weit: Das neue IT-Herz wird der Postbank eingesetzt, das alte Kordoba-Herz kann abgeschaltet werden. Das lange Wochenende um den 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, der auf einen Freitag fällt, bildet das richtige Zeitfenster. Samstagmorgen, drei Uhr, aufatmen: Die komplizierte Operation glückt im ersten Anlauf. Am Montag, dem 6. Oktober 2003 funktioniert der Zahlungsverkehr der Postbank reibungslos und fehlerfrei. Der Albtraum der IT-Fachleute – Millionen Kunden wollen an ihre Konten und sehen nur Zahlensalat – er wird nicht Wirklichkeit. Das neue SAP-Herz schlägt regelmäßig und hält den Belastungen stand. Kein Kunde hat etwas von der Transplantation bemerkt.

Erfolg hat immer viele Mütter und Väter. Einer der Erfolgsfaktoren war das Steuerungsorgan für das Projekt „IT-2003“, das über dreieinhalb Jahre, seit der Gründung im März 2000, gewachsen ist: die Postbank Systems, eine hundertprozentige Tochter der Postbank. 1999, zu Beginn des Projektes, waren die IT-Mitarbeiter der Postbank noch auf verschiedene Abteilungen im Konzern verteilt. Heute sind die knapp tausend Fachleute in der Postbank Systems zusammengefasst.

Gestartet ist die Systems im November 1999 mit einem vierköpfigen Kernteam – Dirk Berensmann, Thomas Mangel und den beiden Assistentinnen Alrun Habelt und Petra Prasmo-Schruff – das langsam auf seine heutige Größe wuchs. „Wir stellten gezielt begeisterungsfähige Leute ein, die an den Erfolg des Riesenprojektes glaubten. Die Mitarbeiter, die noch sehr im alten Denken und den hierarchischen Strukturen gefangen waren, übernahmen wir erst in die neue Organisation, als deren Erfolg sichtbar und nicht mehr aufzuhalten war“, beschreibt Berensmann den Wachstumsprozess. Neben den alten Organisationsstrukturen wurde eine neue geschaffen. Ein Neubau gewissermaßen, mit neuen Spielregeln und einer neuen Kultur.

VOM STAATSBETRIEB ZUM TECHNOLOGIEFÜHRER

Als sich abzeichnet, dass das Ziel – Standardsoftware für große Banken – erreichbar ist, entsteht die Geschäftsidee des Transaction Bankings als Dienstleistung für Wettbewerber. Auf gut Deutsch: Die Postbank bietet anderen Banken an, deren Zahlungsverkehr auf Postbank-Rechnern mit Postbank-IT abzuwickeln. Die Idee hat Charme. Aus Staatsmonopol-Zeiten beschäftigt die Postbank noch viele Mitarbeiter mit Beamtenstatus, für die im Haus Arbeit gesucht wird. Und die großen Privatbanken tragen teure Technologie-Lasten: Ihre IT-Architekturen wurden vor mehr als 30 Jahren entworfen, die Experten, die damit umgehen können, nähern sich der Pensionsgrenze, die Perspektiven der alten Software sind begrenzt, Modernisierungen wären teuer. Ein Neubau lässt sich schneller realisieren und ist preisgünstiger. Den Kunden interessiert es kaum: Sein Konto wird wie gewohnt bei der Hausbank geführt. Ob in einer Kette des Prozesses Postbank-Rechner, Postbank-Software und Postbank-Mitarbeiter an der Abwicklung des Zahlungsverkehrs beteiligt sind, schert ihn nicht, solange alles reibungslos läuft. Das hat sich die Postbank zunutze gemacht.

Die Standardsoftware der Postbank hat der Branche den Sprung vom Manufaktur- ins Industriezeitalter ermöglicht. Viele Prozesse rund um die Kontoführung sind jetzt standardisierbar und mit Software und Rechnerleistung millionenfach in sehr kurzer Zeit durchführbar. Mit hohem Kostenvorteil gegenüber der bisherigen Praxis: Deutsche Bank und Dresdner Bank, die beiden Großen im Privatkundengeschäft, lagern ihren Zahlungsverkehr deshalb an die Postbank aus. Die Kooperation mit der Dresdner Bank ist im Mai dieses Jahres gestartet, ab Juli wickelt die Deutsche Bank ihren Zahlungsverkehr über den Dienstleister Postbank ab. Neben den eigenen gut drei Milliarden Transaktionen pro Jahr werden über die Rechner der Postbank dann weitere 2,7 Milliarden laufen.

Der einst behäbige Staatsbetrieb hat sich mit neuer Infrastruktur, seinem neuen Produkt und neuen Standards an die Spitze gesetzt. Die SAP-Software hat weitere Kunden gefunden. Dadurch sinken die Preise, die die Postbank für den Backoffice Support zahlen muss. Für alle Beteiligten ein einträgliches Geschäft.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.