Updates aus dem ministerium 01

Updates aus dem Ministerium, Teil V

Claus Ruhe Madsen ist der erste ausländische Minister in einer deutschen Landesregierung. Seit Ende Juni 2022 leitet er in Schleswig-Holstein das Ministerium für Wirtschaft, Verkehr, Arbeit, Technologie und Tourismus. Zuvor war er bereits der erste ausländische Oberbürgermeister einer deutschen Großstadt: der Hansestadt Rostock.

Im fünften Teil der Serie „Updates aus dem Ministerium“ spricht Claus Ruhe Madsen über Bürokratieabbau, innovative Ideen aus Dänemark, infrastrukturelle Herausforderungen und seine Meinung zur Politik der Bundesregierung.



Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

— Berlin, April 2024

brand eins: Herr Madsen, Sie sind seit fast zwei Jahren im Amt. Gibt es etwas, worauf Sie besonders stolz sind?

Claus Ruhe Madsen: Ja, dass es uns gelungen ist, das schwedische Unternehmen Northvolt in Schleswig-Holstein anzusiedeln. Northvolt wird ab 2026 in Heide Batteriezellen für Elektrofahrzeuge produzieren. Das Werk bringt 3.000 neue Arbeitsplätze und sorgt voraussichtlich für weitere 11.500 Jobs bei Zulieferern in der Umgebung. Das verleiht Schleswig-Holstein ein neues Profil.

Der Bund und das Land Schleswig-Holstein unterstützen das Projekt mit rund 700 Millionen Euro, ergänzt durch zusätzliche Garantien in Höhe von 202 Millionen Euro. Das Institut für Weltwirtschaft schätzt jedoch, dass die Ansiedlung möglicherweise auch mit weniger Subventionen möglich gewesen wäre.

Dennoch halte ich solche Investitionen für sinnvoll. Die Heide-Region war bis vor kurzem noch die ärmste in Schleswig-Holstein. Durch das Northvolt-Werk wird sich die Zahl der Arbeitsplätze vervierfachen, und die Wertschöpfung soll ab 2029 bei 900 Millionen Euro pro Jahr liegen. Wenn wir ein grünes Industrieland werden wollen, müssen wir auch in diese Richtung arbeiten. Das geht nur mit Zuckerbrot. Generell halte ich allerdings eine andere Form der Wirtschaftsförderung für sinnvoller.

Welche?

Zum Beispiel Entlastungen, um das Unternehmertum wieder attraktiver zu machen. Allein durch übermäßige Bürokratie belastet Deutschland die Wirtschaft jährlich mit bis zu 50 Milliarden Euro.

Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

Was wollen Sie dagegen unternehmen?

Ich habe kürzlich eine Bundesratsinitiative eingereicht, um die Bürokratielasten für den Mittelstand zu verringern. 99 Prozent aller deutschen Unternehmen gehören zum Mittelstand. Ich schlage vor, dass EU-Vorgaben tatsächlich eins zu eins umgesetzt werden – ohne zusätzliche nationale Anforderungen. Außerdem sollte für jede neue Vorschrift mindestens eine bestehende abgeschafft werden. Der Bundesrat prüft derzeit diese Vorschläge.

Haben Sie selbst auch etwas aus diesem Prozess gelernt?

Ja, dass Bürokratieabbau selbst äußerst bürokratisch ist (lacht). Ein Antrag durchläuft unzählige Ausschüsse. Hier wird etwas verschärft, dort angepasst, an anderer Stelle gibt es neue Anforderungen. Was man mit 10.000 Volt einbringt, wird am Ende zu einer kleinen Kerze. Aber viele kleine Kerzen erleuchten den Baum.

Welche weiteren Ziele haben Sie für Ihre Amtszeit?

Ich möchte bessere Strukturen schaffen, damit wir in Zukunft Großprojekte oder Infrastrukturprojekte effizienter umsetzen können. Es ist längst ein offenes Geheimnis, dass wir Großprojekte nicht bewältigen. Ich glaube, das liegt auch daran, dass in Deutschland der Grundsatz gilt, unberührte Natur sei die beste Natur. In Dänemark denken sie da anders.

Wie genau?

Wenn die Dänen neue Straßen oder Brücken bauen, muss der Zustand der umliegenden Natur nach Fertigstellung besser sein als zuvor. Bei der Fehmarnbelt-Brücke haben die Dänen beispielsweise eine künstliche Insel errichtet und an den Brückenpfeilern ein Material angebracht, das Muscheln anzieht. Diese reinigen das Wasser und locken Fische an. Das lässt sich wissenschaftlich nachweisen. Wenn man das nachweisen kann, wird es schwieriger, rechtliche Einwände zu erheben.

Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

Aber wie sieht es aktuell mit großen Infrastrukturprojekten aus? Ein Abgeordneter der FDP aus Schleswig-Holstein wirft Ihnen „Arbeitsverweigerung“ vor, da es bei der Hinterlandanbindung der Fehmarnbeltquerung, der Elektrifizierung der Marschbahn und dem Weiterbau der Autobahn 20 wenig Fortschritt gibt.

Das finde ich amüsant. Mein Vorgänger kam ja auch aus der FDP. Ich bin der erste Verkehrsminister seit 20 Jahren, der wieder Autobahnen bauen lässt: Südlich von Kiel bauen wir gerade die Bundesstraße 404 zur vierspurigen A 21 aus.

Als Verkehrsminister sind sie auch für das Schienennetz in Schleswig-Holstein verantwortlich. Sie sagten, es sei museumsreif und das schlechteste in Deutschland. Woran liegt das?

Für die Finanzierung des Schienenpersonennahverkehrs ist maßgeblich der Bund zuständig, der uns oft vernachlässigt. In Berlin scheint man zu denken, dass es nicht so wichtig ist, wenn in Schleswig-Holstein mal eine Regionalbahn ausfällt. Versprochene zusätzliche Gelder wurden bislang nicht ausgezahlt. Oftmals habe ich das Gefühl, dass wir – Bundes- und Landesregierungen – eher gegeneinander als miteinander arbeiten.

Was ist der Grund für diese Spannungen?

Ich sehe einen Mangel an Mut und Zuversicht und vermisse eine klare Linie der Bundesregierung. In Dänemark höre ich von Fortschritten und einer „Jetzt erst recht“-Mentalität, während in Deutschland oft nur Bedenken geäußert werden. Wir sind zu einem „Das-machen-wir-lieber-nicht“-Land geworden. Teile der Bundesregierung agieren zudem so, als wären sie in der Opposition. Das ist ziemlich verwirrend.

Claus Ruhe Madsen
Claus Ruhe Madsen

Was bedeutet das konkret für Sie?

Nehmen wir das Deutschlandticket. Wir wissen trotz langer Verhandlungen nicht, ob es Bestand haben wird und wie es finanziert werden soll. Das Ticket kostet jährlich drei Milliarden Euro. Bislang teilen sich Bund und Länder die Kosten. Schleswig-Holstein muss etwa 52 Millionen Euro beisteuern, was sich das Land nicht leisten kann. Uns fehlen nämlich bereits jetzt etwa 60 Millionen Euro jährlich im öffentlichen Nahverkehr.

Sie wollen mehr Geld vom Bund – was passiert, wenn der nicht zahlt?

Dann müssen wir sparen. Wir prüfen aktuell, welche Zugverbindungen gestrichen werden können, ob wir auf bestimmten Strecken die ersten und letzten Züge des Tages nicht mehr fahren lassen oder ob wir die Taktung verringern.

Trotz der Probleme, die Sie schildern, wirken Sie recht entspannt – wie kommt’s?

Früher war ich als Oberbürgermeister von Rostock und anfänglich als Minister in Kiel sehr ungeduldig. Inzwischen kann ich mit Kompromissen leben. Ich verstehe besser, dass ich vor allem die Interessen des Landes, aber auch die der Kreise und Gemeinden sowie der Koalitionspartner berücksichtigen muss. Das führt mitunter nur zu kleinen Fortschritten, aber das sind auch Fortschritte. Und Fortschritte durch Kompromisse zeigen, dass unsere Demokratie funktioniert.

Der nächste Teil der Serie „Updates aus dem Ministerium“ erscheint im Juni 2024.
Alle bisherigen Teile der Serie finden Sie hier.