Versprechen auf die Zukunft

Lutz Cleemann ist Chairman des Sustainability Strategy Teams der Allianz Holding und damit der wichtigste Koordinator im Konzern für alle Fragen, die mit gesellschaftlicher Verantwortung des Unternehmens zu tun haben. In den achtziger Jahren beschäftigte sich der promovierte Kernphysiker – damals in Diensten des VDI – vor allem mit Fragen der Technikfolgenabschätzung.
Bei der Allianz Group treibt er das Thema Verantwortung unter dem Vorzeichen einer langfristigen wirtschaftlichen Entwicklung des Finanzdienstleisters voran.
Die Allianz Group ist in nahezu allen wichtigen Sustainability-Indizes gelistet, zudem in vielen Foren und Verbänden engagiert, die sich mit Fragen ethisch verantwortlicher Unternehmensführung beschäftigen. Hierzu zählen etwa Econsense, The Climate Group, UN Global Compact, UNEP Finance Initiative und World Business Council for Sustainable Development. Viele Rating-Agenturen bescheinigen der Allianz in Deutschland eine CSR-Vorreiterrolle.





Das Thema CSR hat bei uns eine Vorgeschichte. Anfang der neunziger Jahre haben wir begonnen, uns intensiv mit dem Thema Umwelt auseinander zu setzen. Der Diskussionsprozess führte zur Gründung unserer Umweltstiftung, aber es wurde bald deutlich, dass das Thema Ökologie nicht isoliert betrachtet werden kann. Ende der neunziger Jahre war klar, dass sich Umweltfragen für einen Versicherungskonzern nicht trennen lassen von Fragen der eigenen wirtschaftlichen Entwicklung und denen der gesellschaftlichen Verantwortung. Seit dieser Zeit hat das Thema bei uns deshalb drei Dimensionen: Ökologie, nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung und Verantwortung für die Gesellschaft.

Selbstverständlich muss ein Konzern für seine Shareholder Gewinne erzielen. Wir sind ja nicht die Caritas. Doch wir sehen auch, dass ein Unternehmen zunehmend gefragt wird: Zu welchem Preis wurden diese Gewinne erwirtschaftet? Dieser Diskussion müssen wir uns stellen, und das heißt, den unternehmerischen Erfolg so zu gestalten, dass er den gesellschaftlichen Erwartungen entspricht. Und das bedeutet auch, dass wir heute in einen Dialog mit Organisationen treten, mit denen wir vor zehn oder 15 Jahren überhaupt nicht oder zumindest nicht so offen geredet hätten. Etwa mit kritischen NGOs wie Attac oder Germanwatch.

Bei der Suche nach dem, was gesellschaftliche Verantwortung für ein Unternehmen konkret bedeutet, besitzen auch wir nicht die absolute Wahrheit. Wir haben natürlich unsere Vorstellungen von dem, was nachhaltige oder ethisch verantwortliche Unternehmensführung heißt, aber die können nur zum Ziel führen, wenn wir für die Perspektiven anderer offen bleiben. Und um den richtigen Weg zu finden, müssen Sie reden.

Wir versuchen, im Sinne unserer Stakeholder zu handeln, und das sind eben nicht nur die Aktionäre, sondern auch die Mitarbeiter, die Kunden, die Gemeinden und Communities, in denen wir arbeiten, und die Gesellschaft als Ganzes. Verantwortliche Unternehmensführung entsteht, wenn wir die Interessen und Belange aller Stakeholder in unsere Entscheidungen einbeziehen. Das ist nicht leicht, also gab und gibt es im Unternehmen auch immer wieder Fragen und Zweifel auf dem Weg zu mehr CSR- und Nachhaltigkeitsaktivitäten. Das Thema ist sehr komplex, zudem wird in einem Wirtschaftsunternehmen nun einmal oft kurzfristig gedacht. Ich muss deshalb immer wieder auf die langfristige Wirkung aufmerksam machen – das ist zugegebenermaßen manchmal schwierig. Auch dass es immer wieder Interessenkonflikte gibt, lässt sich nicht wegdiskutieren. Gute Sozialleistungen steigern die Attraktivität eines Unternehmens für aktive und potenzielle Mitarbeiter. Sie gehen aber kurzfristig auf Kosten des Konzernergebnisses. Und wie soll ein Unternehmen Ethik und Nachhaltigkeit erklären, wenn es gleichzeitig Mitarbeiter entlassen muss? CSR ist oft eine Gratwanderung. Der Weg zu gesellschaftlicher Verantwortung ist immer ein Prozess des Abwägens verschiedener Interessen und des Aushandelns verschiedener Interessenvertreter. Wichtig ist jedoch, dass eine klare Strategie dahinter steht.

Wir versuchen, Wahrnehmen von Verantwortung und Kerngeschäft zusammenzuführen. Wir sind ein Versicherungsunternehmen und Finanzdienstleister. Da gibt es viele Bereiche, wo Geschäft und CSR in dieselbe Richtung laufen. Nehmen Sie das Beispiel Korruption. Hier legen wir weltweit besonders scharfe Maßstäbe an, über das gesetzlich vorgeschriebene Maß hinaus. Zum einen können wir Korruption aus moralischen Gesichtspunkten nicht befürworten. Zum anderen gefährden Korruptionsskandale die Geschäftsgrundlage von Finanzdienstleistern in besonderer Weise. Ein zweites Beispiel sind unsere Richtlinien für die Kreditvergabe. Wir haben hohe Maßstäbe bei Umwelt- und Sozialstandards, und wir vergeben keine Kredite mehr an Unternehmen, die diese Standards nicht einhalten. Damit machen wir es unserem Vertrieb nicht gerade leicht, der eine oder andere Mitarbeiter ist mit den Maßnahmen auch nicht glücklich. Das Management ist in dieser Frage aber einig: Kurzfristig mag uns hier und da ein Geschäft entgehen, langfristig wird es sich auszahlen, weil eine gesellschaftlich verantwortliche Kreditvergabe auch geringere Risiken birgt, sich also durchaus für uns rechnet.

Alles hängt doch irgendwie zusammen. Als Versicherer sind wir vom Klimawandel stark betroffen. Für die Schäden von Stürmen und Fluten müssen wir eintreten. Auf der anderen Seite bieten sich uns als Finanzierer neue Marktchancen zum Beispiel von regenerativen Energiequellen.

Diese Zusammenhänge muss man sehen und sie in seine Lines of Business integrieren. Ein Versicherungsunternehmen kann auch durch seine Produkte versuchen, sich der Verantwortung in einer globalisierten Welt zu stellen. Das versuchen wir mit unseren Mikroversicherungen für Entwicklungsländer. Hier kooperieren wir mit der Gesellschaft für technische Zusammenarbeit GTZ. Mikroversicherungen sind beispielsweise Lebensversicherungen in ländlichen Regionen in Indien oder Indonesien, die arme Familien absichern, wenn ihr Ernährer ausfällt. Dort gibt es ja keine sozialstaatlichen Strukturen, die in so einem Fall greifen. Die Summen, um die es da geht, sind für unsere Verhältnisse sehr gering, gleichzeitig ist der Vertrieb aufwändig und die Anlaufkosten sind hoch. Wir bieten sie trotzdem an, denn wir sehen in einem solchen Engagement eine sinnvolle Investition – in die Menschen vor Ort und in unser Unternehmen. Indien ist ein Wachstumsmarkt, und wir sind sicher, dass sich auch für uns über die Jahre ein akzeptables Geschäft entwickeln wird. Für so etwas braucht man einen langen Atem.

Bei all dem spielt selbstverständlich auch die Reputationsfrage eine Rolle. Als Finanzdienstleister machen wir Versprechen, die wir oft erst in ferner Zukunft einlösen müssen, in zwanzig, dreißig oder vierzig Jahren. Man muss uns glauben, dass wir diese Versprechen auch einhalten können. Das ist die Grundlage unseres Geschäftes. Langfristige Glaubwürdigkeit und nachhaltiges Wirtschaften ist für uns deshalb vielleicht noch wichtiger als für andere Unternehmen. Das versuchen wir unseren Mitarbeitern auf allen Ebenen zu vermitteln.

Ein Instrument hierfür sind unsere Corporate-Volunteering-Programme. Unser Führungskräfte-Nachwuchs in München zum Beispiel wird angehalten, sich beim Verein Lichterkette zu engagieren, der sich um die Integration von ausländischen Mitbürgern kümmert. Da erfahren sie dann mal hautnah, was gesellschaftliche Verantwortung konkret bedeutet. Führend beim Volunteering sind allerdings unsere Investment-Kollegen in London bei unserer Tochter Dresdner Kleinwort Wasserstein. Deren Büros sind im Finanzbezirk angesiedelt, der direkt an das Problemviertel East London angrenzt. Die Freiwilligen dort gehen in ihren Mittagspausen in Schulen mit Kindern aus schwierigen sozialen Verhältnissen und geben Nachhilfe in Mathematik und Englisch. Bei den Schülern kommt das durchweg gut an. Und die Leistungen steigen nachweislich bei 70 bis 80 Prozent der Schüler deutlich an. Mitarbeiter stellen das Kapital eines Unternehmens dar, bei uns zu einem ganz erheblichen Prozentsatz. Das heißt auch, dass ich bei Vergütung, Umgang und sozialen Leistungen wie Familienprogrammen nicht der Schlechteste sein darf, wenn ich langfristig vorne mitspielen möchte. Hier haben auch wir bei der Allianz durchaus noch Defizite.

Nachhaltigkeit und CSR lassen sich natürlich schwer messen. Wir haben uns an den Kriterien des Dow Jones Sustainibility Index orientiert. Dazu gehört die Frage: Wie vorausschauend agiert ein Management nach ökologischen und sozialen Belangen? Seit einem Jahr haben wir ein internetbasiertes Softwaretool zur Kontrolle, Beobachtung und Berichterstattung der Nachhaltigkeitsleistungen im Einsatz. Es soll uns immer genauer Aufschluss darüber geben, wie weit wir in den verschiedenen Unternehmensteilen weltweit schon sind – und wo Defizite bestehen. Das Dokumentationssystem hat noch einen weiteren Vorteil: Wir können die Daten an Rating-Agenturen und Fondsanalysten weitergeben, wir bekommen ja täglich Anfragen, wie gut wir auf diesen Feldern aufgestellt sind. Mittlerweile sind wir in allen wichtigen Nachhaltigkeitsindizes gelistet. Und auch wir merken das deutlich: Die Nachhaltigkeits- und Social-Responsible-Investment-Fonds haben sehr große Wachstumsraten. Da sollte man als Finanzdienstleister an vorderster Stelle dabei sein.


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.