Was passiert, wenn nichts passiert

Der Welt droht eine Energiekrise. Die International Energy Agency hat Kassensturz gemacht und herausgefunden: An Ressourcen, Technologien, Geld und Konzepten fehlt es nicht.
Woran dann?




Wenn aus dem kanadischen Weyburn-Ölfeld eines Tages der letzte Tropfen Öl gepumpt ist und die Bohrtürme jungen Baumsprösslingen gewichen sind, wird das unterirdische Reservoir nicht leer, sondern voll sein. Voll mit einem Stoff, vor dem die Erde sich kaum noch retten kann: Kohlendioxid, Klimakiller und Auspuffgas der modernen Welt. Da bisher alle Bemühungen gescheitert sind, den CO2-Ausstoß angemessen zu senken, arbeiten Forscher an Plan B: Statt das Verbrennungsgas weiterhin aus Fabrikschloten, Kraftwerktürmen und Automotoren in die Atmosphäre verpuffen zu lassen, wollen sie es sammeln und in leere Ölfelder einschließen. Theoretisch reicht der unterirdische Stauraum für den CO2-Ausstoß von Jahrzehnten, und die Gaszufuhr kann bei der Ölförderung sogar nützlich sein. Den Flaschengeist des Fortschritts wieder einsperren – das wäre doch was.

Die Zukunft vor der Gegenwart schützen

Es sind Ideen wie diese, mit denen Claude Mandil seinen Optimismus füttert. Bis das Verfahren tatsächlich eingesetzt werden kann, fehlen allerdings noch fünf Milliarden Dollar und 15 Jahre Forschung sowie ein weltweiter Konsens unter Politikern, dass die nächste Generation wichtiger ist als die nächste Wahl. Doch der Glaube an den Fortschritt und die menschliche Vernunft gehören für Mandil zum Job. Der Franzose leitet die International Energy Agency (IEA), die wohl wichtigste Denkwerkstatt der internationalen Energiepolitik mit Sitz in Paris.

Aus einem Waschbetonbunker am Fuß des Eiffelturms heraus versuchen 180 Experten, den Schutz der Zukunft vor der Gegenwart zu organisieren. „Die gute Nachricht zuerst: Um die Ölversorgung brauchen Sie sich keine Sorgen zu machen. Nach unseren Erkenntnissen reichen die Ressourcen noch für Jahrzehnte und vielleicht sogar Jahrhunderte“, nimmt Mandil die brennendste Frage vorweg. „Ansonsten ist die Situation sehr ernst.“

Eine harmlose Formulierung. Wir steuern in eine Katastrophe. Der Welt droht ein Energiekollaps, die Systeme sind überlastet, die Ressourcen werden knapp. Der Treibhauseffekt verursacht wirtschaftliche und soziale Kosten von unvorstellbarem Ausmaß. Der Kampf um Rohstoffe hat mit dem Irakkrieg gerade erst begonnen und lässt sich mit den Mitteln des Terrorismus an jeden Ort der Erde tragen. Das globale Energieproblem bedroht den Weltfrieden, vom Wohlstand ganz zu schweigen.

Angesichts solch düsterer Prognosen ist es nicht leicht, nüchtern und sachlich zu bleiben. Doch das ist die einzige Chance. Mandil weiß, dass Höllenszenarien und apokalyptische Reiter lähmen oder langweilen. Doch er möchte wachrütteln: Neue Technologien müssen her, die Energie sauber herstellen und effizienter nutzen. Politiker müssen anfangen, langfristige Notwendigkeiten über kurzfristige Interessen zu stellen. Verbraucher müssen erkennen, dass sich die Probleme nicht von oben, sondern höchstens von unten lösen lassen. Nachdenken, Querdenken und Umdenken ist angesagt. Und es ist Zeit für bittere Wahrheiten: Denn egal, was passiert – es wird sehr, sehr teuer werden.

Dass all dies keine Panikmache oder Wichtigtuerei ist, zeigt die IEA in ihrem jährlichen „World Energy Outlook“, der die Erkenntnisse von hunderten Workshops, Kongressen und Ministertreffen zusammenträgt. „2004 haben wir zwei Szenarien erstellt, um herauszufinden, wie die Welt im Jahr 2030 aussehen könnte“, erklärt IEA-Chefökonom Fatih Birol. In ihrem Basis-Szenario gehen die Experten davon aus, dass die derzeitige Energiepolitik beibehalten wird. In diesem Fall läge der weltweite Bedarf im Jahr 2030 rund 60 Prozent höher als heute. Der CO2-Ausstoß stiege mit 65 Prozent sogar noch schneller, weil die steigende Nachfrage überwiegend (zu 85 Prozent) mit Öl, Gas und Kohle, also fossilen Brennstoffen, gedeckt werden müsste.

Gerade dieser Energiemix birgt Gefahren. Solange Erdöl die mit Abstand wichtigste Energiequelle der Welt bleibt, steigt auch die Abhängigkeit der globalen Wirtschaft von Regionen mit hoher politischer Instabilität, vor allem dem Nahen Osten. 2030 werden die OPEC-Staaten einen Weltmarktanteil von mehr als 50 Prozent haben – mehr als zur Zeit der Ölkrisen in den siebziger Jahren.

Neue Technologie, hohe Investitionen, mutige Politik

Getrieben wird der wachsende Energiebedarf vor allem von der steigenden Nachfrage der Entwicklungsländer, für die der Aufbau moderner Energiesysteme die dringendste Voraussetzung für wirtschaftliche Entwicklung ist. Allein der Boom in China trug im vergangenen Jahr 40 Prozent zum Rekordhoch des Ölpreises bei. „Es wäre unfair, diesen Ländern die Schuld für die Probleme zu geben, denn sie verbrauchen bisher nur ein Zehntel so viel wie wir“, rückt Mandil die Maßstäbe gerade. „Aber dass die ganze Welt eines Tages das gleiche Energieniveau haben könnte, wie es der Westen heute hat, ist technisch absolut unmöglich. Wenn wir keine Lösung für diese Ungleichheit finden, drohen uns Verteilungskämpfe mit fürchterlichen Konsequenzen.“

So weit muss es nicht kommen. In einem Alternativ-Szenario zeigt die IEA, was sich verbessern ließe, wenn alle derzeit in Wirtschaft und Politik diskutierten Maßnahmen tatsächlich umgesetzt würden – etwa die Modernisierung von Kraftwerken oder die weltweite Einführung strikter Umweltstandards. All das zusammen würde laut IEA-Berechnung zu einem Anstieg des Energieverbrauchs von 44 Prozent und einem immerhin noch knapp 40 Prozent höheren CO2-Ausstoß führen.

Mandil will noch mehr: „Wir brauchen neue Technologien, hohe Investitionen und mutige Politik. Vor allem aber benötigen wir ein völlig neues Energiebewusstsein. Denn wenn die Öffentlichkeit nur etwas besser informiert wäre, würden sich viele Probleme von selber lösen.“

Die Revolution fand nicht statt

Vor einiger Zeit hat die IEA untersucht, wie viel Geld und Strom sich einsparen ließen, wenn Käufer von Haushaltsgeräten nicht nur den Ladenpreis, sondern die Gesamtkosten über die Nutzungsdauer beachten würden. In entwickelten Ländern, so das Ergebnis, ließe sich ein Drittel des privat verbrauchten Stroms sparen (siehe Seite 14). In Deutschland würde das ausreichen, um rund die Hälfte der Kohlekraftwerke abzuschalten.

Ein nachhaltiges Energiesystem steht und fällt aber auch mit der Entwicklung neuer Technologien, die ohne fossile Brennstoffe auskommen oder zumindest kein Kohlendioxid freisetzen. An technologischen Ansätzen fehlt es nicht, wohl aber an der richtigen politischen Weichenstellung. Seit Jahrzehnten arbeiten Wissenschaftler an Windparks (siehe Seite 14), Brennstoffzellen (siehe Seite 15), dezentralen Kraftwerken, Biotreibstoffen, Sonnenkollektoren, Kraft-Wärme-Kopplung oder Gasverflüssigung. Doch bisher ist es ihnen nicht gelungen, im Dschungel von politischer Machbarkeit und ökonomischen Zwängen eine Revolution anzuzetteln.

Auch die IEA rechnet nicht mit einem schnellen Aufschwung: Zwar dürfte sich der weltweite Anteil von Wasser- und Windkraft sowie Biotreibstoffen bis 2030 verdreifachen, das bedeutet aber nur eine Steigerung von zwei auf sechs Prozent. Die Möglichkeiten herkömmlicher umweltfreundlicher Technologien sind damit bereits ausgeschöpft. Flüsse, an denen sich neue Wasserkraftwerke bauen lassen, und Flächen, die sich für Windturbinen eignen, werden in Europa schon heute rar.

Ökonomisch können die neuen Technologien mit etablierten Energieformen erst dann konkurrieren, wenn sie in der Praxis ausgiebig getestet und optimiert wurden und schließlich in großen Stückzahlen hergestellt werden können, um Skaleneffekte zu nutzen. Wann dieser Punkt erreicht wird, ist strittig. „In den USA erwartet man, dass sich die Kosten in den nächsten zehn Jahren halbieren könnten“, meint Antonio Pflüger, Leiter der internationalen Technologiezusammenarbeit bei der IEA und ehemaliger Referatsleiter für Energie und Umwelt im Bundeswirtschaftsministerium. „Das ist ein gewaltiges Potenzial, aber natürlich keine Erfolgsgarantie.“

Bisher kostet in Deutschland die Herstellung einer Kilowattstunde (kWh) Strom mit Kohle oder Kernenergie rund 3,4 Eurocent. Strom aus erneuerbaren Energieformen zu erzeugen ist sehr viel teurer: 6,7 Cent/kWh aus Biomasse, 7,3 Cent/kWh aus Wasserkraft und 8,4 Cent/kWh aus Windenergie.

„Neue Technologien können nur dort entstehen, wo sie staatlich gefördert werden“, meint Pflüger. Doch je leerer die öffentlichen Kassen sind, desto schwieriger lassen sich staatliche Subventionen rechtfertigen. Wo soll man die Grenze ziehen zwischen sinnvollen Anschubinvestitionen und Mittelverschwendung?

Das Recht auf Schmutz

Wirkliche Fortschritte sind bei neuen Technologien erst zu erwarten, wenn die Energiepreise deutlich steigen. Darüber zu spekulieren ist allerdings so unsicher wie die Wettervorhersage. Sicher ist jedoch, dass Unternehmen künftig um ein Gut feilschen müssen, das bislang umsonst war: das Recht, die Luft zu verschmutzen. Emissionen haben einen Preis, seit Anfang des Jahres in Europa die CO2-Märkte eröffnet sind. Um gemäß dem Kyoto-Protokoll den CO2-Ausstoß zu senken, erteilen die europäischen Regierungen ihren Unternehmen Lizenzen, in denen der zulässige Kohlendioxidausstoß festgelegt ist. Hat eine Firma einen geringeren Ausstoß, kann sie ihre Emissionsrechte an Unternehmen mit höherem Bedarf verkaufen und umgekehrt.

Der Einfluss des Energiepreises ist ebenfalls begrenzt „Die Prozesse lassen sich nicht beliebig beschleunigen“, sagt Mandil. „Die wissenschaftlichen Innovationsschübe, die für eine nachhaltige Energieentwicklung nötig sind, werden frühestens in einigen Jahrzehnten einsatzbereit sein, wahrscheinlich erst nach 2030.“

Bis dahin besteht der größte Hebel darin, die existierenden Technologien besser und effizienter einzusetzen. Dazu gehört die schnelle Weiterentwicklung von Biotreibstoffen, effizienteren Gas- und Kohlekraftwerken und der Ausbau der Kernenergie.

Flüssiges Gas und saubere Kohle

Laut IEA-Hochrechnungen dürfte der Anteil der Kernkraftwerke an der weltweiten Energieproduktion in den kommenden Jahrzehnten sinken, obwohl der Bau neuer Anlagen weitergeht. Für Fachleute ist das kein gutes Zeichen. „Das bedeutet, dass die fossilen Kraftwerke noch schneller wachsen“, erklärt McKinsey-Partner Thomas Vahlenkamp, Leiter des Sektors Global Energy & Materials in Deutschland. „Und das trägt zum globalen Klimaproblem bei.“

Vor allem China und Indien, die nur über sehr geringe Rohstoffressourcen verfügen, setzen auf Atomkraftwerke, um ihren rasant wachsenden Bedarf zu decken. Aber auch in den OECD-Staaten, wo bis 2030 drei Viertel der bestehenden Anlagen aus Altersgründen stillgelegt werden müssen, entstehen neue Meiler. „Viele Probleme, vor allem die Atommüllentsorgung, sind zwar noch ungelöst“, sagt Mandil, „aber wir werden auch in Zukunft nicht ohne Atomenergie auskommen.“

Auch Erdgas spielt für die IEA eine große Rolle, weil sein Wirkungsgrad höher ist als bei Kohle oder Öl. Ein großes Problem stellt bisher allerdings der Transport dar. Zwar sind Techniken zur Verflüssigung von Erdgas bereits industriereif. Doch weil Gas bisher vor allem dort genutzt wurde, wo es natürlich vorkam, haben sich verschiedene Klassifizierungen und Techniken entwickelt, deren Vereinheitlichung eine industriebürokratische Mammutaufgabe bedeutet.

Einen Ansatz zur umweltfreundlichen Nutzung von Kohle hat der Europäische Stein- und Braunkohleverband, Euracoal, im Januar in Brüssel vorgestellt. „Clean Coal“ heißt das gemeinsam mit den Kohlestromproduzenten entwickelte Konzept, das Regierungen und Energiekonzernen einen Rahmen für die Entwicklung der Kohlebranche geben soll. In der ersten Stufe sollen alle Kohlekraftwerke auf den heute verfügbaren modernsten Stand gebracht werden, denn mit steigendem Wirkungsgrad sinkt der Kohlendioxid-Ausstoß. In der zweiten Stufe sollen besonders beim Neubau von Kraftwerken deutlich höhere Wirkungsgrade erzielt werden. Die Verminderung der CO2-Emissionen durch Effizienzgewinne in Kohlekraftwerken reicht aus, um einen großen Teil der derzeit international vereinbarten CO2-Einsparungen zu erzielen. In einem dritten Schritt sollen eines Tages klimaneutrale Kohlekraftwerke gebaut werden.

„Kohle hat in der Öffentlichkeit leider ein Image-Problem“, sagt Dietrich Böcker, Präsident von Euracoal und ehemaliger Vorstand von RWE Power. „Dabei lässt sich mit modernen Kohlekraftwerken nicht nur die langfristige Energieversorgung sichern, sondern auch der Ausstoß von Kohlendioxid verringern – langfristig sogar bis auf null.“

Ermöglicht werden soll das durch die CO2-Bindung und -Lagerung in unterirdischen Gesteinsformationen, die derzeit unter anderem in Norwegen erprobt wird. „Im Prinzip wissen wir, wie die Technik funktioniert, aber bis sie einsatzfähig ist, brauchen wir noch viel Forschung und Entwicklung“, sagt Böcker. „Wie schnell wir vorankommen, hängt natürlich auch vom Geld ab, das in die Forschung investiert wird. Aber die Prozesse lassen sich nicht beliebig beschleunigen.“ Wichtig sei vor allem, dass dabei die Stromerzeugung aus Kohle ihre Konkurrenzfähigkeit wahre. „Wir glauben, dass um 2020 die erste Demonstrationsanlage gebaut werden wird. Später könnte die Technologie Standard sein.“

International Energy Agency (IEA)

Als Reaktion auf die erste Ölkrise wurde 1974 die International Energy Agency (IEA) gegründet, um die weltweite Energiepolitik zu koordinieren. Sie ist ein unabhängiger Teil der Organisation für Wirtschaftliche Kooperation und Entwicklung (OECD). Ihr gehören 26 der 30 OECD-Mitgliedstaaten an, darunter die USA, Japan, Deutschland, Großbritannien und Frankreich.
Die IEA hat ihren Sitz in Paris, beschäftigt 180 Mitarbeiter und hat ein jährliches Budget von rund 20 Millionen Dollar. Zu ihren wichtigsten Publikationen gehört neben dem „World Energy Outlook“ der monatliche „Oil Market Report“. www.iea.org

Wie soll die Welt im Jahr 2200 aussehen?

Ob aus den Ankündigungen tatsächlich Geschäftsmodelle werden, ist vor allem eine Frage des Geldes. Allein um den steigenden Bedarf zu decken, wird in den kommenden Jahren rund ein Prozent des globalen Bruttosozialprodukts in den Energiesektor investiert werden müssen. Bis zum Jahr 2030 sind das insgesamt 16 Billionen Dollar.

„Im Prinzip ist auf der Welt genügend Geld vorhanden. Die Frage ist, ob es auch dort eingesetzt wird, wo es gebraucht wird“, sorgt sich Mandil. „Der Energiesektor ist leider längst nicht so profitabel wie andere Märkte, und das Risiko durch Preisschwankungen und die Deregulierung von Elektrizitäts- und Gasmärkten ist hoch. Am höchsten ist es natürlich in Entwicklungsländern. Ich bin, ehrlich gesagt, nicht sehr optimistisch.“ Das Dilemma: Energie ist nicht nur die Antriebskraft der internationalen Wirtschaft, sondern gleichzeitig auch der Sand in ihrem Getriebe. Im Energiesektor gerät das marktwirtschaftliche System von Angebot und Nachfrage an seine Grenzen. Anders als in den meisten Industrien werden hier die Ressourcen nicht mit unsichtbarer Hand zum größten Nutzen aller Menschen verteilt. Selbst in den Industrienationen ruht das System auf staatlichen Subventionen und garantierten Einspeisepreisen.

Wie weit die Regierungen in die Märkte eingreifen sollen, ist die Gretchenfrage der Energiepolitik. Noch vor 20 Jahren bemühten sich die Neoliberalen, die Politik aus der Wirtschaft zu drängen. Heute wirbt die IEA dafür, sie wieder ins Boot zu holen. „Die Nachfrageprobleme, die in 30 Jahren auf uns zukommen werden, sind viel zu langfristig, als dass sie sich über Marktmechanismen lösen ließen“, meint Mandil. Denn Unternehmen denken kaum länger als zehn Jahre voraus. Was darüber hinausgeht – und das ist die Hauptlast – muss die Politik lösen.

„Wir dürfen nicht vergessen, wie schnell die Zeit vergeht“, warnt Mandil und meint damit nicht die vier Jahre bis zum nächsten Urnengang. „Aus heutiger Sicht ist das Jahr 2030 ferne Zukunft, aber tatsächlich bestimmen wir schon heute, wie die Welt im Jahr 2100 oder 2200 aussehen wird.“

Literatur

Die International Energy Agency verkauft den „World Energy Outlook 2004“ und andere Publikationen über ihren Online-Buchladen www.iea.org/books (Buch: 150 Euro; PDF: 120 Euro).

Die Vision einer Welt, die nicht von Öl, sondern von Wasserstoff betrieben wird, entwickelt der Amerikaner Jeremy Rifkin in dem Buch „Die H2-Revolution“. Jeremy Rifkin: Die H2-Revolution. Fischer TB, Frankfurt, 2005; 304 Seiten; 10,90 Euro

Wie die aufsteigende Wirtschaftsmacht China sich im internationalen Energie-Verteilungskampf Ressourcen sichert, beschreibt Frank Sieren in „Der China Code“. Frank Sieren: Der China Code – Wie das boomende Reich der Mitte Deutschland verändert. Econ, 2005; 19,95 Euro

Passivhäuser

„Es ist erstaunlich, dass man bei Autos schon seit langem auf den Energieverbrauch achtet, aber bei Häusern noch kaum“, meint IEA-Experte Antonio Pflüger. „Für viele der wichtigsten Verbesserungen sind die Technologien längst vorhanden. Das Problem ist, dass den meisten Menschen einfach das Wissen fehlt.“
Der Teufel steckt im Detail. Zum Beispiel in Hauswänden. Seit Jahren werben Architekten für den Bau so genannter Passivhäuser, die mit einem Fünftel der herkömmlichen Energie und ohne Heizungen auskommen. Mit luftdichten Dämmstoffhüllen, Drei-Scheiben-Isolierverglasung und einer konsequenten Ausrichtung der Fenster nach der Sonneneinstrahlung lässt sich der Energieverbrauch auf 15 Kilowattstunden pro Jahr und Quadratmeter Wohnfläche reduzieren – in herkömmlichen Häusern liegt dieser Wert zwischen 180 und 280 Kilowattstunden. Die Mehrkosten im Bau amortisieren sich in 20 Jahren durch eingesparte Strom- und Heizkosten.
Dennoch vertrauen nur wenige Bauherren den technischen Versprechungen: Einsparungen in zwei Jahrzehnten übersteigen das wirtschaftliche Vorstellungsvermögen. Obwohl der Bau von der KfW-Bankengruppe mit Förderprogrammen unterstützt wird, stehen in Deutschland erst 4000 Passivhäuser. Eine Studie des Fraunhofer-Instituts für Solare Energiesysteme fand heraus, dass Passivhäuser nach wie vor als teure, nur durch Förderung finanzierbare Technologie gesehen werden: „Die befragten Experten sind der Auffassung, dass der Preis für Passivhäuser weiter sinken müsse, wenn sich diese am Markt ohne Förderung durchsetzen sollen“, heißt es im Text, und: Dass der Mehrpreis gegenüber einem konventionellen Haus im ,Finanzierungsrauschen‘ untergeht, werde nur selten angesprochen. Beobachter sehen darin vor allem ein Aufklärungsproblem. Ein erster Ansatz, um die Aufmerksamkeit zu erhöhen, ist die Einführung von so genannten Energiepässen für Häuser, die von der EU inzwischen gesetzlich vorgeschrieben sind. Damit haben Hauskäufer erstmals das Anrecht auf ein Energiegutachten. Gute Dämmung oder energieeffiziente Heizanlagen können damit zur Wertsteigerung von Immobilien beitragen.

Windkraft

1998 erklärte die rot-grüne Bundesregierung die Windkraft zum ökologischen Vorzeigeprojekt. Um schnell Ergebnisse vorweisen zu können, förderte sie den Aufbau von Turbinen durch steuervergünstigte Anlagefonds. Die Betreiber erhielten die Garantie, ihren Strom für neun Cent pro Kilowattstunde ins Stromnetz einspeisen zu können – fast dreimal mehr als der Marktpreis. Ein gutes Geschäft.
Inzwischen drehen sich mehr als 16.500 Windräder, und um sie dreht sich die Deabtte, ob dahinter visionäre Energiepolitik oder reaktionärer Ökofundamentalismus steht. „Das Onshore-Potenzial in Deutschland ist weitgehend erschöpft; lediglich Repowering alter Windmühlen hat unter den gegenwärtigen Rahmenbedingungen ökonomisch Sinn“, meint Stephan Görner, Partner bei McKinsey in München. „Offshore-Windparks sind der Wachstumsmotor der regenerativen Energien in Deutschland. Der höheren Zahl an Windstunden stehen aber noch die Unsicherheiten bei der Installation, dem Betrieb und der Instandhaltung entgegen.“
Im Jahr sieben der rot-grünen Regierung sind für Offshore-Parks gerade einmal erste Baugenehmigungen erteilt worden.
Auch der ökologische Nutzen ist umstritten. „Die Vermeidung von CO2-Emissionen durch Windkraft kostet etwa fünf- bis zehnmal so viel wie die Vermeidungsalternativen, die im Emissionshandel abgebildet sind“, weiß McKinsey-Energie-Experte Christoph Grobbel. „Somit stellt sich die Frage, womit die Subventionen von jährlich 1,5 Milliarden Euro für Wind, die laut Dena-Studie auf mehr als fünf Milliarden in 2015 anwachsen werden, gerechtfertigt sind.“

Wasserstoffwirtschaft

Die aussichtsreichste Alternative zur fossilen Energiegewinnung sehen viele Experten in einer „Wasserstoffwirtschaft“. Brennstoffzellen, in denen die Reaktion von Wasserstoff und Sauerstoff an mit Platin beschichteten Katalysatorkontakten elektrische Energie freisetzt, könnten den Transportbereich revolutionieren, der bisher zu fast 100 Prozent von Benzin- und Dieselmotoren abhängig ist.
Weltweit werden jährlich rund eine Milliarde Dollar öffentliche Mittel in die Entwicklung investiert; der privatwirtschaftliche Forschungsaufwand dürfte drei- bis viermal so hoch sein, schätzt die IEA. Zwar verkünden Wissenschaftler in regelmäßigen Abständen Teilerfolge, doch bis die Technologie tatsächlich den Sprung vom Labor in die Massenfertigung schafft, ist es noch ein weiter Weg. Die Herstellungskosten müssen um ein Vielfaches gesenkt, die Lebensdauer weiter erhöht werden. Außerdem fehlt derzeit noch ein markttaugliches Verfahren, mit dem sich Wasserstoff herstellen lässt, ohne dabei CO2 freizusetzen. Auch Lagerung und Vertrieb von Wasserstoff sind ungelöst, weil der Transport von gasdichten Stahlflaschen mehr Energie verbraucht, als sich mit deren Inhalt gewinnen ließe.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.