brand eins 09/2006

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Titel: Die Welt ist eine Scheibe.

Schwerpunkt: Ortsbestimmung

Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:

Gipfel und Täler

• Es war einer der großen Irrtümer der New Economy. Kaum hatte ein Gründer Geld für seine Idee gefunden, zog es ihn hinaus in die Welt. Von globalisierungswütigen Investoren getrieben, eröffnete er Auslandsniederlassungen, bevor die Heimatfirma stand. Die Welt ist der Markt! Viele haben das wirklich geglaubt. Und übersehen, dass die Welt nicht der Kunde ist. Carl-Fritz Bardusch ist mit seiner Großwäscherei auch in die Welt gezogen, da war sein Unternehmen allerdings schon weit mehr als hundert Jahre alt. Es hatte Stand, es hatte Erfahrung, man wusste, was man kann und was nicht. Die Großwäscherei Bardusch hatte tiefe Wurzeln in der Region, bevor ihre Äste ins Ausland wuchsen (S. 70). Dabei geht es um mehr als um neu oder alt, groß oder klein, fortschrittlich oder konservativ – es geht um das Missverständnis der Globalisierung: Nur weil wir heute jeden Zipfel der Welt erreichen können, sind wir noch lange nicht an jedem Zipfel zu Hause. Die Unterschiede achten – das unterscheidet Globalisierung von Kolonialisierung. Und das zeichnet viele Unternehmen aus, die in der Welt erfolgreich sind. McDonald's zum Beispiel, für viele ein Synonym für Gleichmacherei, achtet sehr genau auf regionale Unterschiede und darauf, dass seine Franchise-Nehmer in der Region verwurzelt sind (S. 58). Fresenius Medical Care, Spezialist für Dialyseverfahren, sorgt dafür, dass die Verantwortung dort bleibt, wo sie hingehört – in der Region, bei den Menschen, die ihre Kunden kennen (S. 82). Und selbst der Nachrichtensender CNN, einer der großen Globalisierungs-Gewinner, fährt seit einiger Zeit einen konsequenten Regionalisierungskurs, weil Indern anderes wichtig ist, als Hispano-Amerikanern oder den Zuschauern in Beirut (S. 88). Die Welt ist nicht flach, wie der US-Journalist Thomas Friedman schreibt. Die Welt ist vielfältig, ein Flickenteppich aus Regionen, die so unterschiedlich sind wie München und Hoyerswerda. Die Gipfel und Täler werden von Menschen bestimmt. Von denen, die sich in ihrer Region engagieren, um sie zu einem lebenswerten Ort zu machen (S. 112, S. 126, S. 134). Und von denen, die – gut ausgebildet und weltgewandt - wählen können, wo sie leben wollen. Von der kreativen Elite also, wie sie der Bestseller-Autor Richard Florida nennt: Sie definiert die Gipfel. Und wer als Unternehmen wie als Region von ihrer Schubkraft profitieren will, tut gut daran, ihnen die Anregung zu bieten, die den Unterschied macht (S. 94). Europa hat in diesem Spiel keine schlechten Karten – solange sie verteilt bleiben. So richtig die spätestens mit der Währungsunion verbundene Einsicht war, dass der Nationalstaat die Welt von morgen nicht mehr bestimmt, so falsch ist die Idee, ihn durch einen starken europäischen Zentralismus zu ersetzen (S. 98). Die Vielfalt ist da, in mehr als 1250 europäischen Regionen. Aber man muss sie fördern – und auch die Nachteile akzeptieren. So sind die Vereinigten Staaten von Amerika sicher nicht perfekt. Doch die Amerikaner haben gelernt, mit den Unterschieden zu leben und zu genießen, dass sie immer neue Experimente erlauben (S. 104). Eines jedenfalls löst sich in Wohlgefallen auf, wenn wir der Welt ihre Vielfalt lassen: das Gefühl der Ohnmacht, das aus zu großen Aufgaben erwächst. Gipfel bauen kann jeder, an seinem Ort. Und jeder kann der Welt damit eine Menge geben.

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