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Damit der Strom fließt

Fünf Innovationen für die Energiewende.




• Energie zu sparen ist unter anderem deshalb vernünftig, weil ihre Erzeugung nach wie vor für enorme Mengen klimaschädlicher CO2-Emissionen sorgt. Es war dann allerdings der russische Angriffskrieg auf die Ukraine, der die Menschen dazu brachte, deutlich weniger zu verbrauchen. Gas drohte knapp zu werden und verteuerte sich dadurch, ebenso der Strom: In der Folge sank der deutsche Gasverbrauch 2022 um fast 18 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Beim Strom fielen die Einsparungen mit 4 Prozent gegenüber dem Vorjahr geringer aus – dafür aber erhöhte sich der Anteil erneuerbarer Energien am deutschen Strommix von knapp 43 auf mehr als 48 Prozent.

Fast alle großen Zukunftsfragen hängen davon ab, ob es uns gelingt, von fossilen Brennstoffen wegzukommen und stattdessen große Mengen klimaneutraler Energie zu erzeugen. Die dabei zu lösenden Probleme sind Thema der Konferenz South by Southwest (SXSW). Von den zahlreichen Konzepten, die dort präsentiert und diskutiert werden, stellen wir fünf vor.

Wasserstoff – Hoffnungsträger oder Hype?

Ein wichtiger Baustein für die Energiewende soll grüner Wasserstoff werden. Grün bedeutet, dass das eigentlich farblose, sehr leichte und brennbare Gas aus erneuerbaren Energien hergestellt wird. Nur dann ist es klimaneutral. Wasserstoff ist keine Energiequelle, sondern lediglich ein Energieträger. Er wird durch die Elektrolyse von Wasser gewonnen – wofür viel Strom benötigt wird. Der Wirkungsgrad beträgt bis zu 70 Prozent, das heißt mindestens 30 Prozent des aufgewendeten Stroms gehen verloren. Es ist also nur dann sinnvoll, grünen Wasserstoff herzustellen, wenn Strom aus erneuerbaren Quellen im Übermaß zur Verfügung steht und nicht anderweitig gespeichert werden kann – zum Beispiel bei starker Sonneneinstrahlung auf Solarpanels oder voll ausgelasteten Windanlagen. In Deutschland gibt noch keine nennenswerten regenerativen Stromüberschüsse. Deshalb sind Partnerschaften mit energiereichen Ländern wie Namibia, Marokko oder Chile geplant, aber noch nicht spruchreif.

brand eins-Autor Christoph Koch spricht bei der SXSW mit Dr. Ilissa Ocko. Ocko ist Klimawissenforscherin für den Environmental Defense Fund, einer Wissenschaft-NGO. Sie entwickelt zusammen Experten aus Politik und Wirtschaft, Juristen und anderen Wissenschaftlern Strategien zur Eindämmung des Klimawandels.

Besonders häufig wird Wasserstoff als Alternative zu E-Auto-Akkus diskutiert: Wasserstoffbetriebene Brennstoffzellen sollen die Antriebsenergie liefern. Aus dem Auspuff kommt statt Abgasen nur ein wenig Wasser. Doch auch selbst solche Fahrzeuge kommen nicht ganz ohne einen, wenn auch kleinen Akku aus. Zudem gehen beim Transport des Wasserstoffs und der Komprimierung für den Tank weitere Energie verloren, sodass am Ende etwa nur ein Viertel des Stroms, der ursprünglich hineingesteckt wurde, als Energie zur Fortbewegung ankommt. Es sind also noch große Herausforderungen zu meistern, bevor grüner Wasserstoff seinen Beitrag zur Energiewende leisten kann. Regierungen in aller Welt – nicht zuletzt die deutsche – setzen seit Kurzem verstärkt auf das Thema und finanzieren Forschungs- und Infrastrukturprojekte mit großen Summen.

Häuser als Energielieferanten

Rund 40 Prozent der Treibhausgas-Emissionen in den hochindustrialisierten Ländern entfallen auf den Gebäudesektor, also den Bau, Betrieb und Abriss von Bauten. Dabei können sogenannte Plus-Energie-Häuser schon heute mehr Energie erzeugen, als sie verbrauchen. Noch handelt es sich dabei allerdings meist um Pilotprojekte oder einzelne Sanierungen von existierenden Häusern. Doch die Möglichkeiten, mit Häusern Energie zu erzeugen, nehmen zu: Neben Solardächern können auch Fassaden und sogar Fenster Strom aus Sonnenlicht erzeugen. Das aus einer Zusammenarbeit der Michigan State University und des MIT hervorgegangene Start-up Ubiquitous Energy ermöglicht dies für Fenster von Büro- und Wohngebäuden und plant sogar Autoscheiben oder Gewächshäuser mit Photovoltaik auszustatten.

Auch Windenergie könnte in Zukunft besser genutzt werden: Junge Firmen wie Aeromine entwickeln kleine Windkraftanlagen, die am Rand von Flachdächern angebracht Energie erzeugen. Sie verfügen über keine beweglichen Rotoren, arbeiten nach Angaben des Unternehmens deshalb geräuschlos und stellen keine Gefahr für Vögel und andere Tiere dar. Und da sie an der Kante des Dachs sitzen, um den Wind von der Fassade optimal aufzunehmen, blockieren sie auch keinen Platz für Solaranlagen. Weitere Anbieter mit teils anderen technischen Konzepten für Dachwindanlagen sind Accelerate Wind und Ridgeblade.

Schutz für kritische Infrastruktur

Auch bei der Energieversorgung wird das Thema Sicherheit immer wichtiger. So macht die Digitalisierung Stromnetze effizienter, aber verwundbarer. Kriminelle oder staatliche Hacker können sogenannte kritische Infrastrukturen angreifen und lahmlegen, wie es beispielsweise bei Ransomware-Angriffen auf Stromnetzte oder Pipelines schon mehrfach vorgekommen ist. Veraltete Software, die in diesen Branchen noch vielfach verwendet wird und keine Sicherheitsupdates mehr erhält, verschlimmert das Problem. Mittlerweile gibt es sogar spezielle, gezielt für Angriffe auf Stromnetze entwickelte Malware wie „Industroyer“.

Der Hack der Colonial Pipeline an der US-Ostküste, der 2021 dafür sorgte, dass US-Präsident Biden den Notstand ausrief, ist ein Beispiel dafür, wie eine kleine Sicherheitslücke zu großen Problemen führen kann. Die fast 9000 Kilometer lange Rohrleitung musste nach einem Hacker-Angriff auf die IT des Betreibers für mehrere Tage außer Betrieb genommen werden. Erst nachdem die Kriminellen das geförderte Lösegeld erhalten hatten, gaben sie die Daten wieder zur Entschlüsselung frei. Das Einfallstor für den Angriff war das Passwort eines Mitarbeiters. Wahrscheinlich hatte die Person es auch an einer anderen Stelle für Logins verwendet – wo es den Hackern in die Hände gefallen war.

Akkus auf Rädern

Dunkelflaute ist ein angemessen schauerliches Wort für das Schreckgespenst der Energiewende. Denn wenn immer mehr Strom aus Solaranlagen und Windparks stammt, werden Perioden ohne Sonnenlicht und Wind zum Problem. Wasserstoff käme als Speichermedium in Frage. Allerdings geht, wandelt man an sonnigen und windigen Tagen Strom in Gas um, einiges an Energie verloren. Ebenso durch die Wiederverstromung in der Dunkelflaute. Als alternativer Energiespeicher könnten E-Autos dienen – Akkus auf Rädern. Die Vehicle-To-Grid-Technologie (V2G) ermöglicht es, Elektrofahrzeuge dann aufzuladen, wenn erneuerbare Energie im Überfluss vorhanden ist. Ist der allgemeine Strombedarf dagegen hoch, können die E-Autos einen Teil ihrer gespeicherten Energie an das Netz zurückzugeben. Was V2G im Großen anstrebt, kann Vehicle-To-Home (V2H) im Kleinen leisten: Wer beispielsweise viele Solarzellen auf dem Dach hat, kann an sonnigen Tagen mehr Strom erzeugen als benötigt und im eigenen E-Auto speichern.

Ein Nachteil von V2G und V2H: Häufiges Laden und Entladen können die Lebenszeit von Akkus verkürzen, kostet also Geld und Rohstoffe. Eine Alternative könnten ausrangierte Fahrzeug-Akkus sein, deren Kapazität für den Fahrbetrieb zu gering ist, die aber als Zwischenspeichern für die Dunkelflaute noch taugen.

Das Internet der Energie

Das Internet, so hatten es sich seine frühen Architekten zur Aufgabe gemacht, müsse unzerstörbar sein. Es sollte sogar einen Nuklearschlag der Sowjetunion überleben – damals eine durchaus reale Gefahr. „Resilienz und Redundanz sind wesentliche Bestandteile des Internet-Designs“, erklärte Cerf einmal in einem Interview mit der Washington Post. Letztlich ist es seine netzförmige Struktur, die das Internet so widerstandsfähig macht: Unzählige Knotenpunkte sind miteinander verbunden, und für die Datenpakete ist es nahezu irrelevant, welchen Weg über wie viele dieser Knoten sie von A nach B nehmen. Fällt ein Knoten aus, oder auch zehn oder hundert, dann findet sich ein anderer Weg durch das Netz.

Stromnetze hingegen sind traditionell zentralistisch organisiert. Denn sie stammen aus einer Zeit, als es nur wenige große Kraftwerke und viele Stromverbraucher gab. Heute nimmt die Zahl der Stromerzeuger – beispielsweise kleinere Windparks oder Solardächer – immer mehr zu, weshalb ein dezentrales Stromnetz sinnvoller wäre. Damit die verschiedenen Knotenpunkte wie im Internet miteinander kommunizieren können, sind verschiedene Innovationen nötig.

Zum Beispiel Smart Meter, die Stromerzeugung und Verbrauch abrechnen und Daten sammeln, um Bedarfe vorhersagen können – zum Beispiel um Vehicle-to-Grid-Technologie (s.o.) zu steuern. Oder sogenannte Distributed Energy Ressources (DERs), also kleine Energiespeicher, die verhindern, dass der Strom unnötig lange Wege zurücklegen muss (siehe auch Vehicle-To-Grid). Aber auch modernere Umspannwerke, die schnell und flexibel auf die stärkeren Schwankungen im Stromsystem reagieren können. Und nicht zuletzt herstellerunabhängige Kommunikationsstandards, damit die verschiedenen Komponenten, von der privaten Ladesäule bis zum städtischen Wasserkraftwerk, reibungslos miteinander kommunizieren können. ---