Titel: Auch Batman hat klein angefangen
Schwerpunkt: Heimliche Helden
Zum Inhalt dieses Heftes schreibt Gabriele Fischer in ihrem Editorial: Nur Mut
• Heimliche Helden, so haben wir uns vom Philosophen Christian Schneider sagen lassen, sind ein Widerspruch in sich (S. 36). Nur wer gesehen wird, wen andere zum Helden machen, kann einer sein. Außerdem leben wir sowieso im postheroischen Zeitalter und sollten darüber froh sein. Denn wozu brauchen wir heute noch einen Kämpfertypen, der, wie der Politikwissenschaftler Herfried Münkler definiert, "durch gesteigerte Opferbereitschaft Ehrerbietung zu erwerben trachtet"? Doch andererseits: Schön ist das schon, wenn man von Menschen hört, die über sich hinauswachsen, die mutig sind und tun, was nötig ist, oder auch nur, was ihnen abseits aller Konventionen richtig erscheint. Helden, sagt Christian Schneider, weisen über etwas hinaus. So betrachtet, können wir gar nicht genug von ihnen haben. Vielleicht brauchen wir also nur ein etwas anderes Heldenbild, das in die Zeit passt, nicht nur in die Vergangenheit. Wer oder was aber passt in die Zeit? Einer wie Helmut Lind? Nicht unbedingt ein Sympath, zudem Bankvorstand und, wie er selbst sagt, "sehr zielorientiert". Doch was er seiner Sparda-Bank zumutet, verlangt eine Menge Mut (S. 22). Oder Stefan Groschupf, Programmierer aus Halle, zweimal pleite, heute Chef einer Firma, die knapp zwölf Millionen Dollar von der Investoren-Legende Kleiner Perkins Caufield & Byers eingesammelt hat. Ob das schon heldenhaft ist? Ein Vorbild sind die Nerds von Datameer allemal (S. 50). Bei einer Frau wie der Richterin María Stella Jara Gutiérrez fällt es leichter, sie als Heldin zu sehen. Schließlich wird sie verfolgt und mit dem Tod bedroht. Sie selbst hat allerdings so gar keine Lust auf Heldentum. Sie hat sich nur an die Gesetze gehalten und Recht gesprochen (S. 72). Damit hat es bei vielen unserer heimlichen Helden angefangen – zu irgendeinem Zeitpunkt das Richtige zu tun oder zumindest das, was sie dafür halten. Thabo Molefe zum Beispiel wollte sich nicht damit abfinden, dass armen Menschen in Soweto der Strom abgedreht wird. Mit einer Truppe Gleichgesinnter schließt er die Haushalte wieder ans Netz an (S. 90). Oliver Fritsch wollte nicht zulassen, dass der mächtige Deutsche Fußball-Bund entscheidet, wer seine "Hartplatzhelden" sehen kann (S. 44). Und Jan Schierhorns Verdienst ist zunächst einmal nur, hingesehen und zugehört zu haben. Das war der Anfang der Das Geld hängt an den Bäumen GmbH (S. 68). So zeigen unsere heimlichen Helden vor allem, was alles möglich ist, wenn man sich nicht beirren lässt. Ein No-Budget-Musical zum Beispiel, eine unabhängige Online-Zeitung oder ein Platten-Label für Weltmusik (S. 130, 56, 112). Sie führen vor, wie man einen ganzen Stadtteil verändert oder den Blick auf Menschen mit Handicap (S. 104, 84). Manchmal sind sie ganz leise, fast stumm. Und leben so, dass der Sohn irgendwann doch den Helden in ihnen zu erkennen vermag: "Weil er den Mut gehabt hat, fortan das Beste aus seinem Leben zu machen, Liebe zu geben und Sicherheit und Geborgenheit." (S. 124) Die Männer und Frauen, denen Sie in dieser Ausgabe begegnen, sind keine Supermänner. Sie wollen sich nicht opfern, suchen keine Ehrerbietung und auch keinen Ruhm. Und sie sind auch nicht einfach nur gut, makellos, heldenhaft. Sondern Menschen, die sich auch mal verrennen, sich fürchten oder pleitegehen. Aber sie weisen "über etwas hinaus". Denn das bedeutet glücklicherweise nicht, unmenschlich zu sein.
Gabriele Fischer Chefredakteurin
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