Am Anfang von getAbstract stand eine fixe Idee. Als Patrick Brigger und Thomas Bergen den, wie Wikipedia es nennt, Referatedienst 1999 in Luzern gründeten, wollten die beiden Freunde eigentlich nur die Bücher der Library of Congress in Washington, neben der British Library immerhin der größten Bibliothek der Welt, zusammenfassen – sie umfasst inzwischen rund 40 Millionen Bände.
Es war völlig übergeschnappt, und so passte es gut in die Aufbruchstimmung der Neuen Wirtschaft um die Jahrtausendwende, wo groß gedacht und manchmal auch groß geliefert wurde – wenn auch selten nach Plan. „Die Start-up-Kultur haben wir bis heute“, sagt die Projektleiterin des getAbstract International Book Award Anna Wehrt, und Patrick Brigger, heute COO des Unternehmens, lacht: „Ja, irgendwie sind wir jung geblieben.“ Allerdings sind sie bei Weitem nicht mehr so unbedarft wie früher: „Unser ursprünglicher Plan“, sagt Thomas Bergen, heute CEO, ebenfalls lachend, „hätte nie funktioniert. Das war ein unmögliches Unterfangen.“
Mit den beiden Gründern zu sprechen ist ein bisschen wie ins Silicon Valley zu reisen, als dort noch nicht asoziale Milliardäre das Bild prägten: Bergen, 55, ist die gemütliche schweizerische Version des schlitzohrigen Ausdenkers, Brigger komplementär dazu der dynamische Macher. Von den Ideen und Idealen von damals ist das Duo immer noch überzeugt, was sich nicht zuletzt in ihrer Firma widerspiegelt.
„Wir hatten bis vor zwei Jahren eine Geschäftsleitung“, erzählt Bergen etwa, „aber die haben wir abgeschafft und durch etwas ersetzt, das wir Strategy Execution Group nennen. Das ist ein offenes Meeting für alle Team- und Projektleiter, aber auch sonst jeden, der Interesse hat. Es dauert 90 Minuten und hat enorm viel positive Energie freigesetzt. Die Leute spüren, dass sie an den Entscheidungen beteiligt sind.“ Eigentlich kein Wunder, dass der erste Artikel, der jemals über getAbstract geschrieben wurde, in dem Magazin einer Firma erschien, die ähnlich zukunftsgewandt ist: brand eins. Ich erinnere mich gut daran, denn ich habe ihn verfasst – und hatte danach noch ein ganz persönliches Erlebnis mit den Buchkonzentraten.
Meine damalige Freundin las ständig Ratgeber: Bücher über innere Ruhe und die Organisation des Arbeitsplatzes, über Feng Shui, Workflows, Kreativität und Disziplin. Ich fand das gut, aber ineffizient, und so schenkte ich ihr zum Geburtstag unter anderem eine Kiste mit 30 ausgedruckten Abstracts zur persönlichen Entwicklung in diversen Bereichen. Doch als ich sie nach einigen Wochen danach fragte, erklärte sie mir, sie könne damit nichts anfangen. Sie läse Ratgeber eher wie Liebesromane: als Lektüre, quasi Beruhigungsmittel auf Papier – nicht als Anregung.