Titel: Der beste Weg zum Kunden
Schwerpunkt: Verkaufen
Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Chefredakteurin Gabriele Fischer in ihrem Editorial:
Aufschwung, hausgemacht.
• Konjunkturforscher haben zurzeit Hochkonjunktur. Mit Akribie durchforsten sie die kleine Zahl: Ist nun Aufschwung oder nicht? Exporte und Industrieproduktion sind leicht gestiegen, was nicht viel nützt, solange die Binnennachfrage weiter sinkt. Wofür es viele Gründe gibt und einen Schuldigen: den Kunden. Er kauft nicht. Verweigert sich. Widersteht den Werbungsversuchen, die Marketingabteilungen ersinnen. Und so liegt die Frage nahe, ob das allein am Kunden liegt und seiner Angst vor der Zukunft und um sein Geld. Oder vielleicht an der Umwerbung? Klaus Brandmeyer, einst Leiter am Institut für Markentechnik in Genf, fragt sich, wer umworben wird – der Kunde oder der Vorstandschef (S. 58)? Den Kunden interessiert das Produkt, das jedoch aus vielen Kampagnen verschwindet. Stattdessen wird emotionalisiert und aufgeladen, wird Marke gemacht, ohne zu sagen, wofür. „Images“, warnt er, „entstehen nicht aus Images, sondern aus Fakten.“ Vertriebsleistung zum Beispiel. Qualität. Oder technische Brillanz. Um die ist es nicht immer gut bestellt. Denn mit der Entwicklung der Massenproduktion, so zeichnet brandeins-Autor Wolf Lotter nach, entwickelte sich der Kunde zunehmend zum ersten Tester (S. 48). In der Computerindustrie gang und gäbe, hat der Verkauf von Beta-Versionen längst Einzug in andere Branchen gehalten. Die unfreiwilligen Produktentwickler sammeln sich dann auf Verbraucherportalen wie Ciao.com. Oder, protestierend, bei Argh-factor.de. Sie könnten sich doch auch gleich beim Call Center der Firma melden? Könnten sie. Wenn sie durchkommen. Und dann noch einen Gesprächspartner finden, der mehr will als schnell wieder eine freie Leitung (S. 64). Kunden sind prima, Kunden mit Problemen unerhört. Und deshalb löst mancher Probleme, die der Kunde gar nicht hat. Die Kundenkarte ist so ein Beispiel: verspricht Rabatte, Zugehörigkeit, ab und zu ein Gewinnspiel. Und ist der Marketing-Renner bei Unternehmen aller Art. Doch nicht nur Insider wissen, dass bei der Mehrheit der Karten Kosten und Nutzen in ungünstigem Verhältnis stehen: Oder würden Sie den Händler Ihres Vertrauens wechseln, nur weil er keine Karte hat? Vertrauen. Auch in Zeiten von SMS-Marketing (S. 86), Internet-Kauf und elegischen Markenwelten geht es noch immer genau darum: um das Vertrauen, genau die Leistung zu bekommen, die versprochen ist. Nicht nur einmal, sondern immer wieder. Wer das verstanden hat, ist seinem Kunden ein gutes Stück näher gerückt. Und wer das wie Würth (S. 98) oder Aldi (S. 112) perfektioniert, kann mit seinem Kunden wachsen und ihn auch verstehen, wenn er eine andere Sprache spricht. Wer aber dem Kunden nur in der Marktforschung begegnet und ihn mit aller Marketingmacht auf Distanz hält – der muss auf die Konjunktur hoffen. Und auf die Rückkehr einer Zeit, in der Konsum glücklich machte, nicht das Produkt.
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