Floskeln, Phrasen und Plattitüden

Schluss mit dem Bullshit!

In Strategiepapieren und Pressemitteilungen zeigen Unternehmen sich gern von ihrer grünen und sozialen Seite – und verwenden dabei die immer gleichen Floskeln. Sie sollen belegen, dass man die ESG-Kriterien in der Firmenstrategie berücksichtige, also Umwelt (Environ-mental), Soziales (Social) und verantwortungsvolle Unternehmensführung (Governance). Christian Klein, Professor für Nachhaltige Finanzwirtschaft an der Universität Kassel, kann die Phrasen nicht mehr hören.



Als Mitbegründer der Wissenschaftsplattform Sustainable Finance Deutschland identifiziert Christian Klein leere Floskeln sofort.


„Nachhaltigkeit ist Teil unserer DNA.“

Wenn ich das höre, rutscht das kommunizierende Unternehmen im Ansehen gleich eine Stufe tiefer. Viele beschwören, wie sehr Nachhaltigkeit in der Firmengeschichte verankert ist und dass ESG-Leitlinien für sie selbstverständlich sind. Ich frage mich dann bei den meisten dieser Unternehmen: Warum entdeckt ihr das erst jetzt? Warum habt ihr Nachhaltigkeit nicht schon immer sichtbar gelebt? Für einige Unternehmen, die Nachhaltigkeit „als Teil der DNA bezeichnen“, gilt zudem: Das klingt, als sei alles erledigt, als müsse man nichts mehr machen. Und das ist immer falsch. Nachhaltigkeit ist kein Zustand, das zu glauben ist ein großes Missverständnis: Nachhaltigkeit ist ein Prozess.

Wenn Unternehmen wirklich zu den Vorreitern gehören, dann dürfen sie das meinetwegen erwähnen. Sie sollten aber immer in den Vordergrund stellen, welche neuen Herausforderungen dazugekommen sind und mit welchen konkreten Maßnahmen sie ihnen begegnen.

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„Aus unserer Sicht bietet Nachhaltigkeit mehr Chancen als Risiken.“

Ein Statement dieser Art ist ein beliebter Euphemismus. Leider ist es Quatsch. Erst einmal bedeutet nachhaltig werden für Unternehmen: Sie müssen ordentlich in Ressourcen investieren – Menschen einstellen, Daten erheben, teurere Rohstoffe einkaufen … Was jetzt kommt, wird also kosten, und das sollte man ehrlich kommunizieren.

„Für uns gehören Nachhaltigkeit und profitables Wachstum zusammen.“

Sätze wie dieser klingen, als sei das eine vollkommene Symbiose, ein Selbstläufer. Aber ganz offensichtlich ist es nicht so: Wenn es möglich wäre, die Welt zu retten und dabei reich zu werden, hätten das alle bereits getan. Transformationen tun erst mal weh, das ist doch klar. Der fortschreitende Klimawandel wird mit einem Wohlstandsverlust einhergehen. Hier wollen Unternehmen gegensteuern. Es geht in erster Linie also darum, Risiken zu verkleinern. Welchen Plan sie dafür haben, sollten Unternehmen verständlich erklären, statt immer nur abstrakt von Chancen zu reden.

„Wir wollen Vorreiter in Sachen Nachhaltigkeit werden.“ „Wir gehen das Thema nun mit voller Kraft an.“

Sorry, aber: zu wenig, zu spät! Wer Nachhaltigkeit nicht bereits seit vielen Jahren auf der strategischen Agenda hat, der wird das Ruder kaum noch herumreißen können und kann schon gar kein Pionier mehr werden. Ich konnte neulich wieder einem Managergespräch beiwohnen, in dem diskutiert wurde: Wie können wir jetzt Nummer eins in Sachen Nachhaltigkeit werden? Die bittere Wahrheit ist: Wer jetzt erst mit dem Umsteuern begonnen hat, dem wird der Anschluss kaum noch gelingen.

„Wir unterstützen die UN-Ziele für nachhaltige Entwicklung.“ „Wir haben uns dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu werden.“

So etwas lese ich immer noch und muss schmunzeln. Fast die ganze Welt hat sich dazu verpflichtet, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften! Es ist völlig klar, dass alle mitmachen müssen.

Wer sich mit solchen Selbstverständlichkeiten schmückt, lässt tief blicken. Jeder, der sich nur ansatzweise mit dem Thema auskennt, wird das sofort durchschauen und als Floskel identifizieren. Wer lediglich das Mindestmaß erfüllt, sollte solche Plattitüden weglassen. Nur wenn man den regulato- rischen Vorgaben voraus ist, ist das erwähnenswert.

„Wir setzen in unserem Headquarter auf Ökostrom.“ „Wir haben unsere Flotte auf E-Mobilität umgerüstet.“ „Wir sparen Kopierpapier.“

Nicht falsch verstehen, das sind gute Maßnahmen, die man ruhig erwähnen darf – irgendwo im allerletzten Absatz als Randnotiz zumindest. Aber: All das ist bei Weitem zu banal, um es in der Manier hervorzuheben, wie Unternehmen das gern tun. Bei Nachhaltigkeit geht es in allererster Linie um Risikomanagement, nicht um Betriebsökologie. Viel spannender ist doch, kompakt darzustellen, wie das Thema im Management behandelt wird: Wie ist ESG in der Strategie verankert? Sind die Boni für den Vorstand an das Erreichen von Nachhaltigkeitszielen gekoppelt? Gibt es „nur“ einen Nachhaltigkeitsbeauftragten – oder einen Manager, einen Chief Sustainability Officer? Ist Nachhaltigkeit im Verwaltungsrat verankert? Wurden Leute mit entsprechenden Fähigkeiten eingestellt? Solche Faktoren sind aussagekräftig und sollten zuallererst genannt werden.

Für viele ist Nachhaltigkeit immer noch ein Kommunikations- und Regulierungsthema. Aber wer noch nicht verstanden hat, dass es um grundlegende Strategien geht, hat ein Problem. Mein Vorschlag: Die vielen Papiere und Pressemitteilungen dazu können Unternehmen gern eindampfen. Stattdessen sollten sie sich vornehmen, relevante und konkrete Faktoren zu nennen. Etwa so: „Nachhaltigkeit ist ein strategisches Thema, es wird Geld kosten. Aber wir nehmen das ernst. Deshalb haben wir ein Nachhaltigkeitsmanagement aufgebaut, um schon bis 2030 CO2-neutral zu sein, und die Vergütung unseres Vorstandes an folgenden konkreten Zielen ausgerichtet: …“ //