Olympische Spiele

Prominente bevölkern die Werbung, ganz egal, ob die Person zur Marke passt oder nicht. Oft genug passt sie nicht. Um geeignete Kombinationen im Vorfeld bestimmen zu können, hat ein Beraterteam in der griechischen Mythologie recherchiert. Ergebnis: das Brand Personality Gameboard.




Kennen Sie den? Franz Beckenbauer steht vor einer Almhütte, blickt in den Nachthimmel und entdeckt einen Stern mit langem Schweif. Dann fragt er: „Ja, is’ denn heut’ scho’ Weihnachten?“ Okay, okay, den E-Plus-Spot kennen Sie natürlich. Ist ja Kult geworden.

Aber wie ist es mit dem? Derselbe Kaiser Franz, diesmal beim Golfen. Er steigt in sein elektrisches Golfwägelchen, fährt damit bis nach Hause und sagt ... Ja, was sagt er denn? Eben. Den kennen Sie nicht. „Man muss sparen, wo man kann.“ Dieser Satz aus der TV-Werbung ist kein Kult, sondern schlicht vergessen.

Kein Wunder, meint Ansgar Hölscher, Berater der McKinsey Marketing Practice in Hamburg. Das liegt nicht nur am geringen Werbedruck. „Beckenbauer passt eben nicht zu jedem Produkt.“ Missratene Promi-Spots – da fallen Hölscher noch eine Menge Beispiele ein, und sein Urteil hat wenig mit Geschmacksfragen zu tun. Mit einem fünfköpfigen Team hat McKinsey ein Markenführungsinstrument entwickelt, das genau zeigen soll, welche Persönlichkeit zu welcher Marke passt – und umgekehrt. Mit dem Brand Personality Gameboard (BPG) sollen die emotionalen Attribute einer Marke gesteuert werden können.

Verbraucher schreiben jeder Marke und jedem Menschen bestimmte Charaktereigenschaften zu, etwa „Mercedes ist vornehm und zuverlässig“ oder „BMW ist temperamentvoll“. Diese persönlichen Merkmale macht das Gameboard in einem mehrdimensionalen Raum sichtbar. Marken und Menschen, die ähnliche Persönlichkeitsprofile aufweisen, passen gut zueinander. Wo die Merkmalsausprägungen stark differieren, ist aus Beratersicht Vorsicht angebracht. So testet das Instrument, welche Prominenten-Kampagnen Erfolg versprechend sind, oder welche Celebrities gute Werbeträger für welche Marke abgeben und auch, wie weit man das Image einer Marke mit einer Persönlichkeit ziehen kann.

Von Antiwerbung und herausgeworfenem Geld

Der Bierbrauer Krombacher etwa tat gut daran, Millionärsmacher Günther Jauch als Werbegesicht zu wählen. Denn beide, Mann und Marke, gelten als intelligent und charmant. Wäre hingegen der Konkurrent Radeberger auf der Suche nach einem neuen Werbeträger, sollten die Marketingleute lieber Persönlichkeiten wie Alfred Biolek ansprechen. Genau wie die Biermarke kommt der Senior-Moderator besonders vornehm und wohlerzogen daher. Schade nur, dass Biolek bekennender Weintrinker ist. Mit dem BPG hat der Bauch als Ratgeber für den Werber ausgedient. Und das sei höchste Zeit, meinen Markenexperten. „Heutzutage schmücken sich viele Unternehmen aus rein persönlichen Liebhabereien mit einem Prominenten“, sagt Christoph Ewert, Professor für Betriebswirtschaft an der Fachhochschule Karlsruhe und Autor des Fachbuchs „Personality Marketing“.

Promi-Werbung erzeugt Aufmerksamkeit. Doch davon profitiert die Marke erst, wenn die Eigenschaften der Persönlichkeit auch auf die Marke übertragen werden. Verbreiteter scheint allerdings die Annahme zu sein, für einen guten Spot reiche schon ein bekanntes Gesicht. Wie sonst ließe sich erklären, dass Beckenbauer seinen Kopf nicht nur für Strom und Sportschuhe hinhält, sondern auch für Weißbier und Mobilfunk? Oder dass Verona Feldbusch, die „mit dem Blubb“, außer für Iglo-Rahmspinat auch für so unterschiedliche Marken wie Telegate, Schauma-Shampoo, den Otto-Versand, die Expo oder die SOS-Kinderdörfer wirbt? Und Günther Jauch: War es stimmig, dass er für Beton, für den Euro oder die SKL Lotterie warb und Claudia Schiffer für H & M, L’Oréal, Jacobs Kaffee und Citroën?

Inflationäre Promi-Werbung: „Fünf bis zehn Prozent aller Kampagnen sind mit Prominenten besetzt“, schätzt Henning von Vieregge, Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes Kommunikationsagenturen GWA e. V. Doch Promis allein seien kein Garant für den Werbeerfolg, mahnt von Vieregge. „Werbetreibende wären häufig gut beraten, ohne Prominente zu werben.“ Die große Gefahr der VIP-Werbung: Passt der Star nicht zur Marke, geht die Wirkung verloren. „Im schlimmsten Fall kann sie sogar kontraproduktiv sein“, warnt BWL-Professor Ewert. „Wenn Testimonials unglaubwürdig sind, schlägt das negativ auf die Marke zurück.“ So kann Celebrity-Reklame zum teuren Vergnügen werden, und das passiert oft genug. „Bestimmt die Hälfte der Werbung mit Prominenten ist herausgeschmissenes Geld“, schätzt Ewert. Aber das sagt man über fast jede Werbeausgabe. Nur weiß niemand, welche Hälfte.

Mit der Geldverschwendung soll jetzt Schluss sein – das verspricht zumindest das BPG. Die Brand Personality – die Markenpersönlichkeit – wird zum wichtigen Differenzierungsmerkmal im Kampf um die Kunden. „Heute erfüllen die meisten Produkte die funktionalen Bedürfnisse gleichermaßen umfassend“, erklärt McKinsey-Berater Hölscher. Das vernichtende Urteil „ungenügend“ fälle die Stiftung Warentest nur noch selten. Und künftig, davon ist Hölscher überzeugt, werden die Marken Konsumenten anziehen, die einen emotionalen Vorteil bieten.

Lässt sich dieser emotionale Vorteil erfassen, vielleicht sogar steuern? Fabian Hieronimus, Berater von McKinsey, ist davon überzeugt. Im Rahmen seiner Dissertation an der Universität Münster hat Hieronimus die Relevanz der Markenpersönlichkeit für das Markenmanagement untersucht. Seine Erkenntnis: Menschen neigen dazu, Objekten menschliche Eigenschaften zu verleihen, um die Interaktionen mit der nichtmateriellen Welt zu vereinfachen. Gelingt es, einer Marke ein menschliches Antlitz zu geben, kann sich der Verbraucher besser mit ihr identifizieren und wird ihr gegenüber loyaler sein. „Auch für Markenmanager ist es einfacher zu sagen, ,Meine Marke soll so sein wie Julia Roberts‘, als davon zu reden, dass eine Marke überdurchschnittlich fröhlich, charmant, leidenschaftlich und temperamentvoll sein soll“, meint Hölscher.

Leicht gesagt. Doch hinter den griffigen Ergebnissen des BPG verbirgt sich ein kompliziertes Verfahren – und göttliche Hilfe. Der Reihe nach: Zuerst einmal mussten für die Analyse geeignete Persönlichkeitsmerkmale her. Fündig wurden die McKinsey-Berater bei der amerikanischen Marketing-Professorin Jennifer Aaker von der Stanford Universität. Sie hatte 1997 erstmals 15 Facetten der Markenpersönlichkeit ermittelt, die die Wahrnehmung von Marken im amerikanischen Kulturraum beschreiben.

Diese Eigenschaften unterzog McKinsey einem Tauglichkeitstest für Deutschland. Mehrstufige Marktforschungsverfahren waren notwendig. Die Berater suchten zunächst nach unverwechselbaren charakterstarken Typen, die durch herausstechende Merkmale gut voneinander abgrenzbar sind – und fanden sie in den Archetypen der griechischen Mythologie. Den Göttern und Helden der damaligen Zeit, Persönlichkeiten wie Zeus, Herakles, Aphrodite oder Helena, so die Annahme, lassen sich bestimmte Eigenschaften zuordnen und so Kernpersönlichkeiten definieren.

Dann der Versuch. 24 Probanden spielten mit. Nachdem sie sich in die griechischen Sagen eingelesen hatten, sollten sie sich selbst nach Ähnlichkeiten oder Verschiedenheiten in einem Raum positionieren. Zeus in der Mitte. Dann Aphrodite, als nächstes Dionysos. „Je mehr Leute hereinkamen, desto komplexer wurde die Lage“, erinnert sich McKinsey-Berater Hölscher.

Am Ende brachte die Götteraufstellung Klarheit darüber, wie die einzelnen Persönlichkeitsmerkmale als Ganzes wahrgenommen werden. Die Archetypen können treffsicher von robust bis ehrlich beschrieben werden. Je nach der Ausprägung des bedeutendsten Merkmals ergab sich damit eine unverrückbare Position der Kernpersönlichkeit in einem mehrdimensionalen Raum mit den vier Grunddimensionen Vernunft, Geist, Lust und Kraft. Nach dem Spiel ging es zurück in die Gegenwart. Die Frage der Berater: Haben die alten Griechen Äquivalente in der Moderne? Der Zeus der Gegenwart heißt James Bond. Die moderne Aphrodite? Julia Roberts. Und Thomas Gottschalk als Götterbote Hermes. 900 Befragte bewerteten in repräsentativen Interviews Marken und Stars. Und gemeinsam mit der Nürnberger Gesellschaft für Konsumforschung (GfK) fanden die Berater zu jeder antiken Gestalt ein Pendant aus der heutigen Zeit.

Die Bewertungen der Interviewpartner verfeinerten und konkretisierten die Positionen im Gameboard. Das Ergebnis ist jetzt ablesbar: Je ähnlicher Marke und Mensch wahrgenommen werden, desto näher stehen sie beieinander. In den konstanten Raum des Gameboards können die Berater heute jede beliebige Marke und jede Person plotten. Dabei kann das BPG genutzt werden, um für eine gut positionierte Marke die geeignete Celebrity zu finden. Soll eine Marke entwickelt werden, wird ein Werbeträger identifiziert, der die Marke in die richtige Richtung zieht. Rund 60 VIPs und 40 Brands aus acht Produktkategorien haben im BPG bereits ihren Platz. Im Gameboard werden die Mitbewerber direkt verglichen. Weitere Brands sollen folgen – je mehr Marken, desto spannender wird das Tool. Schon heute liefert das Instrument bei diversen Markenproblemen Lösungsansätze. Es hilft nicht nur bei der richtigen Partnerwahl, sondern bietet auch Orientierung: Hebt sich die Persönlichkeit der eigenen Marke ausreichend von der Konkurrenz ab? Passt sie zur Dachmarke? Welche Marken eignen sich als Partnermarken? Stimmt die Positionierung? Keine Frage, das Gameboard von McKinsey ist ein Tool, das die Argumentation gegenüber den Werbetreibenden stützt. Als Allzweckwaffe für die Markenführung taugt es allerdings nicht. „Für Strategieempfehlungen“, sagt Berater Hölscher, „brauchen Sie immer noch vor allem Analytik, Erfahrung und Fingerspitzengefühl.“

Zeus (James Bond)
Herrscher über die olympischen Götter, über Himmel, Blitz und Donner; Beschützer der Menschheit, Hüter des Gesetzes. Zeus ist immer verstrickt in vielfältige Liebesaffären mit Göttern und Menschen. Zeusianer sind Machtmenschen mit Charisma, erworben durch natürliche Autorität und Souveränität.

Helena (Evita Perón)
Die Königin von Sparta ist schön, aber treulos, was unter anderem den Trojanischen Krieg verursachte. Stets fügt sie sich ihrem Schicksal. Helena-Persönlichkeiten werden aufgrund ihrer starken Ausstrahlung verehrt. Auf ihren Vorteil bedacht, setzen sie ihre Stärken intelligent ein – und erkennen oft zu spät, dass sie es zu weit getrieben haben.

Herkules (Lance Armstrong)
Starker, aber tragischer Held. Von klein auf beweist er einen unbändigen Überlebenswillen, um seinen Widersachern zu entkommen. Das Tragische: Im Wahn erschlägt er drei seiner Kinder – und muss zur Strafe zwölf Jahre auf der Erde leben und schwere Prüfungen bestehen. Dort wird er betrogen und vergiftet und ließ sich verbrennen, um von seinen Qualen befreit zu werden. Herkules-Typen sind ausdauernd und stark, müssen sich jedoch alles hart erarbeiten und enden oft als tragische Helden.

Dionysos (Mick Jagger)
Gott der Fruchtbarkeit, des Weins und der Ekstase. Dionysier geben sich überschwänglich den Sinnesfreuden hin, sind wankelmütig und streben nach den schönen Dingen des Lebens.

Hermes (Thomas Gottschalk)
Der Götterbote stellt frühzeitig seinen Erfindungsreichtum, seine Unverfrorenheit und seinen Vorwitz unter Beweis. Bereits an seinem ersten Lebenstag stiehlt er Vieh von Apollon und leugnet den Diebstahl dreist. Hermes-Typen stehen für List, Witz und Schlagfertigkeit. Sie finden sich dort, wo Seilschaften zählen.

Artemis (Alice Schwarzer)
Die Göttin der Jagd und der wilden Tiere. Als Heilerin tut sie viel Gutes. Ebenso wacht sie mit Argusaugen über die Jungfräulichkeit ihrer Gefolgschaft aus Nymphen. Artemis-Typen sind Menschen, die hehre Prinzipien pflegen. Moralische Integrität und mutiger Idealismus machen sie zu Hütern von Anstand und Ordnung.

Ares (Bruce Willis)
Der Kriegsgott verführt zahlreiche Göttinnen und sterbliche Frauen und hat viele Kinder. Er gilt als unzuverlässig, willkürlich, brutal und zerstörungswütig, aber auch als mutig und tapfer. Ares-Typen sind Draufgänger, die sich durch Hemmungslosigkeit und Aggressivität Respekt verschaffen. Sie handeln aus dem Bauch heraus.

Aphrodite (Julia Roberts)
Die Göttin der Liebe und Schönheit ist mit dem hinkenden Feuergott Hephaistos verheiratet, betrügt ihn aber mit zahlreichen Göttern und Menschen. Wird sie herausgefordert, reagiert sie grausam und berechnend. Aphrodite-Typen meistern ihr Leben trotz gelegentlicher Einfältigkeit und bauen dabei auf ihre Leidenschaft, Schönheit und Sinnlichkeit, die sie berechnend einsetzen.

Prometheus (Robin Hood)
Wohltäter, Erzieher, Prophet. Als Vorkämpfer der menschlichen Zivilisation verschafft er der Welt unter Einsatz seines Lebens Tiere und Feuer – und wird dafür auf Zeus’ Befehl an einen Fels geschmiedet. Ein Adler hackt dabei seine immer wieder nachwachsende Leber heraus. Prometheus-Typen sind Idealisten, die mit Eifer für die gute Sache kämpfen und dabei klug und erfinderisch vorgehen.

Hephaistos (Nelson Mandela)
Der Gott des Feuers und der Schmiedekunst ist immer bemüht, aber glücklos. Aus Missmut über seine Schmächtigkeit wirft ihn seine eigene Mutter ins Meer, seine Ehefrau betrügt ihn, Zeus schleudert ihn vom Olymp. Von Dionysos dort wieder aufgenommen, baut er herrliche Paläste und stellt viele gelungene Handarbeiten her. Hephaistos-Typen sind Menschen, die körperliche Unzulänglichkeit auf einem Gebiet durch Ehrgeiz und Meisterleistungen auf anderen Gebieten wettmachen. Durch ihren eisernen Willen, ihre Energie und Unermüdlichkeit setzen sie sich schließlich durch.

Apollon (Goethe)
Er ist ein spielerischer Gott. Seine große Liebe zur Kunst zeigt sich, als er bei Hermes die Lyra entdeckt. Kurzerhand handelt er sie ihm ab und lehrt Orpheus, den Sänger der Unterwelt, das Saitenspiel. Apollon-Typen sind belesene und kultivierte Schöngeister, interessieren sich für Kunst, Musik und Literatur.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.