Glänzend informiert

Kundennähe. Wie wird man Vorreiter in einer ohnehin schon innovativen Branche? Das Chemieunternehmen Byk-Chemie hört genau hin, was sich die Kundschaft wünscht. Und ist seiner Konkurrenz dadurch einen Schritt voraus.




Einfach einen roten Lack zu kaufen ist ein Ding der Unmöglichkeit. Der Verkäufer ist vollkommen ratlos, wenn er nicht weitere Informationen bekommt. Soll der Lack auf Wasser oder auf Lösemittel basieren, soll er glänzen oder besonders schnell trocknen, transparent oder deckend sein, Stößen oder lieber Kratzern trotzen, wird damit Holz, Metall oder Kunststoff gestrichen, ist er für außen oder innen gedacht und überhaupt: Was für ein Rot? Erst wer detailliert alle Fragen beantwortet, bekommt am Ende einen Lack, der wirklich passt.

Die Vielfalt kommt nicht von ungefähr. Zusatzstoffe, so genannte Additive, verleihen den Anstrichen erst ihre besonderen Eigenschaften. Obwohl die Additive nur ein Promille bis ein Prozent der Gesamtmenge ausmachen, sind sie doch so etwas wie die Würze im Eintopf aus Harzen, Lösemitteln und Farbpigmenten. Weil der Mensch schon immer darauf aus war, die Farbenpracht der Natur auf Haar, Stoff, Fell, Leder, Fels, Holz, Ton oder Metall zu bannen, gibt es heute in beinahe jedem Land der Erde eigene Farbenfabrikationen. Additive herzustellen erfordert jedoch ein ganz spezielles Wissen, das ständig wächst. Das nötige Know-how hat längst nicht jeder. Nur wenige Spezialchemiefirmen für Additive, meist deutschen Ursprungs, liefern deshalb in die ganze Welt.

Innovativ ist, was sich am Markt durchsetzt

An der Spitze der Branche steht mit einem Umsatz von rund 350 Millionen Euro die Byk-Chemie GmbH aus dem niederrheinischen Städtchen Wesel, eine hundertprozentige Tochter der Altana Chemie AG. Während sich die Industrie im Schnitt mit etwa drei Prozent Forschungs- und Entwicklungsausgaben begnügt, investiert Altana Chemie rund fünf Prozent des Umsatzes in die Erforschung neuer Produkte. Damit allein wäre die Marktführerschaft jedoch nicht zu erreichen. „Erfindungen gibt es viele“, meint der Vorsitzende der Geschäftsführung, Roland Peter, „Innovationen nur wenige.“ Der Erfolg am Markt macht den Unterschied.

Dass die Byk-Chemie innovativ ist, lässt sich an ihren Produkten ablesen. Insgesamt rund 380 verschiedene Substanzen hat die Firma im Angebot, 15 bis 20 kommen jedes Jahr neu dazu. 2001 waren sieben Prozent aller Produkte jünger als fünf Jahre, im vergangenen Jahr lag der Anteil der Neuerscheinungen schon bei 14 Prozent. Nicht jede ist chemisch ein Quantensprung, sagt Peter, aber jede bringt dem Endverbraucher das entscheidende Quäntchen Mehrwert.

Auf drei ihrer Neuheiten der vergangenen Jahre sind die Byk-Chemiker nicht zu Unrecht stolz.

• Rheologie-Additive: Wer einmal eine Decke über Kopf gestrichen hat, kennt das Problem, dass dünnflüssige Farbe Gesicht und Haare besprenkelt und den Pinselstiel in Richtung Arm hinunterläuft. Ist sie dagegen so dick, dass sie nicht mehr kleckert, lässt sie sich kaum noch streichen. Die Lösung für den Verbraucherärger liefert ein Additiv, das den Lack im Ruhezustand dick wie Margarine macht, ihn bei mechanischer Beanspruchung, beim Schütteln und Streichen, aber flüssig werden lässt. Zehn Jahre hat es gedauert, bis die Chemiker eine rheologisch aktive, das heißt: die Fließeigenschaft beeinflussende Substanz gefunden und so verstanden hatten, dass sie in Lacksysteme eingebaut werden konnte.

• Selbstreinigungs-Additive: Der so genannte Lotus-Effekt ist ein Paradebeispiel für die technischen Finessen der Natur und für die Cleverness des Menschen, sie nachzuahmen. Der Lotus-Effekt entsteht durch eine mikroraue Oberfläche, die so stark Wasser abweisend ist, dass Schmutz nur lose haftet und vom nächsten Wassertropfen abgespült wird. Gerald Kirchner, Leiter der Produktentwicklung bei Byk-Chemie, demonstriert es an einem silbrig beschichteten Schälchen. Ein Wassertropfen saust darin umher wie auf einer heißen Herdplatte. Streut Kirchner Pfeffer in das Schälchen, nimmt der Tropfen jedes Mal, wenn er über die Krümel saust, ein wenig von ihnen mit, bis er am Ende grau, träge und doppelt so groß geworden ist – und die Schale wieder jungfräulich glänzt.

Ein Fortschritt in der Forschung ist noch kein Produkt

So beeindruckend der Effekt auch ist, ein Produkt hat man damit noch nicht. Forscher scheiterten bislang an dem Problem, die Rauheit der Oberfläche zu erhalten. Schon ein Daumendruck lässt die winzigen Zäpfchen, die in genau definierten Abständen zueinander stehen müssen, um die Mikrorauheit zu erzeugen, wie Kegel in einer Bowling-Bahn umfallen. Byk-Chemikern gelang immerhin eine Annäherung an die ideale Beschichtung: Ihr Additiv macht Lacke so abstoßend, dass Wasser von einer lackierten Platte restlos abperlt, wenn die Platte leicht geneigt wird. Schmutz wird mitgerissen, sogar Permanentmarker lassen sich mühelos abwischen. Gedacht ist die Substanz zum Beispiel für Anti-Graffiti-Lackierungen.

• Nano-Additive: Mini-U-Boote putzen Blutgefäße, kugelige Behälter transportieren einzelne Wirkstoffmoleküle durch den Körper – willkommen in der Welt des Nano-Kosmos. Byk-Forscher haben sich nach eigenen Angaben als Erste in der Branche in diesen Kosmos vorgewagt. Und sie wurden fündig: Winzige Partikel aus Silizium- und Aluminiumoxid lassen ihre Lacke seitdem besonders kratzfest werden. Selbst hundert Abreibungen mit der Stahlbürste hinterlassen auf dem Anstrich keine Spuren.

Die Innovation ist ein Gemeinschaftswerk. Grundlegende Erkenntnisse aus der Nano-Forschung holten sich die Weseler bei einem Spezialisten, der US-Firma Nanophase Technologies Corporation. Byk brachte das eigene Additiv- und Lack-Know-how in die Partnerschaft ein, und so gelang gemeinsam der große Wurf. Inzwischen ist bereits das vierte Nano-Additiv auf dem Markt. Die neuen Partikel sind mit speziellen Molekülen überzogen, die helfen, die sonstigen Lackeigenschaften nicht zu beeinträchtigen. Eine deutliche Verbesserung gegenüber der ersten Generation – und die ist gerade mal anderthalb Jahre alt.

Angesichts derartiger Erfolgsgeschichten stellt sich die Frage: Wie machen die das? Wie gelingt es der Byk-Chemie mit ihren 935 Mitarbeitern, Bestmarken für den Weltmarkt zu setzen – und das immer wieder?

Die Antwort fängt vermutlich da an, wo neue Produkte für gewöhnlich entstehen, also im Labor eines begabten jungen Forschers. Schon falsch. In Wesel beginnt der typische PEP, der Produktions-Entwicklungs-Prozess, deutlich früher. „Wir sind kundengetrieben“, sagt Roland Peter. Und das meint er ernst. Sämtliche Außendienstmitarbeiter sind darauf eingeschworen, das Ohr am Kunden zu haben, und zwar so nah wie möglich. Der Vertriebsmitarbeiter, der Wünsche, Anregungen und Kritik aus dem Markt an die Zentrale weitergibt, gilt in Wesel nicht als Nervensäge, er wird mit Prämien belohnt. Aber auch die Organisationsstruktur ist konsequent nach den „End-Uses“ aufgestellt. Die Byk-Chemie hat sich nicht wie sonst üblich nach den Eigenschaften der Lacke sortiert oder gar nach den chemischen Charakteristika der Additive. Der Unternehmensaufbau folgt den Industrien, die den Lack später verarbeiten: Holzlack, Malerlack, Autolack und so weiter.

Forschung ist wichtig, aber Service ist für jeden Bereich oberstes Gebot. Deshalb stehen in den Labors etlicher Lack- und Kunststoffhersteller rund um den Globus Fläschchen-Batterien mit den gängigsten Byk-Additiven. Wenn ein Produzent, sei es in Taiwan, Brasilien oder Namibia, auch damit ein Problem nicht lösen kann, wird zunächst geprüft, ob ihm ein anderes Byk-Additiv weiterhilft. Bei der Suche nach der passenden Lösung unterstützen den Kunden acht Servicelabors in sieben Ländern mit insgesamt 87 Mitarbeitern, davon 65 in der Zentrale in Wesel. Für weitergehende Versuche bekommt der Kunde kostenlose Probenfläschchen geschickt – weltweit innerhalb eines Werktages, sagt Unternehmenssprecher Frank Dederichs. 400.000 Proben werden pro Jahr verschickt. Das sind 20 Tonnen Gratisprodukte für die Kunden – und tausende hilfreicher Hinweise für das Unternehmen. Bringt keine Probe das gewünschte Resultat, ergeht Meldung an eine zentrale Datenbank in Wesel.

„Allen Wünschen können wir nicht nachgehen“, sagt Gerald Kirchner, der oberste Produktentwickler, „sonst müsste das Laborgebäude dreimal so groß sein.“ Aber alle Kundenwünsche werden ernst genommen und gehört. Ein Bewertungsteam entscheidet jeweils, ob nach einem neuen Additiv geforscht werden soll. Kirchner skizziert die Entscheidungskriterien in einem Koordinatenfeld mit einer Forschungs- und einer Marketingachse. Die Waagrechte nennt er „Technology Fit“, was so viel heißt wie technische Machbarkeit. Die vertikale Achse beziffert den zu erwartenden kommerziellen Erfolg. Jeder Kundenwunsch landet in einem der vier Quadrate. Ist der Ertrag hoch einzuschätzen und die Machbarkeit abzusehen, gibt Kirchner auf jeden Fall sein „Go!“. Drohen bei guter Ertragsaussicht größere technische Probleme, steht hinter dem „Go“ schon ein Fragezeichen. Bei einem Nischenproblem mit voraussichtlich geringen Umsätzen, das jedoch leicht realisierbar ist, sagt Kirchner: „Mitnehmen“. Ist das Nischenproblem auch noch schwer zu lösen, wird es wohl nichts mit dem Entwicklungsprojekt.

Von hundert Ideen, schätzt Geschäftsführer Roland Peter, bleiben auf diese Weise rund zehn Projekte übrig, die ihren Weg ins Labor finden. Doch nicht alles, was dort landet, geht auf einen Kundenwunsch zurück. Auch wenn sie oft von Wettbewerbern kopiert werden, sagt Peter, müssen die Forscher der Byk-Chemie manchmal nachmachen, was die Konkurrenz vorgelegt hat – und die Kopie dabei verbessern. Ein Drittel der Labor-Projekte, schätzt Produktentwickler Kirchner, kommt gar nicht von außen. Es handelt sich um Verbesserungen bestehender Produkte oder um die Ergebnisse so genannter Technologieprojekte. Bei ihnen wird „auf der grünen Wiese“, das heißt ohne Zeitdruck und ohne konkrete Zielvorgabe, etwas ausprobiert.

Der Mitarbeiter ist so wichtig wie der Kunde

Damit die Chemiker mit Lust an ihre Tüftelarbeit gehen, wurden sie in die Planung des neuen Laborgebäudes, das 1999 in Betrieb ging, eingebunden. Statt einen Architekten damit zu beauftragen, eine möglichst Platz und Kosten sparende Lösung auszuarbeiten, rief die Geschäftsleitung die Belegschaft zusammen und fragte: Wie wollt ihr die Labors haben? Zwei Wünsche standen ganz oben auf der Liste: Das Büro des Laborleiters sollte in unmittelbarer Nähe sein. Und jedes der 24 Forschungs-Labors sollte einen eigenen, integrierten Lagerraum bekommen. 24 Lagerräume? Wo doch selbst große Universitätsinstitute mit nur einem Glas- und einem Chemikalienlager auskommen, die oft im hintersten Kellerwinkel versteckt und nur selten besetzt sind. Das Ansinnen versteht wohl nur, wer sich als junger Forscher während seiner Diplom- und Doktorarbeit an diesem Hemmschuh wund gescheuert hat. Oder wer die Bedürfnisse seiner Mitarbeiter so ernst nimmt wie die seiner Kunden. Obwohl die aufwändige Ausstattung der Labors mit diversen Zuleitungen und dem Abluftsystem eigentlich erfordert hätte, sie so dicht wie möglich zu packen und Büros und Lager weiter entfernt unterzubringen, wurde in Wesel so lange mit den Architekten geknobelt, bis eine Lösung gefunden war.

Haben die Chemiker eine vielversprechende Substanz gefunden, rühren Anwendungstechniker damit einen Lack an. Meist sind dessen Eigenschaften nicht auf Anhieb ideal. Also auf ein Neues zurück ins Labor.

Das Spiel geht so lange, bis die Substanz dem geforderten Profil entspricht. Doch auch dann halten die Chemiker noch kein vermarktbares Additiv in Händen. Schließlich muss es erst noch produziert werden. Keine triviale Aufgabe, denn was im kleinen Kolben im Labor funktioniert, lässt sich im 30.000-Liter-Kessel nicht unbedingt reproduzieren. Bei neuen Reaktionen erfolgt die Anpassung schrittweise: Im Mini-Plant mit zwei Litern Fassungsvermögen, im Labor-Technikum mit 120 Litern und schließlich im Produktions-Technikum mit 1000 Litern, bis der Prozess in einem der 30 bis zu 30.000 Liter fassenden Produktionskessel problemlos läu

98 Prozent Eigenentwicklungen stecken im Prozess

Diese stufenweise Übertragung vom Labor- in den Produktionsmaßstab kostet viel Zeit und sehr viel Geld. Produktionsleiter Udo Krappe ist dennoch nur selten bereit, darauf zu verzichten. Das habe nichts mit sturem Bürokratismus zu tun, sagt er. Ja, die eine oder andere Reaktion sei so vertraut, dass mit der Produktion sofort begonnen werden könne. Auch durch Computersimulationen lassen sich hin und wieder Kosten einsparen. Um die Margen zu erhöhen, spielen einige Firmen die so genannten Upgrading-Schritte inzwischen sogar nur noch im Rechner durch. Für Krappe kommt das nicht in Frage. „Ich würde mich strikt weigern, so etwas in die Produktion zu lassen“, sagt er. Auch wenn das nicht modern und innovativ klinge, er vertraue eben lieber dem realen Experiment.

Bei der computergesteuerten Produktion der 50.000 Tonnen Additive jährlich ist Transparenz oberstes Gebot. Jeder Schritt, vom Anliefern der Rohstoffe bis zum Palettieren der fertigen Fässer, wird registriert und überwacht. Sollte es tatsächlich beim Kunden ein Problem geben, etwa wenn ein Autolack Blasen wirft, dann kann die Entstehung jeder Charge bis zur Rohstoffanlieferung zurückverfolgt werden. 98 Prozent Eigenentwicklungen stecken laut Krappe im Produktionsprozess. Er wird ständig überprüft und optimiert. Sobald es irgendwo hakt oder es etwas zu verbessern gibt, schaltet sich ein mehrköpfiges Team ein, um der Sache auf den Grund zu gehen. Die Fehlersuche ist Teil des Systems, und jede Meldung, die hilft, etwas besser zu machen, ist ausdrücklich erwünscht. Alle „Impulse“ werden vom Unternehmen deshalb prämiert.

Neben dem Projektleiter, der unter Marketing-Gesichtspunkten Zeit- und Zielvorgaben definiert, gibt es für jedes Produkt im Unternehmen einen so genannten Stoffverantwortlichen. Er wird aus den Reihen der Forscher ernannt und begleitet die neue Substanz von den ersten Syntheseversuchen bis in die Produktion oder sogar bis zum Kunden. Für jeden Teilschritt stellt er ein passendes Team zusammen.

Sicherheit, Transparenz und Verlässlichkeit. Die Byk-Chemie ist modern – und fühlt sich deshalb alten Tugenden verpflichtet. Auch Sauberkeit gilt als hoher Wert, darauf ist Produktionsleiter Udo Krappe stolz. Was sich schon außerhalb des sechsstöckigen Produktionsgebäudes bei der Rohstoffanlieferung gezeigt hat, setzt sich im Inneren fort. Nichts leckt, nichts qualmt, nichts steht im Weg, nichts liegt offen herum – und das auf allen Ebenen. Das oberste Stockwerk durchziehen meterdicke glänzende Be- und Entlüftungsschächte, riesige Öfen sorgen für die Verbrennung der Abgase. In Ebene fünf lagern die rund 380 verschiedenen Rohstoffe. Im Stockwerk darunter, der so genannten Beschickungsebene, betanken Fachleute die Produktionskessel, und von Ebene drei bis eins reichen die großen Kessel, deren Inhalte unten in Ebene null in Fässer abgefüllt werden. Sie werden im letzten Schritt in einer eigenen Halle etikettiert und auf Paletten reisefertig verpackt.

Wertschätzung und ein gutes Klima

„Das hat auch nicht jeder“, sagt Krappe in Ebene eins und zeigt auf ein kühlschrankgroßes Edelstahlrohr-Gebilde mit zwei massiven Stellrädern: eine Molchanlage. Sie schießt mit Überdruck einen Edelstahl-Teflon-Gummi-Kolben durch die Rohre, um sie zu säubern. Das Verfahren stammt aus der Erdölbranche und heißt im Englischen „Pigging“, weil die Kolben beim Sausen durch die Erdölrohre quietschen wie ein Schwein. Nicht für jeden Rohstoff und jedes Produkt kann eine eigene Leitung gebaut werden, deshalb müssen die Rohre ständig gereinigt werden. Das Molchen ist zwar eine aufwändige, aber sehr effektive und damit eine sichere Technik.

Und auch sie ist Bestandteil all dessen, was die Byk-Chemie zu einem innovativen Unternehmen macht und was der Vorsitzende der Geschäftsführung mit dem Begriff „gutes Klima“ zusammenfasst. Roland Peter versteht darunter eine Haltung gegenüber dem Kunden, den Nachbarn und den Besuchern. Vor allem aber geht es ihm um die „die Wertschätzung der Mitarbeiter“. Innovationen werden von Menschen gemacht, also betrachtet es Peter als seine wichtigste Aufgabe, dafür zu sorgen, dass sich die Mitarbeiter angstfrei entwickeln können und wollen. Gute Leistungen werden bei der Byk-Chemie wahrgenommen und honoriert. Wer besser werden will, darf sich weiterbilden und lernen.

Der Aufbau von Wissen und der Wissenstransfer sind fester Bestandteil der Unternehmenskultur. Denn Neues, davon ist man in Wesel überzeugt, entsteht auch durch einen neuen Blick oder durch die Verknüpfung von Vertrautem und Fremdem. Udo Krappe beispielsweise arbeitet seit knapp zehn Jahren bei der Byk-Chemie. Vor einem Jahr hat er die Leitung der Produktion übernommen, davor forschte der promovierte Chemiker. Zunächst war er gar nicht so glücklich, als Peter ihm die Produktionsleitung anbot. Schließlich hatte Krappe gerade einige Projekte angestoßen, die er nur zu gern weiterverfolgt hätte. Andererseits reizte ihn die neue Aufgabe, in die er sein Forschungs-Know-how gut einbringen konnte. Er hat seine Entscheidung nicht bereut – und der Innovationskraft des Unternehmens hat sein Wechsel ganz sicher nicht geschadet.

„Solche Beispiele werden wir mehr haben müssen“, sagt Peter. Immerhin, der Wissenstransfer mit den Niederlassungen im Ausland läuft bereits rege. Mitarbeiter aus Wesel gehen ebenso für ein paar Monate ins Ausland, wie Kollegen aus Brasilien oder Asien an den Rhein kommen. „Unsere Reisekosten sind durch die Transfers enorm gestiegen“, sagt Peter. In seinen Augen ist es gut angelegtes Geld. Der Austausch fördert persönliche Kontakte. Und die helfen nicht nur, die Unternehmenskultur zu verbreiten, sie sorgen auch für so manche neue Idee.

Die ist bitter nötig, denn ausruhen darf sich auch ein Marktführer nicht. Matthias Wolfgruber, Vorstandsvorsitzender der Altana Chemie AG und Vorstandsmitglied der Altana AG, wird nicht müde, den Innovationsgeist des Unternehmens zu beschwören. „Innovativ zu sein reicht in unseren anspruchsvollen und sich rasch verändernden Märkten nicht mehr“, erklärt er. „Wir müssen Innovationsführer sein, und dazu brauchen wir keine Verwaltung des Bestehenden, sondern den Willen zur Veränderung, denn Innovation bedeutet immer Transformation.“

Zur Innovation verdammt

Ermuntert vom Vorstand, getrieben von der Konkurrenz, gefordert von Kunden und Mitarbeitern und immer nach noch höheren Gewinnen strebend – macht das auf Dauer nicht müde? Der Marktführer sei nun einmal zur Innovation verdammt, sagt Peter, und in seinen Worten ist wenig Bedauern zu spüren. Er scheint es tatsächlich zu begrüßen, wenn Kunden die Konkurrenz anstiften, Byk-Produkte zu imitieren, um ihre Abhängigkeit vom Weseler Unternehmen zu reduzieren. Die nehmen das manchmal zwar allzu wörtlich, etwa wenn sie die Byk-Chemie vom Messeauftritt über das Logo bis hin zu kleinen Kundengeschenken kopieren.

Peter ist dennoch sicher: Es wird immer Entwicklungsmöglichkeiten und damit die Chance geben, den Wettbewerbern mindestens einen Schritt voraus zu sein – schon deshalb, weil sich die Kunden nie mit dem Erreichten zufrieden geben. War vor einigen Jahren noch die Wasserlöslichkeit das große Ziel, sind es morgen vielleicht schon nachwachsende Rohstoffe. Würde dieser Innovationsdruck fehlen, glaubt Peter, wären die Folgen fatal. Warum? „Weil wir dann nicht mehr das Beste aus uns herausholen.“

Mutter und Tochter

Die Unternehmen Byk-Chemie und Altana Chemie 1873 gründete Dr. Heinrich Byk eine chemische Fabrik in Berlin, die 23 Jahre später in eine Aktiengesellschaft umgewandelt wurde. 1917 fusionierte sie mit den Farb- und Gerbstoffwerken zur Byk-Guldenwerke Chemische Fabrik AG. 1941 übernahm Günther Quandt, Vorstandsvorsitzender der Afa AG (später Varta AG), das Ruder. Der Firmensitz wurde nach Konstanz verlegt. Ab 1954 leitete Quandts Sohn Herbert die Geschäfte. 1962 wurde das Werk in Wesel gegründet, um Additive zu produzieren. Seit 1983 heißt es Byk-Chemie. 1977 wurde die Pharma-Sparte der Varta AG in die Altana AG umgewandelt. Der erste Vorstandsvorsitzender des Konzerns wurde Herbert Quandt.

Die Zentrale der Konzerntocher Byk-Chemie liegt wie die der Muttergesellschaft in Wesel. Mit weltweit 935 Mitarbeitern erwirtschaftete das Byk 2004 einen Umsatz von 348 Millionen Euro, 1994 waren es 140 Millionen Euro. Der Anteil der Produkte, die jünger sind als fünf Jahre, hat sich zwischen 2001 und 2004 von sieben auf 14 Prozent verdoppelt.

In Wesel sind 554 Mitarbeiter beschäftigt, 190 davon in Labors. Forschungsstätten unterhält Byk-Chemie in Europa (Deutschland, Niederlande), Amerika (USA, Brasilien) und Asien (China, Japan, Südkorea, Singapur). In 115 Ländern und Regionen gibt es Lager und Vertretungen. 105 technische Kundenberater bilden ein weltweites Servicenetz. Zur Byk-Chemie gehören auch der Instrumenten-Hersteller Byk-Gardner GmbH und der Produzent von Wachs-Additiven Byk-Cera BV.

Das Mutterunternehmen Altana Chemie AG vereint die vier etwa gleich großen Tochterfirmen Byk-Chemie GmbH, Altana Electrical Insulation GmbH, Altana Coatings & Sealants GmbH sowie seit Oktober 2005 den Effekt-Pigment-Hersteller Eckart GmbH & Co. KG. Altana Chemie erzielte 2004 einen Umsatz von 854 Millionen Euro, dreieinhalbmal mehr als zehn Jahre zuvor. Seit 1994 haben sich die Aufwendungen für Forschung und Entwicklung von 17 auf 38 Millionen Euro mehr als verdoppelt. Jeder fünfte Mitarbeiter ist in diesem Bereich tätig.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.