Kaffee in Zahlen

Tchibo-Kaffee-Chefeinkäufer Andreas Christmann über Werte, Preise und den beschwerlichen Weg zu einem guten Kaffee.




Herr Christmann, die einzig vernünftige Art, einenguten Filterkaffee zu trinken, so sagt man, sei schwarz. Wie trinken Sie Ihren?

Andreas Christmann: Ich mag ihn am liebsten mit einwenig Milch. Dann schmeckt er cremiger. Bei Verkostungen trinke ich ihn natürlich schwarz. Aber es stimmt schon: Wenn Sie Milch oder Zucker in Ihren Kaffee rühren, sind viele der oft sehr feinen Geschmacks-Nuancennicht mehr herauszuschmecken. 

Und doch passiert genau das. Jeder elfte Kaffeetrinker hierzulande nimmt Zucker. 30 Prozent der Deutschen trinken ihren Filterkaffee sogar weiß und süß,also mit Milch und Zucker. Das muss für den oberstenQualitätshüter im Haus doch ein Horror sein. 

Ach, da bin ich entspannt. Wir wollen unsere Kundennicht bevormunden. Der Konsument entscheidet, was ermöchte. Ich trinke ja auch, was mir am besten schmeckt. Es gibt so viele Qualitätsparameter, die wir nicht beeinflussen können. Ob Sie hartes oder weiches Wasser verwenden – eine Tasse Kaffee besteht nun einmal zu 98Prozent aus Wasser. Ob das Wasser die richtige Temperatur hat. Ob Ihre Kaffeemaschine entkalkt ist oder nicht.Ob der Espresso 25 Sekunden durchläuft oder nur 15 –und schon allein deshalb nicht schmecken kann. Der Wegzu einem wirklich guten Kaffee ist weit. Ich konzentrieremich lieber auf den Teil, den ich beeinflussen kann. 

Aber Sie dürften schon mehr Spaß an Ihrem Job gehabt haben: Der Kaffeepreis ist hoch – und die Ernten sind gesunken. 

Steigende Preise machen einen Einkäufer natürlich niebesonders glücklich. Unterm Strich aber ist die Entwicklung gesund. Kaffee, jedenfalls der, von dem ich rede, ist ein hochwertiges Gut. Dass er hierzulande oft als Allerweltsprodukt behandelt und unter Wert verkauft wird, tut ihm und allen Beteiligten nicht gut. Wenn der Verbraucher im Supermarkt ein Pfund Kaffeefür 3,69 Euro kaufen kann – inklusive 1,10 Euro Kaffeeund sieben Prozent Mehrwertsteuer –, kostet die Tasseweniger als einen Cent. Das ist verheerend für die gesamte Wertschöpfungskette. 

Und für Tchibo. 

Für uns auch, obwohl unsere Kunden den Wert einesguten Kaffees durchaus zu schätzen wissen und auch bereit sind, dafür zu zahlen. Aber der Preis ist gar nicht unser Hauptthema. Wir kümmern uns lieber um Qualität. Und die entsteht nicht erst in unserer Rösterei. Sie ist das Ergebnis der Arbeit vieler Menschen und vieler Produktionsschritte überall auf der Welt. 

Wie bei jedem Naturprodukt. 

Schon, aber für uns beginnt Qualität bei der Auswahl der Pflanze – und sie endet beim Rösten der Bohne noch lange nicht. Es gibt zahllose Faktoren bereits zu Beginn der Wertschöpfungskette, die Einfluss auf die Güte von Kaffee haben. Welchen Keimling pflanzt man in die Erde? In welchen Boden pflanzt man ihn? Bei welchen Lichtverhältnissen? Unter welchen klimatischen Bedingungen? Hat der Strauch genügend Raum zum Wachsen? Wird er gehegt, gepflegt, beschnitten? Bekommt er rechtzeitig Regen? Bekommt er zu wenig? Bekommt er genug? Kurzum: Hat er sieben bis neun Monate lang alle Voraussetzungen, damit seine Früchte optimal reifen? 

Das sind eine Menge Qualitätsmerkmale, die sich von uns Menschen kaum beeinflussen lassen: Licht, Sonne, Niederschlagsmenge … 

Klar, das Wetter ist eine schwer zu kalkulierende Komponente. Das gilt für das sonnenreiche Brasilien genausowie für das regenreiche Vietnam – übrigens die beiden größten Kaffeeproduzenten der Welt. Aber das ergeht den Apfelbauern im Alten Land nicht anders. Ein guter Landwirt weiß um das Wetter und richtet seine Arbeit danach aus. Natürlich kann er Pech haben, aber mit seiner Erfahrung gleicht er einen Großteil der schwierigsten Bedingungen wieder aus. Kaffeefarmer verstehen ihr Handwerk. Sie wissen, wann sie ihren Strauch schneiden müssen. Sie wissen, was zu tun ist, damit er kräftig treibt. Das Problem ist nur: Wenn sie die Sträucher zurückschneiden, haben sie im nächsten Jahr weniger Ertrag.

Warum sollte der Bauer den Ertragsverlust durch den Rückschnitt hinnehmen? 

Weil er letztlich am meisten davon profitiert. Es ist gesünder für Böden und Pflanzen, und die Qualität der Früchte steigt. Mit der Qualität steigt auch der Preis, aber die Argumentation ist trotzdem schwierig. Kein Wunder. Da kommen die Schlaumeier aus der sogenannten Ersten Welt, um den Menschen in der Dritten Welt zu erklären, wie sie ihr Land bestellen sollen. Schwierig.  Aber es ist nun einmal so: Nimm dir ein Jahr Pause für deinen Strauch, und du holst das sicher wieder raus. Denn in diesem Fall ist eins und eins eben nicht zwei, sondern 2,5. Der kurzzeitige Verzicht lohnt sich. Aber man muss ihn sich natürlich auch leisten können.

Angenommen, der Farmer sieht das ein, er hat genügend Rücklagen und auch noch Glück mit dem Wetter. Dann hat er also ein paar Monate nach der Blüte eine  optimale Ernte.

Wenn er alles richtig gemacht hat und das Klima ideal war, dann hat er zur Erntezeit an seinen Sträuchern ausschließlich rote reife Kirschen. Wenn er Pech hat, und das ist beispielsweise für einen Farmer in Zentralamerika eher die Regel als die Ausnahme, hat sein Strauch aber nicht nur montags Regen abbekommen, sondern auch am Sonntag danach und noch einmal am darauffolgenden Freitag. Die drei Güsse bescheren ihm dummerweise drei verschiedene Blüten und damit auch drei Reifegrade: Dann trägt sein Strauch zur Erntezeit zwar rote, aber auch gelbe und noch ganz unreife grüne Kirschen. Und dieser Mix ist ganz schlecht für die Qualität. 

Was heißt das?

Wer den besten Kaffee will, kauft nur die roten Beeren. Die einzelnen Früchte müssen also getrennt werden. In Brasilien, wo die Kirschen in riesigen Mengen oft schon maschinell geerntet werden, bedeutet das: im Nachhinein zeit- und  kostenaufwendig sortieren. Die Farmer in anderen Regionen, wo von Hand geerntet wird, tun dies mehrmals zu unterschiedlichen Zeiten. Vor allem in Guatemala oder Tansania müssen die Arbeiter in aller Regel dreimal durch die Plantagen. Neben den Kosten drängt den Farmer dabei vor allem die Zeit. 

Die Ware muss verschifft werden, am anderen Ende der Welt warten die Kunden.

Das auch, vor allem aber variieren die Reifegrade nur um wenige Tage. Die Früchte müssen also schnell vom Strauch, und die Tage sind kurz. In den Anbauländern wird es nicht wie bei uns im Sommer schon morgens um vier Uhr hell. Die Arbeit kann erst nach Sonnenaufgang beginnen, also gegen sieben Uhr, und am Nachmittag müssen die Pflücker schon wieder fertig sein. Denn es wird früh dunkel, und in den Bergen ist Dunkelheit gefährlich. Zurück auf der Farm, kann ab Nachmittag deshalb nur noch sortiert werden. Grüne und gelbe Kirschen werden ausgesondert, die roten gehen einen Schritt weiter in der Prozesskette. 

Sie werden nass oder trocken aufbereitet.

Richtig. Der gewaschene Rohkaffee, das sind in der Regel die höheren Qualitätsklassen, durchläuft als Nächstes ein Wasserbad. Denn auch die roten Kirschen sind nicht immer perfekt, manche sind beispielsweise sehr klein gewachsen. Im Wasser werden die guten von den weniger guten getrennt: Die schweren Bohnen sinken nach unten, die leichten schwimmen oben, das sind die schlechten, die werden aussortiert. Der Großteil der Weltkaffeeproduktion wird allerdings ungewaschen aufbereitet. Das bedeutet wiederum: Die Kirschen müssen schnell trocknen. Dazu wird die gesamte Ernte auf dem Boden ausgebreitet, ständig gewendet und idealerweise etwa zwei bis drei Wochen der Sonne ausgesetzt. Wenn es in dieser Zeit regnet, wird es gefährlich. Ein kurzer Schauer ist kein großes Problem, da kann der Farmer die Ernte zusammenraffen und sich mit Abdeckplanen behelfen. Zwei Tage Regen während der Trocknungszeit aber sind eine Katastrophe. Das ist so schlimm, das bekomme selbst ich am anderen Ende der Welt mit. Starker Regen erhöht die Feuchtigkeit im Kaffee, dadurch können die Bohnen leicht muffig oder sogar erdig schmecken. Und das wirkt sich natürlich aus: auf die Qualität und auf den Preis.

Kann der Bauer seine Ernte denn nicht schützen? 

Theoretisch ja, hin und wieder gibt es auch schon Systeme zur Absicherung gegen Regenschäden. Für das Gros des Kaffees kommt das allerdings nicht infrage. Die Dimensionen sind einfach zu gewaltig. Man muss sich das einmal klarmachen: Ein Container mit Kaffeebohnen, den mein Kollege hier in der Fabrik innerhalb von einer knappen Stunde leert, hat im Erzeugerland eine ungeheure Wertschöpfung erfahren. Wissen Sie, wie viele einzelne Bohnen so ein 20-Fuß-Container fasst, mit dem die Ladung weltweit verschifft wird? 120 Millionen Stück. Eine Kaffeekirsche hat zwei Bohnen. Das heißt, jeder einzelne Container entspricht also 60 Millionen Akten des Pflückens. Allein im Hamburger Hafen werden jedes Jahr mehr als 55.000 Kaffee-Container umgeschlagen. Das sind ungeheure Ausmaße. Wie wollen Sie dafür Dächer bauen oder Plastikplanen aufspannen? 

Dann hängt das Glück des Farmers also von zwei Wochen Sonne ab?

Das gute Wetter ist ein wesentlicher Punkt, aber die Arbeit geht ja noch weiter. Nach dem Sammeln der roten Kirschen ist das Pulpen dran, auf Deutsch würde man wohl Entfleischen dazu sagen: Das Fruchtfleisch der Kirsche muss entfernt werden. Dafür wandert der Kaffee durch eine Maschine – übrig bleibt die Rohbohne, umhüllt von einer Pergamenthaut, die im anschließenden Gärungsprozess in riesigen Fermentationstanks von Fruchtfleischresten befreit wird. Auch diese Fermentierung im tropischen Klima birgt Risiken – und erfordert Erfahrung und Fingerspitzengefühl. Die Arbeiter vor Ort müssen genau wissen, bei welcher Außentemperatur die Bohnen wie viele Stunden gären müssen, bevor sie gereinigt und abgewaschen werden können. Erst danach …

… kommen sie endlich aufs Schiff? 

Nein, auch das jetzige Produkt würde noch kein anspruchsvoller Kunde haben wollen. Es gilt, mithilfe von Maschinen eine letzte Schutzschicht zu entfernen. Erst dann haben wir saubere Bohnen und damit im Prinzip tatsächlich verschiffbare Ware. Aber ist diese Ware auch gut genug? Entspricht sie unseren Anforderungen? Wir definieren exakt, welche Bohnen wir wollen. Wir bestimmen Form, Farbe, Dichte, Siebgröße und die maximale Zahl erlaubter Defekte, jeweils bezogen auf 300 Gramm Rohkaffee. Wir bestimmen, in welchem Erntezyklus wir kaufen und welche Feuchtigkeit die Bohne noch haben darf. Ob die Ware unseren Ansprüchen genügt, entscheiden wir in Hamburg, anhand eines Musters, das wir vorab erhalten und sensorisch prüfen. Bei der Verkostung merken wir, ob die Ware einwandfrei aufbereitet wurde. 

Wie oft lehnen Sie in Hamburg eine Lieferung nach dieser Probe ab? 

So gut wie nie. Auch die Exporteure in den Ursprungsländern, mit denen wir arbeiten, sind Profis. Sie kennen unsere Spezifikationen und halten sie ein, schließlich wollen sie auch morgen noch Geschäfte mit uns machen. Außerdem will keiner auf einer Fracht im Wert von vielleicht mehr als einer Million Dollar sitzen bleiben. Aber diese Gefahr ist gering: Unser Verständnis von Qualität unterscheidet sich nicht. 

Aber vielleicht unterscheidet sich ja Ihre Vorstellung vom Wert. Denn jetzt wird wohl der Preis verhandelt. 

Um Preise wird natürlich gerungen, aber zum Zeitpunkt der Lieferung sind die Verhandlungen oft schon vorbei. Der Preis für einen Kaffee kann sogar ausgehandelt werden, wenn die Ware noch gar nicht geerntet ist. 

Und dann hofft jede Partei, dass alles so hinkommt wie geplant?

Wir hoffen nicht! Das managen wir. Unsere Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass keine Fehler passieren. 

Klingt gut, dürfte angesichts der Bedingungen aber schwierig sein. Allein das Wetter … 

Klar, das Wetter ist natürlich immer die leichteste Erklärung dafür, dass etwas schiefgegangen ist. Aber die lasse ich nicht gelten. Wenn es geregnet hat, muss der Farmer seine Kirschen eben länger trocknen. Oder er muss den Kaffee im Zweifel ein weiteres Mal verlesen. Die schlechten Bohnen müssen jedenfalls raus. Es gibt immer Möglichkeiten, die Entwicklung zu steuern. 

Was passiert mit minderwertiger Ware? 

Auch dafür finden sich Abnehmer, ein Teil verbleibt aber im Land. 

Die gute Ware macht sich dann auf den Seeweg und kommt – je nach Produktionsland – nach drei bis vier Wochen im Hamburger Hafen an. 

Und auch hier wird die Lieferung erst einmal kontrolliert. Im Hafen durch den Seegüterkontrolleur, im Lager von unserem eigenen Kontrolleur. Daneben wird sie an drei Stellen verkostet: im Importbüro, in der Fabrik und hier bei uns im Einkauf. Wir bestimmen, was aus der Ware wird. Denn wir haben den Draht zum Fertigprodukt. Deshalb entscheiden wir auch, welcher Teil welcher Lieferung in welcher Menge in welches unserer Produkte einfließt. 

Sie bestimmen alles – bis auf den Preis. Was, wenn die Börse bei Ihrer Planung nicht mitspielt? 

Die Börse bestimmt den größten Teil des Preises, aber der Kaffeepreis hat immer zwei Komponenten, und die zweite hat mit der Börse gar nichts zu tun. Wir nennen sie Qualitätsprämie: die Verhandlung um die Güte des Produktes. Kaffee kauft man nicht zu einem festen Preis – man kauft ihn nach Bedingungen, Zeitpunkt und vor allem eben nach Qualität. Wir wollen Kaffee aus ganz bestimmten Regionen der Welt zu einem genau definierten Termin in einer exakt festgelegten Güte. Kaffee aus Kenia beispielsweise ist teurer als andere, weil er besonders gut schmeckt, weil das Angebot knapp ist, weil die Anbaumethoden schwieriger sind als anderswo und die Produktionskosten höher. All das macht seinen Wert aus, und all das fließt in seine Prämie. Sie wird mit den Lieferanten verhandelt – in einem überbörslichen Preis. 

Das müssen Sie uns erklären. 

Nun, für so einen besonderen Kenia-Kaffee verhandelt man zum Beispiel 115 US-Cents pro amerikanischem Pfund – „115 US-Cents/lb“ – über dem täglichen Basiskurs der Börse (der zurzeit bei 225 Cents/lb liegt), ein Kaffee aus Mexiko wird vielleicht bei „35 US-Cents/lb“ festgelegt. Die Prämie bedeutet aus Sicht des Verkäufers: Mein Kaffee ist 115 Cents oder auch 35 Cents pro Pfund teurer als der Börsenpreis. Für einen minderwertigen Kaffee aus grünen Bohnen, der wenig nachgefragt wird, kann die Prämie auch im Minusbereich liegen, beispielsweise bei „minus 10“, das bedeutet dann: 10 Cents unter dem Börsenpreis. Über diesen Wert müssen Käufer und Verkäufer verhandeln, die Prämie ist ausschließlich Verhandlungssache, und sie bleibt für den Rest des Marktes anonym. Anders als der Börsenpreis: Der ist öffentlich, täglich von morgens um 9.30 Uhr bis abends um 20 Uhr unserer Zeit.

Wie lange im Voraus wird die Prämie vereinbart? 

Wir können heute, Mitte Dezember 2011, den Kaffee einkaufen, der im August 2012 verschifft wird. Das heißt, wir schließen jetzt mit dem Exporteur einen Kontrakt über Mengen und Prämien. Und dann haben wir bis zum Ende des Sommers Zeit, den Zeitpunkt zu wählen, an dem wir den Kontrakt fixieren. Man könnte auch sagen: Ich habe neun Monate, um zu entscheiden, wo mein Glück liegt. Jetzt nämlich kommt die Börse ins Spiel. Denn an dem bestimmten Tag X, an dem ich meinen Kontrakt fixiere, zahlen wir die vorher vereinbarten Cents pro Pfund über oder unter dem tagesaktuellen Börsenpreis. Das Schlimmste für einen Einkäufer ist natürlich, wenn er zu einem Preis kauft, der anschließend noch fällt. Der Farmer hat das umgekehrte Risiko: Er fixiert im Idealfall, wenn der Börsenpreis am höchsten ist. Wer den richtigen Zeitpunkt verpasst und verkaufen muss, während die Preise fallen, ist todunglücklich. 

Und muss seine Verluste anders wieder wettmachen. 

Und wie kann er das? Nur durch Abstriche an der Qualität. Deshalb bin auch ich wirklich glücklich, wenn der Farmer einen guten Preis erzielt. Denn letztlich ist es nicht wichtig, ob er nun den idealen Börsentag erwischt hat und zwei Cents mehr oder weniger erzielt. Am Ende zählt nur, dass er seine Leute bezahlen, seine Kosten decken und das erwirtschaften kann, was er zum Leben braucht: ein Dach überm Kopf, Schulgeld, Benzin und alles, was noch dazugehört. Ganz einfach, damit er seine Lebensverhältnisse verbessern kann und weitermacht – und auch nächstes Jahr wieder gute Qualität liefert. 

Das klingt sehr menschenfreundlich. Aber wir reden von einem Milliardengeschäft.

Die Gleichung hat aber viele Komponenten. Und die Rechnung ist letztlich sehr einfach: Wenn die Farmer zu wenig verdienen, ist alles aus. Deshalb hatten wir nach der Jahrtausendwende auch weltweit diese schlimme Kaffeekrise. Damals waren die Preise so niedrig, dass die Produzenten nicht einmal mehr ihre Existenz sichern konnten. 25 Millionen Farmer wirtschafteten unter ihren Produktionskosten. 

Der Verbraucher hat sich gefreut. Damals kostete das Pfund Kaffee im Handel weniger als vier Euro. 

Für die Farmer war es verheerend. Und es hatte Folgen für den gesamten Markt: Es tut einem hochwertigen Produkt nie gut, wenn es sich unter Wert verkauft. Wenn Sie Ihre Ware erst einmal verramscht haben, kommen Sie aus dem Loch nur schwer wieder raus. Wie wollen Sie anschließend Qualität und Werthaltigkeit argumentieren? 

Das ist bei Kaffee ohnehin nicht leicht. Welcher Verbraucher schmeckt schon den Unterschied zwischen einem Pfund Supermarkt-Kaffee für 3,20 Euro und einem frisch gemahlenen zum doppelten Preis?

Jeder, der beide nebeneinander probiert. 

Das muss der Chefeinkäufer von Tchibo schon von Amts wegen sagen. Aber selbst wenn wir eine edle Bohne von Plörre unterscheiden können: Meinen Sie wirklich, wir Verbraucher werden die Qualität eines Hochland-Arabica-Kaffees aus Kenia oder die eines ungewaschenen Arabica aus Brasilien irgendwann so differenziert beurteilen können wie die einer guten Flasche Wein?

Im Prinzip sollten wir das können, schließlich lassen eine Reihe von Kriterien durchaus einen derartigen Vergleich zu. Lage, Frucht, Anbau, Reife, Ernte, Produktion, Verarbeitung, Lagerung, Verpackung – all diese Bedingungen machen einen guten Kaffee so einzigartig wie einen guten Wein. Und doch gibt es zwischen beiden Produkten einen großen Unterschied, an dem kommen wir letztlich nicht vorbei: die Zubereitung. Wenn Sie als Verbraucher eine Flasche Bordeaux öffnen, haben Sie exakt das Produkt, das der Hersteller kreiert hat. Eins zu eins. Bei Kaffee ist das anders. Die Lagerung, die Art der Zubereitung, die Wasserqualität und vieles mehr haben nun einmal auch Einfluss auf den Geschmack. 

Von hundert Prozent möglicher Qualität – wie viel beeinflusst der Konsument durch seinen Umgang mit dem Produkt?

Mindestens ein Viertel. Davon lassen wir uns aber nicht beirren. Ja, es stimmt schon, Lagerung und Zubereitung spielen eine wichtige Rolle. Aber umgekehrt wird nie ein Schuh draus: Aus schlechten Bohnen werden Sie niemals einen guten Kaffee machen.

 


Dieser Text stammt aus unserer Redaktion Corporate Publishing.