Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Susanne Risch:
Überraschung!
• Verbinden Sie mit China immer noch Dinge wie die Verletzung von Patentrechten oder den Diebstahl geistigen Eigentums? Dann ist es an der Zeit, Ihr Bild zu korrigieren. Natürlich kennt die Volksrepublik heute noch Fälle von Produkt- und Markenpiraterie. Aber die Chinesen können auch anders. Und sie verfolgen ihr Vorhaben, Technologielücken zu schließen und Innovationen zu schaffen, mit beeindruckender Konsequenz. Die Regierung hat die Ausbildung eines ganzen Heeres von Erfindern inzwischen sogar als Staatsziel definiert. Und das ist mehr als Propaganda. Wer sich wie die Professorin Silvia Lindtner in der chinesischen Gründerszene auskennt, warnt davor, das innovative Potenzial der Nation zu unterschätzen (Seite 68).
Auch an anderen Orten sind wir auf Entwicklungen gestoßen, die wir so nicht erwartet hätten. In Nairobi zum Beispiel, wo neben Armuts- und Elendsvierteln pulsierende Co-Working-Places und Inkubatoren entstehen. In Afrika wächst eine sehr besondere Start-up-Szene heran: gut ausgebildete Menschen, die aus Not Unternehmer werden. Ihre Innovationen und Entwicklungen zielen ins Herz der Nation – und haben das Potenzial, auch anderswo Elend zu lindern oder Teilhabe an der Gesellschaft zu ermöglichen (Seite 36).
Was wir hinter schmuckloser Fassade in Köln gefunden haben, würde man bei Google, jetzt Alphabet, wohl Moonshot nennen. Hierzulande heißt es einfach Grundlagenforschung. Meint aber genau dasselbe: Wissen schaffen, von dem man noch nicht weiß, wozu es einmal gut sein wird. Der Sonderforschungsbereich 1252 ist eine Hochburg der Sprachwissenschaft (Seite 44).
Auch unsere Umfrage hat im dritten Jahr für eine Vielzahl von Überraschungen gesorgt. Mehr als 25.000 Experten waren aufgefordert, ihr Urteil abzugeben – und haben für 2018 insgesamt 496 Innovatoren nominiert. Darunter sind Urgesteine wie die Allianz, die eine „digitale Fabrik“ werden will (Seite 64), und alte Mittelständler wie Phoenix Contact, an deren 60.000 Produkten in der Verbindungs- und Automatisierungstechnik heute keiner vorbei kommt (Seite 50). Die Mitarbeiter von KUKA bauen in einem unauffälligen Gewerbegebiet in Augsburg die modernsten Roboter der Welt (Seite 12), der Aufsteiger Figo aus Hamburg macht den Banken Beine (Seite 32). In Hinterzarten erfinden zehn Gemeinden um die Hochschwarzwald Tourismus GmbH den Urlaub im Schwarzwald neu (Seite 126), während rund 150 Angestellte bei Kiwigrid in Dresden die Software für die Energiewende schreiben (Seite 74).
Innovation ist eben nicht nur neu, jung, hip und modern. Innovation ist auch Alter, Erfahrung und Wissen. Das Neue, schreibt Wolf Lotter im Vorwort zu seinem aktuellen Buch (Seite 24), braucht Neugier, Mut und Selbstbewusstsein genauso wie die Bereitschaft, Routinen aufzugeben und die Freiheit, eine Sache zu belassen, wie sie ist. Die Innovationskultur der Wissensgesellschaft schließt nicht aus, sie ist nicht alt oder jung, analog oder digital. Sie nutzt alle geistigen und kreativen Ressourcen, umfasst technische, soziale und kulturelle Entwicklungen gleichermaßen. Der Stoff, aus dem das Neue ist, ist nun mal nicht mit alten Maßstäben zu messen. Ist das nicht eine schöne Aussicht? //
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