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Ein Nickerchen im Robotaxi

Fünf Innovationen für bessere Mobilität.




• Ob Personen- oder Güterverkehr: Das Transportwesen ist einerseits innovativ, andererseits wirken dort erstaunliche Beharrungskräfte. Obwohl allerhand Neuerungen – Flugtaxis! Selbstfahrende Lkw! – beschworen werden, fahren die meisten Menschen immer noch mithilfe des vor anderthalb Jahrhunderten erfundenen Verbrennungsmotors von A nach B. Kaum ein Land ist dabei so auf erdölbetriebenen Individualverkehr ausgerichtet wie die USA, Heimat der Motels, Drive-Thru-Bankschalter und eines ausgedehnten Highway-Netzes. Doch auch dort stößt dieses System mehr und mehr an seine ökologischen und Kapazitätsgrenzen.

Bei der Tech-Konferenz South by Southwest (SXSW), gibt es aus diesem Grund einen eigenen Themenschwerpunkt „Transportation“. Von den zahlreichen neuen Ideen, Konzepten und Innovationen, die dort präsentiert und diskutiert werden, stellen wir fünf vor.

VTOLs

Kaum eine Innovation wurde in den vergangenen Jahren mit so viel Spott bedacht wie die Flugtaxis. Offiziell nennt man diese kleinen, ohne Start- und Landebahn auskommenden Fluggeräte VTOLs – kurz für Vertical Take-Off and Landing –, da sie senkrecht starten und landen können. Die Hürden für ihren Einsatz sind hoch: Da sie vor allem in urbanen Zentren genutzt werden sollen, dürfen sie nicht zu laut sein. Sie müssen sich strengen Regeln der Luftraumüberwachung unterwerfen und sollen kostengünstig, effizient und vor allem sicher sein. 

Trotz all dieser Herausforderungen gibt es mit Wisk Aero, Volocopter, Lilium oder Joby Aviation zahlreiche Start-ups aus Deutschland, den USA und anderen Ländern, die auf VTOLs setzen. Manche der Prototypen erinnern noch an traditionelle Kleinflugzeuge, andere eher an Hubschrauber mit 18 ringförmig angeordneten Rotoren. 

Drohnen, also unbemannte VTOLs, haben den Praxistest bereits bestanden und werden künftig noch stärker genutzt als bisher, um etwa Medikamente oder verderbliche Güter über kürzere und mittlere Distanzen schnell zuzustellen. Der Handelsriese Amazon testet aktuell in zwei amerikanischen Städten die Zustellung gewöhnlicher Waren per Drohne. Die Vorgaben der US-Flugsicherungsbehörde FAA sind so streng, dass zufolge bis zu sechs Personen nötig sind, um eine Drohnenzustellung zu steuern, zu begleiten und abzusichern. Die Drohne darf sich zu keinem Zeitpunkt mehr als 30 Meter (waagrecht gemessen) von ihrem Piloten entfernen. Auch bei den Flugtaxis zum Personentransport dürfte es also ohne Piloten an Bord so schnell nirgendwohin gehen.

brand eins-Autor Christoph Koch spricht bei der SXSW mit Markus Schäfer, Chief Technology Officer und Vorstandsmitglied der Mercedes-Benz Group AG, über die Zukunft des Autos und die Rolle des autonomen Fahrens.

Autonomes Fahren

Ebenso wie die Flugtaxis war auch das autonome Fahren lange Zeit ein dankbares Thema für Skeptiker. Der Tesla-Gründer Elon Musk macht es ihnen allerdings auch leicht: Seit fast einem Jahrzehnt wiederholt er stur, „nächstes Jahr“ sei es nun aber wirklich soweit mit den selbstfahrenden Autos. Doch es wird wohl noch länger dauern, als die Optimisten gehofft und angekündigt haben.

Trotzdem gibt es sowohl in der etablierten Automobilindustrie als auch unter den Internetkonzernen Unternehmen, die das autonome Fahren vorantreiben. In den USA sind das beispielsweise die Google-Tochter Waymo, Apple und die Autokonzerne General Motors und Ford , in Deutschland Mercedes-Benz, Audi und BMW. In den USA und Europa arbeiten zudem eine Reihe Start-ups an Fahrzeugen, die ohne Fahrer den Weg zum Ziel finden, darunter Cruise, Navya, Luminar und Aptiv.

Die kalifornische Firma Cruise bietet seit Ende 2022 Fahrten in fahrerlosen Autos an. Bislang ist dieses Angebot allerdings auf bestimmte Teile von San Francisco, Austin und Phoenix beschränkt und kann momentan nur von einem begrenzten Personenkreis gebucht werden. Kritiker bemängeln, dass sich die Firmen vor allem auf Gegenden mit gutem Wetter und somit problemloser Sicht konzentrieren. Im trockenen Phoenix, Arizona, ein autonomes Auto unfallfrei durch die Straßen zu schicken, sei etwas fundamental anderes als im Schneeregen von Helsinki, Finnland.

Die Optimisten betonen dagegen, dass ausgereifte und gut trainierte autonome Fahrsysteme deutlich sicherer sind als von Menschen gesteuerte Autos – da die Technik nicht ermüdet und sich auch nicht ablenken lässt. Zudem biete eine Fahrt in einem Robotaxi einen Zugewinn an Zeit. Das Auto werde, so die Vision, zu einer Erweiterung des Zuhauses, in der man liest, spielt, arbeitet oder ein Nickerchen machen kann.

Welchen Einfluss autonomes Fahren auf den Autobesitz (Flotten von buchbaren Fahrzeugen statt Individualbesitz) und damit auf die Städteplanung (weniger Parkplätze, besserer Verkehrsfluss) hat, sind weitere Fragen, die die Branche beschäftigen.

Mixed Reality im Auto

Solange die Menschen ihre Autos noch selbst fahren, müssen sie durch die Windschutzscheibe auf die Straße schauen. In einigen Modellen bietet die Frontscheibe bereits sogenannte Head-Up-Displays, welche einfachere Informationen wie beispielsweise die aktuelle Geschwindigkeit an den Rand des Glases projizieren. Mixed Reality (MR) und Augmented Reality (AR) sorgen für noch mehr Komfort und Sicherheit. So lassen sich zum Beispiel komplizierte Navigationsanweisungen („Auf dem zweiten Streifen von rechts einordnen und nach dem Abbiegen direkt links halten“) anschaulich darstellen. So zeigen Navigationspfeile scheinbar direkt auf die betroffenen Abbiegerspur. Volkswagen etwa bietet hat AR Head Up Displays bereits optional in ID- und Cubra-Modellen an, aber auch Hersteller wie Kia bieten für einzelne Modelle bereits dynamische 3D-Anzeigen.

Nicht nur beim Fahren werden Mixed und Augmented Reality in Zukunft eine größere Rolle spielen, sondern auch in der Fertigung und im Marketing, sagen Fachleute voraus. Und auch am klassischen Armaturenbrett tut sich etwas: Microsoft arbeitet daran, Teams-Calls im Auto zu ermöglichen. Dies soll über Apples CarPlay-System funktionieren und aus naheliegenden Gründen nur ohne Video- oder Textchats-Übertragung möglich sein. Zoom arbeitet wiederum gemeinsam mit Tesla an Videokonferenzen auf dem Bildschirm eines Fahrzeugs. Sie sollen nur dann stattfinden dürfen, wenn das Auto steht, zum Beispiel an einer Ladesäule.

E-Trucks

Lkw lassen sich nur schwer elektrisch bewegen: Die Fahrzeuge und ihre Ladung sind schwer,die zurückzulegenden Strecken lang und es fehlt angeeigneter Lade-Infrastruktur. Soll die Klimakrise gemeistert werden, muss das aber gelingen, denn Lkw und Busse sorgen für mehr als ein Viertel der CO₂-Emissionen im Straßenverkehr.

Die Lösung könnten leistungsfähigere Akkus sein sowie ein schneller Akkuwechsel statt langwierigen Aufladens. So hat Daimler Truck das seriennahe Modell seiner Sattelzugmaschine eActros Long Haul mit einer Reichweite von rund 500 Kilometern mit einer Batterieladung vorgestellt. Damit soll ab 2024 auch die Fernstrecke in Serie elektrisch werden. Ein anderer Ansatz: Oberleitungen auf vielbefahrenen Strecken, wie man sie von Straßenbahnen oder Stadtbussen kennt. Ein Pilotprojekt, das diese Technik seit 2019 unter anderem auf der A5 in Hessen erprobt, soll nun in Indien auf einer Strecke von mehr als 1300 Kilometern die Hauptstadt Neu-Delhi mit der Metropole Mumbai verbinden. 120 Kilometer pro Stunden sollen Laster auf dieser Strecke fahren können. Ein Vorteil: Die Oberleitung liefert nicht nur den Strom für die Fahrt, sondern lädt bei Bedarf auch den Akku des Lkw auf. Dieser könnte also mit Akkustrom auf einer beliebigen Landstraße zur Oberleitungstrecke fahren und sich dort während der Fahrt aufladen, um anschließend genug Strom für den letzten Streckenabschnitt zu haben, der vielleicht wieder auf einer kleineren Straße zurückgelegt werden muss.

Keine große Erleichterung dürften die E-Trucks jedoch für Autobahnanwohner bringen: Denn je schwerer und klobiger das Fahrzeug, umso größer wird der Anteil an Wind- und Reifenabrollgeräuschen und umso unwichtiger das wegfallende Brummen des Verbrennungsmotors. Und wie bei allen Versprechungen einer besseren, grüneren Zukunft gilt es auch diese genau zu prüfen. So wurde im Oktober vergangenen Jahres Trevor Milton, Gründer der E-Truck-Firma Nikola, von einem US-Gericht des Betrugs für schuldig befunden. Milton hatte, so das Urteil, Investoren über den tatsächlichen Stand der Entwicklung bei Nikola getäuscht.

Unter der neuen Führung von Ex-Opel-Chef Michael Lohscheller muss das Unternehmen nun zeigen, wozu es tatsächlich in der Lage ist. Dort setzt man nun neben den rein elektrischen Modellen auch auf Wasserstoff-Antrieb und Hybrid-Fahrzeuge.

Flughafen-Roboter

Als nach der Pandemie-Flaute die Reiselust weltweit wieder zunahm, hielten viele Flughäfen dem plötzlichen Andrang nicht stand. Staus am Check-in und den Sicherheitskontrollen, verspätetes oder beim Umsteigen zurückgebliebenes Gepäck – meist fehlte es an Personal. Ein verstärkter Einsatz von Robotern soll in naher Zukunft viele dieser Probleme lösen, so die Hoffnung. Diese könnten als freundliche Helfer den Weg weisen, als Sicherheitskräfte Passfotos und Gesichter abgleichen oder das Gepäck verladen. Flughäfen seien kleine Städte, mit Menschenströmen, die verschiedene Transport-Möglichkeiten nutzen, argumentieren Befürworter von automatisieren Flughäfen. Eine Robotisierung könne daher auch Prognosen für Städte der Zukunft liefern. Welche Interaktionen mit Maschinen akzeptieren Menschen? Welche nicht?

Einen Vorteil hätte ein Flughafen voller Roboter in jedem Fall: Wenn nicht alle Passagiere durch dieselben mit Menschen besetzten Security-Schleusen müssen, hätte es das nächste Virus wohl ein klein wenig schwerer, zur Pandemie zu werden. ---